Finanzgericht Niedersachsen
v. 25.08.2021, Az.: 3 K 112/19

Berücksichtigung der Vorschenkungen mit geringeren Werten bei einer Veranlagung zur Schenkungssteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.08.2021
Aktenzeichen
3 K 112/19
Entscheidungsform
Entscheidung
Referenz
WKRS 2021, 62982
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH-AZ: II R 35/21

Fundstellen

  • DStRE 2022, 1055-1058
  • ErbStB 2022, 36-37
  • StX 2022, 45
  • ZEV 2021, 787-789

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der bei einer Veranlagung zur Schenkungssteuer zu berücksichtigenden Vorschenkungen.

Mit Schriftsatz vom 27. September 2017 zeigte der Kläger gegenüber dem Beklagten eine am 20. Juni 2017 in Form eines Forderungsverzichts in Höhe von 400.000 EUR vollzogene Schenkung von seinem Vater an.

Der Beklagte erließ am 27. September 2018 einen Schenkungsteuerbescheid zu der Schenkung vom 20. Juni 2017. Darin berücksichtigte er Vorschenkungen mit einem Wert von 87.392 EUR. Hierbei handelt es sich um Grundstücke, welche der Kläger und sein Bruder durch Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 2012 und Übergabe am 31. Dezember 2012 von ihrem Vater je zur ideellen Hälfte erhalten hatten. Die insgesamt 8 kleineren Grundstücke liegen in den Gemarkungen von X und X-Y. Die Grundstücke haben insgesamt eine Fläche von 784 m2. Es handelte sich um unbebaute Grundstücke. Zu diesen Grundstücken ergingen am 4. April 2016 Feststellungen der Grundbesitzwerte für Zwecke der Schenkungssteuer auf den 31. Dezember 2012. In diesen Bescheiden wurden die Grundstücke insgesamt mit 174.785 EUR bewertet. Die Hälfte davon entfiel auf den Kläger, mithin 87.392 EUR. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Gegen den Schenkungsteuerbescheid legte der Kläger Einspruch ein. Er verwies darauf, dass die Vorschenkungen mit einem unzutreffenden Wert angesetzt worden seien. Die gesondert festgestellten Werte seien in den Bescheiden vom 4. April 2016 unzutreffend ermittelt worden. Die Vorschenkungen seien im angegriffenen Schenkungsteuerbescheid mit den materiell richtigen Werten anzusetzen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 28. März 2019 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiter die Berücksichtigung der Vorschenkungen mit geringeren Werten.

Die Werte der Vorschenkungen seien geringer als vom Beklagten angesetzt. Zu Unrecht habe dieser für die Werte auf die Feststellungsbescheide vom 4. April 2016 zurückgegriffen. Diese Bescheide seien keine Grundlagenbescheide für die hier streitige Steuerfestsetzung. Sie würden daher insbesondere keine Bindungswirkung entfalten. Ihre Wirkungen beschränkten sich auf die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb. Auf den Nacherwerb vom 20. Juni 2017 schlügen sie nicht durch. Aufgrund der Selbstständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe seien die in der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) einzubeziehenden Vorerwerbe mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Dies gelte auch, wenn bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein materiell-rechtlich unzutreffender Wert berücksichtigt wurde oder keine Festsetzung für den Vorerwerb erfolgt sei.

Vorliegend seien die Werte in den Festungsbescheiden vom 4. April 3016 zu hoch festgestellt worden. Eine Anfechtung dieser Bescheide sei nicht erfolgt, da sich aus dem daraufhin ergangenen Schenkungsteuerbescheid vom 25. April 2016 keine festzusetzende Schenkungssteuer ergeben habe. Zudem habe der Kläger den Feststellungsbescheiden dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. April 1991 (II R 121/88, BStBl II 1991, 522) folgend keine weitere Bindungswirkung zugemessen.

Bei den Grundstücken handele es sich ganz überwiegend um nicht bebaubare Verkehrsflächen, Straßen, private Zufahrten und Wege, deren Verkehrswert durchschnittlich 15 EUR/m2 betrage. Es ergäbe sich daraus ein Verkehrswert in Höhe von 11.760 EUR; auf den Kläger entfielen hälftig 5.880 EUR.

