Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.04.2006, Az.: 14 U 230/05

Eigenständige Begründung jedes geltend gemachten Anspruchs als Folge einer Verfolgung mehrerer Ansprüche mit einer Berufung; Darlegung einer angemessenen Schmerzensgeldhöhe als Obliegenheit eines Geschädigten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.04.2006
Aktenzeichen
14 U 230/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 34661
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:0425.14U230.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 29.09.2005 - AZ: 5 O 533/03

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Verletzte hat infolge eines Verkehrsunfalls keinen Anspruch auf Schadensersatz für einen erlittenen Verdienstausfall, wenn er selbst sein Arbeitsverhältnis gekündigt hat und er deshalb selbst für den Verdienstausfall verantwortlich ist.

  2. 2.

    Greift der Verletzte mit der Berufung die Höhe eines zugesprochenen Schmerzensgeldes an, hat er darzulegen, warum das vom Gericht als angemessen erachtete Schmerzensgeld nicht ausreichend und angemessen sein soll.

In dem Rechtsstreit ...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 29. September 2005 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klageanträge zu 2. (Schadensersatz wegen Verdienstausfall) und 3. (Feststellung) richtet.

Im Übrigen (Schmerzensgeld) wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 50.625,74 EUR.

Gründe

1

I.

Der Kläger macht gegenüber den Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall am 21. Juni 2000 geltend.

2

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 258 ff. d.A.).

3

Das Landgericht hat die Klage - nach Beweisaufnahme und Einholung mehrerer Sachverständigengutachten - abgewiesen. Zum einen hat es die von der Beklagten zu 3 bereits geleisteten Schmerzensgeldzahlung von 12.044,06 EUR als ausreichend angesehen, um damit die Beeinträchtigungen und Verletzungen, die der Kläger aufgrund des Unfalls erlitten hat, auszugleichen. Darüber hinaus hat es einzelne vom Kläger behauptete Verletzungen und Beeinträchtigungen als nicht unfallbedingt angesehen. Hinsichtlich des weiter vom Kläger beanspruchten Schadensersatzes wegen Verdienstausfalls hat das Landgericht vor allem eine Kausalität mit dem Unfall verneint. Der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und sei in der Lage, einer Tätigkeit als Metallbauer nachzugehen (LGU 7 unten). Der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger zukünftig materielle Schäden erleiden würde (vgl. im Einzelnen LGU 4 bis 8).

4

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das gezahlte Schmerzensgeld sei unzureichend. Es sei nur für die seinerzeit unstreitig vom Kläger erlittenen Verletzungen gezahlt worden. Über die damals zugrunde gelegten Verletzungen hinaus seien jedoch weitere Verletzungen durch die Sachverständigen festgestellt worden. Diese seien noch nicht ausgeglichen worden. Der Verdienstausfall sei im Einzelnen vorgetragen und belegt worden.

5

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

  1. 1.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2003 zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 32.669,74 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. August 2003 zu zahlen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 21. Juni 2000 auf der B 6 in H. zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

6

Die Beklagten beantragen,

  1. 1.

    die Berufung zum Antrag zu 1. zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Berufung zu den Anträgen zu 2. und 3. als unzulässig zu verwerfen.

7

Sie sind der Ansicht, die Berufung sei betr. der Anträge zu 2. und 3. unzulässig, weil es an einer erforderlichen Begründung fehle. Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

9

II.

Die Berufung ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.

10

1.

Hinsichtlich der Anträge zu 2. (Schadensersatz wegen Verdienstausfalls) und 3. (Feststellung) ist die Berufung unzulässig.

11

Bei mehreren mit der Berufung verfolgten Ansprüchen - wie vorliegend - ist für jeden eine eigenständige Begründung gem. § 520 ZPO nötig; andernfalls ist die Berufung für den nicht begründeten Teil unzulässig (vgl. nur Zöller/Gummer/

12

Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rn. 37; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rn. 25; je m.w.N.). Demnach ist die Berufung zum Feststellungsantrag ohne weiteres unzulässig, weil hier überhaupt ein eigenständiger Angriff gegenüber dem Urteil des Landgerichts fehlt. Die Berufungsbegründung enthält zu diesem Punkt keinen Vortrag.

