Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.10.2021, Az.: 9 K 188/18

Erlass von zu Ungunsten des Schuldners geänderten Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Umsatzsteuer aufgrund einer tatsächlichen Verständigung anlässlich einer Außenprüfung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.10.2021
Aktenzeichen
9 K 188/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 68849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BBK 2022, 836
  • DStRE 2022, 1205

Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung des Beklagten, aufgrund einer tatsächlichen Verständigung anlässlich einer Außenprüfung zu Ungunsten der Klägerin geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Umsatzsteuer für das Jahr 2013 zu erlassen.

Die Klägerin ist Friseurmeisterin und betreibt in P in Rahmen eines Einzelunternehmens den Salon "[...]". Aus dieser Tätigkeit erzielt sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Betrieb der Klägerin waren im Streitjahr neben der Klägerin zwei weitere Friseurinnen beschäftigt. Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn im Streitjahr durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 i. V. m. § 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG).

Am 26. Juli 2014 reichte die Klägerin eine nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2013 beim Beklagten ein, die gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) mit dem Tag des Eingangs beim Finanzamt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galt. Die hiernach erklärten steuerpflichtigen Lieferungen und sonstigen Leistungen zum Regelsteuersatz von 19 % beliefen sich auf [...] € zzgl. [...] € unentgeltliche Wertabgaben. Die festgesetzte Umsatzsteuer betrug nach Berücksichtigung abziehbarer Vorsteuern [...] €. Ferner erklärte die Klägerin im Rahmen einer gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG in Höhe von [...] €. Der Beklagte erließ daraufhin am 8. August 2014 einen antragsgemäßen Bescheid für 2013 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

In der Zeit vom 6. Januar bis 6. April 2016 führte der Beklagte eine allgemeine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Im Rahmen der Außenprüfung vertrat die Betriebsprüferin die Auffassung, dass die Kasse im Streitzeitraum nicht ordnungsgemäß geführt worden sei, da erhebliche Kassenmängel vorliegen würden. Insbesondere im Zeitraum xx.xx.2012 bis xx.xx.2014 sei die Kassenführung als nicht ordnungsgemäß anzusehen, da Organisationsunterlagen (Bedienungsanleitung der Kasse, Protokolle der Programmierung) nicht vorgelegt werden konnten. Die Tagessummenbons seien zwar vollständig vorgelegt worden, wiesen jedoch den sog. Schluss-Storno (Storno abgeschlossener Geschäftsvorfälle) nicht aus. Eine Auslesung der Kasse für den Zeitraum xx. Juli 2010 (Ersteinsatz) bis zum xx. Mai 2014 (letzter Einsatz) weise für das Zeitfenster 11:00 Uhr bis 11:59 Uhr negative Umsätze aus. Unterlagen zu Testbuchungen vor dem Ersteinsatz der Kasse seien in diesem Zusammenhang nicht vorgelegt worden. Ferner habe die Klägerin die Kasse nicht entsprechend den Anforderungen des BMF-Schreibens vom 26. November 2010 aufgerüstet. Darüber hinaus führte die Betriebsprüferin eine Nachkalkulation für das Wirtschaftsjahr 2014 durch aus der sich Differenzen zu den erklärten Beträgen ergaben.

Über diese (vorläufigen) Prüfungsfeststellungen wurden die damaligen steuerlichen Berater der Klägerin, die Steuerkanzlei A.+B., mit Schreiben vom 8. Februar 2016 unterrichtet. In diesem Schreiben teilte die Betriebsprüferin zudem mit, dass beabsichtigt sei, den bisher erklärten Erlösen einen Unsicherheitszuschlag hinzuzurechnen. Ferner führte sie aus, dass die Prüfung aus Sicht der Außenprüfung abgeschlossen werden könne, und bat zwecks Vereinbarung eines Termins zur Durchführung der Schlussbesprechung um Rückruf. Ausweislich eines Vermerks über eine am 21. März 2016 durchgeführte Besprechung, an welcher die steuerlichen Berater Frau A. und Herr B. sowie die Betriebsprüferin teilnahmen, wurde die vorgenommene Kalkulation unter Einarbeitung der Einwände der Klägerseite erläutert. Die Besprechungsergebnisse sollten durch die Steuerberater mit der Klägerin besprochen werden. Es sei ferner beabsichtigt, eine einvernehmliche Einigung im Wege einer tatsächlichen Verständigung anzustreben. Der hierzu von der Betriebsprüferin gefertigte Aktenvermerk wird ergänzt durch einen handschriftlichen Telefonvermerk vom 23. März 2016 über ein Telefonat mit Frau Steuerberaterin A., in welchem diese mitteilte, dass die Klägerin (noch) Bedenkzeit brauche.

Am 6. April 2016 fand ein weiterer Besprechungstermin statt, welcher in der Vereinbarung einer "tatsächlichen Verständigung" mündete. Ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks über eine Schlussbesprechung am 6. April 2016 um 15:15 Uhr, nahmen an der Besprechung auf Seiten der Klägerin:

die Klägerin persönlich, ihr Ehemann und Frau Steuerberaterin A.

sowie auf Seiten des Beklagten:

Steueroberamtsrat (StOAR) C. sowie die Betriebsprüferin Frau S. teil.

Entsprechend des Aktenvermerks waren, unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 8. Februar 2016, folgende Punkte Gegenstand der Besprechung:

die Aufzeichnungen und Kassenführung, die Kalkulation 2014 sowie Unsicherheitszuschläge.

Gemäß der "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung anlässlich einer Außenprüfung" waren Anlass für die angestrebte tatsächliche Verständigung die schwerwiegenden Mängel in der Kassenführung und Differenzen im Rahmen einer Nachkalkulation für 2014. Die Schwierigkeiten in der Sachverhaltsermittlung seien darin zu sehen, dass die Klägerin ihren Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nicht ausreichend nachgekommen sei, sodass die vollständige Erfassung der Erlöse in der Kasse nicht abschließend festgestellt werden könne (Textziffer 1. "Schilderung des Sachverhalts").

Unter Textziffer 2. "Tatsächliche Verständigung" heißt es im weiteren wörtlich:

"Hiermit wird zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung und zur Herstellung des Rechtsfriedens einvernehmlich die folgende, für alle Beteiligten rechtlich bindende, tatsächliche Verständigung über die der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalte getroffen:

Wegen der Kassenmängel kann die Vollständigkeit der Betriebseinnahmen nicht abschließend geprüft werden. Den bisher erklärten Betriebseinnahmen werden insofern folgende Unsicherheitszuschläge (netto) hinzugerechnet:

20123.000,- €
20133.000,- €
20144.000,- € "

Die Niederschrift wurde von der Klägerin persönlich sowie für die Finanzverwaltung von Herrn StOAR C. unterzeichnet. Wegen des weiteren Inhalts der Niederschrift wird auf das Dokument "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung anlässlich einer Außenprüfung" Bezug genommen, welches zwischen den Beteiligten unstreitig am 6. April 2016 unterzeichnet wurde, jedoch fehlerhaft das Datum "06.04.2015" trägt.

Die einzelnen Prüfungsfeststellungen, der Gegenstand der tatsächlichen Verständigung sowie die sich hieraus ergebenden Umsätze und Gewinne wurden von der Betriebsprüferin im Betriebsprüfungsbericht vom 8. April 2016 näher erläutert. Die Schlussbemerkungen auf Blatt 6 des Berichts enthalten hierzu den Hinweis, dass über die Prüfungsfeststellungen Übereinstimmung erzielt worden sei.

Am 22. April 2016 ließ die Klägerin durch ihren zwischenzeitlich beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass sie die tatsächliche Verständigung vom 6. April 2016 anfechte. Die im Rahmen der Außenprüfung getroffenen Beanstandungen seien falsch. Hierauf sei im Rahmen der Außenprüfung mehrfach hingewiesen worden. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es sich bei dem Besprechungstermin vom 6. April 2016 um einen Schlussbesprechungstermin gehandelt habe. Eine entsprechende förmliche Einladung habe sie weder von ihrer Steuerberaterin noch vom Finanzamt erhalten. Im Besprechungstermin sei sie diesbezüglich überrumpelt worden. Darüber hinaus sei sie bedroht und in der Weise eingeschüchtert worden, dass, wenn sie die tatsächliche Verständigung nicht unterschreibe, "alles noch schlimmer werde". Ferner sei ihr gesagt worden, dass sie mindestens 10.000 € pro Jahr als Hinzuschätzung akzeptieren müsse. Die aufgezeigten Szenarien hätten ihren wirtschaftlichen Ruin bedeutet, so dass sie sich zu dessen Vermeidung genötigt gefühlt habe, die tatsächliche Verständigung zu unterschreiben. Darüber hinaus sei die tatsächliche Verständigung nicht wirksam, da auf Seiten des Finanzamts nicht der Sachgebietsleiter des Veranlagungsbezirks, sondern nur der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung teilgenommen habe. Dieser sei jedoch nicht berechtigt gewesen, eine tatsächliche Verständigung abzuschließen. Auch sei eine tatsächliche Verständigung nur zulässig, wenn der Sachverhalt, über den sich verständigt werden solle, nur unter erschwerten Umständen ermittelt werden könne. Einen derartigen Fall habe es vorliegend jedoch nicht gegeben. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe hätten durch Prüfung der vorgelegten Unterlagen ausgeräumt werden können. Dieses sei jedoch aus Vereinfachungsgründen unterblieben. Darüber hinaus erfasse die vorliegende tatsächliche Verständigung eine Hinzurechnung von Netto-Unsicherheitszuschlägen und damit keine Verständigung über einen Sachverhalt. Ein Vergleich über Steuern oder Mehrergebnisse sei nicht zulässig. Schließlich führe die tatsächliche Verständigung auch zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Es dürfe kein fiktiv angenommener Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie in ihrem kleinen Friseurbetrieb in den Jahren 2012 und 2013 jeweils 3.000 € und im Jahr 2014 4.000 € Mehrerlöse angefallen sein sollen. Diese Annahme stehe auch im Widerspruch zum Wareneinsatz. Entsprechend höhere Erlöse seien lediglich durch mindestens 95 bzw. 130 bediente Kunden möglich. In diesem Fall hätte es jedoch zwangsläufig zu einer Erhöhung des Wareneinsatzes kommen müssen.