Der Kläger beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2019 dahingehend zu ändern, dass die Vorerwerbe anstatt in Höhe von 87.392 € mit 5.880 € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zwar seien die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden Werten hinzuzurechnen, sondern mit den damals materiell-rechtlich zutreffenden Werten. Die für die Vorerwerbe ergangenen Steuerbescheide würden auch keine Bindungswirkung im Sinne von Grundlagenbescheide für die Steuerfestsetzung des Nacherwerb entfalten. Dadurch solle aber keine Berichtigungsmöglichkeit von Feststellungsbescheiden ermöglicht werden. Im Fall von Grundbesitzübertragungen seien weiterhin die festgestellten Grundbesitzwerte zu berücksichtigen. Da die Grundbesitzwerte für die Vorerwerbe vorliegend bestandskräftig festgestellt worden seien, müssten diese Werte auch bei der Bemessung der Schenkungssteuer für den Nacherwerb unverändert berücksichtigt werden.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Das Verfahren war nicht nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist.

1. Eine Aussetzung des Verfahrens ist regelmäßig geboten, wenn im Verfahren gegen einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen streitig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2009 II B 95/09, BFH/NV 2010, 236). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Grundlagenbescheid bereits ergangen und angefochten ist, oder ob ein solcher erst noch ergehen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 16. April 1993 I B 173/92, BFH/NV 1993, 745, m.w.N.).

2. In diesem Verfahren sind zwar Besteuerungsgrundlagen streitig, welche in Grundlagenbescheiden festgestellt wurden (siehe dazu unter II. 1. a). Eine Aussetzung des Verfahrens hat dennoch nicht zu erfolgen, da kein weiteres Verfahren gegen die bereits ergangenen und bestandskräftigen Grundlagenbescheide anhängig ist und auch kein Verfahren anhängig ist, das den Erlass geänderter Grundlagenbescheide zum Inhalt hat. Weder betreibt der Kläger ein solches Verfahren, noch hat der Beklagte das für die Feststellung der hier streitigen Grundbesitzwerte zuständige Finanzamt X zum Erlass geänderter oder neuer Feststellungsbescheide aufgefordert.

II. Der streitige Schenkungsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Nach § 14 Abs.1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamterwerb wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG).

a) Die Bewertung richtet sich für Zwecke der Schenkungsteuer nach § 12 ErbStG.

Aus § 12 ErbStG als Vorschrift für die Bewertung im engeren Sinne folgt, wenn im ErbStG vom "Wert" nach dem ErbStG gesprochen wird oder auf den nach den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen ermittelten Wert Bezug genommen wird, dass dann der Wert - ausschließlich nach § 12 ErbStG ermittelt - vor Abzug von Freibeträgen und Wertabschlägen gemeint ist (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 61. EL Januar 2021, § 12 Rz. 2). Gem. § 12 Abs. 3 ErbStG ist Grundbesitz mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag nach § 11 ErbStG festgestellten Wert anzusetzen.

Für wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG i.V.m. § 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BewG gesondert festzustellen (§ 179 AO; vlg. BFH-Urteil vom 23. Februar 2021 II R 29/19, DStR 2021, 1816). Die Feststellungen treffen die zuständigen Belegenheitsfinanzämter (§ 152 Nr. 1 BewG). Diese Feststellungen des Grundbesitzwertes sind für die Festsetzung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 10 AO; vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 2021 II R 29/19, a.a.O. und BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2009 II B 95/09, BFH/NV 2010, 236; beide für Fälle der Erbschaftsteuer ergangen).

b) Im Rahmen von § 14 Abs.1 Satz 1 ErbStG sind zwar grundsätzlich die früheren Erwerbe mit den ihnen damals zukommenden richtigen Werten anzusetzen und nicht mit ggf. falschen Werten, die den vorangegangenen Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522). Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb daher mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen (BFH-Urteile vom 9. Juli 2009 II R 55/08, BFHE 225, 498, BStBl II 2009, 969; vom 12. Juli 2017 II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120 [BFH 20.03.2017 - X R 13/15], Rz 19, m.w.N. und vom 8. Mai 2019 II R 18/16, BFHE 264, 287, BStBl II 2019, 681). Für die Berechnung ist das Recht zur Zeit des letzten Erwerbs maßgebend ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522 und vom 31. Mai 1989 II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733).

