Landgericht Oldenburg
Urt. v. 09.08.2006, Az.: 1 KLs 115/04

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
09.08.2006
Aktenzeichen
1 KLs 115/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43642
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2006:0809.1KLS115.04.0A

In der Strafsache

...

wegen bes. schwerer Brandstiftung u.a.

hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts in Oldenburg in der Sitzung vom 09.08.2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Landgericht ...

als Vorsitzender

Richter am Landgericht ...

als beisitzender Richter

Frau ..., Westerstede

Frau ..., Hatten als Schöffinnen

Staatsanwalt ...

als Beamter der Staatsanwaltschaft

Rechtsanwalt ...,

Oldenburg als Verteidiger

Justizfachwirt ...

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Angeklagte wird wegen besonders schwerer Brandstiftung sowie wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von

  2. vier Jahren

  3. verurteilt.

  4. Er trägt die Kosten des Verfahrens.

  5. - §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5, 306a Abs. 1 Nr. 1, 306b Abs. 2 Nr. 2, 22, 23 Abs. 1, 53 StGB -

Gründe

1

I.

Der strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getretene Angeklagte wurde am 01.09.1961 in Delmenhorst geboren. Er ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Frau zwei Söhne, die 1988 bzw. 1990 geboren wurden. Der Angeklagte erreichte nach neun Jahren Hauptschule den Hauptschulabschluss im Jahre 1977. Anschließend ließ er sich im Jagdhaus Eiden in Bad Zwischenahn in der Zeit vom 01.08.1977 bis 07.07.1980 zum Koch ausbilden. In der Zeit von 1980 bis 1989 absolvierte der Angeklagte beim Deutschen Roten Kreuz im Bereich des Katastrophenschutzes den Wehrersatzdienst. Von 1980 bis 1983 war der Angeklagte als Koch im Landgasthaus "Zur Pultern" beschäftigt. Das Landgasthaus wird seit mehreren Generationen von Familienmitgliedern geführt. Bis zu seinem Tod 1979 leitete sein Vater, ... den Betrieb. Seit dem Tod des Vaters wird der Betrieb von seiner Mutter, ..., geführt. Seit 1983 verfügte der Angeklagte nach seinen Angaben über einen Vertrag als kaufmännischer Angestellter im Betrieb seiner Mutter. Nach dem ersten Brand im Jahre 1986 war er für sieben Monate arbeitslos. Nach der Neueröffnung am 01.07.1987 bis zum zweiten Brand in der Nacht zum 10.06.2004 will der Angeklagte erneut über einen Vertrag als kaufmännischer Angestellter verfügt haben und verdiente nach seinen Angaben dort monatlich etwa 1 600,00 € netto. Auch seine Ehefrau war als gelernte Restaurantfachfrau im Landgasthaus tätig. Darüber hinaus hatte der Angeklagte für das Veranstaltungszentrum ComMedia in Delmenhorst seit dem 24.01.2003 ein Gewerbe angemeldet.

2

Der Angeklagte wurde am 23.06.2004 vorläufig festgenommen und befand sich in dieser Sache auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Delmenhorst vom 22.06.2004 in der Zeit vom 23.06.2004 bis zum 15.09.2004 in Untersuchungshaft.

3

In der Zeit vom 16.09.2004 bis zum 09.01.2006 war der Angeklagte arbeitslos. Da seine Ehefrau eine Arbeitsstelle gefunden hatte, betätigte sich der Angeklagte als Hausmann. Nebenbei ist er seit dem 01.02.2006 als geringfügig Beschäftigter tätig.

4

II.

Der Landgasthof "Zur Pultern" Syker Straße 302 in Delmenhorst, wird seit zumindest fünf Generationen von Familienangehörigen der Familie ... geführt. Nach dem Tod seines Vaters wurde die Mutter des Angeklagten, ..., Eigentümerin des Grundstücks und Inhaberin der Gaststätte. Nach seiner Ausbildung zum Koch kehrte der Angeklagte zum Landgasthof zurück, den ... zunächst machst gemeinsam mit ihren beiden Söhnen, dem Angeklagten und dessen Bruder ... als Familienbetrieb führte. Der Angeklagte, der zunächst als Koch begonnen hatte, übernahm zunehmend unternehmerische Verantwortung. Zwar galt ... als "Seniorchefin"; die Beteiligung ihrer Söhne beschränkte sich jedoch nicht auf bloße Mitarbeit. Sie waren an finanziellen Entscheidungen für das Landgasthaus nicht nur beteiligt, sondern hatten insoweit auch eigene Entscheidungsbefugnis. Insbesondere nachdem ... Ende der 90iger Jahre sich beruflich eigenständig außerhalb des Landgasthofs orientierte, übernahm der Angeklagte immer mehr Aufgabenbereiche in dem Familienunternehmen, die er dann auch selbständig erledigte. So kümmerte er sich um die Getränkebestellungen. Er plante und organisierte auch Veranstaltungen für das Lokal, wobei er mit Gästen zum Teil günstigere Konditionen und Festpreise vereinbarte, ohne dass er hierzu Rücksprache mit seiner Mutter hätte halten müssen. Auch der Zeuge ..., der seit 1993 Generalagent der Württembergischen Versicherung ist und seitdem die Familie ... in versicherungsvertraglichen Angelegenheiten betreut, wandte sich nach dem Ausstieg des ... nahezu ausschließlich bei Fragen, die die für den Betrieb des Landgasthofes abgeschlossenen Versicherungen betrafen, an den Angeklagten. Obwohl ... Versicherungsnehmerin war, sah der Zeuge ... den Angeklagten als seinen Ansprechpartner an, was auch nie zu Problemen führte, da dieser mit seiner Mutter den Betrieb gemeinsam führte und er in ihrem Namen auch rechtsgeschäftlich tätig werden konnte. Ab 1992 pachtete die Familie ... das Hotel "An der Riede" hinzu, um dieses neben dem Betrieb des Landgasthauses führen zu können. Für die Sanierung des Hotels, die zu einer Zeit durchgeführt wurde, zu der bereits Pacht zu zahlen war, wurden Einnahmen aus dem Landgasthof verwendet. Dadurch und auch, weil das Hotel bis zur Beendigung des Betriebs 1999 nicht den erwarteten Umsatz abwarf, kam der Betrieb des Landgasthauses in den folgenden Jahren immer stärker in wirtschaftliche Bedrängnis. Es traten regelmäßig Rückstände auf, so dass die Notwendigkeit bestand, sich in Hinblick auf die Rückführung mit den Gläubigern zu einigen. Die hierzu getroffenen Vereinbarungen konnten zunächst auch eingehalten werden.

5

Mit der Einführung des Euro und den daraufhin im gesamten Gaststättengewerbe zunächst zurückgehenden Einnahmen verschärfte sich auch die Situation für den Landgasthof aber um ein weiteres Mal. Im Verlaufe des Jahres 2002 kam es dazu, dass die mit den Gläubigern getroffenen Vereinbarungen nicht mehr eingehalten werden konnten. Gehälter wurden zwar gezahlt, teilweise aber nach Rücksprache verspätet. Die schlechtere Entwicklung im Jahre 2002 verschlimmerte sich 2003 noch ein weiteres Mal. Finanzielle Rücklagen hatte der Betrieb nicht mehr. Da die laufenden Einnahmen nicht mehr dazu ausreichten, Rückstände wie mit den Gläubigern vereinbart zurückzuführen, kam es mit den Lieferanten insbesondere für Speisen und Getränke zu einer Einigung dahingehend, dass die Rückstände zunächst zurückgestellt und dann abgestottert werden sollten, dafür aber aktuelle Bestellungen sofort bezahlt wurden. Zwar schien sich 2004 die finanzielle Lage des Betriebs zu bessern; insbesondere gab es für die zweite Jahreshälfte eine Zunahme von Vorbestellungen für mehrere Veranstaltungen, wie Hochzeiten. Tatsächlich spitzte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2004 die Lage aber weiter zu. Mit den Lieferanten konnte man sich zwar noch jeweils einigen. Insbesondere aber die Krankenkassen setzten dem Familienunternehmen in Hinblick auf die Beitragsforderungen für die versicherten Angestellten zu. Die Einnahmesituation in den ersten Monaten des Jahres 2004 ließ indes die dringliche Rückführung der bei den Krankenkassen bestehenden Außenstände nicht zu, denn beispielsweise die Maifeiertage waren nicht so einträglich, wie zuvor erhofft und erwartet. Anders als bei den übrigen Gläubigern ließen die Krankenkassen sich auch nicht auf Zahlungsaufschübe ein, sondern drohten konkret mit der Stellung eines Insolvenzantrags für den Fall, dass die Rückstände nicht unverzüglich ausgeglichen würden. Die HKK etwa räumte dem Angeklagten und ... bis zum 08.06.2004 eine letzte Frist ein, um den dann bestehenden Rückstand von 7 322,36 € auszugleichen und kündigte andernfalls an, Insolvenzantrag zu stellen. Auch die AOK hatte am 01.06.2004 bereits fernmündlich die Insolvenzantragstellung für den Fall in Aussicht gestellt, dass die seinerzeit weniger als 3 500,- € betragenden Rückstände nunmehr nicht ausgeglichen würden. Der Angeklagte haue eine große Abneigung gegen den Gedanken, ein Insolvenzverfahren durchzuführen. Auch kam eine Verwertung etwa des Grundstücks nicht in Betracht, denn es ging ihm darum, mit dem Landgasthof eine Zukunft zu haben und nicht anstelle des Betriebs des Landgasthofes.

