Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 26.08.2003, Az.: 4 A 4082/01
Aufenthaltsgenehmigung; Identität; Identitätsermittlung; Mitwirkungspflicht; Rückkehrberechtigung; Staatsangehörigkeit; ungeklärte Identität; ungeklärte Staatsangehörigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 26.08.2003
- Aktenzeichen
- 4 A 4082/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48232
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs 1 Nr 4 AuslG
- § 9 Abs 1 Nr 3 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Aufenthaltsgenehmigung bei ungeklärter Identität oder Staatsangehörigkeit des Ausländers versagt wird, kommt nicht in Betracht, wenn sich der Ausländer in vorwerfbarer Weise weigert, an einer Klärung seiner Identität mitzuwirken.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die im Jahr 1957 geborene Klägerin reiste am 21.06.1988 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der durch bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14.05.1990 abgelehnt wurde. Am 12.12.1990 wurde ihr im Rahmen einer Bleiberechtsregelung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die später als Aufenthaltsbefugnis fortgalt und in den Folgejahren mehrfach verlängert wurde.
Am 05.10.2000 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten [Landkreis] die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Der Beklagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 12.06.2001 mit der Begründung ab, der Lebensunterhalt der Klägerin sei nicht aus deren eigener Erwerbstätigkeit oder ihrem eigenen Vermögen gesichert.
Bereits am 25.04.2001 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 12.06.2001 zu verpflichteten, ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Identität der Klägerin ungeklärt sei.
Das Gericht hat am 20.02.2003 mündlich verhandelt. Auf eine weitere mündliche Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) in der Person der Klägerin vorliegen und ob insbesondere ihr Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert ist. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG entgegen, wonach eine Aufenthaltsgenehmigung zu versagen ist, wenn die Identität oder Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt ist und er keine Berechtigung zur Rückkehr in einen anderen Staat besitzt.
Die Identität und die Staatsangehörigkeit der Klägerin ist als ungeklärt anzusehen. Im Rahmen ihrer Asylantragstellung gab sie im Juli 1988 unter Vorlage eines iranischen Passes an, sie sei im Jahr 1957 in der iranischen Stadt {A} geboren worden. Ihr Vater trage den Namen {B}, ihre Mutter heiße {C}. Im November 1988 ließ sie sodann vortragen, sie sei im Jahr 1957 in {D}(Kasachstan) geboren worden. Im Rahmen ihrer Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 20.01.1990 gab sie an, ihr tatsächlicher Name sei {E}. Sie sei am 31.01.1959 in {D}geboren worden. Den iranischen Pass habe sie im März 1987 in der ehemaligen UdSSR von einem Araber gekauft. Ihr Vater trage den Namen {F}und sei in {G}/Iran geboren worden. Ihre in der Ukraine geborene Mutter heiße {H}. Schließlich versicherte die Klägerin am 25.10.2001 eidesstattlich, ihr Name sei {I}. Sie sei am 31.01.1957 in {D}/Kasachstan geboren worden. Ihre bereits verstorbenen Eltern hätten die Namen {J}und {K} getragen.
Welche der von der Klägerin gemachten Angaben richtig ist bzw. ob die Angaben überhaupt einen wahren Kern enthalten, lässt sich derzeit nicht beurteilen. Die Behauptung der Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung, sie sei im Frühjahr 1988 von Russland aus unter falscher Identität, „nämlich als Frau {L}, iranische Staatsangehörigkeit“, nach Deutschland eingereist, spricht gegen die Richtigkeit der bisherigen Annahme, sie sei tatsächlich iranische Staatsangehörige. Ob sie russische oder kasachische Staatsangehörige ist, ist derzeit völlig offen und ohne die Mitwirkung der Klägerin nicht zu ermitteln.
Der Beklagte hat unter dem 09.11.2001 eine Anfrage an die Deutsche Botschaft in Teheran gerichtet, um die Identität der Klägerin aufzuklären. In einer Antwort vom 14.11.2001 hat die Deutsche Botschaft ausgeführt, es sei ihr nicht möglich, von iranischen Stellen Auskünfte oder einen Personenstandsregisterauszug zu bekommen. Wenn die Klägerin Iranerin wäre, müsse sie im Besitz eines sog. Shenasnameh (Personenstandsbuch bzw. Geburtsurkunde) sein. Nur auf Grundlage dieses Papiers würden iranischen Staatsangehörigen Pässe ausgestellt, in denen jeweils auch die Eltern aufgeführt seien.
Auf die sodann vom Beklagten veranlasste Anfrage vom 26.11.2001 an die Deutsche Botschaft in Almaty/Kasachstan teilte die Botschaft mit, die vorliegenden Angaben reichten zur Identitätsermittlung nicht aus. Sie übersandte einen Fragebogen und bat, die Klägerin zu veranlassen, ihn in russischer Sprache auszufüllen. Nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten verweigerte die Klägerin jede weitere Mitwirkung an der Aufklärung ihrer Identität. Auf eine Empfehlung des Gerichts, den von der Botschaft übersandten Fragebogen auszufüllen, reagierte sie nicht.
Mit den dargestellten Versuchen, die Identität der Klägerin zu ermitteln, ist der Beklagte seiner Pflicht nachgekommen, alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts zu ergreifen (vgl. hierzu GK-Ausländergesetz, Stand: Juli 2002, § 8 Rn. 51). Weil die Klägerin trotz weiter bestehender Aufklärungsmöglichkeiten eine Mitwirkung zuletzt vollständig verweigert hat, ist ihr die Unmöglichkeit, ihre Identität zweifelsfrei aufzuklären, zuzurechnen.
Die Klägerin besitzt auch keine Berechtigung zur Rückkehr in einen anderen Staat i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Dies gilt insbesondere für die Staaten Iran, Russland und Kasachstan, für die eine Rückkehrberechtigung jeweils daran geknüpft ist, dass die Staatsangehörigkeit des Rückkehrwilligen eindeutig feststellbar ist (vgl. für den Iran Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 02.06.2003, S. 27, für Russland Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.08.2001, S. 14 und für Kasachstan Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.10.2002, S. 15 f.).
Die Voraussetzungen für ein Abweichen von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 AuslG liegen nicht vor. Eine Ausnahme nach der genannten Vorschrift ist nur in einem begründeten Einzelfall anzunehmen, der grundsätzlich nicht vorliegt, wenn ein Ausländer sich - wie vorliegend - in vorwerfbarer Weise weigert, an einer Klärung seiner Identität mitzuwirken (vgl. OVG Münster, Urt. v. 09.02.1999 - 18 A 5156/96 -, DVBl. 1999, 1222).
Einen Ausnahmefall, wie er für die Aufenthaltsbefugnis in § 30 Abs. 4 AuslG geregelt ist, sieht das Gesetz für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.