Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 08.03.2018, Az.: 7 A 803/18

Allgemeine Lage; Armenien; Inländische Fluchtalternative; Schutzfähig- und -willigkeit des Staates; Übergriffe privater Dritter

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
08.03.2018
Aktenzeichen
7 A 803/18
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2018, 74452
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der armenische Staat ist schutzfähig und -willig gegenüber Übergriffen privater Dritter. Armenien bietet insoweit zudem inländische Fluchtalternativen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist der Gerichtsbescheid vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die im Jahre 1960 geborene Klägerin ist Armenierin, reiste nach eigenen Angaben am 17. Dezember 2017 nach Deutschland und stellte am 9. Januar 2018 (vgl. Seiten 19ff der elektronischen Beiakte - BA -) Asylantrag.

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Fallingbostel am 24. Januar 2018 brachte sie im Wesentlichen vor (vgl. Niederschrift Seiten 61ff BA), von ihrem alkoholkranken Bruder drangsaliert worden zu sein, er habe versucht, sie im Schlaf zu ersticken, sie befürchte bei Rückkehr, von ihrem Bruder umgebracht zu werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Zirndorf, vom 2. Februar 2018 lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus sowie die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten ab und forderte die Klägerin unter Abschiebungsandrohung nach Armenien bei gleichzeitiger Befristung des Wiedereinreiseverbotes auf 30 Monate zur Ausreise auf.

Die Klägerin hat am 12. Februar 2018 Klage erhoben und beantragt (Klageschrift, Seite 2 oben):

„die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und höchsthilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7, Satz 1 des AufenthG festzustellen und den Bescheid der Beklagten vom 02.02.2018, zugestellt am 07.02.2018 aufzuheben, soweit er dem Begehr entgegensteht.“

Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 28. Februar 2018),

die Klage abzuweisen,

bezieht sich zur Begründung auf den angegriffenen Bescheid und legt elektronisch ihren Verwaltungsvorgang (BA) vor.

Wegen der Einzelheiten verweist das Gericht auf den Akteninhalt.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 7. März 2018 durch den Einzelrichter, nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid und nach Ablauf der Vorbringensfrist aus § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG entscheidet, ist unbegründet.

Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Zirndorf, vom 2. Februar 2018 erweist sich insgesamt als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf subsidiären Schutz und auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG, § 113 Abs. 5 VwGO, und insoweit auch nicht auf einen weiteren Verbleib in Deutschland.

Es ist nichts dafür ersichtlich,

·dass Leben oder Freiheit der Klägerin wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung in Armenien bedroht sind (§ 3 Abs. 1 AsylVfG),
·ihr in Armenien ein ernsthafter Schaden gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG droht (Satz 2 Nr. 1: Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Satz 2 Nr. 2: Folter oder menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder Satz 2 Nr. 3: eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts),
·dass die Abschiebung unzulässig ist, weil sich dies aus der Anwendung der MRK ergibt (§ 60 Abs. 5 AufenthG),
·ihr Ansprüche auf Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG zustehen könnten.

Die Ablehnung ihrer Begehren ist gerechtfertigt. Der angegriffene Bescheid begründet dies zutreffend. Dem folgt das Gericht.

Die Annahmen und Wertungen der Beklagten im angegriffenen Bescheid sind gedeckt durch den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel (vgl. insbesondere: Lageberichte des Auswärtigen Amtes). Danach ergibt sich:

Armenien ist ein Binnenstaat im Kaukasus im Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, Iran und der Türkei und entspricht dem nordöstlichen Teil des früheren, ehemals viel größeren armenischen Siedlungsgebietes. Die Bevölkerungszahl beträgt etwa drei Millionen. Mit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 erlangte die vormalige Armenische Sozialistische Sowjetrepublik ihre Unabhängigkeit. Innerhalb der seitherigen demokratischen Verfassung nach westlichen Muster hat die Republik Armenien als Staatsoberhaupt einen Präsidenten (derzeit: Sersch Sargsjan) und als Regierungschef einen Premierminister (derzeit: Karen Karapetjan).

