Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 24.01.2012, Az.: 9 A 2372/11
Dorferneuerung; Straßenausbaubeitrag
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 24.01.2012
- Aktenzeichen
- 9 A 2372/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44545
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 KAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kommt eine Zuwendung (hier: aus Dorferneuerungsmitteln), die eine Gemeinde zu den Ausbaukosten für die Teilstrecke einer Straße erhält und die vor der Verteilung des umlagefähigen Aufwands von den geförderten Gesamtkosten abzuziehen ist, nicht lediglich den Anliegern der betroffenen Teilstrecke zugute, sondern allen Anliegern der Anlage.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich mit ihren jeweiligen Klagen gegen die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau des (E.)es zwischen seiner Einmündung in die B 217 und der nördlichen Einmündung der Straße (F.) in Bad Münder-(G.).
Die Kläger sind jeweils Eigentümer von am (E.) gelegenen Grundstücken in der Gemarkung (G.), Flur 3. Dort gelten die Bebauungspläne Nr. 9.9, 9.9.1 bzw. 9.12.1 der Beklagten, die als Nutzung im Wesentlichen "Mischgebiet" festsetzen. Der Kläger unter der laufenden Nr. 1 (im Folgenden: Kläger zu 1.) ist der Vater des Klägers unter der laufenden Nr. 2 (im Folgenden Kläger zu 2.)
Dem Kläger zu 1. gehört das Grundstück (E.) 4 b mit einer Größe von 850 m². Dem Kläger zu 2. gehören die Grundstücke (E.) 4
- Flurstück (H.) (Wohnhaus) mit einer Größe von 225 m²,
- Flurstück (I.) (Gewerbehalle) mit einer Größe von 1.643 m² und
- Flurstück (J.) (Gewerbegrundstück) mit einer Größe von 561 m²,
zusammen 2.204 m².
Der Kläger zu 2. betreibt auf den Gewerbeflächen einen Betrieb zur Herstellung von Bauelementen.
Der (E.) führt von der B 217 in nördliche Richtung. In dem abgerechneten Abschnitt gliedert sich die Straße in einen südlichen, 120 m langen "historischen“ Teil bis zur Einmündung eines schmalen Weges in Fortsetzung des mittleren in Ost-West-Richtung verlaufenden Astes der Straße (K.) und den nördlich daran anschließenden 118 m langen "normalen“ Teil bis zur Einmündung des nördlichen in Ost-West-Richtung verlaufenden Astes der Straße (K.) (Höhe (E.) 11 bzw. 12). Der sich weiter nördlich anschließende Abschnitt des (E.)es war zum Zeitpunkt der Ausbaumaßnahme noch nicht erstmalig hergestellt.
Der (E.) war vor dem Ausbau nach dem äußeren Eindruck eine einheitliche Anlage, die jedoch im Jahr 1983 nicht alle Merkmalsbestimmungen einer fertigen Einrichtung im Sinne der Erschließungsbeitragssatzung erfüllte. Der Weg war am 30.06.1961 eine "vorhandene Straße" in dem abgerechneten Abschnitt. Ein Ratsbeschluss der Beklagten aus dem Jahr 1974 stellte den Weg zwar in ganzer Länge als endgültig hergestellt fest, doch missachtete der Beschluss nach einem von den Beteiligten akzeptierten Rechtsgutachten die Vorgaben des § 135 BBauG und wird deshalb als rechtswidrig angesehen. Der Rechtsgutachter kam zu dem Ergebnis, dass der (E.) von der B 217 auf einer Länge von etwa 190 m (Flurstück (L.)) - d. h. die südliche Straßenparzelle - eine vorhandene Straße im Rechtssinne nach der Lage der Straße im Verhältnis zum bebauten Ortskern, dem Grad der Bebauung an ihr und ihrem Ausbauzustand im Verhältnis zu anderen als fertiggestellt geltenden Straßen des Ortes sei.
Den mit den streitigen Bescheiden abgerechneten Bereich des (E.)s widmete die Beklagte mit Beschlüssen vom 06.12.1983 (südlicher Teil) und 26.06.2002 (nördlicher Teil) dem öffentlichen Verkehr.
1992 wurden an der abgerechneten Anlage sieben Straßenlampen errichtet und der Beklagten in Rechnung gestellt.
