Amtsgericht Hannover
Urt. v. 01.03.1994, Az.: 528 C 20182/93

Klage auf Aufnahme in einen gemeinnützigen Verein; Zuständigkeit des Amtsgerichts bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen; Verweigerung der Aufnahme in einen gemeinnützigen Verein auf Grund Weigerung zur Unterzeichnung einer Unterwerfungserklärung zur Unterstützung der Vereinsziele; Vereinbarkeit der Vereinsfreiheit mit der Aufnahme als Mitglied nach Entscheidung des Landesvorstandes unter Zustimmung der Kreisgruppe; Widerspruch mit den Satzungsmäßigen Zielen durch Masseneintrittsaktion zur Änderung der Stimmverhältnisse eines Vereins

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
01.03.1994
Aktenzeichen
528 C 20182/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 22238
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:1994:0301.528C20182.93.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Hannover - 24.01.1995 - AZ: 18 S 65/94

Verfahrensgegenstand

Aufnahme als Vereinsmitglied

Das Amtsgericht Hannover, - Abteilung 528 - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 1994
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte seinerseits zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger gehört zu einer Gruppe von 490 Antragstellern, deren Aufnahmeanträge dem Beklagten am 2.11.1993 als "Paket" in ... übergeben wurden.

2

Mit Schreiben vom 16.12.1993 lehnte es der Beklagte endgültig ab, dem Kläger die beantragten Mitgliedschaftsrechte einzuräumen, nachdem dieser sich geweigert hatte, die ihm übersandte Unterwerfungserklärung, wonach er die Ziele des Beklagten unterstützt, jede weitere Vertiefung der Ems und den Bau der Mercedes-Teststrecke bei Papenburg zu verhindern, zu unterzeichnen.

3

Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Beklagten dahin in Anspruch, seinen Aufnahmeantrag positiv zu bescheiden.

4

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, der Beklagte sei verpflichtet, ihn aufzunehmen, da er dessen satzungsmäßigen Ziele unterstütze. Als gemeinnützig anerkannter Verein müsse der Beklagte jedermann ermöglichen, ihm beitreten zu können. Insbesondere könne seine Aufnahme als Mitglied nicht davon abhängig gemacht werden, daß er die eingangs erwähnte Unterwerfungserklärung unterschreibe.

5

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Kläger als Mitglied aufzunehmen,

6

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Hannover zu verweisen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zunächst rügt der Beklagte die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts mit der Begründung, bei dem Anspruchsbegehren des Klägers handele es sich um einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, dessen Überprüfung in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Landgerichts falle.

9

In der Sache selbst vertritt der Beklagte die Auffassung, er könne im Rahmen der anerkannten Vereinsautonomie und auf der Grundlage seiner Satzung frei darüber befinden, wer als Mitglied aufgenommen werde.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

1.

Die Klage ist zulässig, denn die Entscheidung des Rechtsstreits fällt in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Hannover.

12

Zwar verfolgt der Kläger mit der von ihm angestrebten Aufnahme in den Beklagten einen nichtvermögensrechtlichen Anspruch, für den bis zum Inkrafttreten des Rechtspflegeentlastungsgesetzes vom 11.1.193 das Landgericht ausschließlich sachlich zuständig war (vgl. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG).

13

Allerdings ist die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts durch das Rechtspflegeentlastungsgesetz auch auf nichtvermögensrechtliche Ansprüche bis zu einem Streitwert von 10.000,- DM erweitert worden.

14

Da der Streitwert des Verfahrens lediglich bei 3.000,- DM liegt - bei dessen Bemessung darf allein auf die Mitgliedschaftsrechte des Klägers abgestellt werden - besteht die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover.

15

2.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

16

Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem klägerischen Aufnahmebegehren vom 2.11.1993 nachzukommen und dem Kläger entsprechende Mitgliedschaftsrechte einzuräumen.

17

Der Kläger kann den von ihm angestrebten Erwerb der Mitgliedschaft des Beklagten gerade nicht aus einem allgemeinen Aufnahmeanspruch herleiten. Vielmehr ist der Beklagte als Verein aufgrund der ihm zustehenden Autonomie selbst bei Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er einen Mitgliedschaftsbewerber aufnehmen will (vgl. BGHZ 101, 193, 200 [BGH 29.06.1987 - II ZR 295/86]; Palandt-Heinrichs § 25 Anm. 10).

18

Der Beklagte unterliegt mithin keinem Kontrahierungszwang.

19

Der aus Artikel 9 GG abgeleiteten Vereinsfreiheit trägt folgerichtig auch § 4 der Satzung des Beklagten Rechnung, wonach über den schriftlich zu stellenden Aufnahmeantrag der Vorstand des Landesverbandes mit Zustimmung der zuständigen Kreisgruppe entscheidet.