13

Zum Verdienstausfall setzt sich die Berufung mit dem - entscheidenden - Gesichtspunkt, ob der Verdienstausfall auf den Unfall zurückzuführen ist, nicht auseinander. Das Landgericht hat hierauf ausdrücklich abgestellt (LGU 7 unten). Der Kläger legt demgegenüber im Rahmen der Berufungsbegründung nur im Einzelnen dar, warum sein Anspruch der Höhe nach begründet sein soll. Darauf kommt es jedoch nicht an, wenn der Verdienstausfall nicht auf den Unfall zurückzuführen ist. Das Landgericht hat dazu angeführt, der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und sei in der Lage, einer Tätigkeit als Metallbauer nachzugehen. Das sei unwidersprochen vorgetragen worden. Dem ist der Kläger im Rahmen seiner Berufung nicht entgegengetreten. Dann aber ist die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ihm selbst zuzuschreiben. Der Senat hat jedenfalls keine Möglichkeit und nach der Berufungsbegründung auch keine Veranlassung, im Gegensatz zum Landgericht eine Kausalität zwischen dem Verkehrsunfall vom 21. Juni 2000 und dem Verdienstausfall des Klägers anzunehmen. Auf die Fragen zur Höhe des Anspruchs kommt es damit nicht weiter an.

14

2.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Es ist unerheblich, ob mit der Schmerzensgeldzahlung seitens der Beklagten in Höhe von 12.044,60 EUR auch Verletzungen abgegolten werden sollten, die damals nicht hinreichend bekannt waren. Entscheidend ist allein, ob der gezahlte Betrag ausreichend und angemessen ist, die festgestellten Verletzungen und Beeinträchtigungen insgesamt abzugelten. Das ist aber der Fall. Jedenfalls vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Kammer hier das ihr zustehende Ermessen bei der Schmerzensgeldfestsetzung fehlerhaft ausgeübt hat.

15

Das Landgericht hat sich im Einzelnen mit den Feststellungen der Sachverständigen und den Verletzungen und behaupteten Unfallfolgen des Klägers auseinander gesetzt (LGU 4 - 7). Der Kläger legt demgegenüber nicht dar, warum das vom Landgericht als angemessen erachtete Schmerzensgeld von 12.000 EUR nicht ausreichend und angemessen sein soll. Insbesondere werden keine entsprechenden Entscheidungen aus der Rechtsprechung genannt. Der Senat ist zudem der Auffassung, dass die vom Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung (Bl. 298 d.A.) genannten Verletzungen (Gehirnerschütterung, erhebliche Thoraxprellung mit ausgedehnter Ablederung des Rückens und des Gesäßes bei Beckenprellung sowie eine tiefe Schnittwunde am rechten Unterschenkel, eine Kreuzbandruptur am linken Knie, eine Teilruptur des Außenbandes sowie des Innenbandes des linken Kniegelenkes, eine Steißbeinfraktur, Schäden am Gesäßmuskel, eine erhebliche Narbenbildung und eine Hüftmuskelverletzung) trotz ihrer auch in der Gesamtschau erheblichen Auswirkungen insgesamt in jeder Hinsicht angemessen durch ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 EUR abgegolten sind (vgl. bei Hacks/

16

Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge 2006 [24. Aufl.], Nr. 1744, 1795, 1853). Darüber hinaus hat der Senat keine Veranlassung, die Feststellungen des Landgerichts in Zweifel zu ziehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

17

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

18

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

19

Im Rahmen der Streitwertfestsetzung hat der Senat für das Schmerzensgeld einen Betrag von 12.956 EUR angesetzt (entsprechend den ursprünglichen Angaben des Klägers, Bl. 2 d.A.), für den Schadensersatz weitere 32.669,74 EUR und für den Feststellungsantrag 5.000 EUR (jeweils ebenfalls wie Bl. 2 d.A.).