Nach den Verfassungsänderungen von 2005 ist die Gewaltenteilung in der Verfassung der Republik Armenien formell gestärkt. Insoweit lässt sich allerdings in der Realität auch anderes feststellen. Die Unabhängigkeit der Gerichte leidet noch unter Korruption und Nepotismus (sog. Vetternwirtschaft). Im Dezember 2015 kam es zur Billigung weitreichender Verfassungsänderungen durch ein Referendum und damit zur Ausweitung des Grundrechtekatalogs, zur Umwandlung von einem semi-präsidialen zu einem parlamentarischen System und gleichzeitig auch zur Stärkung der Rechte der Opposition. Der Staatspräsident billigte im Februar 2015 den ‚Strategieplan‘ 2014 bis 2016 zur Umsetzung der internationalen Verpflichtungen Armeniens im Bereich der Menschenrechte durch die zuständigen Staatsorgane. Es kommt dennoch in Armenien zu politisch motivierten strafrechtlichen Verurteilungen und auch Haftstrafen. Friedensverhandlungen zur Beilegung des Bergkarabach-Konflikts mit Aserbaidschan werden geführt, eine Beilegung des Konfliktes ist aber derzeit nicht ersichtlich. Zuletzt kam es im Jahr 2016 zu Konflikten. Defizite sind im Bereich der Medien-und Informationsfreiheit weiterhin zu verzeichnen. Demonstrationen werden regelmäßig genehmigt; die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit wird allerdings durch das Gesetz über administrative Haft und das Versammlungsgesetz reglementiert. Auch im Laufe des Jahres 2015 ging die Polizei teilweise hart gegen verschiedene Demonstrationen vor. Die Proteste richteten sich beispielsweise gegen Strompreiserhöhungen oder gegen das Referendum zur Verfassungsreform (s.o.). Die Religionsfreiheit wird durch die Verfassung prinzipiell gewährt, unterliegt allerdings in der Praxis gewissen Einschränkungen. Die armenisch-apostolische Kirche genießt eine privilegierte Stellung, was in der Praxis zuweilen zu einer Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften führen kann. Einvernehmliche homosexuelle Handlungen unter Erwachsenen sind seit 2003 nicht mehr strafbar. Männer und Frauen sind gleichberechtigt; eine rechtliche Diskriminierung von Frauen gibt es nicht; die Rolle der Frau ist durch die traditionelle patriarchalische Gesellschaftsstruktur geprägt. Es gibt nur wenige Frauen in wichtigen Ämtern, schlechtere Bezahlung und mangelnde Aufstiegschancen sind die Regel. Die medizinische Versorgung ist grundsätzlich gewährleistet.

Dies insgesamt wird bestätigt durch den derzeit aktuellen

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar 2017)“ des Auswärtigen Amtes vom 21. Juni 2017,

dessen ‚Zusammenfassung‘ (S. 5 ebd.) wörtlich wie folgt lautet:

Die im Dezember 2015 durch Referendum gebilligten weitreichenden Verfassungsänderungen sehen zum einen die Ausweitung des Grundrechtekatalogs, zum anderen die Umwandlung von einem semi-präsidialen zu einem parlamentarischen System bei gleichzeitiger Stärkung der Rechte der Opposition vor.

Die Menschenrechtslage bleibt jedoch trotz Fortschritten in einigen Teilbereichen weiterhin unbefriedigend.

Grundsätzlich ist keine staatliche Beschränkung der Aktivitäten von Vertretern der Zivilgesellschaft oder eine Einschränkung der Meinungsfreiheit festzustellen. Gleichwohl sind Defizite im Bereich der Medien- und Informationsfreiheit zu verzeichnen. Die verfassungsmäßig garantierte Versammlungsfreiheit ist in der Praxis durch das Gesetz über administrative Haft und das Versammlungsgesetz eingeschränkt. Auch geht die Polizei weiterhin gelegentlich unangemessen hart gegen Demonstranten vor.

Obwohl in der armenischen Verfassung das Verbot von Folter sowie von unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung festgeschrieben ist, kommen körperliche Misshandlungen in Polizeigewahrsam weiter vereinzelt vor. Das armenische Strafgesetzbuch steht weiterhin nicht in Übereinstimmung mit der VN Konvention gegen Folter. Die Situation in den Strafanstalten des Landes entspricht größtenteils nicht den internationalen Mindeststandards der Häftlingsbetreuung.

Die Verfassung gewährt prinzipiell Religionsfreiheit. Diese unterliegt in der Praxis jedoch gewissen Einschränkungen. Die privilegierte Stellung der armenisch-apostolischen Kirche führt in der Praxis zuweilen zu einer Zurücksetzung anderer Religionsgemeinschaften.

Vor diesem Hintergrund beurteilt der angegriffene Bescheid die Lage in Armenien und die Situation der Klägerin zutreffend. Er würdigt dazu zutreffend, dass der Klägerin gegenüber keine Maßnahmen ergriffen worden sind, die relevant sein könnten, soweit es die geltend gemachten Ansprüche anbelangt. Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG lagen nicht vor und drohen auch bei gedachter Rückkehr nicht. Entsprechendes gilt auch mit Blick auf § 4 AsylG; der Klägerin droht kein ernsthafter Schaden in Armenien.