6

Da er die finanzielle Situation als erdrückend empfand und die Zukunft des Familienbetriebs in Gefahr sah, fasste der Angeklagte unmittelbar vor dem 09.06.2004 spontan den Entschluss, sich aus der wirtschaftlich schwierigen Lage durch Ausnutzung des Umstandes zu befreien, dass der Betrieb nach längeren versicherungsfreien Zeiträumen auf Betreiben des Zeugen ... seit dem 22.04.2004 wieder u.a. gegen Feuer versichert war. Da auf Grund von Zahlungsrückständen über längere Zeiträume kein Versicherungsschutz bestand, wandte sich der Zeugen ... gemeinsam mit dem Gewerbespezialisten der Württembergischen Versicherung, Herrn ..., Ende März, bzw. Anfang April 2004 an den Angeklagten. Mit diesem wurde vereinbart, dass er von den seinerzeit ausstehenden noch 5 000,00 € Versicherungsprämien zunächst einmal die Hälfte bezahlen sollte. Im Gegenzug sollte es zu einer Neuordnung der Verträge in einer einzigen Police mit monatlicher Zahlweise kommen. Am 14.04.2004 zahlte der Angeklagte dann die Hälfte des ausstehenden Betrages bar an den Zeugen ..., so dass es bei Reduzierung der Höhe des Versicherungsschutzes zur Beantragung der Neuordnung der Versicherungen am 14.04.2004 kam. Seit dem 22.04.2004 war das Landgasthaus danach wieder vollständig versichert. Das Gebäude war mit nahezu 1,9 Mio. €, das Inventar mit 500 000,00 € sowie der Betriebs- bzw. Ertragsausfall mit ebenfalls 500 000,00 € versichert. Die Verhandlungen zur Neuordnung der Verträge wurden mit dem Angeklagten und dessen Ehefrau, ..., geführt. Frau ... hatte an den Verhandlungsgesprächen nicht teilgenommen. Der Angeklagte unterzeichnete daher auch den Antrag, ohne dass er zuvor die Zustimmung seiner Mutter hätte einholen müssen.

7

Der Angeklagte hatte neben seiner Tätigkeit für das Landgasthaus auch ein Gewerbe angemeldet für die Räumlichkeiten des "ComMedia" in Delmenhorst. Dort fand am 09.06.2004 eine Veranstaltung von Notärzten statt, für die das Landgasthaus "Zur Pultern" auch das Catering organisiert hatte. Nach Veranstaltungsende wurde die Ehefrau des Angeklagten von dem als Koch im Landgasthaus Zur Pultern angestellten Zeugen ...vereinbarungsgemäß telefonisch benachrichtigt, damit diese die dortigen Räumlichkeiten von dem für die Veranstaltung verantwortlichen Zeugen, ..., übernehmen, noch einmal kontrollieren und abschließen konnte. Beim Abholen des Schlüssels im Landgasthaus erklärte ... dem Zeugen ... gegenüber, dass sie, da noch etwas Zeit sei, den an diesem Tag kränkelnden Angeklagten von Zuhause abholen würde, um mit diesem die Räumlichkeiten des ComMedia im Rahmen der Übergabe von dem Veranstalter, dem Zeugen ..., wieder in Empfang zu nehmen. Gemeinsam mit seiner Frau traf der Angeklagte gegen 22:45 Uhr zur Raumübergabe ein, so dass sich der Zeuge ... verabschieden konnte. Der Zeuge ... verließ gemeinsam mit seinem Arbeitskollegen, dem Zeugen ... den Gasthof zwischen 23.00 Uhr und 23.05 Uhr. Vor dem Verlassen kontrollierte der Zeuge ..., wie an jedem Abend, wenn er den Gasthof als Letzter verließ, noch einmal sämtliche Räumlichkeiten des Gasthofes, versicherte sich, dass sich niemand mehr in den Räumen aufhielt und prüfte nach, ob alle Fenster und Türen geschlossen waren.

8

Um seiner Mutter als Versicherungsnehmerin und damit mittelbar auch seiner Familie durch Inanspruchnahme der Versicherungssumme einen Neuanfang zu ermöglichen, legte der Angeklagte am  09.06.2004 zwischen 23.15 Uhr und 23.45 Uhr im Gebäudeinneren des Landgasthofes an mindestens zwei von einander unabhängigen Stellen, zum einen im großen Saal und zum anderen im Bereich des Getränkelagers, Feuer. Zumindest im großen Saal verwendete er zur Brandbeschleunigung ein Stoffgemisch in der Art von Otto-Kraftstoff ("Benzin"). Im Obergeschoss des Gebäudekomplexes befanden sich Räumlichkeiten, die von ... als ihre Wohnung genutzt wurden. Der Angeklagte wusste, dass seine Mutter sich zurzeit der Brandlegung in Norwegen im Urlaub befand. Dem Angeklagten war auch bekannt, dass der Zeuge ... gemeinsam mit dem Zeugen ... als letzter gegen 23.00 Uhr, spätestens 23.05 Uhr, den Gasthof verlassen hatte und bei dem grundsätzlich stattfindenden Kontrollrundgang durch das Gebäude, der ihn durch alle Räumlichkeiten des Gasthofes führt, sehr gewissenhaft vorging. Er war sich bei der Tat daher sicher, dass er sich zum Zeitpunkt der Brandlegung alleine im Gebäude befand. Das Gebäude war auch tatsächlich zur Zeit der Tatausübung menschenleer.

9

Der Zeuge ..., der an diesem Abend noch in Bremen war , konnte gegen 23.30 Uhr noch keinerlei Feuer bemerken, als er von Bremen zurückgekehrt die Ausfahrt Stickgras an der B 75 benutzte, die auf der Syker Straße genau gegenüber dem Gasthof endet. Die ersten Brandzeugen nahmen unmittelbar nach Mitternacht aus dem Dach lodernde Flammen wahr und alarmierten die Feuerwehr, die kurz nach einem Kamerateam der "Nonstop-News" vor Ort eintrafen und mit den Löscharbeiten begannen. Der Zeuge ..., der den Brandausbruch ebenfalls bemerkte und sich vor Ort begab, kannte die Inhaberfamilie. Deshalb entschloss er sich, dem Angeklagten von dem Brandausbruch zu berichten und fuhr zum Haus der Eheleute .... Der Angeklagte befand sich beim Eintreffen des Zeugen ... zwischen 0:20 Uhr und 0:40 Uhr in Unterwäsche bekleidet zu Hause und begleitete den Zeugen sehr aufgeregt zum Brandort. Das Gebäude brannte trotz der Bemühungen der Feuerwehr im Folgenden bis auf die Grundmauern nieder.

10

In einem Telefonat mit seiner noch in Norwegen befindlichen Mutter am 12.06.2004 gegen 8.22 Uhr räumte der Angeklagte die Brandlegung ein und erklärte, keine andere Chance mehr für den Betrieb gesehen zu haben. Es sei für ihn eine Kurzschlussreaktion gewesen, weil er nicht mehr gekonnt habe, weshalb er nicht darüber nachgedacht habe, dass dann auch das Auftragsbuch verbrennen würde, in dem sämtliche Vorbestellungen für das Landgasthaus festgehalten wurden. Er habe nie gedacht, dass das so stark noch heraufbrenne, obwohl er vorher gebetet habe, da dürfe nichts mehr stehen bleiben; nun sei es tatsächlich so passiert, es sei aber nicht schön mit anzugucken. Der Angeklagte wies seine Mutter in dem Telefonat auch darauf hin, dass ihr Schmuck, der sich bei ihrer Abreise noch in dem in ihrer Wohnung aufgestellten Safe befunden hatte, von dem Angeklagten nicht dort gelassen, sondern bei ihm zu Hause versteckt wurde. Die an der Tat nicht beteiligte ... zeigte sich nach dem Telefonat mit dem Angeklagten tief erschüttert und weinte verzweifelt. Am 15.06.2004 gegen 9:34 Uhr erklärte der Angeklagte seiner Frau am Telefon, sie müssten alle während der Ermittlungen ruhig bleiben und könnten auch nicht viel über die Brandlegung durch ihn am Telefon reden.

11

Am 16.06.2004 zeigte der Angeklagte gemeinsam mit seiner Mutter gegenüber dem Beauftragten der Württembergischen Versicherung, dem Zeuge ..., den durch den Brand verursachten Schaden an, um die Versicherungssumme ausgezahlt zu erhalten. In der hierzu auch von ihm unterschriebenen Erklärung wiesen er und seine Mutter zwar daraufhin, dass die behördlichen Ermittlungen zu diesem Zeitpunkt bereits von Brandstiftung ausgingen. Der Angeklagte verschwieg aber die Brandlegung durch ihn. Der Angeklagte wusste, dass seine Mutter keinerlei Ansprüche auf die Versicherungssumme hat, weil er als Repräsentant seiner Mutter den Schaden selbst herbeigeführt hatte und dadurch den Versicherungsfall, den er mit seiner Meldung nunmehr behauptete, nur vorgetäuscht hat. Zu einer Auszahlung der Versicherungssumme ist es bisher nicht gekommen. Die aktuellen Forderungen der im Grundbuch eingetragenen Gläubiger belaufen sich auf insgesamt 1 094 498,84 €. Die Grundbuchgläubiger sind auch für den Fall durch die Württembergische Versicherung zu entschädigen, dass die Versicherung der Versicherungsnehmerin gegenüber von der Leistung frei wird, weil diese, bzw. weil ihr Repräsentant den Eintritt des versicherten Risikos vorsätzlich herbeigeführt hat. Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer indes davon aus, dass nach Verwertung des Grundstückes im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Versicherung kein endgültiger Schaden verbleiben wird.

