Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.04.2012, Az.: 1 A 249/10

beschränkt; Heilpraktikererlaubnis; Kenntnislücke; Kenntnisüberprüfung; Physiotherapie; Zusatzausbildung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.04.2012
Aktenzeichen
1 A 249/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Liegt nach Aktenlage eine normative Kenntnislücke für die Erteilung der auf das Gebiet der Physiotherapie beschränkten Heipraktiktererlaubnis vor, bedarf es zu ihrer Schließung einer Kenntnisüberprüfung. Die bloße Teilnahme an einer Zusatzausbildung reicht nicht aus. (im Anschluss an BVerwG, Urt.v. 26.08.2009 - 3 C 19.08)

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie.

Er absolvierte in der Vergangenheit mehrere medizinische Ausbildungen und verfügt über die Erlaubnisse, die Berufsbezeichnungen „Krankenpfleger“, „Masseur und medizinischer Bademeister“ und „Physiotherapeut“ zu führen. Er war Sanitätssoldat bei der Bundeswehr und legte die Sanitätsprüfung ab. Er war seit 1968 in den genannten Berufen tätig; zurzeit ist er als angestellter Physiotherapeut bei der „P.“ –Q. – in R. beschäftigt. Er beantragte bei der Beklagten unter dem 25.08.2010 die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie/physikalischen Therapie im Sinne der §§ 3 und 8 des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie. Seinem Antrag fügte er Urkunden über die von ihm erworbenen Berufsabschlüsse, Nachweise über verschiedene Fortbildungen und eine Bescheinigung des VDB-Physiotherapieverbandes S. e.V. vom 06.02.2010 bei, wonach er an der acht Unterrichtseinheiten umfassenden „Zusatzausbildung für Physiotherapeuten/innen, Masseure/innen zur Schließung der normativen Ausbildungslücke gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 – 3 C 19.08 –“ teilgenommen hat. Das Curriculum über die Zusatzausbildung und eine von ihm unterschriebene Verpflichtungserklärung vom 06.02.2010 waren ebenfalls beigefügt. Wegen des Inhalts der Belege wird auf die im Verwaltungsvorgang enthaltenen Nachweise verwiesen. Er beantragte, ihm die Erlaubnis nach Aktenlage zu erteilen, hilfsweise eine mündliche und äußerst hilfsweise eine schriftliche Kenntnisüberprüfung durchzuführen.

Mit Bescheid vom 02.09.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung der beschränkten Heilpraktikererlaubnis mit der Begründung ab, der Kläger erfülle die nach der Erlasslage des T. geltenden Anforderungen für die Erteilung der Erlaubnis nach Aktenlage ohne weitere Kenntnisüberprüfung nicht. Es fehle die ärztliche Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme an einer Zusatzausbildung im Mindestumfang von 30 ärztlichen Unterrichtsstunden. Den eingereichten Unterlagen sei weder der zeitliche Umfang der vom Kläger absolvierten Zusatzausbildung noch ein differenzierter Nachweis der ärztlich erteilten Unterrichtsstunden mit dem Schwerpunkt selbstständiger Erstdiagnose zu entnehmen. Der Kläger habe es abgelehnt, an einer Überprüfung durch den Gutachterausschuss teilzunehmen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält der Bescheid nicht.

Der Kläger hat am 12.10.2010 Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf die begehrte Erlaubnis ohne weitere Überprüfung seiner Kenntnisse zu. Die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz sei zu erteilen, wenn unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr - hier der Volksgesundheit - keine Versagungsgründe vorlägen. Ein Physiotherapeut habe Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie, wenn er die in seiner Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung nachgewiesen habe. Dies habe er mit seiner achtstündigen Zusatzausbildung beim VDB-Physiotherapieverband S. e.V. getan. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es dabei nicht auf den zeitlichen Umfang der Ausbildung, sondern darauf an, ob die vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte Kenntnislücke von Physiotherapeuten hinsichtlich der Abgrenzung ihrer Tätigkeit zur ärztlichen und zur Tätigkeit allgemein tätiger Heilpraktiker, hinsichtlich der physiotherapeutischen Diagnostik und Indikationsfeststellung und der ergänzenden Rechts- und Gesetzeskunde Gegenstand der Ausbildung gewesen sei. Er ist ferner der Ansicht, der für die zusätzliche Kenntnisüberprüfung landeseinheitlich angewandte, vom Gesundheitsamt der Stadt U. zur Verfügung gestellte Fragenkatalog für den schriftlichen Teil der Prüfung enthalte unzulässige Fragen. Der Klageschrift ist eine detaillierte Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers an das T. zu dem 28 Fragen umfassenden Fragenkatalog der Stadt U., eine schriftliche Stellungnahme der Stadt U. vom 12.05.2010 hierzu und ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten an die Stadt U. vom 20.09.2010 beigefügt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde gemäß § 1 Heilpraktikergesetz, beschränkt auf das Gebiet der Physiotherapie, zu erteilen,