Zu den Einwänden der Klägerin nahm der Beklagte durch StOAR C. mit Schreiben vom 25. April 2016 Stellung. Gleichwohl hielt der Beklagte an der getroffenen tatsächlichen Verständigung fest und erließ am 28. April 2016 auf dieser Basis geänderte Bescheide über Umsatzsteuer 2013 (gemäß § 164 Abs. 2 AO) und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 (gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Gegen diese Bescheide wendete sich die Klägerin mit ihren Einsprüchen vom 19. Mai 2016. Hierin führt sie im Einzelnen wie folgt aus:

Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass die Besprechung, welche am 6. April 2016 im Steuerbüro ihrer damaligen Berater stattgefunden habe, eine Schlussbesprechung darstellen sollte. Sie sei während dieser Besprechung bedroht und eingeschüchtert worden, die tatsächliche Verständigung zu unterschreiben, um alles nicht noch schlimmer zu machen. Man habe ihr zu verstehen gegeben, dass das Finanzamt stets 10 % des Umsatzes hinzuschätze. Diese Hinzuschätzungen hätten sie wirtschaftlich ruiniert. Desweiteren sei ihr gesagt worden, dass sie mindestens 10.000 € pro Jahr als Hinzuschätzung akzeptieren müsse. Durch die aufgezeigten Drohszenarien und die gefühlte Hetze sei sie derart eingeschüchtert gewesen, dass sie die tatsächliche Verständigung unterschrieben habe.

Die vom Beklagten vorgehaltene Kassenmanipulation sei gar nicht möglich gewesen. Insbesondere seien nichtprotokollierte Stornierungen ausgeschlossen gewesen. Dieses bestätige auch ein Schreiben des Kassenvertreibers vom 11. April 2016.

Die tatsächliche Verständigung vom 6. April 2016 sei infolge der ihr gegenüber erfolgten Bedrohung und Überrumpelung unwirksam. Als junge unerfahrene Unternehmerin habe sie keine Erfahrung mit Betriebsprüfungen und Schlussbesprechungen gehabt. In diesem Zusammenhang habe es die Finanzverwaltung unterlassen, ihr ein Exposé zur Vorbereitung auf die Schlussbesprechung zu übersenden, wie es sich in einem fairen Verfahren gehöre. Ferner sei eine förmliche Einladung zur Schlussbesprechung sowie eine Belehrung oder eine Einleitung im Gespräch unterblieben. Die in der Besprechung aufgebauten Drohszenarien hätten sie in Angst und Schrecken versetzt. Unter diesem Eindruck habe sie sich genötigt gefühlt, die tatsächliche Verständigung zu unterschreiben. Der Beklagte habe dabei ihr Alter und ihre Unerfahrenheit ausgenutzt, und versucht, sie "über den Tisch zu ziehen".

Darüber hinaus sei die tatsächliche Verständigung auch aus formalen Gründen nicht wirksam, da der anwesende Sachgebietsleiter nicht für den Veranlagungsbezirk, sondern für die Betriebsprüfung zuständig sei. Er sei nicht befugt gewesen, eine tatsächliche Verständigung zu unterschreiben.

Ferner führe die tatsächliche Verständigung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis, so dass diese auch materiell-rechtlich nicht wirksam zustande gekommen sei. Im Streitfall liege kein Sachverhalt vor, der nur unter erschwerten Umständen hätte ermittelt werden können. Der angeblich fehlende Monatsordner für Juli 2010 habe der Betriebsprüferin vorgelegen und hätte von dieser ausgewertet und gewürdigt werden müssen. Lediglich an einem Tag sei es durch eine Fehlbuchung von 130.000 € zu einer Kassendifferenz gekommen. Eine Fehlbuchung sei jedoch kein Grund, die Kassenführung für unzureichend zu erklären. Die Behauptung der Betriebsprüfung, die Kasse habe nicht ausgewiesene Storni enthalten, sei unzutreffend. Es hätte sich lediglich um einen Übersetzungsfehler der Kasseneinrichtung gehandelt. Storni seien nicht unterdrückt, sondern offen ausgewiesen worden. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie die Hinzuschätzungsbeträge hätten erwirtschaftet werden sollen. Die Hinzuschätzung durch die Betriebsprüfung sei daher willkürlich und nicht nachvollziehbar.

Schließlich sei ein Rechtsinstitut, welches einem praktischen Bedürfnis nach Verfahrensförderung, Verfahrensbeschleunigung und Rechtsfrieden diene, zur Arbeitserleichterung missbraucht worden. Die Buchführungsunterlagen hätten vollständig vorgelegen. Es habe keinen Grund für eine Schätzung gegeben.

Mit Schreiben vom 6. November 2017 nahm der Beklagte - nach vorheriger schriftlicher Stellungnahme der Betriebsprüferin - zu den Einsprüchen sowie zum Betriebsprüfungsbericht Stellung. In seiner Stellungnahme weist der Beklagte insbesondere darauf hin, dass der Klägerseite durchaus bewusst gewesen seien müsse, dass es sich bei dem Termin am 6. April 2016 um eine Schlussbesprechung handeln sollte und gehandelt hat. Es sei im Vorfeld mehrfach zu Rücksprachen und Verschiebungen im Hinblick auf die Vereinbarung eines Schlussbesprechungstermins gekommen. Auch der Darstellung der Klägerin, der Termin habe unter großem Druck und Hetze stattgefunden, werde widersprochen. Vielmehr habe man die Feststellungen der Betriebsprüfung in einem zweistündigen Gespräch eingehend besprochen. Das Gespräch sei dann auf Wunsch der Klägerseite zwecks interner Besprechungen unterbrochen worden bevor es zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung in der aktuellen Fassung gekommen sei.

Hinsichtlich der vorgenommenen Hinzuschätzungen wies der Beklagte nochmals darauf hin, dass infolge der Einwendungen der Klägerseite großzügige Abschläge im Hinblick auf die festgestellten Kalkulationsdifferenzen vorgenommen worden seien. Die Hinzuschätzungen seien nach Ansicht des Beklagten auch unter Berücksichtigung des neuerlichen Vortrags der Klägerin und der Vorlage einer Bescheinigung des Kassendienstleisters Multi Data Wedemann Vertriebs GmbH weiterhin angemessen. Insgesamt seien Unsicherheitszuschläge im Umfang von 1,65 % (2012), 1,49 % (2013) und 1,84 % (2014) vorgenommen worden. Diese Hinzuschätzungen seien auch von der Rechtsprechung der Finanzgerichte gedeckt. Die tatsächliche Verständigung sei auf Seiten des Finanzamts vom Sachgebietsleiter der Amtsbetriebsprüfung, Herrn C., wirksam unterzeichnet worden. Die Amtsbetriebsprüfung in Niedersachsen werte ihre getroffenen Feststellungen als veranlagende Betriebsprüfung selber aus. Daher sei ihr Sachgebietsleiter auch der für die Steuerfestsetzung zuständige Amtsträger.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 14. Mai 2018 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin gegen die streitigen Bescheide über Umsatzsteuer 2013 und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 als unbegründet zurück. Die streitigen Bescheide seien unter Berücksichtigung der abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung rechtmäßig erlassen worden. Die tatsächliche Verständigung komme der Annahme eines Vertrags gleich und sei für alle Beteiligten bindend. Ein einseitiger Widerruf der eigenen Verständigungserklärung sei grundsätzlich nicht möglich. Die tatsächliche Verständigung behandele Fälle erschwerter Sachverhaltsermittlung, zu denen u.a. auch Schätzungen gehörten. Hierbei stünde der Finanzbehörde ein gewisser Würdigungsspielraum zu. Ein solcher Sachverhalt sei im Streitfall anzunehmen. Die tatsächliche Verständigung sei vom zuständigen Sachgebietsleiter und der Klägerin im Beisein ihrer Steuerberaterin und ihres Ehemannes aus freien Stücken unterschrieben worden. Die Klägerin habe sich während der Schlussbesprechung mehrfach mit ihrer Steuerberaterin und ihrem Ehemann besprochen. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ihr die Folgen ihrer Unterschrift auf der tatsächlichen Verständigung und der Umstand, dass es sich um eine Schlussbesprechung gehandelt habe, nicht klar gewesen seien. Bedrohungen von Seiten des Finanzamts seien auch durch die anwesende Steuerberaterin nicht bestätigt worden. Eine Schätzungsbefugnis des Beklagten habe infolge der gravierenden Mängel in der Kassenführung vorgelegen. Es sei nicht eindeutig ermittelbar gewesen, ob im Nachhinein Stornierungen von Geschäftsvorfällen erfolgt seien. Bei den vorgenommenen Unsicherheitszuschlägen liege der Zuschlag von 1,49 % im unteren Bereich des Möglichen; insbesondere, da eine Kalkulation der Chemieeinkäufe erfolgt sei.