Der Kläger zu 1. erwarb das Grundstück Flurstück (J.) am 30.07.1992 von der Beklagten. Der Kaufvertrag regelt in § 5, dass sich der Kaufpreis auf ein voll erschlossenes Grundstück bezieht und enthält den Zusatz: "Anliegerkosten und Anschlussgebühren entfallen". Im Jahr 2007 erwarb der Kläger zu 2. seine Grundstücke von dem Kläger zu 1.
Die Beklagte beantragte für die Erneuerung des „historischen“ Teils des (E.)es eine Zuwendung zur Dorferneuerung und gab die voraussichtlichen Gesamtkosten dafür mit 79.831,93 € (zuzüglich der nicht förderfähigen Mehrwertsteuer) an. Mit Bescheid vom 04.06.2009 gewährte die Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften Hannover für die Maßnahme "Dorfgerechter Ausbau der Straße '(E.)' - Historischer Teil" eine Zuwendung in Höhe von 34.429 € zur Förderung der Dorferneuerung nach der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE). Zweck der Zuwendung ist eine "Verbesserung der innerörtlichen Verkehrsverhältnisse". Die Nebenbestimmung Nr. 4 besagt, dass die Zuwendung nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten Zwecks verwendet werden darf. Die Nebenbestimmung Nr.11 regelt:
"Soweit für die geförderten Maßnahmen Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträge erhoben werden, ist die bewilligte Zuwendung von den geförderten Gesamtkosten vor Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf Gemeinde und Beitragspflichtige abzuziehen."
Die dem Zuwendungsbescheid beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-Gk) regeln in Nr.1.1:
"...Die Zuwendung darf nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten Zwecks verwendet werden. ..."
2009 baute die Beklagte die abgerechnete Anlage aus. Sie bildete dabei zwei Lose, weil nur der "historische“ Teil mit einer Zuwendung gefördert wurde. Zu den Kosten des Straßenbaus
- für das Los Nr. 1 ("historischer“ Teil)
= 82.707,07 €
- für das Los Nr. 2 ("normaler“ Teil)
= 94.790,21 €
rechnete die Beklagte die Kosten für
- eine Parkfläche im Los 2
= 2.869,08 €
- eine Rechnung des Wasserbeschaffungsverbandes Mühlenbachtal (WBV)
= 502,66 €
- eine Rechnung der Abwasserentsorgungs-GmbH der Beklagten (ABM)
= 1.200,35 €
- und eine Rechnung für eine Probeentnahme
= 178,50 €.
Davon setzte die Beklagte Kostenerstattungen ab
- des WBV
= 685,44 €
- und der ABM
= 2.105,10 €.
So kam sie auf beitragsfähige Kosten in Höhe von 179.457,33 €.
Dazu setzte die Beklagte noch Kosten für das eigene Personal in Höhe von 1.431,00 € an:
- Technischer Zeichner (M.) 6 Std. à 53 € (Aufmaß) = 318,00 €
- Mitarbeiter (N.) 4 Std. à 53 €, davon 3 Stunden für Submission und Vergabe und eine Stunde für eine VA-Vorlage = 212,00 €
- (O.) 17 Std. à 53 € = 901,00 €
und ermittelte insgesamt 180.888,33 € für den Straßenbau. Sie addierte die Kosten der Beleuchtung nach einer Rechnung der (P.) vom 16.04.1992 in Höhe von 5.335,73 € und zog davon die Zuwendung aus Dorferneuerungsmitteln wieder ab. Dies ergab einen beitragsfähigen Aufwand für den Straßenbau in Höhe von 151.795,06 €. Außerdem berechnete die Beklagte die Kosten für den Regenwasserhauptkanal zu 50 % (37.841,58 €). Bezogen auf eine Straße mit überwiegendem Anliegerverkehr ergab sich daraus insgesamt bei einer Beitragsfläche von 22.380 m² ein umlagefähiger Aufwand für den Straßenbau inklusive des Regenwasserhauptkanalanteils von 6,355115 €/m².
Die Beklagte zog die Anlieger mit diesem Beitragssatz durch Bescheide vom 11.05.2011 zu dem Straßenausbau heran:
- den Kläger zu 1. zu einem Betrag von 5.401,85 €
sowie
- den Kläger zu 2.
für das Flurstück (H.) zu einem Betrag von 1.429,90 €
und für die Flurstücke (I.) und (J.) zu einem Betrag von 21.010,01 €.