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Am selben Tag erstellte seine Mutter mit dem Angeklagten gemeinsam bei einer Besprechung mit dem Zeugen ..., der sich um eine Vorschusszahlung durch die Versicherung an die Familie ... bemühte, die zeitlich am schnellsten über die abgeschlossene Hausratsversicherung zu erreichen war, eine Auflistung der im Feuer verbrannten Hausratsgegenstände. Hierbei führten sie auch die von dem Angeklagten zuvor mitgenommenen Schmuckgegenstände unter Angabe eines Gesamtwertes von 1 500,- € auf. Bei seiner Vernehmung am 23.06.2006 teilte der Angeklagte den Beamten mit, dass sich der Schmuck in einem Koffer auf dem Schlafzimmerschrank befände. Dort wurde er bei der am selben Tag durchgeführten Durchsuchung auch aufgefunden. ... teilte ebenfalls am 23.06.2006 der Versicherung daraufhin mit, sie habe nunmehr erfahren, dass ein Teil des in der Schadensaufstellung angegebenen Schmuckes nicht zerstört, sondern nach ihrer Abreise durch ihre Schwiegertochter aus Sicherheitsgründen mitgenommen worden sei. Soweit der Angeklagte auch angeklagt war, an dem versuchten Betrug zum Nachteil der Versicherung im Hinblick auf die Schmuckgegenstände als Mittäter beteiligt gewesen zu sein, hat die Kammer das Verfahren in der Hauptverhandlung eingestellt.

13

III.

Der Angeklagte hat sich zur Sache nicht eingelassen. Er ist indes gemäß den Feststellungen durch die ausweislich der Sitzungsniederschrift erhobenen Beweise überführt.

14

Zunächst steht fest, dass der Brand in dem Landgasthof "Zur Pultern" durch Brandstiftung entstanden ist. Der Sachverständigen ... hat in seinem die Kammer überzeugenden Gutachten dies zweifelsfrei darlegen können. Bei der Untersuchung der Ruine konnte der Sachverständige feststellen, dass ein Brandverlauf von der Syker Straße aus betrachtet von hinten nach vorne und von rechts nach links vorgelegen hat. Dies kann man insbesondere daran erkennen, dass rechts hinten, also im Bereich des großen Saals das Gebäude fast vollständig niedergebrannt ist, wohin gegen links vorne noch Teile der Fassade vorhanden sind. Seine Analyse des Brandverlaufs anhand der Brandruine wird auch bestätigt durch die Brandzeugen ..., und .... Diese befanden sich kurz nach 0.00 Uhr zu einem Zeitpunkt vor Ort, als ihrer Erinnerung nach noch allein der rechte Gebäudeteil mit dem kleinen und großen Saal bereits in Flammen stand und der parallel zur Syker Straße verlaufende Gebäudeteil noch nicht brannte. Der Zeuge ..., der den Brandbeginn deutlich weiter links in einer Skizze niedergelegt hatte, zeigte sich auf Vorhalt anderer Zeugenaussagen unsicher und relativierte seine Angabe angesichts des Umstandes, dass seinerzeit vor der Polizei ein anderer Brandverlauf von ihm angegeben protokolliert wurde. Die Zeugen ... und ... kamen erst zu einem Zeitpunkt an den Brandort, als sich dort die anderen Zeugen bereits aufhielten. Dennoch konnte sich der Zeuge ... daran erinnern, dass das parallel zur Straße verlaufende Haus in deutlich geringerem Umfang brannte als der rechtsstehende Gebäudeteil. Nachdem in der Brandruine zwei verschiedene Brandbereiche aufgefunden werden konnten, nämlich zum einen im großen Saal und zum anderen im Bereich des Getränkelagers konnte durch den Sachverständigen überzeugend ein technischer Defekt als Ursache für den Brand ausgeschlossen werden. Mit diesem Umstand stand die Brandlegung bereits fest. Im großen Saal fiel dem Sachverständigen auf, dass sämtliche Deckenbalken verbrannt waren und auch die Stahlträger deutliche Verformungen aufwiesen. Des Weiteren konnte der Sachverständige punktuelle Durchbrennungen, die zum Durchbruch des Hohlfußboden führten, feststellen, so dass der Fußboden von unten her weiter brannte. Dies ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen insbesondere dadurch erklärbar, dass brennbare Flüssigkeiten auf dem Fußboden aufgebracht wurden, die dann zu den punktuellen Durchbrennungen geführt haben. Mit Hilfe des herbeigeschafften PID konnten an vier verschiedenen Stellen, davon drei im großen Saal Ausschläge verzeichnet werden, die auf die Vergasung eines Brandbeschleunigers hinwiesen. Zwei auf die Witterung von Brandbeschleunigern abgerichtete Spürhunde bestätigten unabhängig voneinander an den Stellen, an denen das PID angezeigt hatte, ebenfalls das Vorhandensein von Brandbeschleunigerspuren. Zumindest in Teilen der daraufhin gezogenen Proben konnten Reste eines Stoffgemisches in der Art von Ottokraftstoff nachgewiesen werden, wobei nach Angaben des Sachverständigen es erstaunlich war, dass auf Grund der in das Haus eingebrachten Löschwassermengen überhaupt noch Restspuren zu verzeichnen gewesen waren. Im Hinblick auf die vorgefundenen Brandausbruchstellen konnte der Sachverständige weiterhin überzeugend darlegen, dass sich der Brandleger im Haus befunden haben musste, da insbesondere zwei Brandstellen im großen Saal von außen, etwa durch Hineinwerfen eines Molotowcocktails oder ähnliches überhaupt nicht erreichbar gewesen wären. Das Ergebnis seiner Untersuchung war daher auch für die Kammer überzeugend, dass von einer vorsätzlichen Brandlegung an verschiedenen Stellen mit brennbarer Flüssigkeit auszugehen war, wobei der Täter im Haus gewesen sein muss. Da der Zeuge ... gegen 23:30 Uhr bei seiner Rückkehr aus Bremen noch keinerlei Feuer bemerkte und die ersten Brandzeugen unmittelbar nach Mitternacht aus dem Dach lodernde Flammen wahrgenommen hatten, musste nach den weiteren überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen die Brandlegung zwischen 23.15 Uhr und 23.45 Uhr erfolgt sein.

15

Die Kammer ist zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Angeklagte es war, der den Landgasthof in Brand steckte, um den Familienbetrieb von seinen finanziellen Sorgen zu befreien. Zwar standen keine unmittelbaren Tatzeugen zur Verfügung. Die Kammer ist aber auf Grund der gegen den Angeklagten sprechenden Indizien von seiner Täterschaft überzeugt.

16

Zentraler Punkt der Überzeugungsbildung war dabei für die Kammer die Augenscheinseinnahme des zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter am 12.06.2004 gegen 8.22 Uhr geführten Telefongesprächs, welches auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Delmenhorst vom 11.06.2004 abgehört und aufgezeichnet wurde, und dass bei der Protokollierung der drei abgehörten Telefonanschlüsse als Gespräch Nr. 23 verzeichnet ist. Neben der Augenscheinseinnahme erfolgte auch die Verlesung des von dem Gespräch erstellten Wortprotokolls, welches mit dem tatsächlich aufgenommenen Gespräch wortgetreu übereinstimmt, wovon sich die Kammer durch die Augenscheinseinnahme ebenfalls überzeugen konnte. Das Gespräch hat in den für die Kammer entscheidenden Gesprächsteilen folgenden Wortlaut:

"... - hallo?

...: Hallo wer ist da?

...!

...: ... hier bin ich

...: Ja hallo

...: ... wo bist du jetzt?

...: räum auf mit ... und ... mit'm Bagger hier vorne

...: Ja!

...: Ja und wie sieht's denn aus?

...: Ja gut - es ist Brandstiftung weiß du nech?

...: Brandstiftung war's?

...: Ja, haben se ermittelt.

...: und und wie geht das jetzt weiter?

...: weiß ich nicht - wir haben gesagt, kann nicht sein - jetzt wollen wir'n Gegengutachten wollen wir.

...: ja

...: dann müssen wir mal gucken, wir müssen jetzt den Zaun ziehen, für den Radweg, damit das alles ...

...: ... hast du auch an den, hast du auch den Einbruch gedacht, den wir vor fünf Wochen hatten?

...: ja sicher

...: musst du sagen, nech

...: Hör mal eben, deinen Schmuck hab ich zu Hause ... hab ich nicht im Safe gelassen.

...: ja gut

...: weil du vollversichert bist - weißt bescheid, der war nicht im Safe.