Hiergegen richtet sich die beim Niedersächsischen Finanzgericht erhobene Klage, mit der sich die Klägerin weiterhin gegen die Wirksamkeit der abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung vom 6. April 2016 und die wegen angenommener Kassenmängel erfolgte Hinzuschätzung wendet. Ergänzend zum Vorverfahren führt die Klägerin dabei wie folgt aus:

Die tatsächliche Verständigung sei widerrufen worden. Der Widerruf sei möglich. Die Einigung sei nicht verbindlich. Äußerungen der Finanzbehörde bzw. des Steuerpflichtigen in einer Schlussbesprechung hätten nur einen vorläufigen Charakter. Die Einspruchsentscheidung sei somit rechtswidrig. Der Beklagte übersehe, dass eine Anfechtung nach § 119 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zulässig sei. Dieses entspreche u. a. den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Diese Anfechtung wegen Irrtums liege hier vor. Sie sei während der Prüfung und Besprechung bedroht und eingeschüchtert worden. Sie sei gedrängt und gehetzt worden, eine Erhöhung ihres Umsatzes zuzustimmen. Nur aus Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin und dem beängstigenden Drohszenario habe sie die tatsächliche Verständigung unterschrieben. Eine Kassenmanipulation sei nicht möglich. Nicht protokollierte Stornierungen seien ausgeschlossen. Das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung führe zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Die Ermittlung des Sachverhaltes hätte auch keinen überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand erfordert, da der angeblich fehlende Monatsordner vorgelegen habe.

Selbst wenn eine Einschüchterung nicht vorgelegen hätte, so habe eine Einladung zur Schlussbesprechung sowie eine Belehrung oder eine Einleitung des Gespräches dazu gefehlt. Das Finanzamt habe zudem ihre Unerfahrenheit ausgenutzt. Die Voraussetzungen des § 119 BGB lägen somit vor. Damit sei das Rechtsgeschäft von Anfang an gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam.

Ergänzend weist die Klägerin darauf hin, dass sie im Nachhinein zudem davon ausgehe, dass der Abschluss der sachlich nicht gerechtfertigten tatsächlichen Verständigung auch auf das "gute Verhältnis" ihrer ehemaligen Steuerberaterin mit dem Vertreter des Finanzamts zurückzuführen sei. Denn die Beraterin habe ihr im Rahmen der Besprechungspause suggeriert, dass es sich um einen (vermeintlich) guten Deal handeln würde, obgleich hiermit lediglich ein unberechtigtes Mehrergebnis manifestiert worden sei. Es bestehe vielmehr die Vermutung, dass über den Kopf der Klägerin hinweg das Ergebnis bereits vereinbart gewesen sei. Infolge der persönlichen Nähe zu Frau A. sei Herr C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, was zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung führe.

Schließlich könnten erhebliche Mängel in ihrer Kassen- und Buchführung anhand der Feststellungen der Betriebsprüfung nicht nachvollzogen werden. Insbesondere für den Zeitraum der Nutzung der zweiten elektronischen Registrierkasse ab 8. Mai 2014 habe es keine Beanstandungen und damit auch keinen Grund zur Verwerfung der Kasse gegeben. Dieser Zeitraum hätte daher in keinem Fall in die tatsächliche Verständigung mit einbezogen werden dürfen. Vielmehr würden die letztendlich doch geringen Hinzuschätzungen belegen, dass nicht von schwerwiegenden Fehlern ausgegangen werden könne. Bei Differenzen von 1,5 - 3 % sei bei einer Ausbeutekalkulation keine Veranlassung gegeben, die Buchhaltung zu verwerfen. Gleiches gelte für das Vorliegen einzelner Fehler. Dieses habe auch die Gerichtsprüferin in ihrer Stellungnahme bestätigt. Damit habe der Beklagte gegen § 158 der Abgabenordnung (AO) verstoßen.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2013 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 jeweils vom 28. April 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 14. Mai 2018 aufzuheben,

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die in den Einspruchsbescheiden dargestellte Auffassung. Ergänzend trägt der Beklagte wie folgt vor:

Überrumpelung, Einschüchterungen oder Täuschungen sowie Drohszenarien hätten nicht stattgefunden. Die vorläufigen Prüfungsfeststellungen seien bereits am 8. Februar 2016 an die damaligen Steuerberater der Klägerin übersandt worden. Der Terminabsprache seien mehrere Telefonate vorausgegangen. Die Gelegenheit, im Rahmen der Schlussbesprechung Stellung zu nehmen, sei von der Klägerin und ihrer Steuerberaterin umfangreich genutzt worden. Auch die Möglichkeit des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung sei vorgestellt und erläutert worden. Die Besprechung sei unterbrochen worden, um der Klägerin, ihrem Ehemann und der Steuerberaterin Gelegenheit zu geben, sich darüber intern zu beraten. Nach Fortsetzung der Besprechung und der Durchführung weiterer Nachbesserungen habe die Klägerin das Ergebnis unterschrieben.

Zudem sei die Klägerin zu Beginn der Schlussbesprechung vom Sachgebietsleiter darüber informiert worden, dass die Steuerberaterin A. und er persönlich bekannt seien und sich deshalb duzen würden. Eine Verschleierung habe nicht stattgefunden. Aus der persönlichen Bekanntschaft könne jedoch keine fehlende Unparteilichkeit des Finanzamtsvertreters abgeleitet werden. Es sei auch nicht so, dass es sich bei der Klägerin um eine "unerfahrene junge Unternehmerin" gehandelt habe. Die Klägerin betreibe seit 2004 einen Friseursalon und habe sich im Rahmen von Betriebswirtschaftsseminaren weitergebildet. Zudem beschäftige sie mehrere Angestellte.

Grundlage der tatsächlichen Verständigung seien die von der Betriebsprüfung festgestellten gravierenden Mängel in der Kassenführung gewesen, die die Ordnungsmäßigkeit erschüttert hätten, weil die Klägerin ihre Umsätze überwiegend bar vereinnahmt habe. Die festgestellten Kassenmängel erschütterten auch die Beweiskraft der Buchführung, weshalb eine Schätzungsbefugnis des Finanzamtes vorgelegen habe. Die Programmierprotokolle der Ersteinrichtung der von der Klägerin im Streitjahr genutzten Kasse seien nicht vorgelegt worden. Diese gehörten zu den aufbewahrungspflichtigen Organisationsunterlagen einer E-Kasse und stünden mit dem Fehlen einer lückenlosen Dokumentation der Kassenprogrammierung nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) jedenfalls dann, wenn wie vorliegend, überwiegend Bargeschäfte getätigt würden, dem Fehlen von Tagessummenbons bei einer Registrierkasse oder dem Fehlen von Kassenberichten bei einer offenen Ladenkasse gleich und berechtigten grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung. Zudem habe die Betriebsprüferin eine Kalkulation nach Anteilen durchgeführt. Hierbei habe sich eine Kalkulationsdifferenz für 2014 von brutto [...] € ergeben. Eine Preisliste für den Prüfungszeitraum habe die Klägerin nicht vorlegen können. Das bis Mai 2014 genutzte Kassenmodell sei manipulierbar gewesen, indem die Kasse so hätte programmiert werden können, dass Stornierungen nicht gekennzeichnet oder ausgedruckt werden. Einen entlastenden Ausdruck der Stornierungen habe die Klägerin nicht vorlegen können. Dieses stelle einen formellen Mangel dar. Die Kasse sei trotz gesetzlicher Verpflichtung dazu nicht entsprechend aufgerüstet worden. Die Nichtaufrüstung der Kasse führe dazu, dass die Programmierung in den Jahren 2012 - 2014 nicht nachvollzogen werden konnte, weshalb die Buchführung als nicht ordnungsgemäß gelte. Darüber hinaus habe die Klägerin Minderbeträge in der Kasse nicht aufklären können. Belege, die eine Überprüfung möglich gemacht hätten, habe die Klägerin nicht aufbewahrt. Hierin sei die Schwierigkeit des Sachverhaltes zu sehen, weshalb nach eingehender Belehrung und Diskussion mit der anwesenden Steuerberaterin und der Klägerin ein Hinzuschätzungsergebnis erzielt und vereinbart worden sei. Ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis liege daher nicht vor. Die Hinzuschätzungen lägen im Hinblick auf die Einnahmenhöhe bei 4,14 % und bewegten sich damit im unteren Bereich.