Am 10.06.2011 haben die Kläger - der Kläger zu 1. zum Az. 9 A 2372/11, der Kläger zu 2. hinsichtlich seiner Heranziehung wegen des Flurstücks (H.) zum Az. 9 A 2373/11 und hinsichtlich der Heranziehung wegen der Flurstücke (I.) und (J.) zum Az. 9 A 2374/11 - Klage erhoben und wie folgt begründet:
Sie unterstützten zwar, dass die Beklagte die ihr bewilligte Dorferneuerungszuwendung von den Gesamtkosten des Ausbaus und nicht lediglich von dem Gemeindeanteil abgezogen habe, aber zu beanstanden sei, dass die Beklagte die Zuwendung auf die gesamte Ausbaumaßnahme und nicht lediglich auf den Ausbau des "historischen“ Teils angerechnet habe. Die Beklagte habe auch den beitragsfähigen Aufwand fehlerhaft ermittelt. Die Berechnung einer Mitarbeiterstunde von Herrn (Q.) mit dem Betreff "VA-Vorlage" diene der internen Willensbildung der Beklagten, zähle aber nicht zum umlagefähigen Aufwand. Auch seien die Kosten der Beleuchtung nicht in den Aufwand einzubeziehen. Die Beklagte sei grundsätzlich nicht berechtigt, von den Klägern Ausbaubeiträge zu verlangen. Denn in dem Kaufvertrag aus dem Jahr 1992 sei geregelt, dass sich der Kaufpreis auf ein erschlossenes Grundstück beziehe und Anliegerkosten und Anschlussgebühren entfielen. Die Kläger hätten seinerzeit nicht gemeint, dass sich Anliegerkosten nur auf die Erschließungskosten bezögen.
Die Kläger beantragen in dem jeweiligen Verfahren,
den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt in allen drei Verfahren jeweils,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert:
Der Zuwendungsbescheid regele nur, dass bei Erhebung von Straßenausbaubeiträgen die Zuwendung vor Verteilung des umlagefähigen Aufwandes auf Gemeinde und Beitragspflichtige abzusetzen sei. Die Zuwendungsbehörde habe die Beitragspflicht selbst nicht bestimmen können. Für eine Abschnittsbildung zwischen dem „historischen“ und dem "normalen" Teil des abgerechneten (E.)es hätten die Voraussetzungen gefehlt. Die Kosten seien fehlerfrei ermittelt worden: Die Geltendmachung der Mitarbeiterkosten beruhe auf § 6 Abs. 3 Satz 3 NKAG. Herr (R.) habe die Bauleitung gehabt. Als Kosten der Beleuchtung seien die tatsächlich nach einer Rechnung von 1992 erstellten Lampen abgerechnet worden. Die erste Lampe stehe am Haus (E.) 1, die letzte am Haus Nr. 11. Der Begriff "Anliegerkosten" in dem Kaufvertrag sei juristisch nicht korrekt gewählt. Das verkaufte Grundstück sei voll erschlossen gewesen, so dass ein Erschließungsbeitrag nicht zu leisten gewesen sei. Auch in dem Kaufvertrag von 2007 sei zwischen Erschließungs- und Ausbaubeiträgen unterschieden worden.
Das Gericht hat eine unter dem 09.01.2012 erteilte Auskunft des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen zu der Frage eingeholt, ob wegen der Nebenbestimmung zu dem Zuwendungsbescheid der Beklagten vorgegeben sei, wie sie die Zuwendung bei Straßenausbaumaßnahmen zu verwenden habe. Auf den Inhalt der Auskunft wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind als Anfechtungsklagen zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die jeweils angegriffene Beitragserhebung ist § 6 NKAG i.V.m. § 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 22.02.1995 in der Fassung der Satzung vom 06.03.2008 - SABS -. Danach erhebt die Beklagte zur Deckung ihres Aufwandes für die Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Straßen Beiträge von Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet.
Die Kläger haben einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil in diesem Sinne von der abgerechneten Ausbaumaßnahme. Der besondere wirtschaftliche Vorteil, auf den das Straßenausbaubeitragsrecht abstellt, ist die qualifizierte Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße. Eine solche qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit haben in aller Regel Anlieger der ausgebauten Anlage.
