Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 29.06.2021, Az.: 3 B 18/21

Abstand zu Schulen; Berufsausübungsfreiheit; Einzelspielhalle; Glücksspiel; Glücksspielstaatsvertrag; Luftlinie; Mindestabstand; Schule; Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland; Verbundspielhalle; virtuelle Glücksspiele; Vorbeugung von Spielsucht

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.06.2021
Aktenzeichen
3 B 18/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70923
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Auswahlkriterium „Abstand zu Schulen“ im Sinne des § 10a Abs. 6 Niedersächsisches Glücksspielgesetz (NGlüSpG) ist mit der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
2. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, dass § 10a Abs. 6 NGlüSpG für die Bemessung des Abstands nicht auf die Wegstrecke, sondern auf die Luftlinienentfernung abstellt.
3. Die Auswahlentscheidung bei Einzelspielhallen in Abstandskonkurrenz bewirkt keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Betreibern „terrestrischer“ Spielhallen gegenüber Veranstaltungen von virtuellen Glücksspielen (vgl. §§ 4a – 4d Glücksspielstaatsvertrag 2021).
4. Dass gemäß § 10e Abs. 2 Satz 2 NGlüSpG für bestehende Einzelspielhallen – anders als für bestehende Verbundspielhallen – seit dem 1. Juli 2021 keine bis zum 31. Januar 2022 befristete glückspielrechtliche Erlaubnis aus Härtefallgründen erteilt werden kann, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Duldung des Weiterbetriebs ihrer Spielhalle in der E. (Spielstätte 2) ab dem 1. Juli 2021 bis zum Abschluss des Klageverfahrens auf Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis für diese Spielhalle (3 A 340/21).

Die Antragstellerin betreibt an dem angegebenen Ort zwei Spielstätten (Spielstätte 1 und 2) und ist im Besitz einer Betriebserlaubnis bis zum 30. Juni 2021. In derselben Straße betreibt auch die beigeladene Frau D. (F.) unter der Anschrift G. und in einer Entfernung von circa 50 m Luftlinie zwei Spielhallen (Spielhalle 1 und 2).

Im Jahr 2016 beantragte die Antragstellerin ebenso wie die Beigeladene eine Erlaubnis nach § 24 Glückspielstaatsvertrag (GlüStV) sowie ggf. eine Härtefallbefreiung nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV für ihre beiden in der H. betriebenen Spielstätten. Daraufhin führte der Antragsgegner zwischen den Spielstätten der Antragstellerin und den Spielhallen der Beigeladenen ein Losverfahren durch. Bei der am 11. August 2016 durchgeführten Auswahlentscheidung wurde die Antragstellerin per Losentscheid ausgewählt. Der Antragstellerin wurde daraufhin am 23. August 2016 eine glückspielrechtliche Erlaubnis nach § 24 GlüStV zum Betrieb der Spielstätte 2 befristet bis zum 30. Juni 2021 ohne Gewährung einer Härtefallbefreiung nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV erteilt.

Nachdem das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. September 2017 (11 ME 330/17) die bis dahin praktizierte Vorgehensweise, die Auswahlentscheidung zwischen aufgrund des Mindestabstandsgebot konkurrierenden Spielhallen mittels Losverfahren zu treffen, mangels gesetzlicher Grundlage für rechtswidrig erachtete, normierte der Landesgesetzgeber neue Kriterien zur Auflösung der Konkurrenzverhältnisse. Diese traten mit dem Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Glückspielgesetzes am 1. Juni 2020 (im Folgenden: NGlüSpG) in Kraft. Das Gesetz schuf u.a. die Möglichkeit, Auswahlentscheidungen, welche zuvor durch Los getroffen worden waren, nach dem Kriterienkatalog des § 10a NGlüSpG zu wiederholen.

Nach entsprechendem Hinweis beantragte zunächst die Beigeladene mit Schreiben vom 24. Juli 2017 und dann die Antragstellerin mit Schreiben vom 30. Juli 2020 bei dem Antragsgegner die Wiederholung des Auswahlverfahrens jeweils für ihre beiden Spielhallen. Später teilten sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene mit, dass jeweils nur die Spielhalle 2 bzw. Spielstätte 2 in das Auswahlverfahren einbezogen werden sollten. Darüber hinaus erklärten beide gegenüber dem Antragsgegner schriftlich, darauf zu verzichten, Geldspielgeräte in Zweiergruppen aufzustellen, und das Rauchen in den Spielstätten verbieten zu wollen.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die Erlaubnis zum Betrieb ihrer Spielhalle befristet bis zum 31. Dezember 2025. Dagegen hat die Antragstellerin am 27. Mai 2021 bei der erkennenden Kammer (Dritt-)Anfechtungsklage erhoben (3 A 341/21).