hilfsweise,

den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag vom 25.08.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

hilfsweise,

Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben, dass die unter Nr. 6. b) des Erlasses vom 16.02.2012 geforderten Kenntnisse Gegenstand der Ausbildung und der täglichen Arbeit des Physiotherapeuten sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Erteilung der beschränkten Heilpraktikererlaubnis ohne weitere Kenntnisüberprüfung nicht, da er den vom Niedersächsischen T. für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration gestellten Anforderungen nicht entspreche. Er könne weder eine mindestens 40 Stunden umfassende und überwiegend von Ärzten/innen und Juristen/innen durchgeführte Nachschulung auf den Gebieten der Berufs-, Gesetzeskunde und Erstdiagnose noch einen Abschlusstest von 60 Minuten Dauer nachweisen. Darüber hinaus würden nach dem vorgelegten Curriculum über seine Zusatzausbildung die vom T. festgelegten Lehrinhalte größtenteils nicht abgedeckt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mit dem Haupt- und den Hilfsanträgen zulässig. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Klagefrist von einem Monat nach § 74 VwGO gewahrt hat. Im vorliegenden Fall gilt die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 VwGO, da der streitbefangene Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis noch ein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO). Der seinen Anspruch verneinende Bescheid vom 02.09.2010 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Hilfsbeweisantrag war ebenfalls abzulehnen.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Erlaubnis ist § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung – Heilpraktikergesetz – (HeilprG) vom 17.02.1939 (RGBl I 1939, 251). Danach bedarf der Erlaubnis, wer, ohne als Arzt bestallt zu sein, die Heilkunde ausüben will. Die Ausübung der Heilkunde umfasst nach § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßige Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. Maßgeblich sind das Erfordernis ärztlicher oder heilkundlicher Fachkenntnisse und die Gefahr gesundheitlicher Schäden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.2009 – 3 C 19/08 -, Rn. 11, zitiert nach juris, unter Hinweis auf Urteil vom 10.02.1983 - 3  C 21/82 -, ebenfalls juris). Die eigenverantwortliche Anwendung physiotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach zweifellos Ausübung der Heilkunde. Davon gehen auch die Beteiligten aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, a.a.O., Rn. 11). Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz - 1. DVO-HeilprG - vom 18.02.1939 (RGBl I 1939, 259) vorliegt. Gemäß § 2 Abs. 1 Buchstabe i) dieser Verordnung wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.

Mit Grundsatzurteil vom 26.08.2009 (a.a.O.) hat das Bundesverwaltungsgericht die zuvor streitige Frage, ob eine Heilpraktikererlaubnis inhaltlich auf die Ausübung der Physiotherapie beschränkt werden kann, bejaht und klargestellt, dass sich ein ausgebildeter Physiotherapeut hierfür grundsätzlich einer eingeschränkten Kenntnisüberprüfung zu unterziehen habe. Zu den Voraussetzungen für eine eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis für Physiotherapeuten hat das Bundesverwaltungsgericht maßgeblich ausgeführt (zitiert nach juris):

„Ein Physiotherapeut ist allein kraft seiner Ausbildung nicht zu einer eigenverantwortlichen Tätigkeit befähigt. Zum Schutz der Patienten ist deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die in der Ausbildung nicht vermittelten Kenntnisse zur physiotherapeutischen Behandlung ohne ärztliche Verordnung nachgewiesen werden.“ (Rn. 21).