Die Beklagte hat den Aufwand, zu denen sie die Anlieger des (E.)s anteilig herangezogen hat, zutreffend ermittelt. Richtigerweise hat sie die Anlage mit der Länge des ausgebauten Abschnitts des (E.)s angenommen. Im Ausbaubeitragsrecht wird die Anlage grundsätzlich von der natürlichen Betrachtungsweise bestimmt (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 31 Rn. 7). Diese legt es - unbestritten von allen Beteiligten - nahe, den (E.) südlich beginnend an der Einmündung in die B 217 sowohl in dem abgerechneten Abschnitt bis zur Einmündung des nördlichen Arms der Straße (K.) als auch darüber hinaus als eine einheitliche Anlage im beitragsrechtlichen Sinne zu begreifen. Gleichwohl liegt das nördliche Ende nicht dort, wo es die natürliche Betrachtungsweise nahelegt, sondern an dem Punkt, an dem die Beklagte die Anlage enden lässt. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt, dass der grundsätzlich auch für eine Anlage im Straßenausbaubeitragsrecht geltende erschließungsbeitragsrechtliche Einrichtungsbegriff dann nicht gilt, wenn spezifisch straßenausbaubeitragsrechtliche Grundsätze dies gebieten (vgl. Driehaus, a.a.O., § 31 Rn. 9). Zu diesen Ausnahmen gehört, dass eine im Sinne des Erschließungsbeitragsrecht endgültig hergestellte bzw. im Sinne des § 242 BauGB vorhandene Straße später verlängert wird. Die Verlängerungsstrecke kann wegen der insoweit erstmaligen Herstellung aus Rechtsgründen nicht zu Straßenausbaubeiträgen, sondern nur zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden.
Der abgerechnete Abschnitt des (E.)s ist eine vorhandene Straße im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB. Dies ergibt sich aus den Feststellungen eines Rechtsgutachtens aus dem Jahr 1983, die von den Beteiligten nicht angezweifelt werden und denen das Gericht folgt. Die räumliche Ausdehnung des ausgebauten Teils des (E.)s, für den die Beklagte die umstrittenen Straßenausbaubeiträge erhoben hat, ist nach den zum Begriff der Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 BauGB entwickelten Grundsätzen zu beurteilen. Danach endete eine Erschließungsanlage als öffentliche zum Anbau bestimmte Straße (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) in der Vergangenheit dort, wo sie ihre Anbaubestimmung verlor und in den Außenbereich überging. Spätere Verlängerungen oder Veränderungen einer fertigen Erschließungsanlage können diese nicht mehr in den Zustand der Unfertigkeit zurückversetzen, so dass Verlängerungsstrecken vorhandener Straßen, sofern sie die dafür erforderliche Mindestlänge erreichen, stets als beitragsrechtlich selbstständige Erschließungsanlagen anzusehen sind (so BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126).
Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung der Beklagten, wegen der nur für den "historischen“ Teil gewährten Dorferneuerungsmittel die abgerechnete Anlage - mit dem nach den obigen Grundsätzen zutreffend bestimmten Anfang und Ende - insgesamt abzurechnen. Dem Wesen der Gesamtabrechnung entspricht es, dass die vergleichsweise geringere Kostenhöhe im Bereich einer Teilstrecke - wie immer sie zu erklären sein mag - den Aufwand für die Gesamtstrecke senkt und damit bei der Umlegung des Gesamtaufwandes sämtlichen Anliegern im Abrechnungsgebiet zugute kommen muss (VGH Kassel, Beschluss vom 27.08.1991 - 5 TH 3093/90 -, Juris, Rn. 10).
Die mit dem Zuschuss verbundene Verringerung der Ausbaukosten kommt schon deshalb nicht lediglich den Anliegern im ersten Bauabschnitt zugute, weil der „historische“ Teil der Straße (Baulos 1) nicht aufgrund wirksamer Abschnittsbildung als gesonderter Abschnitt abgerechnet werden kann. Insoweit rügen die Kläger zu Unrecht, die Beklagte habe die abgerechnete Anlage in zwei Abschnitte, den "historischen" und den "normalen" Teil, teilen müssen. Ein Abschnitt darf grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der Ausbau nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, die im Bauprogramm ihren Niederschlag gefunden haben, fortgeführt werden soll, die tatsächliche Ausführung sich aber zunächst auf eine bestimmte Strecke der geplanten Ausdehnung beschränkt, wenn - mit anderen Worten - die Erneuerung der Einrichtung nicht in einem Zuge, sondern in Etappen (Teilstrecken) verwirklicht wird. Der Abschnitt muss dabei nach äußeren Merkmalen abgrenzbar sein (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rn. 112 ff.). Weder hat die Beklagte mit den beiden "Losen" der abgerechneten Anlage einen etappenweisen Ausbau des (E.)s beabsichtigt, noch sind äußere Merkmale gegeben, die eine Abschnittsbildung nahelegen.
