Amtsgericht Hannover
Urt. v. 26.05.1994, Az.: 510 C 705/94
Voraussetzungen der Durchsetzung eines Schmerzensgeldanspruchs gegen eine Friseurin wegen einer mangelhaft durchgeführten Dauerwellbehandlung von mehr als schulterlangem Haar; Ausgestaltung der Qualifizierung einer zu starken Strapazierung von Kopfhaar durch eine Dauerwellbehandlung als Körperverletzung
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 26.05.1994
- Aktenzeichen
- 510 C 705/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 24154
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:1994:0526.510C705.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 847 BGB
Verfahrensgegenstand
Schmerzensgeldforderung
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover, - Abteilung 510 -
auf die mündliche Verhandlung vom 18.04.1994
durch
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 03.02.1994 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat gemäß den §§ 823, 847 BGB Anspruch darauf, daß ihr die Beklagte ein Schmerzensgeld von 1.000,- DM zahlt, denn jene hat 14.05.1993 fahrlässigen deren Körper verletzt.
Aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin Stephan-Haase steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß das mehr als schulterlange Haar der Klägerin durch die von der Beklagten durchgeführte Dauerwellbehandlung so in Mitleidenschaft gezogen worden ist, daß es kurz geschnitten werden mußte. Die als Friseurmeisterin sachkundige Zeugin hatte das Haar der Klägerin am 15.05.1994 in Augenschein genommen und dabei nach ihren zuverlässigen Angaben festgestellt, daß es durch die zuvor durchgeführte Dauerwelle zu stark strapaziert und überdehnt war. Wie die Zeugin weiter ausgesagt hat, brach das Haar infolge dessen stellenweise oberhalb des Haaransatzes ab, so daß es abgeschnitten werden mußte. Darin lag eine Körperverletzung, die darüber hinaus zu einer Gesundheitsverletzung der Klägerin geführt hat. Denn aufgrund der nervenärztlichen Bescheinigung vom 03.08.1993 steht fest, daß der Haarverlust bei der Klägerin eine reaktive depressive Verstimmung ausgelöst hat (vergl. Blatt 5 d.A.).
Für diese Folgen hat die Beklagte einzustehen, weil sie bei der Behandlung vom 14.05.1993 die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Zwar liegen bei dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Anshaltspunkte dafür vor, daß die Beklagte eine falsche Dauerwellenflüssigkeit verwendet oder aber die eingesetzte chemische Substanz falsch dosiert hat. Ebensowenig kann bei der Aussage der Zeugin Stephan-Haase und dem Gutachten des Sachverständigen Uhlig davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Wellflüssigkeit zu lange einwirken lassen hat oder das jener bei der Trocknung des Haares ein Fehler unterlaufen ist.
Jedoch steht aufgrund der weiteren Beweisaufnahme fest, daß die Beklagte ein Verschulden trifft, weil sie die Dauerwellbehandlungüberhaupt durchgeführt hat, ohne die Klägerin zuvor auf die hier naheliegenden schädlichen Folgen hinzuweisen. Wie die Zeugen Stephan-Haase bekundet hat, war das Haar der Klägerin zuvor schon so porös gewesen, daß eine Dauerwellbehandlung im Bereich des längeren Haares nicht mehr verantwortet werden konnte, vielmehr nur noch in dem Bereich des Oberkopfes in Betracht kam, wo das Haar unmittelbar nachgewachsen war. Die Zeugin Kaiser hat ausgesagt, sie habe beim Wickeln des Haares der Klägerin mitbekommen, daß dieses sich schwer kämmen ließ und daß es porös, splissig und aufgequollen war. Sie hat den Zustand des Haares als "sehr kaputt" bezeichnet. Die Beklagte konnte und mußte jedenfalls erkennen, daß das Haar in so schlechtem Zustand war, daß es nicht durch eine weitere Dauerwelle strapaziert werden durfte.