...: ja alles klar

...: nech

...: ja

...: den hab ich bei mir zu Hause versteckt.

...: Jo

...: ok

...: jo ...

...: ja im Moment so ...

...: ...

...: ja?

...: wie sieht's denn sonst aus, so einigermaßen?

...: wie meinst du das so?

...: ja überhaupt so, was Versicherung und so was anbetrifft

...: ja wir haben ja gestern Gespräche gehabt, Montag morgen wieder und Mittwoch um 14 Uhr noch mal ...

...: sind wir denn gut versichert?

...: ja

...: ja, Betriebsausfall haben wir, ist alles normal da ... es sei denn durch die Ermittlung der Brandstiftung, dass die sich erst mal sperren werden, das weiß ich aber nicht. Gestern abend hab ich um 21 Uhr telefoniert mit einem Herrn

..., der macht das da

...: Wer macht das?

...: Herr ... heißt der, von der Württembergischen von Stuttgart

...: ach so

...: der sagt eben halt, dass die ... das Haus dort wurde informiert. Und an jetzt geht's Montag morgen weiter und ich hab noch keine Ahnung, was dort passiert, weiß ich nicht ... ... Aber eine andere Chance hatte ich nicht mehr

...: Ne ne

...: Wirklich nicht - es ist scheiße anzugucken hier ...

...: ja - schlimm nech Mann oh Mann

...: ich muß da auch mit klarkommen - das ist mein Problem, was ich hab jetzt

...: ja, das ist richtig

...: ich hätte nie gedacht, nie gedacht, dass das so doll noch raufbrennt ... obwohl, ich hab gebetet vorher -

...: ja

...: ... da darf nichts mehr stehen bleiben - und nun ist es tatsächlich so passiert.

Die Schützenhalle ist das einzige, das noch da steht.

...: Mensch ..., wie ist das denn gekommen, überhaupt?

...: Ich weiß es nicht

...: ... das alles so gebrannt hat

...: Ich hab keine Ahnung Mutter, ich weiß es nicht -

...: hm (ja)

...: ich hab wirklich keine Ahnung

...: ..., dann leg ich jetzt auf

...: ja ok

...: nech

...: hör mal zu, will der Bus hier wirklich vor Ort anhalten?

...: nein

...: oder soll ich dich irgendwo abholen? Ich würde das eigentlich nicht wollen dass Du hier aus dem Bus raus den Scheiß siehst.

...: ja

...: hä?

...: Ja reden wir noch drüber nech?

...: ja, das möchte ich nicht - dann sag lieber irgendwo Raststätte was weiß ich hier Wildeshausen, dann komm ich daher, dann holen wir dich da ab

...: ja

...: und nehm den ... auch mit, weil er den Wagen hier hat

...: ja

...: ja?

...: ist gut ...

...: ich möchte nicht, dass du mit dem Bus hierher kommst, das geht nicht ... das wird'n Schock sein - erst mal

...: ja gut

...: Da mach Dir Gedanken drüber nech

...: Ja, dann steigen ... und ich dann woanders aus.

...: Ja dann egal, meinetwegen wir treffen uns im ...ich weiß jetzt nicht, von wo ihr kommt - ihr kommt von Hamburg, nech? Über Grundbergsee vielleicht.

...: Ja, wir kommen von Hamburg

...: ja, Grundbergsee

...: Und wir machen ja da noch 'ne Kaffeepause - von da aus ruf'ich dann an

...: Ja das wäre Grundbergsee - da ist ja die nächste Raststätte

...: ja - ja ist gut

...: das die euch da wo wir damals die Kaffeemaschine geholt haben ... Denn hol ich dich da ab- mit ... oder ... oder was weiß ich wer

...: ja

...: Das hat keinen Zweck, das Du hier das ansiehst, wie gesagt, das möchte ich auch nicht.

...: Ist ... denn auch immer da?

...: Ja ja, zwischen uns ist es so, als wenn nichts gewesen wäre

...: Hä?

...: Zwischen uns ist es so, als ob nichts gewesen wäre

...: ja alles klar.

...: ... darüber brauch ich mir überhaupt keine Gedanken machen.

...: kann ... denn immer weg von seinem Geschäft da?

...: Ja, so weit wie er kann, ja. Er hat 'n Schlüssel für die Schießhalle und er kann rein, er kann raus - so - ganz normal - Besprechungen mit Versicherung macht er mit - das muß er entscheiden, wie er das schafft.

...: ja

...: Also heute und morgen brauch er ja nicht, weil, ich räum hier nur auf, mach wieder zu und dann war's das. Das Telefon ist ab zehn Uhr besetzt. Ich hab hier extra Leitungen gelegt. Also die "973000" geht wieder. Ab 10.00 Uhr ist

... wieder da. Wir machen bis 18.00 Uhr Telefondienst - weil das Buch ja auch weg ist - nech?

...: Ach das Buch ist auch weg?

...: Ja klar

...: Ach du scheiße

...: Da hab ich nicht drüber nachgedacht

...: ja

...: das war für mich eigentlich 'ne Kurzschlusshandlung, - weil ich nicht mehr konnte

...: ne das ist richtig

...: Ich konnte wirklich nicht mehr

...: ja ja

...: Ja aber, wie gesagt, es ist nicht schön anzugucken - wir schnacken noch - nech?

...: ..., ich denk an dich

...: Ja ok

...: mach's gut nech?

...: ja

...: tschüß

...: tschüß"

17

Für die Kammer besteht kein Zweifel daran, dass der Angeklagte in diesem Telefonat mit seiner Mutter darüber spricht, dass er den Landgasthof in Brand gesetzt hat. Der Angeklagte schildert in diesem Gespräch, dass er auf Grund der ermittelten Brandstiftung nicht weiß, wann und ob die Versicherung überhaupt Zahlungen leisten wird. Seine Stimme bringt deutlich zum Ausdruck, dass er sich bezüglich der für Montag angekündigten weiteren Gesprächen Sorgen macht. Nach einer kurzen Sprechpause setzt er dann hinzu: "Aber eine andere Chance hatte ich nicht mehr". Seine Mutter versucht dabei, sichtlich die Fassung zu wahren, obwohl sie ihrer Stimme nach fassungslos auf diesen Hinweis reagiert. Der Angeklagte schildert daraufhin seine eigene Erschütterung und Verzweiflung beim Anblick des brennenden Gebäudes. Er erklärt auch, dass er vorher gebetet hat, dass nichts mehr stehenbleiben darf, er aber auch nie gedacht hätte, dass der Brand ein solches Ausmaß annimmt. Als der Angeklagte im späteren Verlauf des Gesprächs vom Telefondienst spricht, berichtet er davon, dass auch "das Buch" weg ist, worauf die Mutter erschreckt reagiert. Mit dem Buch ist zur Überzeugung der Kammer das Auftragsbuch des Landgasthauses gemeint, da der Angeklagte ihr zu diesem Zeitpunkt versucht zu erläutern, was er bereits in Hinblick auf den Betrieb in die Wege geleitet hat und was aus seiner Sicht jetzt geschehen muss. Dies wird durch das verloren gegangene Auftragsbuch zweifellos erschwert. Weil die Mutter auf das Verbrennen des Buchs erschreckt und verzweifelt reagiert, erklärt der Angeklagte ihr, dass er darüber nicht nachgedacht habe und erklärt: "Das war für mich eigentlich 'ne Kurzschlusshandlung - .... weil ich nicht mehr konnte (...) Ich konnte wirklich nicht mehr". In dieser Phase des Gesprächs erklärte der Angeklagte der Mutter also, dass er die Brandstiftung nicht planmäßig begangen hat, sondern sich auf Grund der finanziell sich zuspitzenden Situation sich nicht mehr anders zu helfen wusste und sich daher spontan dazu entschieden hat. Dass die Kammer den Inhalt des Gesprächs missverstanden hat, schließt sie aus. Insbesondere der Tonfall und die Art und Weise, wie die Mutter auf die Eröffnungen ihres Sohnes reagiert, haben die Kammer davon überzeugt, dass das Gespräch den von ihr interpretierten Inhalt hatte. Die Kammer schließt aus, dass das Gespräch Beztig nimmt auf zuvor geführte Telefongespräche, die noch nicht abgehört wurden, und ohne den Inhalt der bezuggenommenen Gespräche verfälscht interpretiert werden kann. Zunächst nimmt der Angeklagte vor seinen Erklärungen in keiner Weise Bezug auf vorherige Gespräche mit seiner Mutter. Insbesondere aber der Umstand, mit welcher Erschütterung die Mutter auf die Erklärungen reagiert, lassen die Kammer an einer zutreffenden Auslegung des Gesprächs nicht zweifeln. Der Hinweis, eine andere Chance habe er nicht mehr gehabt, kann sich zur Überzeugung der Kammer nicht, wie die Verteidigung meint, darauf bezogen haben, dass er anders, als beim ersten Brand 1986 nichts mehr hat aus den Flammen retten können. Sie unterhielten sich nicht etwa darüber, was alles in den Flammen verloren gegangen ist. Es ging vielmehr darum, dass der Angeklagte nicht wusste, wie die Besprechungen mit der Versicherung wegen der Feststellung, dass es Brandstiftung gewesen sei, weitergehen würden. Auch der Hinweis, "ich konnte wirklich nicht mehr" bezog sich nicht etwa auf die fehlende Möglichkeit, noch in das brennende Gebäude zu gelangen. Es diente ihm nämlich zur Erklärung seiner Kurzschlusshandlung: "das war für mich eigentlich 'ne Kurzschlusshandlung - ... weil ich nicht mehr konnte."