Die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 119 BGB seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe sich aufgrund der Anwesenheit der Steuerberaterin und der vorherigen Kenntnis der vorläufigen Prüfungsfeststellungen nicht im Irrtum über die Abgabe der tatsächlichen Verständigung befinden können. Die Sachlage sei eindeutig und offen von der Betriebsprüferin kommuniziert worden.

Der Senat hat die Gerichtsprüferin des Niedersächsischen Finanzgerichts um Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Hinzuschätzung, insbesondere zum Vorliegen von Buchführungsmängeln gebeten. Die Gerichtsprüferin hat am 7. Mai 2020 eine schriftliche Stellungnahme hierzu abgegeben. Diese wurden den Beteiligten zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet. Bezüglich der Einzelheiten der Stellungnahmen wird auf die schriftlichen Ausarbeitungen hingewiesen.

Der Senat hat in der Sache bereits am xx.xx.xxxx mündlich verhandelt und die Klägerin persönlich gehört. Die Sache wurde vertagt, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin weitere umfangreiche Unterlagen sowie einen USB-Stick eingereicht und Beweisanträge gestellte hat.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die unter der Steuernummer xx/xxx/xxxxx geführten Steuerakten des Streitjahres und des übrigen Prüfungszeitraums einschließlich der Einspruchsheftung sowie der Arbeitsakten der Betriebsprüfung zur Auftragsbuch-Nr. xx (Bände I, II) vorgelegen. Wegen des weiteren Vorbringens wird hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom xx.xx.xxxx und xx.xx.xxxx Bezug genommen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte war berechtigt, auf Grundlage der abgeschlossenen tatsächlichen Verständigung über die von der Klägerin aus ihrer gewerblichen Tätigkeit als selbständige Friseurmeisterin im Streitjahr erzielten Einnahmen / Erlöse entsprechend geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 und Umsatzsteuer 2013 zu erlassen. Mangels wirksamer Anfechtung entfaltete die zulässige tatsächliche Verständigung weiterhin Bindungswirkung.

1. Die tatsächliche Verständigung ist wirksam. Die Voraussetzungen für eine tatsächliche Verständigung sind im Streitfall gegeben. Auch die Klägerin ist hieran nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, unter II. 2. d; vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, unter II. 3., und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975). Das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung entspringt dabei einem praktischen Bedürfnis nach Verfahrensförderung, Verfahrensbeschleunigung und Rechtsfrieden. Es ist vom BFH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt (BFH, Urteile vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593; vom 3. April 2008 IV R 54/04, BStBl II 2008 742; vom 28. Juni 2001 IV R 40/00, BStBl II 2001, 714; vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625 [BFH 31.07.1996 - XI R 78/95], jeweils m.w.N.). Dabei soll in Fällen, in denen über den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt eine anderweitig nicht einfach zu behebende Unklarheit besteht, der möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt im Sinne des § 88 Abgabenordnung (AO) einvernehmlich festgelegt (BFH-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 40/00, BStBl II 2001, 714) und insoweit Unsicherheiten und Ungenauigkeiten beseitigt werden (BFH, Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/00, BFH/NV 2010, 593 [BFH 01.09.2009 - VIII R 78/06]). Dies gilt insbesondere auch in Schätzungsfällen (vgl. BFH-Urteil vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537).

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin entfaltet eine zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem getroffene Verständigung - unabhängig von der Frage, ob hierin ein öffentlich-rechtlicher Vertrag oder eine anderweitige, am Grundsatz von Treu und Glauben zu messende Übereinkunft zu sehen ist - grundsätzlich Bindungswirkung (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593). Denn die gegenseitige Bindung ist jeder tatsächlichen Verständigung immanent, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung der Beteiligten bedarf. Soll durch die tatsächliche Verständigung ausnahmsweise keine Bindung eintreten, muss dies durch einen entsprechenden Vorbehalt zum Ausdruck gebracht werden (BFH-Urteil vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537). Die Bindungswirkung greift dabei soweit die Verständigung reicht.

2. Eine Ausnahme von der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung ist im Streitfall nicht gegeben, und zwar weder wegen ursprünglicher Unwirksamkeit noch aus einem später hinzugetretenen, die Bindung auflösenden Grund.

a) Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt den Abschluss einer wirksamen tatsächlichen Verständigung voraus. Hierfür muss sich die Verständigung auf Sachverhaltsfragen - nicht aber auf Rechtsfragen - beziehen, der Sachverhalt die Vergangenheit betreffen, die Sachverhaltsermittlung erschwert und auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt sein. Ferner darf die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354, unter 3. c, d; vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, unter II. 2. c; vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625, unter II. 2. a, und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975).

b) Unwirksam ist daher eine tatsächliche Verständigung, die sich auf reine Rechtsfragen und nicht auf Sachverhaltsfragen bezieht (BFH, Urteile vom 22. August 2012 X R 23/10, BStBl II 2013, 76; vom 31. März 2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742; Beschluss vom 15. März 2000 IV B 44/99, BFH/NV 2000, 1073 [BFH 15.03.2000 - IV B 44/99]). Auch Vergleiche über Steueransprüche sind unzulässig, da diese den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen (BFH, Urteil vom 3. April 2008 IV 54/04, BStBl II 2008, 742 [BFH 03.04.2008 - IV R 54/04]; Beschluss vom 15. März 2000 IV B 44/99, BFH/NV 2000, 1073). Entgegen der Auffassung der Klägerin beinhaltet die Vereinbarung im Streitfall keine unwirksame Verständigung über Steuern oder Mehrergebnisse.

aa) Nach dem Text der "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung anlässlich einer Außenprüfung" vom 6. April 2016 haben sich die Klägerin und der Beklagte einvernehmlich über die Höhe der den bisher erklärten Betriebseinnahmen zuzurechnenden Unsicherheitszuschläge (netto) geeinigt. Grundlage der Vereinbarung waren die von der Betriebsprüfung festgestellten unvollständigen Organisationsunterlagen und die daraus folgenden Mängel in der Kassenführung sowie die Kalkulationsdifferenzen des Jahres 2014. Unter Hinweis auf die wegen der vorliegenden Kassenmängel nicht abschließend feststellbare Vollständigkeit der Betriebseinnahmen wollten sich die Beteiligten über die der Besteuerung zugrunde zu legenden Beträge verständigen und haben dieses auch tatsächlich getan. Anders kann die Niederschrift vom 6. April 2016 nach Auffassung des erkennenden Senats nicht verstanden werden. Damit verständigten sich die Beteiligten über die tatsächlichen Umstände des Lebenssachverhalts, die die Grundlage für die spätere Besteuerung bildeten. Die tatsächliche Verständigung beinhaltet daher eine zulässige Verständigung über Besteuerungsgrundlagen, nicht aber eine unzulässige Vereinbarung über Mehrergebnisse der Betriebsprüfung oder festzusetzende Steuern.

bb) Der Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung und der von ihr ausgehenden Bindungswirkung steht nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht entgegen, dass sich die Beteiligten bei der Vereinbarung von Unsicherheitszuschlägen auch inzidenter über das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 162 AO und damit über das Bestehen einer (Hinzu-)Schätzungsbefugnis des Finanzamts verständigt haben.

(1) Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zu Grunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Beteiligten auch in Schätzungsfällen grundsätzlich berechtigt, sich im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung bindend über die tatsächlichen Merkmale zu verständigen, die der Besteuerung zugrunde liegen, mithin über die Besteuerungsgrundlagen selbst oder das einschlägige Schätzungsverfahren (BFH, Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354; vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537). Auch in diesen Fällen ist eine Verständigung über die tatsächlichen Merkmale die der Besteuerung zugrunde liegen grundsätzlich zulässig, um dem praktischen Bedürfnis nach Verfahrensförderung, -beschleunigung und Rechtsfrieden nachkommen zu können.

(2) In Anwendung dieser Grundsätze waren der Beklagte und die Klägerin berechtigt, sich mit bindender Wirkung über das Fehlen von Organisationsunterlagen, einschließlich der Programmierungsprotokolle und der Bedienungsanleitung der Registrierkasse, zu verständigen. Die darüber hinausgehende Verständigung der Beteiligten über die Hinzurechnung von Unsicherheitszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach beinhaltete neben der Verständigung über Besteuerungsgrundlagen auch eine rechtliche Würdigung der vorliegenden objektiven Umstände und Tatsachen, ähnlich einer Schlussfolgerung. Diese rechtliche Würdigung mündete in der Feststellung von Kassenmängeln und letztendlich in der Annahme einer Schätzungsbefugnis des Beklagten im Sinne des § 162 AO.