„Nach § 2 Abs. 1 Buchst. i 1. DVO – HeilprG ist eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Gesundheitsamt vorzunehmen, um festzustellen, ob die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Diese Überprüfung fragt keinen bestimmten Ausbildungsstand ab, sondern dient der Abwehr von Gefahren für die Volksgesundheit im konkreten Einzelfall. Sie soll ergeben, ob mit der Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden, das heißt mit der konkret beabsichtigten Heilkundetätigkeit, eine Gefahr für den Patienten verbunden wäre (Urteil vom 10. Februar 1983 a.a.O. S. 373 bzw. S. 6). Der Umfang der Überprüfung steht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Von einem Berufsbewerber dürfen nur solche Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in einem Bezug zu der geplanten Tätigkeit stehen (vgl. Urteile vom 21. Januar 1993 a.a.O. S. 360 f. bzw. S. 10 f. und vom 10. Februar 1983 a.a.O. S. 372 f. bzw. S. 5 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 a.a.O. S. 194). Er muss keine Kenntnisse nachweisen, die er für die beabsichtigte Tätigkeit nicht benötigt oder aufgrund seiner Ausbildung ohnehin schon besitzt.“ (Rn. 22).

„Aufgrund seiner Ausbildung kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger die richtige Ausführung einer Krankenbehandlung mit den Mitteln der Physiotherapie hinreichend sicher beherrscht. Kenntnisse und Fähigkeiten insbesondere auf dem Gebiet der Krankengymnastik, der Massage und der weiteren physiotherapeutischen Behandlungsmethoden müssen deshalb nicht überprüft werden. Gleiches gilt für heilkundliche Kenntnisse über Krankheiten, die mit Beschwerden des Bewegungsapparates in keinem Zusammenhang stehen und mit denen ein Physiotherapeut in der Praxis nicht konfrontiert wird.“ (Rn. 23).

„Seine Ausbildung befähigt den Kläger aber nicht zu einer selbstständigen Erstdiagnose. Der Gesetzgeber hat mit dem Ausbildungsprogramm für Physiotherapeuten nach Maßgabe des § 8 MPhG, das in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung konkretisiert ist, gerade keine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vorgesehen, die für eine solche Erstdiagnose erforderlich sind. Entsprechend dem vom Gesetzgeber ausgestalteten Berufsbild wird ein Physiotherapeut im Rahmen der Krankenbehandlung nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätig (s. oben). Seine durch die Ausbildung vermittelte Befähigung ist begrenzt auf die fachgerechte Anwendung der Physiotherapie bei Patienten, bei denen die vorgelagerte Entscheidung darüber, ob überhaupt eine mit dieser Therapieform zu behandelnde Krankheit vorliegt, bereits getroffen worden ist. Diese Ausbildungslücke ist normativ vorgegeben. Sie folgt der Einschätzung des Gesetzgebers, dass ein nach seinen Vorstellungen geschulter Physiotherapeut keine selbstständige Heilkunde ausüben kann, aber auch nicht soll. Es geht also nicht nur um eine Bewertung der durch die Ausbildung erreichbaren Befähigung, sondern auch um die im Vorfeld getroffene Festlegung, inwieweit Nichtärzten eine selbstständige Heiltätigkeit anvertraut werden kann.“ (Rn. 24).

………..

„Es ist nicht plausibel und wird auch durch das Verwaltungsgericht nicht überzeugend begründet, warum eine wesentlich auf Krankengymnastik und Massage ausgerichtete Ausbildung zugleich dazu befähigen könnte, die vielfältigen Ursachenzusammenhänge für tatsächliche oder nur vermeintliche Störungen des Bewegungsapparates zu erkennen. Auch von einem ausgebildeten Physiotherapeuten muss deshalb zum Schutz der Patienten verlangt werden, dass über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse aus den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber vorhanden sind, ob eine solche Behandlung angezeigt ist. Dabei geht es nicht darum, eine ärztliche Differentialdiagnose zu ersetzen, sondern darum, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten.“ (Rn. 25).

Eine solche Kenntnisüberprüfung ist zum Schutz der Patienten nicht unverhältnismäßig. Vor allem dient sie nicht nur der Abwehr mittelbarer Gefahren, die dadurch erwachsen können, dass ein Patient von dem notwendigen Besuch eines Arztes abgehalten wird, etwa weil er der Erstdiagnose eines ausgebildeten Physiotherapeuten besonderes Vertrauen entgegen bringt. Es geht vielmehr auch um Gefahren, die durch die Anwendung physiotherapeutischer Behandlungsmethoden unmittelbar hervorgerufen werden können. Sie bleiben bei falscher Diagnose oder nicht erkannten Kontraindikationen nicht lediglich wirkungslos, sondern können das Leiden des Patienten unter Umständen deutlich verschlimmern.“ (Rn. 26).

