Landgericht Osnabrück
Urt. v. 15.05.1998, Az.: 9 T 79/98
Erstattungsfähigkeit von aufgrund der Beauftragung eines nicht ortsansässigen Unterbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten; Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 15.05.1998
- Aktenzeichen
- 9 T 79/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 31448
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:1998:0515.9T79.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 91 ZPO
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Nordhorn vom 1.4.1998 geändert.
Die von dem Beklagten aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Nordhorn vom 17.02.1998 zu erstattenden Kosten werden auf DM 877,18 festgesetzt.
Beschwerdewert: bis 600.- DM
Gründe
Der Rechtspfleger und der Richter der Erstinstanz haben der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht vorgelegt, so daß die Erinnerung als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Rechtspflegers gilt (§§ 104 Abs. III ZPO, 11 Abs. II RPflG).
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung im Bezirk des Landgerichts Osnabrück sind die Kosten der Beauftragung eines Unterbevollmächtigten durch die Klägerin nicht erstattungsfähig. Es handelt sich dabei nicht um notwendige Kosten der Prozeßführung i.S.d.. § 91 ZPO. Es wäre der Klägerin möglich und zuzumuten gewesen, vonvornherein einen am Sitz des erkennenden Gerichts ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Etwas anderes wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn die Klägerin nicht mit der Einlegung eines Widerspruchs hätte rechnen müssen. Diese Voraussetzung ist jedoch von der Klägerin darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. OLG Oldenburg, JurBüro 83, 774; OLGSaarbrücken, JurBüro 90, 362). Daran fehlt es jedoch hier.
Hieran vermögen die Ausführungen in der Klägerin im Erinnerungsverfahren (SS. v. 24.4.98) nichts zu ändern.
Die einfache und klare Rechtslage konnte in der Klägerin nicht die Erwartung begründen, der Beklagte werde keinen Widerspruch einlegen. Maßgeblich ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Beurteilung der Reaktion des Schuldners auf den Mahnbescheid nicht das Verhalten eines billig und gerecht denkenden Mitbürgers. Denn ein solcher würde bei einfacher und klarer Rechtslage schon vor Einleitung des Mahnverfahrens gezahlt haben. Der Gläubiger muß daher stets ein gewisses Maß an Uneinsichtigkeit, Renitenz oder Verzögerungstaktik beim Schuldner einkalkulieren, so daß er nur aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte davon ausgehen kann, der Schuldner werde keinen Widerspruch einlegen.
Dabei ist ein Schweigen des Schuldners grundsätzlich ohne jede Aussagekraft, es bringt weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck (vgl. Palandt, Einf. v. § 116, Rz. 7). Aus einem Schweigen auf Mahnschreiben läßt sich somit nicht entnehmen, ob der Schuldner nicht reagiert, weil er die Forderung für begründet hält oder aber weil er wegen bestehender Einwendungen nicht zahlungswillig ist. Es gibt keinen Erfahrungssatz, daß Einwendungen gegen eine Forderung auf eine Mahnung des Gläubigers hin alsbald vorgebracht werden. Wenn der Gläubiger ein Schweigen des Schuldners in bestimmtem Sinne interpretiert, trägt er das Risiko, daß sich diese Prognose im Nachhinein als falsch erweist. Dieses Risiko belastet den Gläubiger aber nicht unbillig, da es ihm freisteht, schon im Mahnverfahren einen Anwalt am Sitz des Prozeßgerichts zu beauftragen.
Zudem ging die Klägerin nach eigenem Vorbringen im Schriftsatz vom 18.11.97 (Bl. 9 d.A.) davon aus, daß der Beklagte aus Uneinsichtigkeit die Zahlung verweigerte. Von daher wußte sie positiv, daß die einfache und klare Rechtslage den Beklagten nicht beeindruckte und mußte mit einem Widerspruch im Mahnverfahren rechnen.
Die Kosten einer fiktiven Informationsreise der Klägerin zu einem Prozeßbevollmächtigten nach Nordhorn sind ebenfalls nicht ansatzfähig, da die Klägerin, bei der es sich um einen Kaufmann gem. § 6 HGB handelt, aufgrund ihrer im Geschäftsleben erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen hätte in der Lage sein müssen, einen Prozeßbevollmächtigten schriftlich oder fernmündlich zu informieren. Es handelte sich - wie auch die Klägerin ausführt - nicht um einen besonders schwierigen Sachverhalt, sondern um einen Standard-Sachverhalt aus dem Geschäftsbereich der Klägerin. Entsprechendes gilt für eine fiktive Ratsgebühr gem. § 20 BRAGO. Auch durch die Wahl des Mahnverfahrens sind ersatzfähige Kosten für einen Hamburger Rechtsanwalt nicht i.S.d.. § 91 ZPO notwendig geworden. in diesem Fall die Klägerin hätte auch mit der Einleitung des Mahnverfahrens einen am Sitz des erkennenden Gerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragen können.
Aus dem vorstehenden folgt, daß im angefochtenen Beschluß die Kosten um die Gebühren der Unterbevollmächtigten zu hoch festgesetzt wurden.