c) Hieraus folgt, dass den vorangegangenen Steuerbescheiden im Regelfall bei der Zusammenrechnung gem. § 14 ErbStG keine Bindungswirkung zukommt. Der Vorerwerb ist kein Grundlagenbescheid für den Nacherwerb (BFH-Urteil vom 9. Juli 2009 II R 55/08, BFHE 225, 498, BStBl II 2009, 969; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 61. EL Januar 2021, § 14 Rz. 28 m.w.N.). Die früheren Erwerbe sind vielmehr auch dann mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen, wenn den vorangegangenen Steuerfestsetzungen fehlerhafte Werte für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren. Insofern ist eine Korrektur fehlerhafter Steuerveranlagungen für den Vorerwerb zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2005 II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308, m.w.N.; BFH-Urteil vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522; FG Münster, Urteil vom 13. März 2008 3 K 1919/05 Erb, juris).

d) In der Literatur wird unter Berufung auf die oben zitierte BFH-Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass eine Fehlerkorrektur - bezogen auf den Vorerwerb - im Rahmen des § 14 ErbStG grundsätzlich möglich sei (vgl. Götz, ZEV 2008, 29 m.w.N.; Götz in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Auflage 2020, § 14 Rz 28; Hülsmann in Wilms/Jochum, ErbStG; 14. EL Juni 2021, § 14 Rz 35; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, 61. EL Januar 2021, § 14 Rz 29, Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 88. EL Mai 2021, § 14 Rz. 9; Kugelmüller-Pugh in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG, 6. Auflage 2020, § 14 Rz 20a; Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018 § 14 Rz 9; Preißer in Preißer/Rödl/Seltenreich, Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2. Auflage 2013, § 14 Rz 22).

2. Dies gilt allerdings zur Überzeugung des Senats nicht, wenn der Wert des Vorerwerbs durch einen bestandskräftigen Grundlagenbescheid festgestellt worden ist. Der Beklagte hat die Vorererbe deshalb zutreffend mit 87.392 EUR berücksichtigt.

a) Der Beklagte hat zu Recht auf die in den Feststellungsbescheiden ausgewiesenen Grundbesitzwerte zurückgegriffen, denn die Feststellungsbescheide des für die Feststellungen zuständigen Finanzamts X vom 4. April 2016 waren für ihn unter Bezug auf die Ausführungen unter II. 1. a) gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend.

Diese Feststellungen sind nach § 12 Abs. 3 ErbStG für die Bemessung der Schenkungsteuer von Bedeutung. Sie sind für die hier als Vorerwerbe zu berücksichtigenden Grundstücke auf den damaligen Übergabetag und für Zwecke der Schenkungsteuer ergangen.

b) Die Feststellungsbescheide vom 4. April 2016 schlagen hinsichtlich des mit ihnen für den Vorerwerb festgesetzten Wertes auch auf dessen Berücksichtigung im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG durch.

Der Wert der Vorerwerbe ist im Rahmen von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nämlich so anzusetzen, wie er in einem aktuell zu erlassenen Schenkungsteuerbescheid für den Vorerwerb unter Berücksichtigung der Rechtslage zum Zeitpunkt des Vorerwerbs anzusetzen wäre.

Das ist aufgrund der bestandskräftigen und für Zwecke der Schenkungsteuer bindenden Feststellungsbescheide vorliegend ein Wert in Höhe von insgesamt 87.392 EUR.

Die Feststellungsbescheide können verfahrensrechtlich nicht mehr geändert werden. Sie sind nämlich formell (§ 122 Abgabenordnung - AO) und materiell (§ 124 AO) rechtskräftig. Sie stehen daher einer anderweitigen Feststellung der streitigen Grundstückswerte für Zwecke der Schenkungssteuer auf den Stichtag 31. Dezember 2012 entgegen. Es ist keine einschlägige Rechtsnorm ersichtlich, mit welcher die Bestandskraft der Feststellungsbescheide durchbrochen werden könnte. Die festgestellten Werte wären daher ebenso bei einer erneuten Ermittlung der Schenkungsteuer auf den 31. Dezember 2012 zu berücksichtigen. Der richtige Wertansatz für die Vorerwerbe kann jedoch bei der Besteuerung des letzten Erwerbs nur berücksichtigt werden, wenn der Erlass oder die Änderung des Bescheids für den letzten Erwerb verfahrensrechtlich möglich ist.

c) Dieser Beurteilung steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach es für die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe auf deren materiell-rechtlich zutreffende Werte ankommt (siehe hierzu die Ausführungen unter II. 1. b) und c)).