…….

„Aus alledem ergibt sich für den Regelfall ein bestimmter Zuschnitt der Kenntnisüberprüfung bei ausgebildeten Physiotherapeuten, die auf ihrem Gebiet eigenverantwortlich tätig werden wollen. Der jeweilige Antragsteller muss nachweisen, dass er ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung der heilkundlichen Tätigkeit als Physiotherapeut gegenüber der den Ärzten und allgemein als Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen besitzt und ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf die einschlägigen Krankheitsbilder hat. Außerdem sind Kenntnisse in Berufs- und Gesetzeskunde einschließlich der rechtlichen Grenzen der nichtärztlichen Ausübung der Heilkunde nachzuweisen.“ (Rn. 27).

Da die Kenntnisüberprüfung keine formalisierte Prüfungsleistung darstellt, sondern allein der Sachverhaltsermittlung im Rahmen der Gefahrenabwehr dient, kommt es außerdem auf mögliche Einzelumstände an. Die Behörde muss zunächst die vorgelegten Zeugnisse und sonstigen Nachweise über absolvierte Studiengänge und Zusatzausbildungen prüfen und je nach dem Ergebnis die Art der weiteren Ermittlungen bestimmen (so bereits Urteil vom 21. Januar 1993 a.a.O. S. 360 f. bzw. S. 10 f.). Der Kläger hat nach Aktenlage noch ein Studium an der Universität Wien, Fakultät Physiotherapie, mit einem nicht näher bezeichneten Abschluss absolviert. Der Beklagte wird deshalb zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls inwieweit die im Regelfall gebotene eingeschränkte Kenntnisüberprüfung für ausgebildete Physiotherapeuten im Hinblick auf dieses Studium entbehrlich ist.“ (Rn.28).

Nach diesem Maßstab kann vorliegend auf eine Überprüfung der Kenntnisse des Klägers im Hinblick auf die eingeschränkte Heilpraktikererlaubnis nicht verzichtet werden. Durch die vorgelegten Nachweise über Fortbildungen auf dem Gebiet der Physiotherapie hat der Kläger nicht dargelegt, dass er über die notwendigen Kenntnisse verfügt, die ihn befähigen, die Möglichkeiten und Grenzen seiner eigenen Diagnosefähigkeit richtig einzuschätzen und zu beachten. Der Kläger hat an Fortbildungen in „Orthopädischer Medizin/Manueller Therapie“ (Bl. 40 Beiakte A), „Medizinischer Trainingstherapie in der erweiterten ambulanten Physiotherapie“ (Bl. 41 Beiakte A), „Propriozeptiver neuromuskulärer Fazilitation“ (Bl. 43 Beiakte A) teilgenommen und nach bestandener Abschlussprüfung jeweils ein entsprechendes Zertifikat bzw. eine entsprechende Urkunde erhalten; nach einer Ausbildung in der Sportphysiotherapie wurde ihm nach erfolgreicher Abschlussprüfung das Prädikat „Sportphysiotherapeut des VPT“ verliehen (Bl. 42 Beiakte A). Aus den  vorgelegten Bescheinigungen geht nicht hervor, dass es sich hierbei um Fortbildungen gehandelt haben könnte, die dazu befähigen, bei einer Erstdiagnose Patienten, die nicht (lediglich) einer