Mit Schreiben vom 17. November 2020 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin die Absicht mit, ihren Antrag auf Wiederholung des Auswahlverfahrens abzulehnen, und gab Gelegenheit dazu bis zum 11. Dezember 2020 Stellung zu nehmen.

Mit Bescheid vom 29. April 2021, eingegangen bei der Antragstellerin am 3. Mai 2021, versagte der Antragsgegner der Antragstellerin die Erlaubnis zum Betrieb der Spielstätte 2. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Konkurrenzspielhalle der Beigeladenen weiter entfernt von der I. sei.

Die Antragstellerin hat gegen die Versagung der Betriebserlaubnis am 27. Mai 2021 Klage erhoben (3 A 340/21) und am 11. Juni 2021 das Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung des Eilantrags führt sie im Wesentlichen aus, das von dem Antragsgegner durchgeführte Auswahlverfahren sei fehlerhaft. Das NGlüSpG – insbesondere § 10a und § 10e NGlüSpG – seien aus drei Gründen verfassungswidrig.

Erstens sei das Auswahlkriterium des § 10a Abs. 6 NGlüSpG („Abstand zu Schulen“) verfassungswidrig, weil es sowohl gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (im Folgenden: GG) als auch gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG verstoße. Das Auswahlkriterium sei unverhältnismäßig. Es sei zur Erreichung des legitimen Ziels, Spielsucht von Kindern und Jugendlichen zu verhindern, bereits nicht geeignet, weil Kindern und Jugendlichen der Zutritt zu der Spielhalle ohnehin kraft Gesetzes verwehrt sei. Zudem dürfe von der äußeren Gestaltung der Spielhalle kein Anreiz ausgehen (vgl. § 26 GlüStV), so dass das Kriterium des Abstandes zu Schulen zur Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen „überflüssig“ sei. Außerdem sei das Abstandskriterium nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Antragstellerin stützt ihre Auffassung auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück (Beschl. v. 26.4.2021 - 1 B 8/21 -, n.v.), gegen die ein Beschwerdeverfahren bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (11 ME 104/21) anhängig ist. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat in der dortigen Entscheidung ausgeführt, dass es „als unverhältnismäßig [im engeren Sinne] erscheint“, dass § 10a Abs. 6 NGlüSpG gerade bei sehr knappen Messunterscheiden – ggfs. könnten cm entscheidend sein – „keine Ausnahmemöglichkeit“, „keine weiteren sachlich gerechtfertigten Gründe“ oder „ein Ermessen der Erlaubnisbehörde“ vorsehe. Unter Zitierung dieses Beschlusses trägt die Antragstellerin vor, ein derartiges Korrektiv zum Messergebnis sei verfassungsrechtlich zwingend geboten, wenn der Streckenunterschied zwischen den konkurrierenden Spielhallen besonders gering sei (z. B. nur 1 Meter betrage) oder besondere örtliche Gegebenheiten vorlägen. Bei geringfügigen Entfernungsunterschieden zwischen zwei konkurrierenden Spielhallen könne sachlich nicht begründet werden, dass von der einen Spielhalle eine größere Gefahr für das Entstehen der Spielsucht ausgehe als von der anderen. Überdies habe der Landesgesetzgeber einen Mindestabstand zu Schulen gerade nicht als Auswahlkriterium erhoben. Sofern keine Abstandskonkurrenz bestehe, könne eine Spielhalle in unmittelbarer Nähe zu einer Schule eröffnen.

Zweitens stelle die Neuregelung des § 10e Abs. 2 Satz 2 NGlüSpG für Einzelspielhallen im Vergleich zu Spielhallen im baulichen Verbund eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Dem Grunde nach handele es sich bei Einzelspielhallen und Spielhallen im baulichen Verbund um gleiche Sachverhalte, weil beide den gebotenen Mindestabstand zur nächstgelegenen Spielhalle unterschritten. Das Verbot der Mehrfachkonzession, welches für Spielhallen im baulichen Verbund gelte, sei eine besondere Ausprägung des Abstandsgebots. Einzelspielhallen und Spielhallen im baulichen Verbund würden auch ungleich behandelt. § 10e Abs. 2 Satz 2 NGlüSpG n.F. sehe lediglich für Spielhallen im baulichen Verbund vor, eine Verlängerung der Härtefallregelung über den 30. Juni 2021 hinaus bis zum 31. Januar 2022 zu beantragen. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung bestehe nicht. Ein sachlicher Grund sei nicht darin zu erblicken, dass das Abstandsgebot dazu diene, dass Spielgäste eine Mindeststrecke zurücklegen müssen, um einen „kühlen Kopf“ zu bekommen. Ein solcher Abkühleffekt könne sich bei Spielhallen in einem baulichen Verbund gerade nicht einstellen. Der Umstand, dass Einzelspielhallen in Abstandskonkurrenz in der Regel von unterschiedlichen Betreibern geleitet werden, könne nicht als Differenzierungskriterium herangezogen werden, weil dies für die Gefahr des Entstehens von Spielsucht nicht ausschlaggebend sei. Eine Verlängerung der Härtefallerlaubnis zugunsten von Einzelspielhallen werde auch nicht durch den Glückspielstaatsvertrag 2021 ausgeschlossen.