Zwar schließt die restriktive Rechtsprechung des BFH eine Verständigung über Rechtsfragen, zu denen auch die Schätzungsbefugnis zählt, grundsätzlich aus (vgl. BFH, Urteile vom 4. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975 [BFH 07.07.2004 - X R 24/03]; vom 28. Juni 2001 IV R 40/00, BStBl II 2001, 714 [BFH 28.06.2001 - IV R 40/00]; Beschluss vom 16. Juli 2009 I B 174/08, BFH/NV 2009, 1829 [BFH 16.06.2009 - I B 174/08]). Jedoch ist eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Tatfrage und Rechtsfrage nach Ansicht des BFH nicht in allen Fällen nach abstrakten Maßstäben im Vorhinein möglich (BFH, Beschluss vom 31. August 2009 I B 21/09, BFH/NV 2010, 163). In seiner Entscheidung vom 31. August 2009 (I B 21/09, BFH/NV 2010, 163 [BFH 31.08.2009 - I B 21/09]) zur Frage der Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung im Rahmen des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO weist der BFH zudem daraufhin, dass auch die Struktur des Tatbestandes der Norm bei der Beurteilung zu beachten sei. So sei bei der Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO zu berücksichtigen, dass der Tatbestand nach seiner Struktur sowohl bei der Entscheidung "dem Grunde nach" als auch "der Höhe nach" Tatsachenelemente aufweise. Gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch für eine tatsächliche Verständigung auf Grundlage des § 162 AO, der im Hinblick auf das Vorliegen einer Schätzungsbefugnis "dem Grunde nach" und "der Höhe nach" einer vergleichbaren Struktur unterliegt. Ist die Rechtsfrage daher so mit der Tatsachenfeststellung verquickt, dass eine Verständigung der einen ohne die andere nicht möglich erscheint, ist eine (mittelbare) Verständigung auch über die Rechtsfrage zulässig. Basiert die Verständigung der Beteiligten daher auf einer Einigung über diejenigen objektiven Umstände und Tatsachen, die ihrerseits die tatsächliche Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfrage bilden und diese erst ermöglichen, ist auch eine tatsächliche Verständigung hierüber zulässig (vgl. BFH, Urteil vom 20. September 2007 IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532, zur Zulässigkeit einer tatsächlichen Verständigung über das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht).

(3) Im vorliegenden Streitfall basiert die von den Beteiligten getroffene Verständigung über die Hinzurechnung von Unsicherheitszuschlägen auf der Einigung über das Fehlen von Kassen- und Programmierungsunterlagen, die wiederum ihrerseits die tatsächliche Grundlage für die Annahme einer fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Kasse und der daraus resultierenden Schätzungsbefugnis im Sinne des § 162 AO bilden und diese erst ermöglichen. Kern der Verständigung vom 6. April 2016 war demgemäß die Einigung auf einem bestimmten Sachverhalt, der nach dem Verständnis der Beteiligten die tatsächliche Schlussfolgerung erlaubte, dass eine Schätzungsbefugnis des Beklagten zur Hinzurechnung von Unsicherheitszuschlägen im Streitzeitraum dem Grunde und der Höhe nach vorlag.

(4) Sowohl der Sachverhalt als auch die hierauf basierende Schlussfolgerung werden dabei vom Willen der Beteiligten getragen und entfalten entsprechende Bindungswirkung. In der Niederschrift über die tatsächliche Verständigung wird auf die Feststellungen der Betriebsprüfung und die sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen hingewiesen. Ferner erklären die Beteiligten ausdrücklich, sich mit der erfolgten Verständigung über die konkret bezeichneten Unsicherheitszuschläge binden zu wollen. Unbeachtlich ist, dass die objektiven Tatsachen, die Grundlage der rechtlichen Beurteilung des Vorliegens der Schätzungsbefugnis waren, in der schriftlich niedergelegten Vereinbarung nicht im Einzelnen dargelegt und im Hinblick auf die sich hieraus ergebende Schätzungsbefugnis des Beklagten "dem Grunde" und "der Höhe nach" bewertet werden. Die schriftliche Fixierung der einzelnen objektiven Tatsachen mag zwar wünschenswert sein, ein Wirksamkeitserfordernis stellt sie indes nicht da (vgl. BFH, Urteil vom 20. September 2007 IV R 20/05, BFH/NV 2008, 532). Denn die Vereinbarung unterliegt keinem generellen Schrifterfordernis. Zudem beansprucht sie nur Geltung inter partes und bedingt damit keine Nachvollziehbarkeit für Außenstehende.

c) Die weiteren, an eine wirksame tatsächliche Verständigung zu stellenden Anforderungen sind im Streitfall ebenfalls erfüllt.

Vorliegend erwies sich die Ermittlung des im Jahr 2013 und damit in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts, nämlich die Ermittlung der im Streitjahr tatsächlich angefallenen Umsätze und Betriebseinnahmen der Klägerin, als erschwert. Die tatsächliche Verständigung dient dabei insbesondere der Behebung eines Beweisnotstandes des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 1 September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593, Rz. 14) und bietet den Beteiligten die Möglichkeit, unter Aufgabe ihrer unterschiedlichen Ausgangspositionen einvernehmlich auf weitere Ermittlungen in Bezug auf den durch die tatsächliche Verständigung festgelegten Sachverhalt zu verzichten. Die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung setzt daher nicht voraus, dass die Sachverhaltsermittlung gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich erschwert ist.

Im Streitfall bestand eine nicht einfach zu behebende Unklarheit im Sachverhalt, da die Kassenführung der überwiegend Bargeschäfte ausführenden Klägerin erhebliche Mängel aufwies, die es nicht zuließen, die Vollständigkeit der Betriebseinnahmen abschließend zu prüfen und den richtigen Gewinn zu ermitteln. Infolge des Fehlens der Kassen- und Programmierungsunterlagen konnte eine Manipulationsmöglichkeit der Kasse nicht ausgeschlossen werden (vgl. BFH, Entscheidungen vom 11. Januar 2017 X B 104/16, BFH/NV 2017, 561, II. 2. b), vom 23. Februar 2018 X B 65/17, BFH/NV 2018, 517). Dieser formelle Mangel erschütterte die Beweiskraft der Buchführung (BFH, Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BStBl II 2014, 743 [BFH 19.06.2013 - XI R 41/10]) und führte dazu, dass die bisherigen Buchführungsergebnisse der Besteuerung nur bedingt zugrunde gelegt werden konnten. Die Ermittlung der tatsächlich erzielten Umsätze und Betriebseinnahmen der Klägerin aus ihrer gewerblichen Tätigkeit war infolge der fehlenden Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung mithin erschwert.

d) Bezüglich der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der tatsächlichen Verständigung bestehen ebenfalls keine Bedenken.

Die tatsächliche Verständigung wurde durch die Klägerin eigenhändig unterschrieben. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der von ihr abgegebene Erklärung sind nicht ersichtlich.

Eine Unwirksamkeit wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung gemäß § 104 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geschäftsunfähig gewesen wäre oder sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden hätte (§ 105 Abs. 2 BGB). Eine dauernde Geschäftsunfähigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB) liegt im Streitfall ebenso offensichtlich nicht vor wie eine Bewusstlosigkeit (§ 105 Abs. 2, 1. Alt. BGB). Auch eine vorübergehende Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 2 2. Alt. BGB ist im Streitfall nicht anzunehmen.

e) Der Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung steht ferner nicht entgegen, dass an der Einigung auf Seiten der Finanzbehörde nicht der Sachgebietsleiter der Veranlagungsstelle, sondern der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung beteiligt war. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte bei Abschluss der Verständigung ordnungsgemäß durch Herrn StOAR C. vertreten. Denn die Wirksamkeit der Vereinbarung setzt voraus, dass auf Seiten der Finanzbehörde ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 90/88, BStBl II 1991, 45 [BFH 05.10.1990 - III R 19/88]). Nach der innerbehördlichen Organisation ist dies - neben dem Vorsteher - i.d.R ein Veranlagungssachgebietsleiter oder u.U. auch der Leiter der Rechtsbehelfsstelle (vgl. BFH-Urteil 28. Juli 1993 XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290, unter II.1.). Im Falle einer veranlagenden Außenprüfung ist der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle ebenfalls entscheidungsbefugt (BFH-Urteil vom 22. September 2004 III R 9/03, BStBl II 2005, 160, unter II.2.e.aa). Da es sich bei der beim Finanzamt P angesiedelten Betriebsprüfung nach der internen behördlichen Organisation um eine veranlagende Außenprüfung handelt, war der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung auch für Entscheidungen über die Steuerfestsetzung zuständig und konnte den Beklagten bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung wirksam vertreten.

f) Unwirksam ist eine tatsächliche Verständigung, die zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH, Urteile vom 11. Dezember 1984 VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354.; vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625 m.w.N.; vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593). Dies ist dann anzunehmen, wenn die Vereinbarung gegen die Regeln der Logik oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH, Urteil vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673). Offensichtlich ist jedoch nur das, was für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen Betrachter ohne weiteres und unzweifelhaft evident ist. Offensichtlich unzutreffend kann ein Ergebnis deshalb dann sein, wenn es auf einem schweren Überlegungs- oder Systemfehler beruht oder wenn das Ergebnis eindeutig von dem abweicht, was mit der Verständigungsvereinbarung von allen Beteiligten gewollt war (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. September 2016 13 K 39/15, juris).