physiotherapeutischen Behandlung bedürfen, erforderlichenfalls darauf hinzuweisen, dass eine ärztliche Behandlung geboten ist. Die Kammer teilt die Auffassung der Verwaltungsgerichte Oldenburg (Urteil vom 23.09.2011 - 7 A 2259/10 -, Rn. 27, zitiert nach  juris) und Hannover (Urteil vom 23.11.2011 – 5 A 5116/10 -, Rn. 27, zitiert nach juris), dass dazu Kenntnisse von Krankheitsbildern vorhanden sein müssen, die Symptome aufweisen, welche möglicherweise auch eine physiotherapeutische Behandlung indizieren. Es muss also nachgewiesen sein, dass der Kläger aufgrund entsprechender Fortbildung sicher seine „Unzuständigkeit“ erkennen und den Betroffenen sachkundig informieren kann. Diese Anforderung steht im Einklang mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 (a.a.O.), wonach auch von einem ausgebildeten Physiotherapeuten, der selbstständig ohne ärztliche Verordnung behandeln möchte, zum Schutz der Patienten verlangt werden müsse, dass über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse aus den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber vorhanden sein müssten, ob eine solche Behandlung angezeigt sei (BVerwG, a.a.O., Rn. 25). Damit wird nicht unzulässiger Weise eine ärztliche Differenzialdiagnose verlangt, sondern es geht darum, den ohne ärztliche Verordnung tätigen Physiotherapeuten zu befähigen, die Möglichkeiten und Grenzen seiner eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 25). Diese Fähigkeit ist durch die Fortbildungsunterlagen nicht nachgewiesen. Es handelt sich dabei in der Mehrzahl um Bescheinigungen über die Vertiefung therapeutischer Verfahren, die zum Tätigkeitsspektrum eines Physiotherapeuten gehören. Auch soweit sie darüber hinausgehen mögen wie die Teilnahme an den unter ärztlicher Leitung stattgefundenden Kursen in orthopädischer Medizin, ist allein durch die Teilnahme nicht erkennbar, inwieweit die Fähigkeit zu einer Erstdiagnose dabei vermittelt wurde. Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger erfolgreich eine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert hat. Auch hierdurch wurden ihm nicht die notwendigen Kenntnisse zur selbstständigen Diagnosefähigkeit vermittelt. Die Krankenpflegeausbildung soll lediglich zu einer Mitwirkung bei der Erstellung von Diagnosen befähigen, wie den gesetzlichen Regelungen über das Berufsbild eines/einer Krankenpflegers/Krankenpflegerin zu entnehmen ist. Nach dem in § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege - Krankenpflegegesetz- (KrPflG) niedergelegten Ausbildungsziel sollen in der Krankenpflegeausbildung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten vermittelt werden (Satz 2). Die Ausbildung für die Pflege nach Abs. 1 soll u. a. insbesondere dazu befähigen, im Rahmen der Mitwirkung Maßnahmen der medizinischen Diagnostik auszuführen (Abs. 1 Nr. 2. b) KrPflG).