18

Auch das mit seiner Frau am 15.06.2004 gegen 9.34 Uhr geführte Telefonat, welches ebenfalls auf Grund des Beschlusses des Amtsgericht Delmenhorst vom 11.06.2004 abgehört und aufgezeichnet wurde, weist auf seine Täterschaft hin. Neben der Inaugenscheinnahme der Aufzeichnung hat sich die Kammer davon überzeugt, dass der Gesprächsabschnitt von dem ein Wortprotokoll erstellt wurde, mit der Aufzeichnung übereinstimmt. Das Gespräch hatte danach folgenden Inhalt:

"...: Auch die Auswertung der Kameras hat nichts gebracht und es ist jetzt nicht so, dass wir sie damit meinen. Ich hab gesagt, ich fühl mich aber so.

...: Ja

...: Er sagt, dass kann ich nachvollziehen, das ist auch wirklich schlimm, wie geht's denn ihrer Mutter? Ich sag, die kommt heute. Dann haben sie's ja heut noch schwer. Also meine Vernehmung kommt erst nächste Woche. Also die wollen mich da auch jetzt nicht gleich wieder überfallen.

...: hm hm (zustimmend)

...: Du musst nur ruhig bleiben.

...: hm hm (zustimmend)

...: wir müssen alle ruhig bleiben

...: ja, weiß ich

...: viel reden am Telefon können wir darüber auch nicht

...: Ne, weiß ich

...: Einfach nur ruhig bleiben

...: Ja. Ich bin jetzt auch fertig und komm jetzt so her."

19

Wenn sich der Angeklagte zum Zeitpunkt des Telefonats auch im provisorischen Büro an der Brandstelle befunden hat und nicht alleine war, so ergibt sich für die Kammer doch eindeutig aus diesem Gespräch, dass die Eheleute ... davon ausgehen, am Telefon nicht über alle Umstände sprechen zu können, die sie kennen. Es ging dem Angeklagten erkennbar nicht darum, private Dinge nicht vor etwaigen Ohrenzeugen auszusprechen; es ging vielmehr zur Überzeugung der Kammer darum, insbesondere am Telefon über bestimmte Inhalte nicht zu sprechen. Da er unmittelbar davor seiner Frau berichtet hat, dass seine Vernehmung für die nächste Woche durch den Zeugen ... avisiert worden war, kann es dabei nur um die Brandverursachung durch ihn gegangen sein. Des Weiteren appelliert er mehrfach an seine Frau, ruhig zu bleiben. Diese erklärt ihm gegenüber, dass ihr bewusst ist, dass alle ruhig bleiben müssen und dass sie am Telefon darüber auch nicht reden können. Aus der Gesprächsmelodie ist für die Kammer deutlich erkennbar, dass sich die Zeugin ... auf Grund ihrer Kenntnisse erhebliche Sorgen bzgl. des weiteren Ablaufes macht. Dass es allein darum ging, wie die Verteidigung meint, nicht vor den an der Brandstelle anwesenden weiteren Personen über die Problematik zu sprechen, schließt die Kammer daher aus.

20

Das der Angeklagte sich seiner Mutter gegenüber in dem Gespräch Nr. 23 vom 12.06.2004 nicht zu Unrecht mit der Tat belastet hat, ergibt sich für die Kammer aus dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme.

21

Der Angeklagte hatte die Gelegenheit dazu, den Brand zu legen. Die Zeugen ... und ... haben zeitlich übereinstimmend ihr Verlassen des Landgasthofs in der Zeit zwischen 23.00 Uhr und 23:05 Uhr angegeben. ... bestätigte, dass der Angeklagte mit seiner Frau die Räumlichkeiten in Empfang nahm und er den Angeklagten gegen 22.45 Uhr in den Räumlichkeiten der ComMedia zuletzt gesehen hatte. Der nächste Zeuge, der mit Ausnahme seiner Ehefrau den Angeklagten in dieser Nacht gesehen hat, war der Zeuge ..., der, nachdem er am Brandort war, sich zum Haus der Familie ... begab, um diese von dem Brandvorfall zu unterrichten. Nach seiner Erinnerung traf er dort zwischen 0.20 Uhr und 0.40 Uhr ein. Zur Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte für die Zwischenzeit kein tragfähiges Alibi. Zwischen dem ComMedia und dem Gasthof Zur Pultern, aber auch zwischen seiner Wohnung und dem Landgasthaus liegen lediglich Entfernungen, die mit dem Auto in wenigen Minuten zu überbrücken sind. Auf Grund der Übernahme des Schlüssels für das ComMedia durch seine Ehefrau wusste er, dass auch der Landgasthof Zur Pultern nach den restlichen Aufräumarbeiten durch die Zeugen ... und ... kurz nach 23.00 Uhr leer stehen würde, denn ihm war natürlich bekannt, dass sich seine Mutter, die als einzige die oberen Räumlichkeiten in dem Gebäude bewohnte, zu dieser Zeit sich im Urlaub in Norwegen befand. Der Zeuge ... hat eindringlich geschildert, wie gewissenhaft er nach einem festen System sämtliche Räume des Landgasthofs vor dem Verlassen daraufhin kontrolliert, ob alle Türen und Fenster geschlossen sind, überall Licht aus ist und dass sich keiner mehr im Gebäude befindet, bevor er das Haus verlässt und die zum Hof führende Ausgangstür, für die er einen Schlüssel besitzt, abschließt. Auf Grund der langjährigen gemeinsamen Arbeit ist die Kammer sich sicher, dass dem Angeklagten die gewissenhafte Vorgehensweise bei der Kontrolle des Hauses durch den Zeugen ... gut bekannt war. Dem Zeugen ... gegenüber hat der Angeklagte die Tat abgestritten und angegeben, nach der Übernahme des ComMedia mit seiner Frau gemeinsam nach Hause gefahren zu sein, wo er sich bis zum Eintreffen des Zeugen ... befunden haben will. Ebenso hat der Angeklagte dem Zeugen ... gegenüber am 15.06.2004 am Telefon mitgeteilt, er sei bis kurz vor 23.00 Uhr in der ComMedia gewesen und sei danach gemeinsam mit seiner Frau gegen 23.00 Uhr zu Hause eingetroffen. Diese Aussage hat die Zeugin ... in der Hauptverhandlung bestätigt. Ihre Angaben waren inhaltlich auch nicht unstimmig. Die Kammer glaubt der Zeugin indes nicht. Sie war erkennbar bemüht, ihren Ehemann in der Hauptverhandlung zu entlasten. Insbesondere glaubt die Kammer aber dem Geständnis des Angeklagten gegenüber seiner Mutter mehr als der Zeugin .... Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum der Angeklagte sich seiner Mutter gegenüber in dem Gespräch Nr. 23 selbst zu Unrecht belastet haben sollte. Dagegen gibt es für die Abgabe eines falschen Alibis durch die Zeugin ... genügend Gründe. Die Kammer ist auch aufgrund des bereits wiedergegebenen und in Augenschein genommenen Telefonats vom 15.06.2004 davon überzeugt, dass die Zeugin von der Täterschaft des Angeklagten weiß. Vor dem Hintergrund des Geständnisses des Angeklagten, das er gegenüber seiner Mutter am Telefon gemacht hat, erscheint die Zeugin ... nach alledem daher der Kammer als nicht glaubwürdig. Der Angeklagte hatte daher zwischen 23.05 Uhr und 23.45 Uhr hinreichend Zeit, das Gebäude in Brand zu setzen.