Anhaltspunkte für ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis bestehen nicht. Vorliegend haben sich die Beteiligten einvernehmlich darüber verständigt, die bisher erklärten Betriebseinnahmen (netto) um einen Unsicherheitszuschlag zu erhöhen. Die sich hieraus ergebenden (geschätzten) Besteuerungsgrundlagen liegen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht außerhalb des Denkbaren. Soweit die Klägerin rügt, die Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen in Höhe von 3.000 € (netto) stelle eine unzulässige Übermaßbesteuerung dar, weil sie jeder wirtschaftlichen Realität widerspreche, kann der Senat dem Einwand nicht folgen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte notwendige Mehrbedienung von 95 bis 130 Kunden im Jahr erachtet der Senat für einen Friseursalon, von der Art und Größe wie ihn die Klägerin im Prüfungszeitraum geführt hat, als durchaus möglich. Verteilt auf 12 Monate ergibt sich hieraus eine Erhöhung der monatlichen Kundschaft um 8 bis 11 Personen, mithin um 2 bis 3 Kunden wöchentlich, verteilt auf 3 Friseurinnen. Da es im Dienstleistungsgeschäft des Friseurhandwerks vorrangig zum Einsatz eigener Arbeitsleistung kommt, bedingt die Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen im vorliegenden Umfang nicht zwangsläufig auch die namenhafte Erhöhung des Wareneinsatzes, sodass die fehlende Erhöhung des Wareneinsatzes nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass die im Streitjahr hinzugeschätzten Beträge lediglich rd. 1,49 % der Gesamterlöse betragen und eine Vereinnahmung durch erbrachte Zusatzleistungen nicht außerhalb des Möglichen erscheint. Zudem konnten Preislisten nicht vorgelegt werden, sodass nicht feststellbar ist, in welcher Höhe einzelne Leistungen durch die Klägerin abgerechnet wurden. Schließlich liegt es in der Natur einer tatsächlichen Verständigung, dass ihr Gegenstand nicht bis ins Einzelne als richtig bestätigte Besteuerungsgrundlagen sind. Vielmehr ist Voraussetzung für eine tatsächliche Verständigung gerade die erschwerte Ermittlung des genauen Sachverhalts.

Wenn die Klägerin darüber hinaus vorträgt, dass sich das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung auch deshalb als unzutreffend erweise, weil sich nach Abschluss der Vereinbarung und erfolgter Rücksprache mit dem Kassenaufsteller herausgestellt habe, dass die Kassenunterlagen vollständig seien und eine Manipulationsfähigkeit der Kasse nicht bestanden habe, mithin weder Kassenmängel noch eine Schätzungsbefugnis vorgelegen habe, führt dieses nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn nach der Auffassung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist bei einer entsprechenden Beurteilung nicht auf die Richtigkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts abzustellen, sondern auf eine Prüfung anhand der allgemeinen Maßstäbe der Logik und Erfahrungen (BFH, Urteil vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673). Dabei handelt es sich um eine Evidenzkontrolle aus der ex ante-Perspektive der Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Seer, Betriebsberater - BB - 2015, 214, 216) und nicht um eine Würdigung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung nachträglich bekannt gewordener Tatsachen.

Schlussendlich spricht auch der Umstand, dass mit Frau Steuerberaterin A. eine ausgebildete Steuerfachfrau, die die Klägerin schon seit etlichen Jahren steuerlich betreute und damit Einblicke in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Friseursalons hatte, an der Schlussbesprechung teilgenommen hat, gegen die Vereinbarung offensichtlich unzutreffender Beträge (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593; FG Münster, Urteil vom 30. Mai 2006 11 K 2674/03 E, EFG 2006, 1306). Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine Zweifel daran, dass sowohl Frau A., als auch der darüber hinaus in der Steuerkanzlei tätige Steuerberater B., mit dem Steuerfall der Klägerin detailliert vertraut waren. Anhaltspunkte, für ein Zusammenwirken der Steuerberaterin A. mit dem Finanzamt zulasten der Klägerin sieht das Gericht hingegen nicht. Aus der bestehenden privaten Bekanntschaft der Steuerberaterin mit dem Vertreter des Finanzamts kann nicht geschlussfolgert werden, dass die steuerliche Beraterin unter Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem Mandantschaftsverhältnis und unter Missachtung der tatsächlichen Verhältnisse die Vorschläge des Finanzamts unreflektiert übernommen hat. Hiergegen sprechen sowohl die im Vorfeld mit dem Beklagten geführten Gespräche als auch die von der Klägerin nicht bestrittene Unterbrechung der Schlussbesprechung zur internen Beratung der Klägerin und ihres Ehemannes mit der Steuerberaterin. Auch bestätigt der Ex-Ehemann der Klägerin in seiner schriftlichen Zeugenaussage diesem Vorwurf der Klägerin nicht.

g) Die zulässige und wirksame tatsächliche Verständigung war für die Klägerin und das Finanzamt bindend. Die Klägerin wurde über das Wesen und die Auswirkungen einer tatsächlichen Verständigung ausreichend belehrt.

aa) Die gegenseitige Bindung ist jeder tatsächlichen Verständigung immanent, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung der Beteiligten bedarf (BFH-Urteil vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537). Einen der Bindungswirkung entgegenstehenden Vorbehalt enthält die Vereinbarung nicht. Vielmehr haben beide Beteiligten ausdrücklich erklärt, dass sie die Verständigung für sich als bindend ansehen (siehe Ziffer 2. der "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung anlässlich einer Außenprüfung" vom 6. April 2016). Der Klägerin war damit bekannt, dass durch die tatsächliche Verständigung ein Ergebnis erzielt werden sollte, das sowohl für sie als auch für das Finanzamt bindend ist. Zudem würde der Zweck des Instituts der tatsächlichen Verständigung unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben (vgl. BFH, Urteil vom 12. August 1999 XI R 27/98 a.a.O.).

bb) Der Senat teilt nicht die offensichtlich von der Klägerin vertretene Auffassung, sie sei an die Verständigung nicht gebunden, weil ihr nicht bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Besprechungstermin am 6. April 2016 um eine Schlussbesprechung gehandelt habe und ihr im Vorfeld keine förmliche Einladung und kein Exposé über die zu besprechenden Punkte zugegangen sei. Die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung und ihre hiermit einhergehende Bindungswirkung stehen in keinem Abhängigkeitsverhältnis zur ordnungsgemäßen Durchführung einer Schlussbesprechung. Zwar gibt die Schlussbesprechung oftmals den Anlass und Rahmen zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung (BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, unter II. 2.b; Niedersächsisches FG, Urteil vom 19. September 2007 12 K 334/05, EFG 2008, 180); als Mittel der Verfahrensbeschleunigung kann sie jedoch in jedem Verfahrensstadium getroffen werden (BFH, Urteil vom 7 20. Juni 2018 X R 17/17, BFH/NV 2019, 97 [BFH 27.06.2018 - X R 17/17]; FG Nürnberg, Urteil vom 8. Juni 2010 2 K 1121/2009, juris; Hilgers-Klautzsch in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, 72. Lieferung 09.2021, § 385, Rn 1296).

cc) Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung ist auch nicht durch eine wirksame Anfechtung aufgehoben worden.

(1) Ein einseitiger Widerruf der eigenen Verständigungserklärung ist grundsätzlich nicht möglich (BFH, Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593 Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 15. Aufl. 2020, § 162 Rz. 33), und zwar selbst dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung nicht steuerlich beraten war (BFH, Beschluss vom 11. Juli 2001 XI B 23/01, juris). Es bedarf deshalb keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem von der Klägerin betonten Umstand, dass sie sich von ihrer damaligen Steuerberaterin schlecht beraten gefühlt habe.

Der Senat schließt sich jedoch der Rechtsprechung des BFH an, wonach die Anfechtungsvorschriften der §§ 119, 123 BGB auf tatsächliche Verständigungen im Steuerverfahren grundsätzlich anwendbar sind (BFH-Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593 m.w.N.). Die Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor.

(2) Nach § 119 BGB kann eine Erklärung anfechten, wer bei der Abgabe der Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Es ist im Streitfall jedoch kein Anfechtungsgrund gegeben. Der Inhalt der tatsächlichen Verständigung ist eindeutig, die zu berücksichtigenden Hinzurechnungsbeträge des Streitjahres werden unmissverständlich dargestellt.