Drittens würden „terrestrische“ Spielhallen gegenüber den neu zulässigen Online-Spielformen benachteiligt im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sich letztere weder an mengenmäßige Beschränkungen, an ein Abstandsgebot noch an ein Verbundverbot zu halten haben.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, den Betrieb der Spielhalle der Antragstellering unter der Anschrift J. (Spielstätte 2) bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (3 A 340/21) zu dulden.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und führt zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Auswahlentscheidung nach der geltenden Rechtslage getroffen worden sei. Die Anzweiflung der Verfassungsmäßigkeit der Auswahlkriterien sei daher ebenso wenig entscheidungsrelevant wie eine etwaige Ungleichbehandlung von Spielhallen aus einem baulichen Verbund und Spielhallen in einem Abstandskonflikt. Außerdem könne die Erlaubnis von Online-Casinos keinen Einfluss auf die streitgegenständliche Auswahlentscheidung haben. Für die begehrte Duldung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren sowie dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Der nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Antrag ist zulässig. Es liegt kein Fall der §§ 80, 80a VwGO (§ 123 Abs. 5 VwGO) vor. Denn in der Hauptsache ist keine Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, deren aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederherstellt werden könnte (§ 80 Abs. 1, Abs. 5 VwGO). Das Begehren der Antragstellerin ist dahingehend auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass sie die vorläufige Duldung des (Weiter-)Betriebs ihrer Spielstätte 2 ab dem 1. Juli 2021 und damit eine Leistung begehrt.

Im Übrigen fehlt es der Antragstellerin nicht am Rechtschutzbedürfnis, weil sie eine Schließungsverfügung seitens der Antragsgegnerin hätte abwarten müssen. Der Betrieb der streitgegenständlichen Spielhalle ist ab dem 1. Juli 2021 in Ermangelung einer glückspielrechtlichen Erlaubnis rechtswidrig, ohne dass eine Schließungsverfügung notwendig sein wird. Für den Weiterbetrieb über den 1. Juli 2021 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Hauptsacheverfahren (3 A 340/21) bedarf die Antragstellerin einer gerichtlichen Entscheidung. Mit dem Antrag ist auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache verbunden (hierzu siehe Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 ff.). Die Antragstellerin begehrt nur eine vorläufige Maßnahme zur Überbrückung des Zeitraums bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vgl. Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung, 39. Ergänzungslieferung, Juli 2020, § 123 Rn. 137). Dadurch werden keine irreversiblen Fakten geschaffen. Für eine Vorwegnahme der Hauptsache besteht auch kein Bedürfnis, da den Belangen der Antragstellerin Genüge getan werden kann, wenn der Antragsgegner verpflichtet wird, den Betrieb über den 30. Juni 2021 hinaus zu dulden und von der Anordnung einer Betriebsschließung (§ 15 Abs. 2 GewO) abzusehen; damit würde eine Strafbarkeit nach § 284 StGB (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Aufl. 2017, § 284 Rn. 21) entfallen (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 24.5.2017 - 7 B 2896/17 -, juris Rn. 10).

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag (auch schon vor Klageerhebung) eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn eine Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ergibt, dass die Antragstellerin in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird. Hierfür ist bei dem im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt das Bestehen oder Nichtbestehen des geltend gemachten Anspruchs grundsätzlich ohne Einschränkungen zu prüfen (vgl. VG Osnabrück, Beschl. v. 26.4.2021 - 1 B 8/21 -, n.v; vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.2.1998 - 12 L 194/98 - juris, Rn. 7).

Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund (dazu unter a), aber keinen Anordnungsanspruch (dazu unter b.) im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung glaubhaft gemacht.

a. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn die Gefahr vorliegt, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden kann oder die Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist Voraussetzung, dass es einem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsache-entscheidung abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 23 - 26).