22

Auch das von ihm in dem Telefonat mit seiner Mutter angegebene Motiv hat sich durch die Beweisaufnahme bestätigt gefunden. Der Angeklagte hat ihr gegenüber nämlich erklärt, dass er eine andere Chance nicht mehr hatte, dass es zu der Kurzschlusshandlung kam, weil er nicht mehr konnte. Die Kammer hat dies dahingehend verstanden, dass der Angeklagte die wirtschaftliche Situation als derart bedrückend empfand, dass er zu diesem Zeitpunkt keinen anderen Ausweg mehr wusste, als durch die Brandstiftung an Versicherungsleistungen zu kommen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Familienbetrieb zwar noch nicht zahlungsunfähig. Die wirtschaftliche Situation spitzte sich aber dramatisch zu. Der Angeklagte war nicht bloß Angestellter seiner Mutter. Der Betrieb wurde von der gesamten Familie ... als Familienbetrieb gesehen. Der Angeklagte war von der wirtschaftlichen Entwicklung des Landgasthofes unmittelbar selbst betroffen. Die Zeugin ... ist im Bereich der Steuer- und Lohnbuchhaltung für ... seit den 80iger Jahren tätig. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde Frau ... durch ihre Söhne, also durch den Angeklagten und ... unterstützt. Wenn diese auch der Zeugin ... gegenüber als Seniorchefin galt, beschränkte sich die Beteiligung der Söhne nicht auf bloße Mitarbeit. Sie waren an finanziellen Entscheidungen nicht bloß beteiligt, sondern hatten auch insoweit Entscheidungsbefugnis, wie sich insbesondere aus den glaubhaften Angaben des Zeugen ... ergab, der die Familie ... seit Anfang der 90iger Jahre als Versicherungsagent betreut. Für die Ausgestaltung der Versicherungen für den Landgasthof waren zunächst insbesondere der Angeklagte und ..., nach dem Ausscheiden von ... Ende der 90iger Jahre war insbesondere der Angeklagte dessen Ansprechpartner. Auch im Hinblick auf die im April 2006 erfolgte Neuordnung der Versicherungsverträge war nicht etwa ... sondern der Angeklagte der Ansprechpartner für den Zeugen ... Auch der Zeuge ..., der als Vollstreckungsbeamter die Vollstreckungsaufträge für Steuerrückstände im Hinblick auf den Landgasthof zu bearbeiten hatte, wandte sich für Teilzahlungen und ähnliches an den Angeklagten. Die Zeugin ... schilderte weiterhin glaubhaft von den durch den Angeklagten wahrgenommenen Aufgabenbereichen, etwa das Bestellen von Getränken oder die Organisation von Veranstaltungen, wonach er von der Mutter unabhängig auch finanzielle Entscheidungen traf, so dass sie insgesamt das Bild eines "Juniorchefs" beschrieb. Wie der Zeuge ... erläuterte, der für die Polizei die Finanzermittlungen leitete, war der Angeklagte auch als Nacherbe seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters in das Grundbuch für den Landgasthof eingetragen.

23

Die insbesondere mit der Anpachtung des Hotels "An der Riede" in Zusammenhang stehenden beginnenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben die Zeugen ... und ... ausführlich und nachvollziehbar geschildert. Nach dem für die Kammer überzeugenden Eindruck der Zeugin ... erbrachte das Hotel auch nicht den erwarteten Umsatz bis zur Beendigung des Betriebes im Jahre 1999. Die Zeugin ... schilderte nach anfänglichen Zögern zudem, wie sich die finanzielle Situation ab 2002 zunehmend verschlechterte. Eindringlich schilderte sie, dass man 2003, nach dem man sich mit den Lieferanten auf eine Zurückstellung der Ausstände einigen und versprechen musste, neue Bestellungen sofort zu begleichen, von der Hand in den Mund lebte. Diese Schilderung wird durch die Ermittlungen des Zeugen ... gestützt, der bei seinen Finanzermittlungen keinerlei finanzielle Rücklagen feststellen konnte. Das Geschäftskonto war über einen längeren Zeitraum bis zum Limit des eingeräumten Überziehungskredites belastet. Auch spricht der Umstand, dass im Vollstreckungsregister des Amtsgerichts Delmenhorst 159 Vollstreckungsanträge bezüglich ... für den Zeitraum 2000 bis 2004 verzeichnet sind, für eine über längere Zeit andauernde angespannte finanzielle Situation im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Landgasthauses. Die ständig äußerst schwierige finanzielle Situation zeigt sich auch in dem Umstand, dass etwa die Prämien für die Gebäudeversicherung seit Versicherungsbeginn derart unzureichend gezahlt wurden, das nahezu während der gesamten Vertragslaufzeit für die Versicherung Leistungsfreiheit bestand. Nach Angaben des Zeugen ... ist die Gebäudeversicherung am 17.06.1999 abgeschlossen worden. Leistungsfreiheit bestand nach seinen Angaben vom 29.09.1999 bis zum 12.03.2003 und vom 27.07.2003 bis zum 14.04.2004. Zwar schien sich die Lage 2004 zu bessern, wie der Zeuge ... und der Zeuge ... der ebenfalls für die Familie ... arbeitete, berichten konnten. Insbesondere für die zweite Jahreshälfte waren durchaus bereits zahlreiche Veranstaltungen, wie Hochzeiten vorgebucht, was auch die Zeugin ... bestätigte. Auch dem Zeugen ... gegenüber konnte der Angeklagte anlässlich der Neuordnung der Versicherungsverträge gegenüber vermitteln, dass man für die nähere Zukunft zuversichtlich sei. Ebenso war es dem Angeklagten bisher gelungen, nach vorherigen Vereinbarungen mit dem Vollstreckungsbeamten, dem Zeugen ..., Steuerrückstände, die seit 2002 nahezu ausnahmslos über den Zeugen ... eingetrieben wurden, durch vereinbarte Teilzahlungen zurückzuführen.

24

So konnten sämtliche Steuerschulden zum Ende des Jahres 2003 auch ausgeglichen werden. Tatsächlich spitzte sich die finanzielle Situation in der ersten Hälfte des Jahres 2004 aber weiter zu. Die Familie ... war zwar noch in der Lage, die durch den Zeugen ... am 26.04.2004 erfolgten Reparaturarbeiten an dem Reetdach zwischen Haupthaus und Scheune, die eine Rechnungssumme von 2 950,00 € nach sich zogen, innerhalb einer Woche zu bezahlen; der Angeklagte beauftragte bei dem Zeugen ... zudem die Reparatur des Daches des Haupthauses, die zwischen dem 28.04.2004 bis zum 12.05.2004 erfolgte unter Vereinbarung einer Ratenzahlung, deren Zahlungstermine er auch bis zum Brand einhalten konnte. Der Zeuge ... berichtete bei seiner Zeugenvernehmung am 19.07.2004 indes davon, dass er mehrfach sich zum Landgasthaus Zur Pultern begeben hat, um dort den Angeklagten aufzusuchen, als nach dem 24.05.2004 keine Zahlungen mehr eingingen, um ihm zur Zahlung der Rückstände aufzufordern. Denn wegen der regelmäßig neu entstehenden Rückstände bei den Vorauszahlungen für den Betrieb hatten sich der Zeuge ... und der Angeklagte auf wöchentliche Teilzahlungen geeinigt. Auch berichtete der Zeuge ... davon, dass am 24.05.2004 anstelle der zugesagten 10 000,00 € der Angeklagte ihm lediglich 5 000,00 € zahlte. Auf Grund seines Eindruckes, dass das Geschäft im Mai nicht so gut gelaufen war, wie von dem Angeklagten erwartet, habe er ihn darauf hingewiesen, dass er, wenn die Umsätze des Geschäftes eine höhere Ratenzahlung nicht mehr zuließen, ggf. gezwungen werde, ein insolvenzverfahren zu beantragen. Der Zeuge ..., der sich an diesen konkreten Vorgang in der Hauptverhandlung nicht mehr zu erinnern vermochte, sondern lediglich an die äußeren Umstände der Stockung der Ratenzahlungen Erinnerung hatte, hatte keinerlei Zweifel, dass seine ihm vorgehaltenen damaligen gegenüber den ermittelnden Beamten gemachten Angaben ordnungsgemäß protokolliert wurden. Auch die Kammer hat diesbezüglich keinerlei Zweifel. An seinen Eindruck, dass ein Insolvenzverfahren für den Angeklagten überhaupt nicht in Frage kam und er diesen auf jeden Fall vermeiden wollte, konnte er sich indes noch erinnern. Auch die Zeugin ... bestätigte in ihrer Aussage, dass die Maifeiertage nicht so einträglich waren wie erhofft. Insbesondere aber die Krankenkassen ließen sich anders, als etwa die Lieferanten in Hinblick auf die ausstehenden Beitragsforderungen für die versicherten Angestellten nicht auf Zahlungsaufschübe ein. Wie der Zeuge ... für die AOK und die Zeugin ... für die HKK glaubhaft darlegten, kam es daher regelmäßig nach Mahnungen zu Vollstreckungsaufträgen, die dann entweder durch Bareinzahlungen abgewendet oder weiter verfolgt wurden. Soweit es indes nicht zur Ablösung der Rückstände kam, erhielt etwa die Zeugin ... am 08.12.2003 eine Unpfändbarkeitsmitteilung durch den Gerichtsvollzieher, der die Zwangsvollstreckung mit der Begründung ablehnte, das amtsbekannt Unpfändbarkeit vorliege. Die Zeugin ... setzte Frau ... daraufhin mit Schreiben vom 12.01.2004 im Hinblick auf den bestehenden Rückstand von 4 301,56 € eine Frist zur Zahlung bis zum 26.01.2004 und stellte ansonsten die Stellung eines Insolvenzantrages in Aussicht. Auf Grund einer telefonischen Vereinbarung zahlte dann Frau ... einen Teilbetrag von 2 150,00 € und stellte die Restzahlung bis zum 06.02.2004 in Aussicht. Da eine weitere Zahlung nicht erfolgte und weitere Rückstände aufliefen, erteilte die Zeugin ... erneut Vollstreckungsauftrag. Nachdem sie wiederum die Unpfändbarkeit bescheinigt erhielt, kündigte sie die Stellung eines Insolvenzantrages für den 28.05.2004 an, soweit nicht die am 18.05.2004 bestehende Forderung von 6 039,28 € bezahlt würde. Am 26.05.2004 rief Frau ... die Zeugin ... an und erklärte, ein Beitrag in Höhe von 1 200,00 bis 1 400,00 € solle am 01.06.2004 gezahlt werden. Im Hinblick auf den Rest konnte Frau ... keine Rückzahlungsoption geben. Für den Gesamtrückstand wurde nach Ablehnung des Vorschlages von Frau ... eine Fristverlängerung bis zum 04.06.2006 gewährt. Noch am 26.05.2005 erreichte die Zeugin ... ein Fax von dem Angeklagten und Frau ... gemeinsam unterzeichnet, indem sie die Zahlung des Gesamtrückstandes von dann 7 322,36 € für den 08.07.2004 in Aussicht stellten. Mit Schreiben vom 01.06.2004 wurde die beantragte Fristverlängerung abgelehnt. Der Angeklagte korrigierte mit Fax vom 01.06.2004 die beantragte Frist, gemeint sei der 08.06.2004. Mit Fax vom 02.06.2004 erklärte sich die Zeugin ... mit einer letzten Frist vor Insolvenzantragstellung bis zum 08.06.2004 einverstanden. Daneben hatte für die AOK, wie der Zeuge ... berichtete, der damalige Mitarbeiter am 01.06.2004 mündlich wegen der aufgelaufenen Rückstände von seinerzeit unter 3 500,00 € die Stellung eines Insolvenzantrages angekündigt, falls es nicht zum Ausgleich der Forderung kommen sollte.