Die Beklagte war auch nach den Förderrichtlinien nicht rechtlich gehalten, die ihr gewährten Dorferneuerungszuwendungen nur von den Kosten für den von der Dorferneuerung unmittelbar betroffenen "historischen" Teil des (E.)s abzuziehen und damit allein den diesem Bereich direkt zuzurechnenden Anliegern zugute kommen zu lassen (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 16 Rn. 12 unter Berufung auf VGH Kassel a.a.O.). Bei der Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen ist die Zuwendung, die eine Gemeinde zu den Baukosten nur für einen Teil der ausgebauten Straßenstrecke erhält, zwar unter Beachtung der konkreten Zuwendungsbestimmungen, aber nach straßenausbaubeitragsrechtlichen Grundsätzen in Ansatz zu bringen. Danach durfte die Beklagte von der straßenausbaubeitragsrechtlich zu bestimmenden Anlage ausgehen und die hierzu insgesamt entstandenen Kosten für die von Los 1 und Los 2 betroffenen Teile der Veranlagung zu Grunde legen. Sie war nach der Nebenbestimmung Nr. 11 des Zuwendungsbescheides allerdings verpflichtet, die bewilligte Zuwendung von den „geförderten Gesamtkosten“ abzuziehen. Insoweit unterliegt die Beklagte subventionsrechtlich dem Gebot der zweckentsprechenden Verwendung des Zuschusses. Ein Verwaltungsakt wie der Zuwendungsbescheid, der eine einmalige Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann ansonsten, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG). Diese Zweckbestimmung unterstreicht Nr. 1.1 der dem Zuwendungsbescheid beigefügten Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften (ANBest-Gk), wonach die Zuwendung nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten Zwecks verwendet werden darf.
Aus der Nebenbestimmung Nr. 11 in dem Zuwendungsbescheid folgt jedoch nicht das Gebot, die Zuwendung nur den Anliegern des "historischen“ Teils des (E.)es zukommen zu lassen. Die Bestimmung regelt, dass die "Zuwendung von den geförderten Gesamtkosten vor Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf Gemeinde und Beitragspflichtige abzuziehen" ist und diese damit beiden Seiten zugute kommen soll. Diesem Befehl hat die Beklagte (auch) dadurch entsprochen, dass sie von den Gesamtkosten der abgerechneten Anlage die Zuwendung in Abzug gebracht und damit Beitragspflichtige begünstigt hat.
Begünstigter von Dorferneuerungsmaßnahmen können Beitragspflichtige sein. Die Förderung von Maßnahmen der Dorferneuerung regelt die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE), RdErl. d. ML vom 29.10.2007-, NdsMBl. 2007, 1217). Danach sind Maßnahmen zur Dorferneuerung auch Maßnahmen zur Verbesserung der innerörtlichen Verkehrsverhältnisse (Anlage, Nr. 322.2.2.1). Empfänger von einer solchen Zuwendung können entweder Gemeinden und Gemeindeverbände und/oder Teilnehmergemeinschaften und Verbände und/oder natürliche Personen und Personengesellschaften sein (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE), RdErl. d. ML vom 29.10.2007-, NdsMBl. 2007, 1217, Anlage, zu Nr. 322.2.2.1). Die Nebenbestimmung Nr. 11 setzt die „Vermutungsregel“ (von § 6 Abs. 5 Satz 5 NKAG und § 4 Abs. 3 SABS), dass öffentliche Zuweisungen zunächst zur Deckung des Gemeindeanteils verwandt werden sollen außer Kraft (vgl. Driehaus, a.a.O., § 16 Rdnr 14 m.w.N.; VG Dessau, Beschluss vom 29.12.2006 - 3 B 323/06 -, Juris; VG Magdeburg, Beschluss vom 04.11.2003 - 2 B 272/03 -, Juris; VG Bayreuth, Beschluss vom 14.09.2001 - B 4 S 01.254 -, Juris).