Das ist hier Fall. Der weitere Betrieb der Spielhalle ohne Duldung ab dem 1. Juli 2021 würde die Antragstellerin der Gefahr von Ordnungswidrigkeiten und/oder strafrechtlichen Konsequenzen (§ 26 NGlüSpG, § 284 StGB) aussetzen. Die Antragstellerin müsste zumindest vorrübergehend ihre Spielstätte schließen, um sich rechtmäßig zu verhalten. Eine Anordnung der Schließung seitens des Antragsgegners bedarf es hierzu nicht. Die Betriebsschließung hätte wirtschaftliche Folgen, welche zumindest teilweise nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.

b. Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, wenn nach einer Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch besteht.

Einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Sie hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung der mit dem Hauptsacheverfahren begehrten glückspielrechtlichen Erlaubnis zum Weiterbetrieb des Spielstätte 2. Die Ablehnung der Erteilung einer glückspielrechtlichen Erlaubnis für diese Spielstätte durch den Antragsgegner ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ergibt sich aus dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (im Folgenden: Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV -) vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, S. 190, 196) in Verbindung mit dem Niedersächsischen Glücksspielgesetz (im Folgenden: NGlüSpG) vom 17. Dezember 2007 (Nds. GVBl. 2007, S. 756), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juni 2021 mit Wirkung zum 19. Juni 2021 (Nds. GVBl. 2021, S. 367).

Die Antragstellerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV (dazu unter aa.) noch auf eine Befreiung von einzelnen Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie des § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zur Vermeidung unbilliger Härten gemäß § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV (dazu unter bb.). Die Ablehnung ihres Antrags durch den Bescheid des Antragsgegners vom 29. April 2021 wird sich daher voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.

aa. Der Erteilung einer Erlaubnis an die Antragstellerin steht die notwendige Auswahlentscheidung entgegen, auf deren Grundlage der Beigeladenen eine glückspielrechtliche Erlaubnis erteilt wurde, und die rechtlich voraussichtlich nicht zu beanstanden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 GlüStV bedürfen die Einrichtung und der Betreib einer Spielhalle einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Gemäß § 24 Abs. 3 GlüStV regeln Ausführungsbestimmungen der Länder das Nähere. Zwischen Spielhallen ist nach § 25 Abs. 1 Satz 1 GlüStV ein Mindestabstand einzuhalten (Verbot von Mehrfachkonzessionen), wobei auch hier nach Satz 2 das Nähere durch Ausführungsbestimmungen der Länder geregelt wird. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 NGlüSpG muss der Mindestabstand zwischen Spielhallen mindestens 100 Meter betragen, wobei die kürzeste Verbindung (Luftlinie) zwischen den Spielhallen maßgeblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse können die Gemeinden nach § 10 Abs. 2 Satz 3 NGlüSpG für ihr Gebiet oder Teile davon durch Verordnung einen geringeren Mindestabstand von mindestens 50 Metern oder einen größeren Mindestabstand von bis zu 500 Metern festlegen. Eine entsprechende Verordnung ist vorliegend nicht erlassen worden, so dass die Spielstätte der Antragstellerin einen Mindestabstand von 100 Metern zu anderen Spielhallen einhalten muss. Die Spielhallen der Antragstellerin und der Beigeladenen stehen danach in Abstandskonkurrenz im Sinne des § 25 Abs. 1 GlüStV in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 1 NGlüSpG, da sie lediglich ca. 50 Meter Luftlinie voneinander entfernt liegen.

Sofern Spielhallen gegen die Regelungen über den Mindestabstand verstoßen, können nach Maßgabe des § 10a Abs. 1 NGlüSpG nicht alle beantragten Erlaubnisse erteilt werden. Vielmehr entscheidet die zuständige Behörde über die Erteilung der Erlaubnis in einem Auswahlverfahren nach § 10a Abs. 2 bis 9 NGlüSpG. Die Auswahlentscheidung ist gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 NGlüSpG so zu treffen, dass für die größtmögliche Anzahl von Spielhallen Erlaubnisse erteilt werden können. Ist eine Entscheidung nach § 10a Abs. 3 NGlüSpG nicht möglich, kommen die Absätze 4 bis 9 zur Anwendung. Die Absätze 4 bis 8 des § 10a NGlüSpG regeln jeweils ein Auswahlkriterium. Erst wenn nach sämtlichen normierten Auswahlkriterien eine Entscheidung nicht möglich ist, greift die Auffangregelung des § 10a Abs. 9 NGlüSpG. Danach trifft die zuständige Behörde die Auswahlentscheidung nach weiteren sachlich gerechtfertigten Gründen.