25

Seine Äußerung seiner Mutter gegenüber, dass er anders nicht mehr konnte, bezieht die Kammer daher auf den Umstand, dass die konkreten Fristabläufe der Krankenkassen unter Androhung der Stellung eines Insolvenzantrages bei dem Angeklagten zu dem Eindruck geführt hatten, keinen Ausweg mehr zu haben, da Insolvenz für ihn nicht in Betracht kam. Die sich ihm darstellende finanzielle Situation war objektiv nicht aussichtslos, spitzte sich aber derart zu, dass sie bei ihm eine Kurzschlusshandlung hervorrufen konnte. Die Frage einer tatsächlichen Überschuldung war dabei uninteressant. Es ging um die Fortsetzung des Betriebs und nicht um dessen Abwicklung. Die angedrohten Insolvenzanträge brachten dies aus seiner Sicht in Gefahr. Es war zumindest auch sein Betrieb. Vor diesem Hintergrund war die Gelegenheit günstig, da seine Mutter sich im Urlaub befand und auf Grund der Initiative des Zeugen ... seit dem 22.04.2004 wieder voller Versicherungsschutz bestand.

26

Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich der Angeklagte spontan zu der Tat entschied. Andernfalls wäre nicht auf seine Initiative hin die Versicherungssumme verringert worden. Auch hätte er sonst von der Familie als besonders wertvoll angesehene private Andenken vor der Tat in Sicherheit bringen können, wie es etwa mit privaten Fotografien nicht geschehen ist, die erst aus der Brandruine unter erheblicher Gefahr geborgen wurden.

27

Für die Täterschaft einer anderen Person boten zur Überzeugung der Kammer die Ermittlungsergebnisse darüber hinaus keinerlei Ansätze. Der Zeuge ... hat überzeugend darlegen können, dass er das gesamte Objekt vor dem Verlassen sehr gewissenhaft noch einmal kontrolliert hat. Sämtliche Fenster und Türen des Objektes waren danach verschlossen. Der Zeuge ..., der als einer der ersten am Brandort eintraf, hatte noch gegen Fenster und Türen geklopft, um in dem zur Scheune liegenden Gebäudeteil, der zu dieser Zeit noch nicht brannte, nach etwaigen noch in dem Haus befindlichen Personen zu suchen. Hierbei wäre ihm sicherlich aufgefallen, wenn sich in diesem Bereich Aufbruchspuren an Fenstern oder Türen befunden hätten. Auch die Zeugen ... und ..., die als Polizeibeamten als erstes am Brandort eintrafen, haben keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen feststellen können. Wie der Zeuge ... berichtete, war am nächsten Tag an der Brandruine ebenfalls kein Hinweis darauf zu finden, dass ein gewaltsames Eindringen in das Gebäude stattgefunden hat. Auch die später geborgenen Tresore wiesen keinerlei Aufbruchspuren auf. Darüber hinaus, hat der Zeuge ... davon berichtet, dass auch anderen möglichen Tathergängen nachgegangen wurde. Erfolg versprechende Spuren sind indes nicht ermittelt worden. Insbesondere wiesen andere Brände im zeitlichen und örtlichen Umfeld keine derartigen Übereinstimmungen auf, die auf einen nicht zu dem jeweiligen Objekt gehörenden Serientäter hingedeutet hätten. Die Kammer hat sich darüber hinaus mittels einer durch den Zeugen ... auf Bitten der Kammer veranlassten Aufstellung von polizeilich bekannt gewordenen Brandfällen aus dem Jahr 2004 in Delmenhorst und den Nachbargemeinden, die in der Hauptverhandlung erörtert wurde, versichert, dass auch mit dem jetzigen zeitlichen Abstand im Hinblick auf größere in Brand gesetzte Gebäude keine Ansatzpunkte bestehen, die eine Beweisaufnahme in diese Richtung rechtfertigen.

28

Soweit die Zeugen ..., und ... die glaubhafte Erschütterung des Angeklagten beim Anblick des brennenden Gebäudes beschrieben, die auch auf dem in Augenschein genommenen Film der "Nonstop-News" sich deutlich widerspiegelt, hat der Angeklagte seiner Mutter gegenüber im Gespräch Nr. 23 auch hierzu einer nachvollziehbare Erklärung geliefert. Nach seiner Erklärung handelte es sich um eine spontane Tat, eher einer Kurzschlussreaktion. Er erklärte seiner Mutter in dem Telefonat auch, wie furchtbar es für ihn war, den Brand mit anschauen zu müssen. Er sah in diesem Moment seinen Lebensinhalt in Flammen aufgehen. Die Bestürzung, die sich in seinem Gesicht abbildete, war zur Überzeugung der Kammer nicht auf den Umstand des Brandes an sich bezogen, sondern bezog sich auf die Konfrontation mit den Konsequenzen seiner eigenen Tat.

29

Dem Antrag der Verteidigung, ein psychologisch-psychiatrisches Gutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass bei dem Angeklagten eine affektiv bedingte Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB zum Zeitpunkt der Brandlegung nicht auszuschließen ist, war nicht nachzukommen. Der Antrag wurde ausdrücklich für den Fall gestellt, dass die Kammer von einer Handlung des Angeklagten im Affekt ausgeht. Dies ist aber nicht der Fall. Die Kammer ist lediglich zu dem Schluss gelangt, dass die Tat nicht von langer Hand geplant war, sondern dass vielmehr der Angeklagte sich auf Grund der sich zuspitzenden finanziellen Situation zu der Durchführung der Tat spontan entschlossen hat. Im Rahmen dieses Spontanentschlusses hat er gleichwohl überlegt gehandelt, wie sich aus seinen Schilderungen seiner Mutter gegenüber in dem in Augenschein genommenen Telefonat Nr. 23 vom 12.06.2004 ergibt. Danach war die Tat zwar für ihn eine Kurzschlussreaktion. Diesen Begriff wählte er, wie sich aus dem Zusammenhang erkennen läßt, aber lediglich, um seiner Mutter deutlich zu machen, warum er nicht vor der Tat daran gedacht hatte, das Auftragsbuch in Sicherheit zu bringen. Er rechtfertigte sich aber gegenüber seiner Mutter nicht etwa damit, nicht gewusst zu haben, was er tat, sondern keine andere Chance gehabt zu haben.

30

Die Zeugin ... hat eindringlich geschildert, wie ... auf das in Augenschein genommene Telefonat reagiert hat. Aus ihrer Sicht brach Frau ... regelrecht zusammen. Sie sei den ganzen Tag nicht zu beruhigen gewesen. Diese starke Erschütterung schließt für die Kammer aus, dass sie an der Tat des Angeklagten beteiligt war.

31

Wie die Zeugen ... und ... dargelegt haben, hat der Angeklagte gemeinsam mit seiner Mutter den Schaden bei der Versicherung gemeldet. Es ging ihm darum, so schnell wie möglich eine Auszahlung der Versicherung zu erreichen. Da der Verdacht sich binnen weniger Tagen auf den Angeklagten konzentrierte, kam es indes nicht zur Auszahlung. Der Zeuge ... hat dargelegt, dass im Hinblick auf die im Grundbuch gesicherten Gläubiger eine Auszahlung wird erfolgen müssen. Inwieweit ein Schaden verbleibt, hängt von dem Erlös aus der Verwertung des Grundstücks im Rahmen des Insolvenzverfahrens ab. Gemäß § 18 der VFS 2003 (Versicherungsbedingungen) muss sich die Versicherungsnehmerin, also ..., ein Verhalten des Angeklagten als ihrem Repräsentanten im Bereich der gewerblichen Versicherungen zurechnen lassen. Nach den Darlegungen der Zeugen ..., und insbesondere ..., war der Angeklagte nicht lediglich bei seiner Mutter angestellt. Er hatte auch in finanzieller Hinsicht und im Hinblick auf den Abschluss von Verträgen Handlungsvollmachten. Das Landgasthaus wurde als Familienbetrieb gemeinsam geführt. Es war auch der Angeklagte, der mit dem Zeugen ... über die Neuordnung der Versicherungsverträge verhandelte und den entsprechenden Vertrag dann auch schloss. Der Angeklagte ist mindestens in gleicher Weise mit dem Versicherungsgegenstand in Kontakt getreten, wie seine Mutter. Er hat faktisch für seine Mutter die Gestaltung der Versicherungsverträge aber auch die Korrespondenz mit der Versicherung übernommen.