Entgegen der Auffassung der Kläger will die Nebenbestimmung Nr.11 aber unter den Beitragspflichtigen nicht lediglich die Anlieger des "historischen“ Teils der abgerechneten Anlage begünstigen, vielmehr trifft sie keine Aussage dazu, ob von der Zuwendung nur die Anlieger des "historischen“ Teils des (E.)s oder der ganzen abgerechneten Anlage profitieren sollen. Dem steht die Formulierung, dass die "bewilligte Zuwendung von den geförderten Gesamtkosten … abzuziehen" sei, nicht entgegen. Der Zuwendungsbescheid ist hinsichtlich seiner Zweckbestimmung einer Auslegung in entsprechender Anwendung des § 133 BGB zugänglich. Es kommt dabei darauf an, wie der Adressat - hier die Beklagte - den Inhalt des Bescheides bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung aller für ihn - sie - erkennbaren Umstände verstehen musste; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17.10.1975 - 4 C 66.72 -, BVerwGE 49, 244, vom 18.06.1980 - 6 C 5.79 -, BVerwGE 60, 223, vom 06.09.1988 - 1 C 15.86 -, NJW 1989, 53, 54, und vom 17.08.1995 - 1 C 15.94 -, BVerwGE 99, 101). Insofern bleibt offen, ob "geförderte Gesamtkosten" bedeutet "Kosten des historischen Teils" oder "Kosten der Straßenausbaumaßnahme". Dass die Beklagte diese Frage im Sinne der letzten Alternative beantwortet, verstößt jedenfalls nicht gegen Subventionsrecht. Das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen hält laut Auskunft vom 09.01.2012 nach der Nebenbestimmung Nr. 11 beide Verteilungsmöglichkeiten für möglich, wenn es mitteilt, das Amt habe der Beklagten diesbezüglich keine Vorgaben gemacht. Auszuschließen ist es danach, dass die Beklagte sich unter den beiden subventionsrechtlich möglichen Verteilungsalternativen für die den Klägern günstige hätte entscheiden müssen. Denn straßenausbaubeitragsrechtlich ist die Beklagte gehalten, den Gesamtaufwand für die ausgebaute Anlage zu ermitteln und auf die Anlieger zu verteilen. Wenn dabei streckenweise unterschiedliche Kosten entstehen, wie hier durch die Zuwendung für den "historischen“ Teil des (E.)s, ändert das genauso wie bei unterschiedlichen Ausbauaufwendungen für Straßenstrecken (z. B. wegen unterschiedlichen Bauuntergrundes) nichts daran, auf die natürliche Betrachtungsweise bei der Anlagenbestimmung abzustellen.
Rein rechnerisch macht es überdies keinerlei Unterschied, ob die Beklagte die Zuwendung zunächst von den Ausbaukosten für den geförderten Straßenteil (zu Los 1) abgezogen hätte und dann die so verminderten Teilkosten zu den nicht reduzierten Kosten für den weiteren Straßenteil (zu Los 2) addiert hätte. Die Summe der umlagefähigen Gesamtkosten ändert sich dadurch nicht. Nach mathematischen Regeln ist es bei einer reinen Addition und Subtraktion von Beträgen völlig unerheblich, wann die jeweilige Operation erfolgt. Das Ergebnis führt immer zu derselben Gleichung.
Die Beklagte kann auch den geltend gemachten Aufwand auf die Anlieger der abgerechneten Anlage verteilen.
Soweit die Kläger meinen, die für den abgerechneten Straßenkörper verwandte Pflastersteindecke sei gegenüber einer Asphaltdecke "Luxus" und führe zu übersetzten Ausbauaufwendungen, folgt das Gericht dem nicht. Die Beklagte gibt hierzu an, nach eigenen Ermittlungen in ihrem Stadtgebiet habe sich eine Straßendecke aus Plastersteinen als die (zumal bei hohen Ölpreisen) günstigere Alternative erwiesen. Das Gericht kann dies aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Auch haben die Kläger diesem Vorbringen der Beklagten nicht substantiiert widersprochen. Dies gilt ebenso für den Verdacht des Klägers, die Beklagte habe zu seinen Lasten private Grundstückszufahrten hergestellt. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, sie habe lediglich die ausgebaute Anlage an die privaten Grundstückszufahrten angeglichen. Auch der Mitteilung, der Austausch der Abwasserentsorgungsleitungen sei der Schadhaftigkeit der bisherigen Betonrohre geschuldet gewesen, hat der Kläger nicht widersprochen. Soweit der Kläger bemängelt, im Gehwegbereich habe die Beklage eine "Mauerbefestigung" und "Überbauten" stehen gelassen, kann dies den Aufwand für den Straßenausbau nicht übersetzt haben und deshalb den Kläger nicht belasten. Schließlich hat die Beklagte zu Recht die - zum Selbstkostenpreis - 1992 erstellten Beleuchtungseinrichtungen in den Aufwand einbezogen.