Die Rechtsprechung des BFH ist nicht zu der hier vorliegenden Konstellation vorliegender Grundlagenbescheide ergangen und berücksichtigt daher nicht die in § 182 Abs. 1 Satz 1 AO gesetzlich vorgesehene Bindungswirkung dieser Grundlagenbescheide. Es entspricht dem in § 12 Abs. 3 ErbStG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, die Bewertung von Grundbesitz einem gesonderten Feststellungsverfahren zuzuweisen. Das Gesetz enthält weder in § 14 ErbStG noch an anderer Stelle eine für die Berücksichtigung früherer Erwerbe von § 12 Abs. 3 ErbStG abweichende Bewertungsvorschrift.

Eine andere Methode der Bewertung ist insbesondere nicht § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zu entnehmen. Zwar stellt diese Norm auf den "früheren Wert" ab. Damit kann allerdings bei Grundbesitz kein anderer Wert als ein solcher nach § 12 Abs. 3 ErbStG gemeint sein. Einer anderweitigen Bewertung würde immer die Bestandskraft der für Zwecke der Schenkungsteuer ergangenen Feststellungsbescheide auf den für den Vorerwerb maßgeblichen Bewertungsstichtag entgegenstehen. Eine andere Wertermittlung kann nur unter Durchbrechung der Bestandskraft der ergangenen Feststellungsbescheide erfolgen. Ein derartiges Verfahren ist aber nicht anhängig. Es ist auch nicht vom Beklagten in Gang zu setzen, da keine einschlägige Rechtsnorm ersichtlich ist, mit welcher die Bestandskraft der Feststellungsbescheide durchbrochen werden könnte.

Auch für die Berücksichtigung früherer Erwerbe ist zur Bewertung daher auf § 12 ErbStG zurückzugreifen.

d) Die in der Literatur vertretene Möglichkeit der Fehlerkorrektur ist aus den vorgenannten Gründen für den hier vorliegenden Fall bestandskräftiger Feststellungsbescheide abzulehnen.

e) Die Feststellungsbescheide sind auch nicht dahingehend auszulegen, dass die in ihnen festgestellten Werte nur für die Festsetzung der Schenkungsteuer im allein den Vorerwerb betreffenden Schenkungsteuerbescheid von Bedeutung sind und für die Berücksichtigung als Vorerwerb i.S.v. § 14 Abs.1 Sätze 1 und 2 ErbStG keine Bedeutung mehr haben.

aa) Ein Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO). Hierbei ist der Regelungsinhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln und § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als eine auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregel zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 15. November 2005 VII R 55/04, BFHE 212, 297; vom 30. November 1999 IX R 57/98, BFH/NV 2000, 678 und vom 16. Februar 1990 VI R 40/86, BFHE 160, 120, BStBl II 1990, 565, jeweils m.w.N.). Dabei kommt es nicht darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung vielmehr, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Dabei gehen Unklarheiten zulasten der Behörde (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293 und vom 25. November 2008 II R 11/07, BFHE 223, 326, BStBl II 2009, 287, m.w.N.) Im Zweifel ist das den Steuerpflichtigen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen (BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2005 X R 54/04, BFH/NV 2005, 1749; vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34).

bb) Vorliegend lässt sich den Feststellungsbescheiden vom 4. April 2016 nicht entnehmen, dass die darin getroffenen Wertfeststellungen nur für die Besteuerung des Vorerwerbs von Bedeutung sind und keine Bindungswirkung mehr für alle nachfolgenden Übertragungen haben sollen.

Dem steht bereits der eindeutige Wortlaut der Feststellungsbescheide entgegen, denn die Bescheide ergingen "für Zwecke der Schenkungsteuer". Sie sind nicht mit einer Einschränkung versehen, dass die Werte für die spätere Einbeziehung in die Steuerermittlung im Falle von Nachschenkungen keine Bedeutung mehr haben. Der Kläger musste auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und der gesetzlichen Konzeption der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG damit rechnen, dass die Feststellungsbescheide auch hierfür Bedeutung haben.

cc) Es ist hier auch nicht die vom BFH bereits entschiedene Konstellation der fehlenden Bindungswirkung einer für Zwecke der Erbschaftsteuer getroffenen Feststellung auch für einen Schenkungsteuerbescheid gegeben (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 2008 II R 11/07, a.a.O.). Vorliegend ergingen die Feststellungsbescheide für Zwecke der Schenkungsteuer. Streitig ist hier ebenfalls ein Bescheid über Schenkungsteuer.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

IV. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, da noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Reichweite der Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden für Wertansätze im Rahmen von § 14 Abs.1 Sätze 1 und 2 ErbStG vorliegt.