Die Klägerin könnte zum einen wegen der Erlangung staatlichen Schutzes, zum anderen wegen sicherer Orte an anderer Stelle in Armenien ohne begründete Angst vor und frei von Verfolgung in Armenien leben (so schon VG Göttingen, aaO., VG München, Urteil vom 22. Juni 2001 - M 23 K 00.51963 -, juris). Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. August 2014 - 6a K 2888/11.A -, juris) überzeugend darauf abgestellt, dass selbst dann, wenn die Angaben über angebliche Übergriffe Dritter bei gedachter Rückkehr nach Armenien zutreffen sollten, solche Übergriffe dem armenischen Staat nicht zuzurechnen wären, weil er Schutz vor Verfolgung bieten kann, wobei das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (ebenda) zutreffend darauf abhebt, dass der Umstand allein, dass die staatlichen Organe trotz prinzipieller Schutzbereitschaft nicht immer in der Lage sind, die Betroffenen vor Übergriffen wirkungsvoll zu schützen, nicht dafür ausreicht, von Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit auszugehen, und insoweit wörtlich festhält (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. August 2014 - 6a K 2888/11.A -, juris, RNn 48ff.):

„Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen einschließlich sog. Amtswalterexzesse oder bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Deshalb lässt weder eine Lückenhaftigkeit des Systems     staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit entfallen. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-)Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind.

Dies ist in Armenien der Fall. Im Falle von Straftaten gegen Angehörige der Jesidischen Bevölkerungsminderheit ermitteln die armenischen Behörden zwar häufig sehr lange, dies ist aber auch dann der Fall, wenn die Verfahren ausschließlich armenische Volkszugehörige betreffen.

Vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Armenien, Stand Januar 2012.

Sofern eine Straftat vorliegt und von einem Jesiden zur Anzeige gebracht wird, wird die Polizei Ermittlungen einleiten und Maßnahmen zum Opferschutz treffen.

Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2014 an das VG Schwerin.

Daher ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon auszugehen, dass der armenische Staat willens und in der Lage ist, wirksamen - wenn auch nicht lückenlosen - Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3d AsylVfG).

Problematisch innerhalb der jesidischen Glaubensgemeinschaft ist insoweit, dass diese oftmals versuchen ihre Konflikte innerhalb ihrer Dorf- oder Glaubensgemeinschaft ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zu lösen und zur Geheimhaltung ihrer religiösen Angelegenheiten neigen,

vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. Mai 2014 an das VG Schwerin; Dr. Tessa Savvidis, Auskunft vom 5. August 2011 an den Asylgerichtshof Österreichs.

Ein solcher überwiegender Verzicht einer religiösen Gemeinschaft auf Inanspruchnahme staatlichen Schutzes kann jedoch nicht zu der Annahme führen, der Staat sei in ihrem Fall grundsätzlich nicht schutzbereit.

Ungeachtet dessen sprechen die vom Kläger geschilderten Umstände - namentlich, dass er ein gutes Jahr lang in J. - wo nach seinen Angaben ohnehin keine Jesiden leben - unbehelligt leben und einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachgehen konnte, dass "die Leute" ihn seinem Bruder gegenüber nicht verraten haben, dass sein Bruder seinen Angaben zufolge nicht bei seiner Wohnung gewesen ist und nach seinem Besuch auch nicht noch einmal nach J. zurückgekommen ist - dafür, dass der Kläger und seine Lebensgefährtin in J. eine konkrete inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylVfG gefunden haben.

Dem Kläger ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Subsidiär schutzberechtigt ist nach dieser Vorschrift, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die vorgenannten Gefahren müssen dabei gemäß § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylVfG in der Regel von dem in Rede stehenden Staat oder den ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen ausgehen. Die Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure kann hingegen nur dann zu subsidiärem Schutz führen, wenn der betreffende Staat selbst nicht willens oder nicht in der Lage ist Schutz zu gewähren. Bei der Prüfung, ob dem Kläger im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, gilt ebenfalls der dargelegte Prüfungsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Gefahr sind im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen, wonach das Gericht dem Kläger schon nicht glaubt, ... zu sein, nicht ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 AufenthG vermag das Gericht nicht festzustellen. In Betracht kommt vorliegend allenfalls das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Dass der Kläger im Falle seiner Abschiebung nach Armenien einer extremen Gefahrenlage in dem dargelegten Sinne ausgeliefert wäre, vermag das Gericht aus den ausgeführten Gründen ebenfalls nicht zu erkennen.“

So liegt der Fall hier.

