Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.03.2018, Az.: 15 A 8409/17

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
06.03.2018
Aktenzeichen
15 A 8409/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 73916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 24. Januar 2018 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die der Beklagten aufzuerlegenden außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 5.000,00 EUR zu berechnen.

Daraufhin beantragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Schreiben vom 19. Februar 2018, im vorliegenden Verfahren der Untätigkeitsklage gemäß § 30 Abs. 2 RVG einen geringeren Gegenstandswert festzusetzen. Der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Gegenstandswert sei im vorliegenden Verfahren unbillig, weil der Prozessbevollmächtigte der Kläger bereits in der Klageschrift nur die Verpflichtung der Beklagten zum weiteren Betreiben des Verfahrens beantragt habe.

Dem trat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 2. März 2018 unter Darstellung des für ihn mit einer Untätigkeitsklage verbundenen Arbeitsaufwandes entgegen, der mindestens fünf Stunden betrage und der bei einer Streitwertbemessung unterhalb von 5.000 EUR außer Verhältnis zu seinem Verdienst stehe. Auch sei die mit der Untätigkeitsklage begehrte Fortführung des Asylverfahrens sehr wohl für die Kläger von Bedeutung. Für sie sei es aus psychologischer Sicht wichtig, nach mehrmonatigen Warten eine Entscheidung über ihren Asylantrag zu erhalten. Weiter verwies er auf Fundstellen in der Rechtsprechung und in der Literatur, nach denen ein Grund für eine Abweichung vom Regelgegenstandswert nicht bestehe, sodass es bei der Wertbestimmung des § 30 Abs. 1 RVG bleiben müsse.

II.

Das Gericht setzt nach § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss fest. Nach § 30 Abs. 2 RVG kann ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Im vorliegenden Fall sieht das Gericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 3. Februar 2017- 15 A 5411/16 -, 10. August 2017 - 1 A 3954/17 -, 7. Dezember 2017 - 2 A 4358/17 -) den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 5.000,00 EUR für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für die Kläger noch vom Aufwand für deren Prozessbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-) Entscheidung durch das Gericht.

Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger dargestellte Zeitaufwand für die Einreichung einer Untätigkeitsklage tatsächlich zutreffend ist. Das Geschäftsmodell des als „Online-Kanzlei“ firmierenden Rechtsanwaltes besteht ausweislich des entsprechenden Internetauftritts darin, sich „auf einige wenige ‚Rechtsberatungsprodukte‘ “ zu beschränken, die sich regelmäßig wiederholen, um auf diese Weise über die Zahl der auf diese Weise eingegrenzten Verfahren mit einmal entstandenem Aufwand für die Erstellung einer Mustervorlage für das jeweilige Rechtsproblem und in der Folgezeit lediglich gegebenenfalls erforderlichen Aktualisierungen möglichst viele Verfahren abdecken und mit insgesamt wenig Aufwand entsprechende Umsätze generieren zu können. Um die effiziente Verfahrensgestaltung weiter zu erhöhen wird dabei gleichzeitig „auf physische Termine“ verzichtet und diese werden „durch digitale Kommunikationswege (E-Mail, Telefon/-fax, Whatsapp, Facebook, Skype, u.a.)“ ersetzt (https://.../, abgerufen am 6. März 2018).

Konkret zur hier streitgegenständlichen Untätigkeitsklage in Asylverfahren heißt es auf der Homepage des Verfahrensbevollmächtigten (https://..., abgerufen am 6. März 2018):

„Behörde entscheidet nicht über Ihren Asylantrag? Sie warten seit einem Jahr darauf, dass das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) Ihrem Asylantrag stattgibt? Ihr Termin zur Anhörung wird immer wieder verlegt?

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Danach genügt es für die Einreichung einer Untätigkeitsklage, dass ein Kläger eine Ablichtung seines Asylantrags, etwa per WhatsApp, an den Prozessbevollmächtigten übersendet, aus dem dieser dann das Datum des Asylantrags, das Herkunftsland und das Aktenzeichen des Bundesamtes übernimmt und in eine im Übrigen vollständig standardisierte Untätigkeitsklage einfügt. Dafür bedarf es, anders als geltend gemacht, weder der Beauftragung eines Dolmetschers noch der Akteneinsicht in die Asylakte im laufenden Verwaltungsverfahren, die ausweislich des Verwaltungsvorgangs auch nicht stattgefunden hat. Auch im gerichtlichen Verfahren ist ein Akteneinsichtsgesuch nicht gestellt worden. Stattdessen wurden bereits mit der Klageschrift alle erforderlichen Erklärungen abgegeben, einschließlich des Verzichts auf mündliche Verhandlung, damit auf eine gerichtliche Eingangsverfügung gerade nicht mehr reagiert werden muss. Schließlich handelt es sich auch bei dem gestellten Kostenfestsetzungsantrag vom 24. Januar 2018 sowie der übersandten Stellungnahme vom 2. März 2018 zum Vorbringen des Bundesamtes betreffend die Festsetzung des Gegenstandswertes um vollständig standardisierte Texte, die mit Ausnahme der Eingabe des jeweiligen Aktenzeichens und im Falle einer Bezugnahme auf ein gerichtliches Schreiben dessen Datums keinen weiteren Arbeitsaufwand erfordern. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch als kühn, wenn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seinerseits vorwirft, „regelmäßig einen gemusterten Schriftsatz bearbeiten zu müssen“.

Gegen diese Art der anwaltlichen Tätigkeit ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Jedoch wird durch diese Praxis auch augenfällig, warum es das erkennende Gericht bei einer asylrechtlichen Untätigkeitsklage nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für unbillig hält, denselben Gegenstandswert von 5.000 EUR festzusetzen, der nach § 30 Abs. 1 RVG auch für Verpflichtungsklagen nach ergangenen asylrechtlichen Entscheidungen des Bundesamtes gilt, die aber in aller Regel tatsächlich die „physische“ Kontaktaufnahme eines Prozessbevollmächtigten mit dem jeweiligen Kläger und ggf. unter Hinzuziehung eines Dolmetschers auch eine Auseinandersetzung mit dessen individuellen Verfolgungsschicksal, eine Anforderung der Verwaltungsvorgänge und deren Berücksichtigung sowie eine rechtliche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Situation im Herkunftsstaat erfordert, mithin also - entgegen der Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - OVG 6 K 74.17 , juris Rn. 4) trotz einer auf mehreren Seiten begründeten Untätigkeitsklage ein im Vergleich zu anderen Asylklagen weit unterdurchschnittlicher Aufwand hervorgerufen wird.

Das Gericht übersieht dabei auch nicht, dass für den auf eine Sachentscheidung wartenden Ausländer selbstverständlich der Fortgang seines Verfahrens von Bedeutung ist. Die teilweise vertretene Auffassung, dass die Verpflichtung des Bundesamtes zu einer Entscheidung über den Asylantrag unabhängig von dessen Ergebnis für die Kläger denselben Stellenwert haben soll, wie die Verpflichtung des Bundesamtes zu einer Zuerkennung von Schutz nach zuvor erfolgter Ablehnung des Asylantrags, teilt das Gericht jedoch nicht.