Die bereits im Jahr 2016 getroffene Auswahlentscheidung zugunsten der Antragstellerin ist gegenstandslos, da das Auswahlverfahren in zulässiger Weise wiederholt wurde. § 10c Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG sieht vor, dass auf Antrag des Betreibers einer Spielhalle, für die bis zum 31. Mai 2020 eine Auswahlentscheidung im Losverfahren getroffen wurde, das Erlaubnisverfahren nach Maßgabe des § 10c Abs. 2 bis 5 NGlüSpG sowie des § 10a NGlüSpG wiederholt wird. Der Antrag auf Wiederholung des Erlaubnisverfahrens konnte bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 gestellt werden. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die erneute Durchführung eines Erlaubnisverfahrens nach Maßgabe des § 10c Abs. 2 bis Abs. 5 NGlüSpG erfüllt. Zwischen den Spielhallen der Antragstellerin und der Beigeladenen wurde am 11. August 2016 und damit bis zum 31. Mai 2020 eine Auswahlentscheidung durch Losverfahren getroffen (§ 10c Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG) und beide Betreiber haben fristgemäß bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 einen Antrag auf Wiederholung des Erlaubnisverfahrens gestellt (§ 10c Abs. 2 NGlüSpG).

Die vom Antragsgegner durchgeführte streitgegenständliche Auswahlentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Im vorliegenden Fall – eine Auswahlentscheidung nach § 10a Abs. 3 bis 5 NGlüSpG war unstreitig nicht möglich – ist nach § 10a Abs. 6 NGlüSpG bei Konkurrenz einzelner Spielhallen die Spielhalle auszuwählen, die am weitesten von berufsbildenden Schulen und allgemeinbildenden Schulen mit Ausnahme des Abendgymnasiums und des Kollegs entfernt liegt, gemessen zwischen der der Spielhalle nächstgelegenen Grundstücksgrenze des Schulgrundstücks und der Spielhalle. Maßgeblich ist die Luftlinie, wobei Schulen, die von einer Spielhalle mehr als 500 m entfernt liegen, gemäß § 10a Abs. 6 Satz 2 NGlüSpG unberücksichtigt bleiben. Folglich ist der Abstand der konkurrierenden Spielhallen zur K., die gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Niedersächsisches Schulgesetz zu den allgemeinbildenden Schulen gehört und die weniger als 500 Meter von der Spielstätte der Antragsgegnerin entfernt liegt, maßgeblich.

Die Spielhalle 2 der Beigeladenen ist nach Luftlinie weiter von der K., L. in M. entfernt. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge beträgt der Abstand von der Schule zur N. (Spielstätte der Antragstellerin) etwa 347,23 Meter und der Abstand zur G. (Spielhalle der Beigeladenen) etwa 396 Meter. Bedenken gegen das Vermessungsergebnis sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Antragsgegner hat in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 10a Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 NGlüSpG die Luftlinie ermittelt.

Die Regelung des § 10a Abs. 6 NGlüSpG ist nach Auffassung der Kammer verfassungsrechtlich nicht bedenklich.

Das normierte Auswahlkriterium „Abstand zu Schulen“ ist mit der Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

Das Auswahlkriterium greift in die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin als juristischer Person ein (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 -, juris Rn. 17 ff.; st. Rspr.; statt vieler BVerfG, Beschl. v. 27.4.2021 - 2 BvR 206/14 -, juris Rn. 48 m.w.N). Dieser Eingriff ist als intensiv zu bewerten, weil die Bestandsspielhalle ihren Standort endgültig aufgeben muss. Wegen der bestehenden Ausweichmöglichkeiten ist die Schwelle zur Berufswahlregelung aber nicht erreicht (so auch VG Osnabrück, Beschl. v. 26.4.2021 - 1 B 8/21 -, n.v.).

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist gerechtfertigt. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die den Eingriff ermöglichende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfG, Beschl. v. 27.4.2021 - 2 BvR 206/14 -, juris Rn. 55). Bloße Berufsausübungsregelungen – wie hier – werden, sofern sie im Übrigen verhältnismäßig sind, bereits durch sachgerechte und vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert (Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 126).

Derartige gewichtige Gründe des Gemeinwohls liegen vor. Der Gesetzgeber hat das Auswahlkriterium „Abstand zu Schulen“ zur frühzeitigen Vorbeugung von Spielsucht Jugendlicher, Heranwachsender und junger Erwachsenen gewählt (Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/4945, S. 15). Die Gewährleistung des Jugendschutzes ist nach § 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 GlüStV sowie § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 NGlüSpG ein gesetzgeberisches Ziel und damit ein legitimes Ziel des Gemeinwohls.

Das Auswahlkriterium ist zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels auch geeignet, erforderlich und angemessen.