Der im Termin zur Beweisaufnahme hinzugezogene Sachverständige Friseurmeister Uhlig ist in seinem mündlich erstatteten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, daß der Beklagten nicht verborgen geblieben war, daß der Zustand des Haares kristisch war. Nach seiner sachkundigen Stellungnahme, der sich das Gericht anschließt, hätte die Beklagte die Dauerwelle im vorliegenden Streitfall ganz ablehnen müssen. Jedenfalls war die Beklagte hier aber verpflichtet, die Klägerin nachhaltig auf die naheliegenden schädlichen Folgen der Dauerwellbehandlung hinzuweisen. Alle Umstände sprechen dafür, daß die sehr um ihr Haar besorgte Klägerin nach einer solchen Belehrung von der Dauerwelle abgesehen hätte.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe der Klägerin zu einer saueren Dauerwelle geraten, die allerdings wesentlich teurer gewesen sei. Einmal steht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Uhlig fest, daß das bei der von der Klägerin gewünschten Behandlung zum Preis von 69,90 DM eingesetzte Wellmittel "Perform G" keinesfalls alkalisch war und die richtige Flüssigkeit gewesen wäre, wenn sich das Haar in normal belastetem Zustand befunden hätte. Zum anderen hätte ein Hinweis auf eine andere bessere Dauerwellbehandlung zu einem höheren Preis auch nur dann etwas an der Entscheidung dieses Rechtsstreits geändert. Wenn die Beklagte gleichzeitig darauf hingewiesen hätte, daß die von der Klägerin gewählte Dauerwelle zu erheblichen Schäden am Haar führen könnte. Daß ein derartiger Hinweise erfolgt ist, behauptet die Beklagte selbst nicht.
Mithin steht fest, daß die Beklagte fahrlässig Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt hat. Im Falle einer solchen Verletzung kann die verletzte Person gemäß § 847 BGB auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Bemessungsgrundlagen sind insoweit Ausmaß und Schwere der psychischen und physischen Störungen sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verletzten und des Schädigers. Aufgrund der nervenärztlichen Bescheinigung vom 03.08.1993 in Verbindung mit der gemäß den §§ 287, 448 ZPO ergänzend vernommenen Klägerin steht fest, daß bei dieser infolge der Behandlung vom 14.05.1993 eine nicht unerhebliche Lebensbeeinträchtigung eingetreten ist. Die Ärztin Dr. med. Kretschmann hat noch Anfang August 1993 festgestellt, daß es infolge des Haarverlustes bei der sensiblen Klägerin zu einer reaktiven depressiven Verstimmung mit ängstlichen Zügen gekommen ist. Diese hat insoweit glaubhaft bestätigt, daß sie ihre Haae anfangs unter einem Tuch verborgen habe, damit niemand sehen konnte, was passiert war. Wie sei weiter ausgesagt hat, hat sie sich erst einige Tage später nach einer Beratung mit ihrem Mann dazu entschließen können, die Haare kurz schneiden zu lassen. Für glaubhaft hält das Gericht auch, daß sie unter Alpträumen gelitten hat und daß infolge der Aufregung Verdauungsstörungen aufgetreten sind, wie auch aus der nervenärztlichen Bescheinigung hervorgeht. Unter Berücksichtigung aller in diesem Prozeß aufgetretenden Umstände hält das Gericht bei der beruflichen Stellung und dem Einkommen beider Parteien ein Schmerzensgeld von 1.000,- DM für angemessen und ausreichend. Eine höhere Entschädigung ist insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil ihr kein handwerklicher Fehlgriff sondern letztlich ein Beratungsfehler an "kritischer Schwelle" (Sachverständiger Uhlig) zur Last fällt, so daß nur von leichter Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann.
Auf die der Klägerin danach zustehende Entschädigung von 1.000,- DM hat die Beklagte gemäß den § 288, 291 BGB Prozeßzinsen in Höhe von 4 % zu zahlen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 713 ZPO.