Ein Irrtum über die Rechtsfolgen der Erklärung ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten und nach Aktenlage nicht feststellbar. Ein solcher Fall des Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1 1. Fall BGB) ist dann zu bejahen, wenn das Rechtsgeschäft nicht die erstrebten, sondern davon wesentlich verschiedene Rechtsfolgen erzeugt (Palandt/Ellenberg BGB, 80. Aufl. 2021 § 119 Rz. 15). Rechtsfolge ist jedoch die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung, zu der sich die Beteiligten ausweislich der Formulierung in der Vereinbarung ausdrücklich erklären. Die Formulierung unter Tz 2. der von der Klägerin eigenhändig unterzeichneten "Niederschrift über eine tatsächliche Verständigung anlässlich einer Außenprüfung" vom 6. April 2016 kann nach Überzeugung des Gerichts nur so verstanden werden, dass die bisher erklärten Betriebseinnahmen und Erlöse der Jahre 2012 bis 2014, mithin auch des Streitjahres, um die explizit aufgeführten Beträge von 3.000 € bzw. 4.000 € erhöht werden sollten. Da die Vereinbarung vorsieht, dass die Beträge als Nettobeträge zu verstehen sind, ergibt sich hieraus zwangsläufig und unmissverständlich eine entsprechende Erhöhung der Besteuerungsgrundlagen zur Einkommen- und Umsatzsteuer des Streitjahres. Auch daraus, dass die Klägerin nicht vorträgt, welche andere Rechtsfolge sie mit Abschluss der tatsächlichen Verständigung angestrebt haben will, ist zu folgern, dass die Klägerin sich nicht in einem Irrtum über die Rechtsfolge ihrer Erklärung befunden hat.

(3) Eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung gemäß § 123 BGB scheidet nach Überzeugung des Gerichts im Streitfall ebenfalls aus, da ein entsprechender Anfechtungsgrund nicht vorliegt.

Weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich Anhaltspunkte, dass die Klägerin einer arglistigen Täuschung durch das Finanzamt oder einen Dritten unterlegen ist.

Auch der Anfechtungsgrund der Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1, 2. Alternative BGB ist nach Überzeugung des Senats im Streitfall nicht anzunehmen.

Drohung im Sinne der Vorschrift ist die vom Gegner ernst genommene Ankündigung eines künftigen Übels, dass nach Bekundung des Drohenden und der Ansicht des Gegners vom Drohenden herbeigeführt werden kann und soll, wenn der Bedrohte die angesonnene Willenserklärung nicht abgibt (BGH-Urteil vom 22. November 1995 XI ZR 227/94, NJW-RR 196, 1281, zu 2 der Gründe). Dabei genügt, dass der Bedrohte ernstlich nach seiner subjektiven Vorstellung davon ausgeht, der Drohende könne den Eintritt des Nachteils beeinflussen.

(a) Nach diesen zutreffenden Grundsätzen hat der Senat bereits Zweifel am Vorliegen einer Drohung im Anfechtungssinne. Denn die vorgetragene Bedrohungssituation wird von der Klägerin vorrangig als persönliche, emotionale Gefühlssituation dargestellt, ohne dass eine konkrete Handlung der anwesenden Personen auf Seiten des Beklagten hierzu beigetragen hätte. So weist die Klägerin mehrfach - zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2021 - darauf hin, dass sie sich infolge der bedrohlichen und gehetzten Atmosphäre während der Schlussbesprechung genötigt gefühlt habe, die tatsächliche Verständigung zu unterschreiben. Dass ein Steuerpflichtiger die Situation einer Betriebsprüfung und die Umstände einer (Schluss-) Besprechung als belastend und emotional bedrohlich empfindet, ist nachvollziehbar und verständlich, schließlich haben die Ergebnisse möglicherweise gravierende Auswirkungen auf die zukünftige wirtschaftliche Situation des Betroffenen. Für die Annahme des von der Klägerin behaupteten Anfechtungsgrundes einer Drohung hätte es allerdings eines schlüssigen Sachverhaltsvortrags unter konkreter Darlegung von Tatsachen für eine rechtswidrige Einflussnahme auf ihre Entschließungsfreiheit bedurft (BFH, Beschluss vom 8. April 2010 V B 20/08, BFH/NV 2010, 1616). Hieran fehlt es jedoch im Streitfall, da die Ausführungen der Klägerin, auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Stellungnahme ihres bei der Schlussbesprechung anwesenden Ex-Ehemannes (vorgelegt mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2020), so pauschal gehalten sind, dass sie sich vorrangig dahin erschöpfen, die Gesamtsituation und die "aufgebauten Drohgebärden hätten ihren Ruin bedeutet".

Auch der ergänzende Hinweis der Klägerin, sie habe vor dem Hintergrund einer (angedrohten) Hinzuschätzung von 10 % des Jahresumsatzes um ihre Existenz gefürchtet und sich angesichts dieses "Drohszenarios" zur Abgabe der zustimmenden Willenserklärung bewegen lassen, führt nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1, 2. Alternative BGB. Denn dem Vortrag der Klägerin ist entgegenzuhalten, dass nach ihrer eigenen Sachverhaltsschilderung eine Hinzuschätzung in der besagten Höhe bei Abgabe der streitgegenständlichen Zustimmungserklärung bereits nicht mehr im Raum stand. Vielmehr war der Beklagte gemäß des Vortrags der Klägerin, bestätigt durch die Angaben ihres Ex-Ehemanns, bereits im Vorfeld von einer Hinzuschätzung in dieser Höhe abgerückt und hatte der Klägerin ein Arbeitspapier mit einer Hinzuschätzung von jährlich 10.000 € vorgelegt, welche er im weiteren Verlauf der Besprechung nochmals auf insgesamt 11.000 € verringerte. Angesichts dieser Zahlen war nach den bestätigten Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2021 ein "wirtschaftlicher Ruin" nicht (mehr) zu befürchten, allerdings hinterließ das gesamte Szenario nach dem Vortrag der Klägerin bei ihr und ihrem Ehemann ein verstörendes Gesamtbild der Situation. Eine konkrete Bedrohungslage vermag der Senat hieraus jedoch nicht abzuleiten.

Darüber hinaus vermag das Gericht eine (rechtswidrige) Einflussnahme auf die Willensbildung der Klägerin durch die vorgetragenen Äußerungen der Vertreter des Beklagten nicht festzustellen. So hat der Ex-Ehemann der Klägerin, dessen Aussage sich diese ausdrücklich zu eigen macht, ausgeführt, dass er der Klägerin geraten habe, die tatsächliche Verständigung nicht zu unterschreiben. Diese habe zwar über seinen Vorschlag "gegrübelt", sich dann aber aus Angst um ihr Geschäft und die Mitarbeiter dazu "breitschlagen" lassen, die tatsächliche Verständigung zu unterschreiben. Diese Aussage verdeutlicht, dass sich die Klägerin durchaus über Handlungsalternativen bewusst war, sie sich - nach einer weiteren Rücksprache mit ihrem damaligen Ehemann und ihrer steuerlichen Beraterin - aufgrund individueller persönlicher Abwägungen jedoch zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung entschieden hat.

Auch eine Überrumpelungssituation ist im vorliegenden Streitfall nicht festzustellen. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen wurden die Besprechungspunkte der Klägerseite im Vorfeld mitgeteilt. Zudem wurde die Schlussbesprechung mehrfach angekündigt und auf Wunsch der Klägerseite verschoben. Schließlich wurde auch die Schlussbesprechung unterbrochen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich mit ihrer Steuerberaterin und ihrem damaligen Ehemann über das weitere Vorgehen auszutauschen. Die von der Klägerin in Bezug auf die Durchführung der zweistündigen Schlussbesprechung vorgetragene "Hetze" kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden.

(b) Der Anfechtungsgrund der Drohung liegt zur Überzeugung des Senats jedoch auch dann nicht vor, wenn man zugunsten der Klägerin annimmt, die Ankündigung in der Schlussbesprechung, der Beklagte sei zur Vornahme höherer Hinzuschätzungen berechtigt, wenn die Klägerin die tatsächliche Verständigung in der vorgelegten Form nicht unterzeichne, stelle eine Drohung im Sinne der Vorschrift dar. Denn der Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB bedingt eine Rechtswidrigkeit der Drohung. Diese ist im Streitfall nicht anzunehmen.

Die Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB ist nach allgemeiner Auffassung dann widerrechtlich, wenn das Mittel, d. h. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, d. h. die abgenötigte Willenserklärung, oder jedenfalls die Verknüpfung von beiden widerrechtlich ist (vgl. BGH-Urteil vom 23. September 1957 VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217; Palandt/Ellenberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 123 Rz. 19 ff).

Das Nötigungsmittel, also die angedrohte Handlung, ist rechtswidrig, wenn es eine strafbare Handlung darstellt oder gegen die Sittenordnung verstößt. Die vom Beklagten, in Gestalt des StOAR C. bzw. der Betriebsprüferin Frau S., im Falle einer erfolglosen tatsächlichen Verständigung angekündigte Hinzuschätzung und der Hinweis auf ein mögliches anschließendes Gerichtsverfahren stellen grundsätzlich keine rechtswidrigen Handlungen dar. Vielmehr ist die Durchführung einer Hinzuschätzung bei Annahme einer Schätzungsbefugnis vom Handlungsrahmen des § 162 AO gedeckt. Hiergegen stehen dem Steuerpflichtigen die Rechtsmittel nach der AO zur Verfügung, welche nach einem erfolglos verlaufenden außergerichtlichen Vorverfahren auch in einem Verfahren vor dem Finanzgericht münden können.