Eine Regelung ist zur Zweckerreichung geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei bereits die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 -, juris Rn. 61). Die örtliche Lage von Spielhallen in Bezug auf von Kindern und Jugendlichen besuchte Einrichtungen – hier: berufsbildende und allgemeinbildende Schulen – ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin im Grundsatz als Kriterium geeignet, die Konkurrenzsituation zwischen Spielhallen effektiv aufzulösen und die Dichte von Spielhallen in der Nähe von Schulen zu reduzieren. Mit größerer Entfernung zur Schule verringert sich die Möglichkeit für die Minderjährigen, Spielhallen als gewöhnliches Freizeitangebot für Erwachsene wahrzunehmen. Die Annahme, dass dadurch eine spätere Spielsucht frühzeitig bekämpft werden kann, erscheint für das Gericht nicht offensichtlich fehlerhaft. Es besteht zumindest die abstrakte Möglichkeit, dass der Gewöhnungseffekt verringert wird und weniger Jugendliche mit Erreichen der Volljährigkeit eine Spielhalle verstärkt besuchen. Die Einschätzung des niedersächsischen Landesgesetzgebers, der Spielsucht müsse bei Minderjährigen in einem möglichst frühen Stadium (ab Grundschulalter) entgegengewirkt werden, überschreitet nicht den ihm zustehenden, weiten Beurteilungsspielraum (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 -, juris Rn. 60).

Das Auswahlkriterium ist zur Erreichung des oben genannten Ziels auch erforderlich und angemessen.

Mildere, aber gleich wirksame Mittel sind nicht erkennbar. Der niedersächsische Landesgesetzgeber durfte im Rahmen seines Einschätzungsspielraums annehmen, dass das Zutrittsverbot nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 NGlüSpG und die Beschränkung der äußeren Gestaltung nach § 10f NGlüSpG nicht genügen, um den Spielhallen den „Reiz des Verbotenen" für Minderjährige zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 -, juris Rn. 60). Beide Regelungen sind zwar milder, sie sind jedoch zur Verhinderung eines Gewöhnungseffekts für Minderjährige in ihrem alltäglichen Lebensumfeld nicht gleich wirksam.

Es liegt auch im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, dass § 10a Abs. 6 NGlüSpG für die Bemessung des Abstands nicht auf die Wegstrecke, sondern auf die Luftlinienentfernung abstellt (vgl. BVerfG, Urt. v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris Rn. 153; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.6.2018 - 11 ME 136/18 -, juris Rn. 29). Die Festlegung eines konkreten Abstandes sowie die Methode zur Ermittlung dieses Abstandes fallen in die Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers, die nicht durch verfassungsrechtliche Erwägungen ersetzt werden kann, weil es insoweit keine eindeutig richtige Lösung gibt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat als wesentlichen Auswahlgrundsatz herausgestellt, dass die Auswahl anhand sachgerechter Kriterien vorzunehmen ist (Beschl. v. 7.3.2017 - 1 BVR 1314/12 u.a. -, juris Rn. 185). Dabei bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie detailliert er die sachbezogenen Auswahlkriterien regelt (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 4.9.2017 - 11 ME 330/17 -, juris Rn. 24). Im Übrigen ist anzuführen, jedenfalls das allgemeine Mindestabstandsgebot, welches auch auf die Luftlinienentfernung abstellt, mit den Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dessen Beschluss vom 7. März 2017 (- 1 BvR 1314/12 u.a. -, juris Rn. 119 ff.), des Bundesverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 16. Dezember 2016 (- 8 C 4.16 -, juris Rn. 17, 25, 27) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 4. September 2017 verwiesen (- 11 ME 206/17 -, Leitsatz 1).

Für die Kammer drängt sich nicht auf, dass eine Bemessung der Entfernung nach der tatsächlichen Wegstrecke im Einzelfall oder die Berücksichtigung weiterer wertender Kriterien in § 10a Abs. 6 NGlüSpG verfassungsrechtlich zwingend geboten wären. Das Verwaltungsgericht Osnabrück vertritt zwar die Ansicht, dass eine Ausnahme, die Möglichkeit der Berücksichtigung weiterer sachlich gerechtfertigter Gründe oder ein Ermessen der Erlaubnisbehörde verfassungsrechtlich angezeigt wären (VG Osnabrück, Beschl. v. 26.4.2021 - 1 B 8/21 -, n.v.). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer indes nicht an.

Die Regelung ist für den Normadressaten eindeutig (vgl. unter Berufung auf den Bestimmtheitsgrundsatz Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/4945, S. 16). Dadurch, dass der Abstand klar messbar und keine Ausnahme vorgesehen ist, wird die Verwaltungspraktikabilität erhöht. Aus diesem Grund hat der Landesgesetzgeber auch das ursprünglich geplante Vermessen anhand der Wegstrecke, welche eine Einzelfallbeurteilung ermöglich hätte (Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/4945, S. 2 und S. 16), durch die Luftlinienvermessung bewusst ersetzt (Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/6450, S. 5). Es ist nicht ersichtlich, dass eine Bemessung nach der tatsächlichen Wegstrecke typischerweise weniger intensiv in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Denn auch bei einer anderen Messmethode müsste der jeweils dichter gelegene Spielhallenbetreiber in der Konkurrenzsituation gleichermaßen zurückstehen.

Es mag zutreffen, dass es aufgrund von schwer überwindbaren Verkehrsschneisen und sonstigen Zugangshindernissen im Einzelfall weniger wahrscheinlich ist, dass Minderjährige mit einer in der Luftlinie näherliegenden Spielhalle konfrontiert werden als mit einer – nach der Luftlinie – weiter entfernten Spielhalle (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 -, juris Rn. 23). Denn durch die Vermessung anhand der Luftlinie werden tatsächliche Hindernisse ebenso wenig abgebildet wie ortsübliche (Fußweg-)Verbindungen, die typischerweise von den Minderjährigen auf dem Schulweg genutzt werden. Auch unter Berücksichtigung des Gewichts des Jugendschutzes erscheint es jedoch im Hinblick auf den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der dargestellten Maßstäbe in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich nicht zwingend, dass der Gesetzgeber dem im Einzelfall Rechnung trägt. Dem Normgeber verbleibt bei dem Ausgleich der betroffenen Rechtsgüter verfassungsrechtlich ein Gestaltungsspielraum.

Zudem hält es die Kammer für zweifelhaft, ob das Abstellen auf die Bemessung per Wegstrecke in der Örtlichkeit gleich geeignet ist, das von dem Normgeber verfolgte Ziel zu erreichen. Zum einen kann es bei einer Vermessung anhand der Wegstrecke zu ähnlich knappen Messunterschieden kommen. Das liegt in der Natur der Abstandsmessung. Zum anderen stellt sich die praktische Frage, wie im konkreten Einzelfall die Wegstrecke in der Örtlichkeit bemessen wird. Insbesondere bleibt völlig offen, auf welche Weise der Weg bemessen wird und inwieweit tatsächliche oder rechtliche Hindernisse einzubeziehen sind. Im Ergebnis hat der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg in Bezug auf eine dortige landesgesetzliche Regelung ebenfalls Eignungszweifel in Bezug auf eine Ausnahmeregelung zum normierten Abstand von 500 Meter Luftlinie zu Einrichtungen zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen angemeldet. Der Erforderlichkeit einer Abstandsregelung stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber auf eine Ausnahmemöglichkeit verzichtet hat, denn das Gesetz wäre mit einer derartigen Ausnahmemöglichkeit nicht gleichermaßen effektiv (Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urt. v. 17.6.2014 - 1 VB 15/13 -, juris Rn. 367).

Da die streitgegenständliche Auswahlentscheidung nach den obigen Ausführungen voraussichtlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, ist die Anwendung weiterer wertender Kriterien, z. B. im Rahmen einer Ermessensausübung, nicht angezeigt.

Die Kammer weist der Vollständigkeit halber darauf hin, dass ein Grenzfall bezüglich der maßgeblichen Abstände, wie ihn die Antragstellerin beispielhaft vorträgt, im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben ist. Die Abstände der Spielhalle der Antragstellerin und der Beigeladenen zur K. unterscheiden sich um circa 50 Meter und nicht nur um wenige Zentimeter. Zugangshindernisse oder Ähnliches sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als eine nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition liegt ebenfalls nicht vor (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.4.2021 - 13 MN 241/21 -, juris Rn. 11). Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier vor allem betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, juris Rn. 79 m.w.N.). Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass sie im Vertrauen auf das Losverfahren bzw. auf eine positive Entscheidung über ihren Antrag auf Wiederholung des Auswahlverfahrens vermögensrechtliche Dispositionen getroffen hat. Jedenfalls mit dem Inkrafttreten des § 10c NGlüSpG zum 1. Juni 2020 und später aufgrund der bis zum 30. Juni 2021 befristeten Erlaubniserteilung waren diese Investitionen risikobehaftet. Die Antragstellerin kann sich insoweit auch nicht unter Vertrauensgesichtspunkten auf den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG berufen (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 26.3.2015 - 10 K 2362/13.F -, juris Rn. 46).

Ferner liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der Einwand der Antragstellerin, der ab dem 1. Juli 2021 geltende Glückspielstaatsvertrag 2021 - im Folgenden: GlüStV 2021 -, welcher durch das Gesetz zum Staatsvertrag zur Neuregelung des Glückspielwesens in Deutschland (Glückspielstaatsvertrag 2021) vom 17. März 2021 durch das Land Niedersachsen ratifiziert worden ist, behandele in einer nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise virtuelle Glücksspiele und Einzelspielhallen ungleich, trifft nicht zu. Zum einen ist für das vorliegende Verfahren der Sach- und Rechtsstand zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblich. Die Erlaubnis zum Betrieb virtueller Glücksspiele gemäß §§ 4a – 4d GlüStV 2021 tritt erst zum 1. Juli 2021 in Kraft. Zum anderen handelt es sich bei dem Betrieb von Einzelspielhallen und dem virtuellen Glücksspiel bereits nicht um vergleichbare Sachverhalte. Die Zulassung virtueller Glücksspiele muss naturgemäß einem anderen Konzept zum Schutz der Spieler vor Spielsucht genügen, als dies für „terrestrische“ spielhallenbezogene Angebote gilt. Denn virtuelle Glückspiele können ortsungebunden und damit im Privaten per Internet betrieben werden. Ungeachtet dessen läge ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung vor. Denn die Maßnahmen, die für „terrestrische“ Spielhallen zur Verhinderung der Entstehung von Glücksspielsucht ergriffen werden und insbesondere im Abstandsgebot Ausdruck finden, dürften aufgrund der Unterschiede in der Form der Wahrnehmung des Glücksspielangebotes voraussichtlich nicht auf den Online-Glücksspielsektor übertragbar sein (vgl. unter dem Gesichtspunkt des unions- und verfassungsrechtlich geprägten Kohärenzgebots Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 20.10.2020 - 4 Bs 226/18 -, juris Rn. 48).

Weitere verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Auswahlentscheidung hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht.

bb. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis aus Härtefallgründen.

Nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV (in der noch geltenden Fassung) können die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 GlüStV zuständigen Behörden nach Ablauf der in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV geregelten fünfjährigen Übergangsfrist für Bestandsspielhallen eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 GlüStV sowie des § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist, wobei der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i Gewerbeordnung (GewO) sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift wird gemäß § 29 Abs. 4 Satz 5 GlüStV ergänzt durch § 10e NGlüSpG. Nach § 10e Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG liegt eine unbillige Härte in der Regel vor, wenn der Erlaubnisantrag eines Betreibers einer Spielhalle im Sinne des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV (Bestandsspielhalle), der die Bestandsspielhalle am 30. Juni 2017 betrieben hat, wegen der Regelungen über den Mindestabstand (§ 10 Abs. 2) oder über den baulichen Verbund (§ 25 Abs. 2 GlüStV) abgelehnt wurde oder abzulehnen wäre. Unabhängig davon, ob für die Annahme eines Härtefalls überhaupt Raum ist, sieht § 10e Abs. 2 Satz 2 NGlüSpG – auch in der neuen Fassung seit dem 19. Juni 2021 – eine Erlaubnis aus Härtefallgründen für Einzelspielhallen nur bis zum 30. Juni 2021 vor. Der Kläger begehrt im Gegensatz dazu gerade eine Erlaubnis ab dem 1. Juli 2021.

Soweit die Antragstellerin argumentiert, dass § 10e Abs. 2 Satz 2 NGlüSpG in der Fassung vom 19. Juni 2021 für Einzelspielhallen im Vergleich zu Verbundspielhallen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG darstelle, kann sie auch hiermit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Erfolg haben. Bisher war der Antragstellerin keine Befreiung vom Abstandsgebot gemäß § 10e NGlüSpG a.F. aus Härtefallgründen gewährt worden, da sie in den Genuss einer Erlaubnis auf der Grundlage von § 24 GlüStV gekommen war. Einer Anwendung des § 10e NGlüSpG auf die Spielstätte der Antragstellerin über den 30. Juni 2021 hinaus steht entgegen, dass eine zeitlich hierüber hinausgehende Ausnahmeregelung nur noch für Verbundspielhallen vorgesehen ist. Diese Einschränkung findet ihre Grundlage in § 29 GlüStV 2021, dem der niedersächsische Landesgesetzgeber ausdrücklich gefolgt ist (siehe Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/9455, S. 3; vgl. auch Drs. 18/8495, S. 169 f.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenden sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat, § 154 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG und orientiert sich an Nr. 1.5 Satz 1 1. Halbsatz und Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).