Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.07.2016, Az.: 7 B 3175/16

Anklageschrift; Berufsbezeichnung; Interimsgefahr; Krankenschwester; Rechtsschutz; Sofortige Vollziehung; Staatsanwaltschaft; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
12.07.2016
Aktenzeichen
7 B 3175/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch aus einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft kann im Einzelfall bereits der Schluss auf die
Unzuverlässigkeit gezogen werden, die den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der
Berufsbezeichnung Krankenschwester erfordert.

Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist eine über das gefahrenabwehrrechtliche
Grundinteresse am Widerruf hinausgehende besondere Begründung erforderlich, die insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Abwehr einer Interimsgefahr genügen muss.

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die im Jahre 1967 geborene Antragstellerin ist seit 1995 Krankenschwester (vgl. Urkunde, Blatt 110 der Beiakte).

Sie war lange Zeit als häusliche Pflegekraft mit der Betreuung der im Jahre 1997 geborenen, körperlich und geistig schwerstbehinderten …. beauftragt und pflegte sie in der Regel in den Nachtstunden zu Hause. Die an Verlassen-Ängsten leidende … kann keine eigenen Entscheidungen treffen und hatte (im Jahre 2014) ein Körpergewicht von unter 30 kg. Die Antragstellerin verbrachte jeweils die Nächte mit ihr in einem Doppelbett.

Am 12. April 2016 (Blatt 2 Beiakte) erhielt der Antragsgegner Kenntnis von strafrechtlich relevanten Vorfällen und der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Aurich vom 20. März 2016 zum Geschäftszeichen 110 Js 1099/15. Mit dieser Anklageschrift (Blatt 3 ff. Beiakte) klagt die Staatsanwaltschaft Aurich die Antragstellerin an

„zwischen dem 21.04.2014 und dem 28.12.2014
in Emden

durch 11 Straftaten jeweils

eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt zu haben, wobei die Körperverletzung durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen begangen wurde.“

Weiter heißt es dort:

„Der Angeschuldigten wird zur Last gelegt:

...

In den Nächten der Wachen beginnend am 21., 22., 23, 24, 25.04.2014 und erneut in den Nächten beginnend am 21., 22,. 23., 24,. 26. und 28.12.2014 verabreichte die Angeschuldigte der Zeugin … jeweils das Medikament „Lorazepam-ratiopharm“, das den Wirkstoff Lorazepam in einer Konzentration von 1 mg pro Tablette enthielt. Dieser Wirkstoff war der Zeugin nicht verschrieben worden und hatte für die Patientin auch keinerlei therapeutischen Nutzen. Der Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine wird zur Behandlung von schweren Angststörungen, Muskelzuckungen, Krämpfen, Epilepsie und als Beruhigungsmittel eingesetzt.

Wie von der Angeschuldigten beabsichtigt, führte die Anwendung bei der Zeugin … unmittelbar dazu, dass sie die jeweilige Nacht, in der die Angeschuldigte Dienst hatte, und einen Teil des folgenden Vormittags nicht bei Bewusstsein war. Wie von der Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen, führte die medizinisch nicht indizierte und ärztlich nicht überwachte Anwendung im April 2014 bei der Zeugin …. zu Apathie und Schwäche und in der Folge zu einer Einlieferung ins Krankenhaus, im Dezember 2014 erneut zu Appetitlosigkeit, Schwäche und Apathie.“

Mit Bescheid vom 17. Juni 2016 widerrief der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Antragstellerin die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“. In den Gründen heißt es im Wesentlichen, dass die Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes zu widerrufen sei. Die Antragstellerin biete in ihrer Person nicht mehr die Gewähr dafür, dass sie in Zukunft ihren Beruf als „Krankenschwester“ ordnungsgemäß ausführen werde, wie sich schon aus der Anklageschrift ergebe. Die Beurteilung sei eine Prognoseentscheidung und auf die künftige Berufsausübung gerichtet, ohne dass insoweit eine vollständige Gewissheit verlangt werden könne. Erforderlich, aber auch ausreichend sei, dass bei verständiger Würdigung des Sachverhalts aus dem bisherigen Fehlverhalten laut Anklageschrift die begründete Besorgnis abgeleitet werden könne, dass die Antragstellerin bei ihrer zukünftigen Tätigkeit nach ihrer inneren Einstellung der Pflicht, der Gesundheit des einzelnen Patienten und der gesamten Bevölkerung zu dienen, nicht gerecht werde.

Auch habe die Antragstellerin zugegeben, der schwerstbehinderten R. einmal, und zwar in der Nacht vom 28. Dezember 2014 auf den 29. Dezember 2014, eine halbe Tablette des verschreibungspflichtigen Mittels Lorazepam verabreicht zu haben. Dass entgegen der Annahme der Anklageschrift bestritten werde, der R. regelmäßig ein verschreibungspflichtiges Mittel gegeben zu haben, sei unbeachtlich.

Zudem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch unter den gegebenen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zwingend.

Die Antragstellerin hat am 28. Juni 2016 Klage im Hauptsacheverfahren 7 A 3174/16 erhoben und zugleich vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, dem der Antragsgegner entgegentritt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten nimmt das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners (Beiakte) Bezug.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg, weil sich die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen den Widerruf aller Voraussicht nach als unbegründet erweisen dürfte, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO - dazu 1. -, und weil zudem, wie in Fällen vorliegender Art erforderlich, die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs rechtmäßig ist, insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht - dazu 2. -.

1. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2016 erweist sich nach derzeitigem Sach- und Erkenntnisstand als rechtmäßig; die Klage dürfte voraussichtlich unbegründet sein, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Daher kommt insoweit eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht.

Der angegriffene Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden; so hat der Antragsgegner der Antragstellerin vor seinem Erlass in ordnungsgemäßer Art und Weise zunächst angehört, § 28 VwVfG.

Auch in materieller Hinsicht ist dieser Bescheid voraussichtlich rechtsfehlerfrei:

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz - KrPflG -) bedarf der Erlaubnis, wer eine der Berufsbezeichnungen „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Krankenpfleger“ führen will. Gemäß § 2 Abs. 1 KrPflG ist die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 KrPflG auf Antrag zu erteilen, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller

1. die durch dieses Gesetz vorgeschriebene Ausbildungszeit abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat,

2. sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt, und

3. nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 2 KrPflG weggefallen ist.

Nach § 23 KrPflG gilt das Voranstehende entsprechend für die frühere Berufsbezeichnung „Krankenschwester“.

Unzuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG liegt vor, wenn der Berufsausübende aufgrund bestimmter Tatsachen für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bietet (vgl. unter anderem BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 1993 - Az.: 3 B 38/93 - juris m.w.N.; Nds. OVG, Beschluss vom 23. Dezember 2004 - Az.: 8 ME 169/04 - zum Widerruf einer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Altenpfleger, juris). Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Ausschlaggebend für die Prognose der Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit und der Lebensumstände, wobei nicht ausschließlich das bisherige Fehlverhalten zugrunde zu legen ist (VG Mainz, Urteil vom 24. Januar 2005 - Az.: 6 K 727/04 -, Berufsbezeichnung Rettungsassistent, juris; BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12/95 -, zum Widerruf einer Approbation nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Bundesärzteordnung, juris). Die anzustellende Prognose ist nicht darauf beschränkt, ob die nach Art, Zahl und Schwere beachtlichen Verkehrsverstöße gegen Berufspflichten in der Vergangenheit erwarten lassen, der Betreffende werde gleiche (oder zumindest ähnliche) Berufspflichten in der Zukunft schwerwiegend verletzen; vielmehr kann aus dem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen Berufspflichten manifest gewordenen Charakter des Betreffenden auch die Befürchtung abzuleiten sein, es seien andere, aber ähnlich schwerwiegende Verstöße gegen Berufspflichten ernsthaft zu besorgen (BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - Az.: 3 C 37/01 - zum Widerruf der Apotheker-Approbation unter anderem wegen Abrechnungsbetruges, juris).

Dabei ist zum Prüfungsmaßstab festzuhalten, dass das Merkmal der Unzuverlässigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist daher die Frage, ob die im Rechtsstreit für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung festgestellten Tatsachen die rechtlichen Kriterien der Unzuverlässigkeit erfüllen; dabei ist das Gericht nicht an die von der Behörde festgestellten Tatsachen gebunden (BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, juris).

Nach den im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung feststehenden Tatsachen ist die Antragstellerin als unzuverlässig im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 KrPflG anzusehen. Zu berücksichtigen war dabei maßgeblich die Anklage gegen die Antragstellerin und dabei das von ihr insoweit jedenfalls in einem Fall der insgesamt 11 zur Last gelegten Taten eingeräumte Fehlverhalten.

Diese Gesamtumstände führen zur Annahme der Unzuverlässigkeit der Klägerin in berufsrechtlicher Hinsicht. Dabei legt die Kammer die tatsächlichen Feststellungen sowie die rechtliche Würdigung der Anklage bei der Prognoseentscheidung zugrunde. Im Kern geht es bei einer solchen Prognose darum, dass eine Sorg- oder gar Bedenkenlosigkeit, die zwingend aus Verstößen in der Vergangenheit abzuleiten ist, auch künftig zu erwarten ist, ob m.a.W. im Hinblick auf die Berufspflichten einer „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ - hier: Krankenschwester - der Betreffende auch künftig ähnlich sorg- bzw. bedenkenlos mit seinen Berufspflichten umgehen werde (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 11. Februar 2015 - 1 A 159/14 -, juris). So liegt es nahe, dass die Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG am Ehesten zu widerrufen ist, wenn der Betroffene - wie hier die Antragstellerin - die Grundpflichten seines Berufs vernachlässigt. Die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil können von den Behörden und vom Verwaltungsgericht regelmäßig zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -, juris), wenn nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gegeben sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, juris) können selbst die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen ergeben. Diese Rechtsprechung gilt auch für den Widerruf der Erlaubnis gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG (so die vorzitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für die Zusammenhänge von Approbations-Widerrufen). Dies gilt hier auch hinsichtlich der Anklageschrift des zuständigen Strafverfolgungsorgans der Rechtspflege und erst recht hinsichtlich des insoweit bereits (wenn auch nur einmaligen, aber hinreichenden) eingeräumten Fehlverhaltens der Antragstellerin, so dass das Gericht eine eigenständige Würdigung insoweit nicht vorzunehmen bräuchte (vgl. dazu insbesondere Nds. OVG, Beschl. v. 17. Februar 2017 - 8 ME 213/15 -, juris). Insbesondere hat sich die Antragstellerin jedenfalls einmal eines Verhaltens schuldig gemacht, das unmittelbar die Gesundheit von Einzelnen gefährdet, und Kernpflichten ihrer Berufsausübung tiefgreifend verletzt. Es bedarf daher keiner vertieften Begründung, dass die Nutzer von Pflegedienstleistungen darauf vertrauen können müssen, dass ihre berechtigten Interessen gewahrt werden, wie sie dies zu Recht auch bei der Inanspruchnahme beispielsweise ärztlicher Leistungen erwarten können. Es stellt einen äußerst gravierenden Bruch des Vertrauensverhältnisses, das einer Pflegeleistung notwendig zugrunde liegt, dar, wenn die Nähe in der Situation der Pflege und die relative Hilflosigkeit eines Pfleglings ausgenutzt werden, um statt der Erbringung der geschuldeten Pflegeleistung, die hier im Beruhigen der ängstlichen und ansonsten weitgehend hilflosen R. durch körperliche Nähe und nächtliche Zuwendung im Doppelbett bestand, sich durch Gabe eines - psychoaktiv wirkenden - Stoffes bzw. Medikaments ohne ärztliche Befundung, Beratung und Verordnung zwecks Ruhigstellung der R. anderweitig beschäftigen zu können und sich der geschilderten Pflicht zu entziehen. Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Prognose des Antragsgegners, die Antragstellerin werde auch in Zukunft ihre Berufspflichten schwerwiegend verletzen, zumal diese Pflichtverletzung in der klassischen Pflegesituation aufgetreten ist, die auch in Zukunft so immer wieder auftreten würde.

Es ist im Übrigen aufgrund der Auszüge aus den Ermittlungsakten, die in den Verwaltungsvorgängen enthalten sind, nicht ersichtlich, dass gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Annahmen der Anklageschrift sprächen. Vielmehr ist es überwiegend unwahrscheinlich, dass nur ein einmaliger Vorfall der angeklagten Art vorgelegen hat.

Das Gericht verkennt die persönlichen Härten nicht, die mit dem Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ für die Antragstellerin entstehen. Diese müssen indes mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 KrPflG außer Betracht bleiben. Daneben verweist das Gericht auch auf andere, erlaubnisfreie Betätigungen in pflegerischen Hilfsberufen.

Mithin erweist sich der angegriffene Bescheid nach derzeitigem Sach- und Erkenntnisstand als rechtmäßig und dürfte die in der Hauptsache erhobene Klage daher abzuweisen sein.

Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt daher deshalb nicht schon in Betracht, weil sie etwa Erfolg haben müsste. Im Gegenteil ist nach Voranstehendem anzunehmen, dass sie erfolglos bleibt.

2. Die Kammer kann auch nicht deshalb gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung im angegriffenen Bescheid rechtswidrig wäre. Denn sie ist rechtmäßig.

In Fällen des Widerrufs vorliegender Art muss die Anordnung der sofortigen Vollziehung besonderen Anforderungen genügen, insbesondere verfassungsgemäß sein. Dem entspricht hier die Anordnung, indem sie zur Abwehr einer Interimsgefahr notwendig ist.

In formeller Hinsicht genügt die zu Recht auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO als Rechtsgrundlage gestützte Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO; insbesondere ist sie hinreichend schriftlich auf Seite 3 des angegriffenen Bescheides begründet.

Inhaltlich trägt auch die im angegriffenen Bescheid niedergelegte Begründung hier im vorliegenden Einzelfall die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs hat ein selbständiges vorläufiges Verbot zur Ausübung des Berufes zum Inhalt, das in seinen Wirkungen über diejenigen des Widerrufs selber hinausgeht und damit schwerwiegend in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn der Sofortvollzug schon vor Rechtskraft des Widerrufs selber als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. (vgl. zum Ganzen unter Mitteilung der wesentlichen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung: Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Mai 2012 - 8 ME 59/12 -, juris, und ebenso Beschluss der Kammer vom 19. März 2013 - 7 B 2099/13 -, Vnb.).

Gemessen daran ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs rechtmäßig. Die Kammer folgt insoweit für den vorliegenden Einzelfall der Annahme des Antragsgegners, es liege eine Gefahr für das Allgemeinwohl für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den Widerruf selber, mithin eine Interimsgefahr vor, die die privaten Belange der Antragstellerin, insbesondere ihre Berufsfreiheit, überwiegt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 - juris). Dies gilt insbesondere, soweit der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid feststellt, dass zur Abwehr konkreter Gefahren für Dritte, insbesondere der Patienten, die sofortige Vollziehung erforderlich ist. Es besteht auch zur Überzeugung der Kammer jederzeit die konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung Dritter. Die überragenden öffentlichen Belange rechtfertigen es im vorliegenden Einzelfall, den Rechtsanspruch der Antragstellerin einstweilen zurückzustellen; denn angesichts der Schutzpflicht für die Gesundheit des Einzelnen als überragendem Schutzgut, vgl. Art. 2 Abs. 2 GG, muss das Interesse der Antragstellerin, auch soweit es aus Art. 12 GG abzuleiten ist, hier zurückstehen.

3. Damit zugleich war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Fehlens der erforderlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzulehnen, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.

4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 GKG i.V.m. Ziff. 14.1 und 1.5 Streitwertkatalog 2013. Danach war der mit 15.000,00 Euro für das Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert auf 7.500,00 Euro für das vorliegende Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.