Darüber hinaus ist der Zweck der - unterstellten - Drohung, die Abgabe einer abgenötigten Willenserklärung zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung - ebenfalls nicht rechtswidrig, da diese ein von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkanntes Rechtsinstitut zur Verfahrensförderung, Verfahrensbeschleunigung und zur Herstellung von Rechtsfrieden darstellt.

Auch die Zweck-Mittel-Relation begründet hier nicht die Widerrechtlichkeit, der - unterstellten - Drohung durch das Finanzamt.

Die Drohung ist bei erlaubtem Mittel und Ziel nicht allein deswegen widerrechtlich, weil der Drohende keinen Rechtsanspruch auf die Erklärung des Bedrohten hat. Vielmehr ist in erster Linie zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolges ein berechtigtes Interesse hat, und ob die ausgesprochene Drohung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel darstellt (BGH-Urteil vom 23. September 1957 VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217). Bei der Prüfung der Inadäquanz von Zweck und Mittel sind demnach alle Umstände zu berücksichtigen, die dem Vorgang sein Gepräge geben; es sind nicht nur die Belange des Bedrohten, sondern auch die des Drohenden zu berücksichtigen (BGH-Beschluss vom 12. Juli 1984 III ZR 8/84, WM 1984, 1249 m.w.N.).

Nach diesen zutreffenden, auf die Anfechtungssituation einer tatsächlichen Verständigung entsprechend zu übertragenden Voraussetzungen rechtfertigen die vorliegenden Gesamtumstände gegenüber dem Finanzamt nicht den Vorwurf verwerflichen Vorgehens. Da sich der für die Besteuerung relevante Sachverhalt nach Auffassung der Betriebsprüfung anhand der vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend aufklären ließ, entsprach es einem berechtigten Interesse des Beklagten die Klägerin zur einvernehmlichen Festlegung des Besteuerungssachverhalts im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung zu bewegen. Die Aufzeichnung des weiteren Verfahrensablaufs einschließlich eines möglichen Gerichtsverfahrens, sollte der Abschluss einer tatsächlichen Verständigung scheitern, stellt nach Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel dar, dem Steuerpflichtigen - sprich der Klägerin - die Konsequenzen ihres weiteren Handelns, wie es auch immer ausfallen möge, aufzuzeigen und bietet vielmehr eine mögliche Grundlage für die (noch) ausstehende Entscheidung des Steuerpflichtigen. Insofern oblag es auch der Fürsorgepflicht der Finanzbehörde, die Klägerin über das eigene beabsichtigte Handeln und den weiteren möglichen Verfahrensablauf in Kenntnis zu setzen. Die Entscheidungsfreiheit wurde der Klägerin dadurch nicht genommen, wie auch der Ex-Ehemann der Klägerin in seiner schriftlichen Stellungnahme bestätigt, wenn er vorträgt, der Vertreter des Beklagten habe ausgeführt, dass "...die Vorgehensweise des FA in Bezug auf eine Hinzuschätzung durch entsprechende Grundsatzurteile abgesichert und legitim sei. Verena müsse dieser Vorgehensweise nicht zustimmen,...".

(4) Wenn der Prozessbevollmächtigte darüber hinaus geltend macht, dass es sich bei der Klägerin um eine "junge unerfahrene Unternehmerin" handele, die vom Finanzamt "über den Tisch" gezogen worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Klägerin nach ihrer Vita seit über 10 Jahren selbstständig tätig ist und mehrere Angestellte beschäftigt. Darüber hinaus wurde sie in der Schlussbesprechung durch ihren Ex-Ehemann und ihre Steuerberaterin begleitet, mit denen sie sie sich noch in der Schlussbesprechung zu einer Beratung zurückgezogen hat. Ausweislich der vorliegenden Vermerke wurden die zu besprechenden Themen bereits im Vorfeld erörtert und der Klägerin hinreichend Gelegenheit gegeben, sich hierüber Klarheit zu verschaffen. Auch Nachbesserungen in der Vereinbarung wurden auf Veranlassung der Klägerseite noch während der Schlussbesprechung aufgenommen. Dieser Vortrag des Beklagten steht im Einklang mit der von der Klägerin eingeführten schriftlichen Äußerung ihres Ex-Ehemanns. All dieses spricht nicht für eine Situation im Sinne des § 123 BGB. Der Klägerin ist zuzugeben, dass für einen Steuerpflichtigen die Entscheidung sich im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung zu binden oder sich auf einen weiteren Streit mit der Finanzbehörde einzulassen als Bedrohung empfunden werden kann. Allerdings kann dieses Gefühl bei einer (weitreichenden) Entscheidung regelmäßig anfallen, ohne dass es sich bereits um eine Drohung im Anfechtungssinne handelt. Gleichwohl können möglicherweise getroffene Fehlentscheidungen nicht nachträglich im Wege der Anfechtung rückgängig gemacht werden. Vielmehr sind die Beteiligten an ihrer Willenserklärung festzuhalten; eine Aufhebung der Bindungswirkung nur unter den engen Voraussetzungen der Anfechtung möglich.

3. Ausführungen zu den Feststellungen der Betriebsprüfung und der Stellungnahme der Gerichtsprüferin übrigen sich vorliegend, da diese aufgrund der wirksamen tatsächlichen Verständigung und der sich hieraus ergebenden Bindungswirkung keine Relevanz entfalten.

4. Das Gericht hat davon abgesehen, zur weiteren Sachverhaltsaufklärung den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen der Klägerin nachzugehen.

a) Soweit die Klägerin die Behauptung aufgestellt hat, sie sei im Termin der Schlussbesprechung am 6. April 2016 durch Drohung im Sinne von § 123 BGB zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung bestimmt worden, und hierzu Beweis durch Vernehmung ihres Ex-Ehemannes [...] als Zeugen angeboten hat, sieht der Senat von einer Beweiserhebung ab, da sich der Zeuge schriftlich zur Sache geäußert hat, die Klägerin sich diese Äußerung zu eigen gemacht hat und das Gericht sowohl die Aussage des Zeugen ... als auch die Schilderung der Klägerin zum Ablauf der Schlussbesprechung als wahr unterstellt. Ein Vortrag, dessen Wahrheit das Gericht unterstellt, bedarf keines Beweises. Es ist deshalb in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass das Finanzgericht in einem solchen Fall von einer beantragten Beweiserhebung absehen darf (BFH, Beschluss vom 25. Oktober 2005 I B 47/04, BFH/NV 2006, 746 m.w.N.).

Wenn die Klägerin darüber hinaus mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2020 zum Beweis ihrer Behauptung, auf sie sei in der Besprechung vom 6. April 2016 ein unzulässiger Druck ausgeübt worden, der zur Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung geführt habe, ihre Eltern sowie diverse weitere Personen als Zeugen benennt, hat der Senat von einer Beweiserhebung abgesehen, da die benannten Personen unstreitig nicht in der Besprechung anwesend waren und eine Sachverhaltsschilderung durch diese aus eigener Wahrnehmung nicht möglich ist. Es handelt sich daher um Zeugen "vom Hörensagen", die lediglich ihre Wahrnehmung von der Wiedergabe einer Wahrnehmung durch einen Dritten wiedergeben. Da das Gericht die Sachverhaltsschilderung des "Dritten", nämlich der in der Besprechung anwesenden Klägerin und ihres Ex-Ehemannes, als wahr unterstellt, konnte das Gericht auf die angebotenen Zeugenbeweise verzichten.

b) Soweit die Klägerin die Behauptung aufgestellt hat, die Kassenführung sei im Streitjahr ordnungsgemäß gewesen, da die Programmierungsunterlagen vollständig vorgelegen hätten und eine Manipulation der im Streitjahr eingesetzten elektronischen Kasse nicht möglich gewesen sei und auch nicht stattgefunden habe, und hierzu Beweis durch Benennung des Herrn ...als Zeugen sowie durch Sachverständigengutachten angeboten hat, konnte der Senat auf eine Beweiserhebung verzichten. Mit der wirksamen tatsächlichen Verständigung vom 6. April 2016 haben sich die Beteiligten über das Vorliegen von Mängeln in der Kassenführung und die Befugnis des Beklagten zur Vornahme von Hinzuschätzungen zu den Betriebseinnahmen und Umsätzen der Klägerin im Streitjahr in Höhe von 3.000 € (netto) einvernehmlich verständigt. Die Verständigung ist für beide Beteiligten bindend. Die unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung hat damit für die Höhe der festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2013 und der Umsatzsteuer 2013 keine rechtliche Relevanz. Der Senat konnte daher von einer Beweiserhebung absehen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen im Streitfall nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ihre Entscheidung beruht maßgeblich auf einer Würdigung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts.