Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.07.2006, Az.: 7 K 25/05
Grunderwerbsteuerbefreiung für den Erwerb durch eine "juristische Person des öffentlichen Rechts"; Ausnahmen von der Grunderwerbbesteuerung; Erstreckung der Steuerbefreiung auf Grunderwerbe zwischen allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.07.2006
- Aktenzeichen
- 7 K 25/05
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2006, 33814
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0712.7K25.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
- § 4 Nr. 1 GrEStG
Fundstelle
- NWB direkt 2007, 11
Verfahrensgegenstand
Grunderwerbsteuer
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG gilt nur für den Erwerb durch eine "juristische Person des öffentlichen Rechts", nicht beim Erwerb durch eine (private) GmbH, die öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt. Tatbestand
Tatbestand
Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 GrEStG gilt nur für den Erwerb durch eine "juristische Person des öffentlichen Rechts", nicht beim Erwerb durch eine (private) GmbH, die öffentlich-rechtliche Aufgaben wahrnimmt. Tatbestand
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Kauf eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. § 4 GrEStG regelt besondere Ausnahmen von der Besteuerung. Gem. der im Streitfall einzig in Betracht kommenden bzw. geltend gemachten Befreiungsregelung in § 4 Nr. 1 GrEStG ist der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffent-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient, von der Besteuerung ausgenommen.
Die Klägerin hat mit Vertrag vom 25. März 2004 ein inländisches Grundstück gekauft. Dieser Erwerb unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Der Erwerb ist nicht gem. § 4 Nr. 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 GrEStG liegen nicht vor, weil die Klägerin - im Zeitpunkt ihres Erwerbs - keine juristische Person des öffentlichen Rechts war. Dass die ...wasserwerke vor der Umwandlung im Jahr 1996 eine juristische Person des öffentlichen Rechts waren, ist unerheblich. Gem. § 38 AO entstehen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; dies ist im Streitfall der Kaufvertrag vom 25. März 2004 und sind nicht die anlässlich der Umwandlung getroffenen Vereinbarungen. Maßgebend ist deshalb der Zeitpunkt des Erwerbs vom 25. März 2004 (vgl. auch Pahlke / Franz, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 3. Aufl. 2005, Rdz. 2 zu § 13 GrEStG). Weiter unerheblich ist, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag die erworbenen Grundstücke ausschließlich (wie vor dem Erwerb) zur Erfüllung hoheitlicher bzw. öffentlicher Aufgaben verwendet, weil nach § 4 Nr. 1 GrEStG nicht sämtliche Erwerbe von Grundstücken zu diesen Zwecken - unabhängig von der Rechtsform von Erwerber und Veräußerer - von der Besteuerung ausgenommen sind. Vielmehr bestimmt § 4 Nr. 1 GrEStG ausdrücklich die Ausnahme von der Besteuerung bei Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen. Es kommt deshalb nicht darauf an, aus welchen Motiven die Klägerin die Grundstücke erworben hat (u.a. aufgrund der Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete). Das GrEStG sieht eine allgemeine Steuerbefreiung für Erwerbe zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht vor. Für den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist es "unerheblich, ... welche (öffentlichen) Interessen dem ... Eigentumsübergang zugrunde liegen" (vgl. Bundesfinanzhof - BFH , Urteil vom 21. Januar 2004, II R 1/02, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2004, 1120, Ziffer II. 1 der Entscheidungsgründe zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG).
Eine durch Auslegung zu füllende Lücke liegt nicht vor. Der Erwerb der Klägerin ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht von der Grunderwerbsteuer befreit. § 4 GrEStG regelt besondere Ausnahmen von der Besteuerung und ist damit abschließend. § 4 Nr. 1 GrEStG ist nach seinem Wortlaut auf den Erwerb durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts beschränkt. Im Wege der Auslegung darf kein durch das Gesetz nicht belegter Begünstigungstatbestand geschaffen werden (vgl. BFH a.a.O., Ziffer II. 2 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen).
Unabhängig davon spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber bei Erlass des Steuerentlastungsgesetzes im Jahr 1999 mit der Neufassung des § 4 Nr. 1 GrEStG einerseits die Steuerbefreiung nicht mehr nur auf Grunderwerbe zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts, sondern auf Grunderwerbe zwischen allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erstreckt hat, andererseits den Erwerb von Grundstücken, die überwiegend dem Betrieb gewerblicher Art dienen, von der Befreiung ausgenommen hat, gegen die Auffassung der Klägerin, der Gesetzgeber habe aus Unkenntnis der zukünftigen Entwicklung die zunehmende Privatisierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen nicht berücksichtigt bzw. steuerfrei gestellt, denn im Jahr 1999 war die (zunehmende) Privatisierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen nicht mehr unbekannt. Die Klägerin war bereits im Jahr 1996 privatisiert worden.
Nach § 4 Nr. 1 GrEStG setzt die Befreiung nicht nur voraus, dass die Erwerberin eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, sondern auch, dass das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen "von der einen auf die andere juristische Person" übergeht. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber lediglich den Grundstücksverkehr zwischen bestimmten Personen, nicht alle Erwerbe zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben begünstigen wollte.
Aus welchen Motiven die Klägerin privatisiert worden ist bzw. welche (öffentlichen) Aufgaben sie (auch nach der Privatisierung) erfüllt, ist für die Frage, ob die Voraussetzungen des Besteuerungstatbestandes vorliegen, unerheblich. Die Umwandlung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in eine private Kapitalgesellschaft ist eine Entscheidung, die aus politischen und / oder wirtschaftlichen Erwägungen heraus getroffen wird. Wird die Privatisierung gewählt, sind auch die daraus entstehenden (steuerlichen) Konsequenzen zu tragen.
Die Auskünfte der Finanzämter ... und ... aus dem Jahr 1996 und die grunderwerbsteuerliche Behandlung anlässlich der Umwandlung führen zu keiner anderen Würdigung, weil sie nicht den gem. § 38 AO der streitigen Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt bzw. Erwerbsvorgang vom 25. März 2004 betreffen. Die von der Klägerin angeführte Kommentierung betrifft ebenfalls einen anderen Sachverhalt, nämlich den Erwerb durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung.
Das Gericht sieht angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.