 Auch der armenische Staat vermag mithin keinen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und kann nicht sicherstellen, dass Fehlverhalten nicht vorkommt. Deshalb lässt weder eine Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon die staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit entfallen. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind.
Dies ist in Armenien der Fall. Sofern eine Straftat vorliegt und zur Anzeige gebracht wird, leitet die Polizei Ermittlungen ein und trifft Maßnahmen zum Opferschutz. Dabei ermitteln die armenischen Behörden allerdings gelegentlich langsam und lange.
Insgesamt ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon auszugehen, dass der armenische Staat willens und in der Lage ist, wirksamen - wenn auch nicht lückenlosen - Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3d AsylG).

Selbst wenn sich die Geschehnisse wie von der Klägerin behauptet zugetragen haben sollten, könnte sie die geltend gemachten Ansprüche daher daraus nicht herleiten. Es läge jedenfalls keine Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen vor. Denn jedenfalls wäre sie nicht wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bedrängt worden. Bei den angeblichen Übergriffen würde es sich um schlichtes kriminelles Unrecht ohne Bezug zu den genannten Verfolgungsgründen handeln. Zudem scheidet die geltend gemachte Verfolgung durch Privatpersonen als nichtstaatliche Akteure auch aufgrund von § 3c Nr. 3 AsylG aus, da die Polizei in Armenien nicht erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz vor Verfolgung zu bieten, siehe oben. Möglicherweise - dies ist jedenfalls nie ganz auszuschließen - könnten zwar die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei (drohenden) Angriffen Dritter bisweilen als nicht immer zureichend bewertet werden. Um hieraus aber den Schluss ziehen zu können, der armenische Staat sei erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, bedarf es zumindest dann, wenn eine generelle Schutzverweigerung des Staates behauptet wird, konkreter und gesicherter Anhaltspunkte dafür, dass der Staat keine zureichenden Vorkehrungen zur Eindämmung privater Gewalt gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen getroffen hat bzw. seine Machtmittel zur Ahndung gewaltsamer Übergriffe nicht ausreichen. Der Umstand allein, dass die staatlichen Organe trotz prinzipieller Schutzbereitschaft nicht immer in der Lage sind, die Betroffenen vor derartigen Übergriffen wirkungsvoll zu schützen, reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten, lückenlosen Schutz zu gewähren und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen einschließlich sogenannter Amtswalterexzesse bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgabe der Wahrung des inneren Friedens nicht vorkommen. Deshalb lässt weder eine Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit entfallen. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, was in Armenien der Fall ist, auch wenn die Polizei eventuell nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe (beispielsweise etwa auf Minderheiten) vorgehen sollte. Jedoch führen Anzeigen (beispielsweise etwa von Minderheitsangehörigen) auch in der Praxis zu Gerichtsprozessen.

Jedenfalls ist zudem auf Grundlage der Angaben der Klägerin festzustellen, dass sie sich nicht hinreichend intensiv an Polizeidienststellen gewandt hat (sondern nach eigenen Angaben gar nicht).

Außerdem könnte sie sich – was sie (ebenfalls nach eigenen Angaben) nicht versucht hat – unbehelligt an anderer Stelle in Armenien aufhalten, hatte und hätte mithin eine zumutbare inländische Fluchtalternative, § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG.

Wegen der in § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG angeordneten entsprechenden Geltung der §§ 3 c bis e AsylG scheidet vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Schutzbereitschaft der Polizei und der sicheren inländischen Fluchtalternative auch die Zuerkennung subsidiären Schutzes aus. Der Klägerin droht auch kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG.

Es liegen auch keine Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor.

Ferner hält das Gericht fest, dass die im angegriffenen Bescheid verfügten Nebenbestimmungen, insbesondere die Befristung des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbotes, keinen rechtlichen Bedenken begegnet.

Schließlich nimmt das Gericht noch gemäß § 77 Abs. 2 AsylG zur abrundenden Begründung des vorliegenden Gerichtsbescheides auf die weitgehend und überwiegend zutreffenden Gründe des angegriffenen Bescheides (Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Zirndorf, vom 2. Februar 2018) Bezug, die es sich hierfür zu Eigen macht und die überwiegend in Einklang stehen mit seiner Armenien-Rechtsprechung, die in juris (vgl. auch: www.rechtsprechung.niedersachsen.de) wie folgt dokumentiert ist:

Beschluss vom 19. September 2017 – 7 B 7350/17 –,

Urteil vom 27. Oktober 2017 – 7 A 7349/17 – und

Urteil vom 1. Dezember 2017 – 7 A 8006/17 –,

wonach sich die Klage insgesamt als unbegründet erweist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 167 Abs. 2 VwGO, 83b AsylG.