Auch durch seine Teilnahme an der vom VDB-Physiotherapieverband S. e.V angebotenen „Zusatzausbildung für Physiotherapeuten/innen, Masseure/innen zur Schließung der normativen Ausbildungslücke gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 – 3 C 19.08 – “ (Bl. 6 Beiakte A) hat der Kläger die nach jener Entscheidung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht erlangt.

Die Erteilung oder Versagung einer Heilpraktikererlaubnis stellt einen Akt schlichter Rechtsanwendung dar, der von den Verwaltungsgerichten unbeschränkt nachzuprüfen ist und hinsichtlich dessen der zuständigen Behörde weder ein Ermessens- noch dem Amtsarzt, mit welchem die Behörde sich ins Benehmen zu setzen hat (§ 3 Abs. 1 1. DVO-HeilprG), ein Beurteilungsspielraum zusteht (BVerwG, Urteile vom 21.12.1995 - 3 C 24/94 -, Rn. 29 ff.; vom 21.01.1993-3 C 34/90 -, Rn. 27; BayVGH, Urteil vom 22.06.2009 - 21 BV 05.256 -, Rn. 19, jeweils zitiert nach juris). Die Verwaltung hat jedoch einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Verfahrens, in welchem sie sich Gewissheit darüber verschafft, ob ein Erlaubnisbewerber eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen, nach Satz 2 bestimmt sie Art und Umfang der Ermittlungen und ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (vgl. BVerwG, Urteile vom 21.01.1993, a.a.O., Rn. 32 und vom 26.08.2009, a.a.O., Rn. 22). Grenze ihres Ermessens ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993, a.a.O., Rn. 28). Die Beklagte verletzt nicht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn sie als Nachweis dafür, dass ein Erlaubnisbewerber die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 26.08.2009 (a.a.O.) festgestellte normative Ausbildungslücke geschlossen hat, mehr verlangt, als die vom Kläger erbrachte Zusatzausbildung, die lediglich 8 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten umfasst, an einem Tag absolviert wird und keine Abschlussprüfung beinhaltet. Unabhängig von der Frage, wie viele Fortbildungsstunden im Einzelnen zu fordern sind - ob es beispielsweise wie ursprünglich von der Beklagten verlangt 30 oder wie während des Gerichtsverfahrens gefordert 40 oder noch mehr Stunden mit dem Schwerpunkt selbstständiger Erstdiagnose bedarf - , reicht die vom Kläger absolvierte Zusatzausbildung schon deshalb nicht als Nachweis aus, weil es an jeglicher Abschlusskontrolle fehlt (so auch VG Hannover, Urteil vom 23.11.2011, a.a.O., Rn. 28). Durch das Erfordernis eines Abschlusstests wird auch keine, im Rahmen der Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 i) 1. DVO-HeilprG gerade nicht notwendige, formalisierte Prüfungsleistung verlangt. Richtig ist, dass für den Heilpraktiker im Allgemeinen eine medizinische Ausbildung nicht vorgeschrieben ist, er den Nachweis einer Fachqualifikation für diesen Beruf nicht erbringen muss und eine Fachprüfung nicht stattfindet (vgl. BVerwG, Urteile vom 21.12.1995, a.a.O., Rn. 34, und  vom 10.02.1983, - 3 C 21/82 -, Rn. 31, zitiert nach juris). Um den Anforderungen nach § 2 Abs. 1 i) 1. DVO- HeilprG gerecht zu werden, besteht allerdings kaum eine andere Möglichkeit, als ein prüfungsähnliches Verfahren durchzuführen. So hat das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren, in denen es um die Erteilung der allgemeinen Heilpraktikererlaubnis ging, es unter dem Gesichtspunkt einer ermessensfehlerfreien Ausgestaltung des Überprüfungsverfahrens nicht beanstandet, wenn vom Erlaubnisbewerber die schriftliche Beantwortung eines Fragenkatalogs verlangt wird, an die sich ein mündliches Überprüfungsgespräch anschließen könne. Beide Arten der Überprüfung seien in gleicher Weise geeignet, gefährliche Fehlvorstellungen der Erlaubnisbewerber aufzudecken (BVerwG, Urteil vom 21.12.1995, a.a.O., Rn. 34). Insofern ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte für eine Entscheidung nach Aktenlage über die Erlaubniserteilung eine Zusatzausbildung mit einer Abschlusskontrolle verlangt. An einer solchen fehlt es hier. Dies gilt auch mit Blick auf die vom Kläger vorgelegte, vom VDB-Physiotherapieverband ausgestellte „Teilnahmebestätigung mit Verpflichtungserklärung“ vom 06.02.2010. Zwar hat der Kläger dort durch seine Unterschrift bestätigt, dass er die Einweisung in die Inhalte der Zusatzausbildung verstanden habe und entsprechend bei seiner täglichen Arbeit beachten werde, wobei die Ausbildungsinhalte durch das vorgelegte „Curriculum“ dokumentiert sind und diese ausdrücklich die bestehende Ausbildungslücke für Physiotherapeuten schließen sollen. Weder hierdurch noch durch den Inhalt der dem Kläger ausgehändigten Unterrichtsmaterialien ist jedoch nachgewiesen, dass er tatsächlich ausreichende Kenntnisse über die vermittelten Inhalte erlangt hat. Eine erfolgreiche Teilnahme kann nur durch das Bestehen eines Abschlusstests nachgewiesen werden (so auch VG Hannover, Urteil vom 23.11.2011, a.a.O., Rn. 28). Diesen Aspekt hat das Verwaltungsgericht Magdeburg in dem vom Kläger vorgelegten Urteil vom 22.03.2011 – 3 A 240/08 – MD –, in welchem eine entsprechende Teilnahmebescheinigung über die 8 stündige Zusatzausbildung als ausreichender Nachweis angesehen wurde, unberücksichtigt gelassen.