Zutreffend, aber im Ergebnis ohne Relevanz, verweisen die Kläger darauf, dass eine Mitarbeiterstunde von Herrn (Q.) zur Fertigung einer Vorlage für den Verwaltungsausschuss (53 €) zu Unrecht in den umlagefähigen Aufwand eingeflossen sei. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 NKAG rechnen zum umlagefähigen Aufwand nur die vom Personal der Gemeinde für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 ("Der Aufwand kann nach den tatsächlichen Aufwendungen oder nach Einheitssätzen ermittelt werden.") zu erbringenden Werk- und Dienstleistungen, d. h. nur die Arbeitsleistungen eigener Dienstkräfte der Gemeinde, die speziell für die technische Durchführung einer bestimmten beitragsfähigen Ausbaumaßnahme angefallen sind (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8, Rn. 342). Werden aber die 53 € für die Mitarbeiterstunde aus dem Aufwand herausgerechnet, ergibt sich ein Beitragssatz von ca. 6,353339 €/m² statt der geforderten 6,355115 €/m², der zu einer marginalen Veränderung des gegenüber den Klägern festgesetzten Beitrages führen würde (für den Kläger zu 1. z. B. ca. 5.400,33 € statt 5401,85 €). Die je nach den Stellen hinter dem Komma des auf den Quadratmeter bezogenen Beitragssatzes unterschiedlichen Rechenergebnisse im „Centbereich“ verlangen aber keine Korrektur der angefochtenen Bescheide (vgl. BSG, Urteil vom 21.07.2009 - B 7 AL 23/08 R -, NZS 2010, 232).
Die Auffassung der Kläger, aus dem Kaufvertrag vom 30.07.1992 über eine Teilfläche des Gewerbegrundstücks des Klägers zu 2. ergebe sich, dass die Beklagte auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichtet habe, teilt das Gericht nicht. Zum einen bezieht sich der Vertrag nur auf einen sehr kleinen Teil der herangezogenen Grundstücksflächen und es fehlen Hinweise darauf, dass der Vertrag auch über diese Teilfläche hinaus Gültigkeit beansprucht. Zum anderen folgt aus der Formulierung "Anliegerkosten und Anschlußgebühren entfallen." kein Verzicht der Beklagten auf die künftige Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Selbst wenn unterstellt würde, dass Beiträge vom Wortlaut "Anliegerkosten und Anschlußgebühren" erfasst wären, erlaubte schon die in die Gegenwartsform gekleidete Wendung "entfallen" nicht, ihr den Sinn zu geben "werden auch für zukünftige Maßnahmen entfallen". Offenkundig will § 5 des Vertrages insoweit den Kaufpreis näher bestimmen und besagt hierzu lediglich, dass zum Kaufzeitpunkt keine "Anliegerkosten und Anschlußgebühren" zu leisten sind. Dass sich die Formulierung auf künftige Beitragsforderungen beziehen soll, ist ihr nicht zu entnehmen. Im Übrigen ständen einer solchen Bedeutung auch Rechtsgründe entgegen. Denn die Beklagte hätte mit den Klägern nicht wirksam vereinbaren können, auf jedwede Form der Beitragserhebung für alle Zukunft zu verzichten. Es ist mit dem Charakter des Abgabenrechts nicht vereinbar, ein Grundstück unabhängig von allen unvorhersehbaren Rechtsentwicklungen in jeder Hinsicht, also z. B. auch in Bezug auf Straßenausbaukosten, trotz einer bestehenden Beitragserhebungspflicht von einer Beitragspflicht freizustellen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.11.1998 - 9 L 4482/97 -, V. n. b.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu der Frage zu, ob eine Zuwendung, die eine Gemeinde zu den Ausbaukosten für die Teilstrecke einer Straße erhält und die vor der Verteilung des umlagefähigen Aufwands von den geförderten Gesamtkosten abzuziehen ist, lediglich den Anliegern der betroffenen Teilstrecke zugute kommt oder allen Anliegern der Anlage. Das Gericht hält diese Frage für obergerichtlich klärungsbedürftig.