20

Insofern hat der Beklagte den Aufnahmeantrag des Klägers unter Hinweis auf seine in § 2 der Satzung erwähnten Aufgaben und Ziele zu Recht zurückgewiesen, zumal die Satzung des Beklagten eine Selbstbindung dahingehend, daß Bewerber, die die satzungsmäßigen Bedingungen für eine Mitgliedschaft erfüllen, einen eigenen Anspruch gegen den Verein auf Aufnahme erwerben, nicht enthält (vgl. BGHZ 101, 200 [BGH 29.06.1987 - II ZR 295/86]).

21

Gemäß § 2 Nr. e der Beklagtensatzung ist u.a. als Ziel des Beklagten vorgesehen, schädigende Eingriffe in den Natur- und Landschaftshaushalt mit allen gesetzlichen Mitteln zu verhindern. Dieser Gesichtspunkt hat den Beklagten in der Vergangenheit entscheidend veranlaßt, sich gegen eine Vertiefung der Ems und den Bau der Mercedes-Teststrecke im Emsland zu wenden und eine Verwirklichung dieser Vorhaben zu verhindern.

22

Genau das Gegenteil ist in dieser Frage das Bestreben des Klägers und seiner 489 Mitstreiter aus dem Raum Papenburg.

23

Dies jedenfalls hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung unumwunden eingeräumt und seine Weigerung, die ihm übersandte Unterwerfungserklärung zu unterschreiben, hiermit und mit abweichenden gutachterlichen Äußerungen begründet.

24

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß der Kläger sich in einem wichtigen Punkt im Widerspruch zu den satzungsmäßigen Zielen und Aufgaben des Beklagten befindet, wenngleich er betont, diese unterstützen zu wollen. Der Kläger kann nicht pauschal erklären, er befinde sich im Einklang mit dem vom Beklagten vertreteten Naturschutz- und Umweltgedanken, um gleichzeitig in Detailfragen von einigem Gewicht einen gegenläufigen Standpunkt zu vertreten. Der Beklagte ist aufgrund bestehender Beschlußlage entschieden gegen eine Vertiefung der Ems und den Bau der Mercedes-Teststrecke bei Papenburg.

25

Indem der Kläger im Zusammenwirken mit weiteren 489 Bewerbern versucht, in dieser Streitfrage die Beschlußtrage des Beklagten durch eine groß angelegte Eintrittswelle zu ändern, stellt er sich in Widerspruch zu den satzungsmäßigen Zielen des Beklagten.

26

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Ablehnung des klägerischen Aufnahmeantrags durch den Beklagten als sachlich gerechtfertigt und damit nicht willkürlich dar.

27

Es kann nicht festgestellt werden, daß der. Beklagte in verwerflicher Absicht bzw. in diskriminierender Weise das Beitrittsgesuch des Klägers abgelehnt hat.

28

Insofern wäre ein Aufnahmeanspruch des Klägers [xxxxx]Aufnahmezwangs auch dann zu verneinen, sollte dem Beklagten eine Monopolstellung oder eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich zukommen (vgl. Münchner Kommentar - Reuter vor § 21 Anm. 107, BGHZ 101, 200 [BGH 29.06.1987 - II ZR 295/86]).

29

Der Beklagte ist im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes tätig, den so bekannte Organisationen wie ... und ... ebenfalls auf ihre Fahnen geschrieben haben.

30

Schon die Erwähnung dieser beiden weiteren Umweltschutzorganisationen macht deutlich, daß dem Beklagten keine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich, geschweige denn eine Monopolstellung zukommt.

31

Von daher ist es dem Kläger auch unbenommen, durch den Eintritt in andere Umweltschutzorganisationen zu versuchen, deren Augenmerk und Aktivitäten auf die Probleme in der Region um Papenburg zu lenken.

32

Schließlich läßt sich das Anspruchsbegehren des Klägers auch nicht unter Hinweis auf § 29 Abs. 2 Nr. 5 Bundesnaturschutzgesetz rechtfertigen.

33

Soweit für die Anerkennung eines Vereins zur Mitwirkung bei Planungen und die Einsichtnahme in einschlägige Sachverständigengutachten vorgesehen ist, daß ein solcher Verein den Eintritt jedermann ermöglichen muß, der dessen Ziele unterstützt, kommt dieser Vorschrift allein in dem vorbezeichneten öffentlich-rechtlichen Anerkennungsverfahren Bedeutung und keinerlei Drittwirkung im Sinne eines Individualschutzes zu.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus §,91 ZPO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.