Scheidet demnach ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der begehrten Erlaubnis nach Aktenlage unter Berücksichtigung seiner Zusatzausbildung allein deshalb aus, weil diese Zusatzausbildung keine Abschlusskontrolle beinhaltet, kommt es auf die Frage nach dem zulässigen Umfang und Inhalt einer zur Schließung der normativen Ausbildungslücke   notwendigen Zusatzausbildung nicht (mehr) an. Der hilfsweise gestellte Beweisantrag des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass die unter Nr. 6. b) des von der Arbeitsgruppe „Berufe des Gesundheitswesens“ der AOLG am 08./09.02.2012 beschlossenen Qualifizierungskatalogs geforderten Kenntnisse bereits Gegenstand der Ausbildung und der täglichen Arbeit eines Physiotherapeuten sind -  und deshalb nicht Gegenstand einer Nachqualifizierung sein dürfen -, ist deshalb unerheblich und abzulehnen. Selbst wenn Ergebnis der Beweisaufnahme wäre, dass die Beklagte unter Bezugnahme auf Ziffer 6. b) des Qualifizierungskatalogs vom Kläger eine Nachqualifizierung auf Gebieten verlangt, die bereits Gegenstand seiner Ausbildung zum Physiotherapeuten waren, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Damit würde sich die Beklagte zwar in Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 (a.a.O.) setzen. Ein Anspruch auf die Erlaubnis würde dem Kläger dennoch nicht zustehen, denn der Mangel der fehlenden Abschlusskontrolle seiner Zusatzausbildung wäre nicht ausgeräumt. Soweit der Kläger unter Beweis stellen möchte, dass die unter Ziff. 6. b) verlangten Kenntnisse und Fähigkeiten Gegenstand seiner täglichen Arbeit seien, kommt es hierauf ebenfalls nicht an. In diesem Fall würde er nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 (a. a. O.) seine Kompetenzen überschreiten; er wäre jedoch nicht davon befreit, seine normative Ausbildungslücke durch eine entsprechende Fortbildung mit Abschlusstest zu schließen.

Unabhängig davon und die Entscheidung des Gerichts selbständig tragend ist der Hilfsbeweisantrag auch deshalb abzulehnen, weil die Annahme des Klägers, die unter Nr. 6. b) des Qualifizierungskatalogs geforderten Kenntnisse seien bereits Gegenstand seiner Ausbildung gewesen, unzutreffend ist. Zu dieser Bewertung sieht sich das Gericht aufgrund eigenen Sachverstands in der Lage. Mit den unter Ziff. 6. b) aa) bis ee) geforderten „Kenntnissen und Fähigkeiten“ „in Erstdiagnostik“ auf den verschiedensten medizinischen Gebieten verlangt die Beklagte genau das, was nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 (a. a. O.) zur Schließung der normativen Ausbildungslücke von Physiotherapeuten notwendig ist, nämlich „über die richtige Anwendung der Therapie hinausgehende Kenntnisse auf den verschiedenen medizinischen Fachgebieten darüber …, ob eine solche (physiotherapeutische, Anmerkung des Gerichts) Behandlung angezeigt ist“ (BVerwG, a. a. O., Rn. 25). Der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es dabei nicht darum gehen dürfe, „eine ärztliche Differenzialdiagnose zu ersetzen, sondern darum, die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Diagnosefähigkeiten zu kennen und zu beachten“ (BVerwG, a. a. O., Rn. 25), wird der Qualifizierungskatalog dadurch gerecht, dass er bei der Erstdiagnose lediglich „Kenntnisse über Anzeichen von Störungen…“ (aa), „Kenntnisse über Anzeichen für Komplikationen…“(bb und cc), „Kenntnisse über Anamnese– und Untersuchungstechniken…“(dd) und „Erkennen von Warnhinweisen…“ (ee) auf den verschiedensten medizinischen Fachgebieten verlangt, und nicht die Fähigkeit zur eigenen Diagnose. Soweit der Kläger meinen sollte, eine solche eingeschränkte Diagnosefähigkeit sei ihm bereits während seiner Ausbildung vermittelt worden, stünde dies im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 (a. a. O.), denn das Bundesverwaltungsgericht hat gerade insoweit eine normative – durch die Ausbildung vorgegebene – Ausbildungslücke bei Physiotherapeuten festgestellt.

Ein Anspruch auf Neubescheidung des Erlaubnisantrags scheidet ebenfalls aus, da keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung nicht berücksichtigt oder unzutreffend bewertet hätte. Den Einwänden des Klägers gegen den im Rahmen der Kenntnisüberprüfung vor dem Gutachterausschuss angewandten Fragenkatalog der Stadt U. muss nicht nachgegangen werden, da der Kläger sich einer solchen Kenntnisüberprüfung bisher nicht unterzogen hat, der Fragenkatalog somit nicht Streitgegenstand ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.