32

IV.

Der Angeklagte hat sich somit wegen besonders schwerer Brandstiftung gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB sowie wegen versuchten Betruges gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 StGB in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht.

33

Aufgrund der von seiner Mutter als Wohnung genutzten Räume im Obergeschoss des Landgasthauses handelte es sich bei dem in Brandt gesetzten Objekt um ein der Wohnung von Menschen dienendes Gebäude i.S.d. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Es ist dabei unerheblich, dass nur ein Teil des Gebäudes zum wohnen genutzt wurde.

34

Auch ist es für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit unerheblich, dass das Gebäude zum Zeitpunkt der Inbrandsetzung tatsächlich menschenleer war, da durch die Urlaubsabwesenheit der einzigen Bewohnerin die Widmung der Räumlichkeiten als Wohnraum nicht aufgegeben war. Die Inbrandsetzung erfolgte weiterhin mit dem einzigen Ziel, einen daran anschließenden Betrug der Versicherung zu ermöglichen, weshalb auch der Tatbestand des § 306b Abs. 2 Satz 2 StGB erfüllt ist. Denn für die Bejahung des Tatbestandes genügt es, wenn der Täter bei der Brandstiftung die Absicht hat, zu einem späteren Zeitpunkt einen Betrug zum Nachteil der Brandversicherung zu begehen ( BGHSt 45, 211, NJW 2000, 197, NJW 2000, 3581 [BGH 09.08.2000 - 3 StR 139/00]). Bei dem versuchten Betrug handelt es sich um einen besonders schweren Fall, da das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB vorliegt, ohne dass Umstände gegeben wären, die ausnahmsweise die Annahme eines besonders schweren Falles nicht rechtfertigen könnten. Bei den Taten handelt es sich zwar um eine Tat im prozessualen Sinne, es liegt aber Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB vor.

35

V.

Bei der Strafzumessung ist die Kammer im Hinblick auf die besonders schwere Brandstiftung zunächst vom Strafrahmen des § 306b Abs. 2 StGB, also von fünf bis 15 Jahren ausgegangen. Bei der Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer insbesondere zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war und die Tat nunmehr über zwei Jahre zurückliegt, ohne dass er danach strafrechtlich wieder in Erscheinung getreten wäre. Darüber hinaus hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er sich auf Grund der finanziell schwierigen Situation spontan zu der Tat hinreißen lassen hat. Weiterhin war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er, soweit es überhaupt bei einem Objekt dieser Größe möglich ist, zuvor ausgeschlossen hat, dass sich noch Bewohner in dem Gebäude befanden. Zu seinen Lasten musste sich auswirken, dass es sich bei dem Landgasthaus um ein äußerst großes Objekt handelte, bei dem Rettungskräfte grundsätzlich eine erhebliche Gefährdung vergegenwärtigen. Des Weiteren war zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass im Hinblick auf die zunächst durch die Versicherung auszugleichenden Grundpfandgläubiger es zu einer erheblichen Vermögensgefährdung gekommen ist, da es für die Kompensation darauf ankommt, wie das Grundstück verwertet werden kann.

36

Neben diesen Umständen hatte die Kammer im besonderen Maße zu berücksichtigen, dass es nach Anklageerhebung zu einer Verfahrensverzögerung gekommen ist, die der Angeklagte nicht zu vertreten hat und die ihn in seinen Rechten, wie sie in Artikel 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verbrieft sind, verletzt. Die Anklage vom 27.09.2004 ging beim Landgericht Oldenburg bereits am 05.10.2004 ein. Weitere Ermittlungsnotwendigkeiten bestanden seit dem nicht. Mit dem Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 24.05.2006 ist das Verfahren mit dem Ermittlungsstand eröffnet worden, der bereits bei Einreichung der Anklage vorhanden war. Der Umfang des Aktenmaterials war nicht dergestalt, dass es den Zeitablauf zwischen Eingang der Anklage und der Eröffnung des Hauptverfahrens hätte rechtfertigen können. Ebenso rechtfertigte die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands diesen Zeitablauf nicht. Demgegenüber war der Angeklagte durch die über eineinhalb jährige Dauer des schwebenden Verfahrens im Vergleich zu anderen Tätern in besonderer Weise belastet. Das Brandereignis war von besonderem öffentlichen Interesse, das in der Presse, aber auch in Rundfunk und Lokalfernsehen Aufmerksamkeit erhielt. Es handelt sich bei dem Landgasthaus um ein in der Kleinstadt Delmenhorst allen bekanntes Objekt. Die Familie des Angeklagten und insbesondere der Angeklagte selbst war Gegenstand andauernder Spekulationen, die aufgrund des auch überörtlichen Bekanntheitsgrades der Familie ... nicht nur im Stadtgebiet thematisiert wurden. Vor der Tat war der Angeklagte in vollem Umfang in der Gesellschaft akzeptiert. Er litt daher unter dem laufenden Verfahren deutlich eindringlicher, als am Rande der Gesellschaft lebende oder mit Strafprozessen erfahrene Beschuldigte, für die sich eine Verzögerung des Verfahrens oftmals als Vorteil darstellt. Nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft hatte der Angeklagte nicht die Möglichkeit, sein Leben und insbesondere das seiner Familie vor den negativen Auswirkungen des schwebenden Verfahrens durch die Öffentlichkeit zu schützen. Er sah sich gezwungen, umzuziehen und seine beiden Söhne auf andere Schulen zu schicken, da diese immer wieder auf die Ereignisse mit negativer Tendenz angesprochen wurden. Auch bestand für den Angeklagten vor Abschluss des Verfahrens nicht die Möglichkeit, sein Leben neu zu ordnen und auszurichten. Er konnte mit Aussicht auf Erfolg sich vor Klärung des gegen ihn erhobenen Vorwurfes nicht um eine andere Arbeitsstelle bemühen. Insbesondere durch den Umstand der mehr als ein Jahr späteren Verurteilung als notwendig ist der mit Ausnahme der hier abzuurteilenden Taten gesellschaftlich integriert gewesene Angeklagte daran gehindert, möglichst frühzeitig an seine Reintegration zu arbeiten und für sich und seine Familie eine tragfähige Zukunft zu schaffen. Vielmehr war der Angeklagte gezwungen, den Ausgang des von ihm nicht behinderten Verfahrens abzuwarten, bis er sich nach Vollstreckung der gegen ihn zu verhängenden Strafe um die Schaffung neuer Perspektiven kümmern kann. Insbesondere dieser Angeklagte hat unter der eingetretenen Verfahrensverzögerung in besonderem Umfang gelitten.

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Die Berücksichtigung dieses Verstoßes in dem von der Verfassung gebotenen Umfang kann zur Überzeugung der Kammer innerhalb des Strafrahmens des § 306b Abs. 2 StGB in diesem Fall nicht hinreichend erfolgen. Dem liegen folgende Erwägungen der Kammer zugrunde. Neben den bisher genannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen ist bei der Strafzumessung in diesem Fall insbesondere zu berücksichtigen, dass die Tat des Angeklagten von denjenigen Fällen, die von § 306b Abs. 2 StGB erfasst werden sollen, dergestalt abweicht, dass trotz der strafschärfend zu berücksichtigenden Umstände ohne Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer durch die Kammer lediglich die Mindeststrafe von fünf Jahren verhängt worden wäre. Voraussetzung zur Annahme des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist, dass es sich bei dem in Brand gesetzten Objekt um einen Fall des § 306a StGB handelt. Allein der Umstand, dass die oben gelegenen Räumlichkeiten durch die Mutter des Angeklagten als Wohnung genutzt wurden, führt hier zur Bejahung des Tatbestandes des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Die Mutter des Angeklagten befand sich zum Zeitpunkt der Tat, wie dem Angeklagten bewusst war, und was er zur Überzeugung der Kammer auch bewusst ausgenutzt hat, im Ausland. Dies ändert zwar nichts an dem Umstand, dass es sich bei dem Landgasthof um ein Gebäude gehandelt hat, dass der Wohnung von Menschen dient, da seine Mutter die Wohnung vor Inbrandsetzung nicht aufgegeben hat. Aus Sicht des Angeklagten handelt es sich jedoch um einen geschlossenen Gasthof. Die durch seine Tat nach seiner Vorstellung ausgehende Gefährdung entsprach daher der Inbrandsetzung einer Räumlichkeit die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, die zwar gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB auch taugliches Tatobjekt des § 306b StGB sein kann; allerdings nur, wenn die Inbrandsetzung zu einer Zeit erfolgt, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen. Dies gerade hat der Angeklagte bewusst vermieden. Wenn diese Überlegungen auch nicht zur Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 306a Abs. 1 StGB führen konnten, wäre ohne Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer die Kammer indes zu der Überzeugung gelangt, dass für diese Tat unter Rücksicht auf den durch § 306b Abs. 2 StGB vorgegebenen Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren tat- und schuldangemessen gewesen wäre. Da deshalb der vorgegebene Strafrahmen des § 306b Abs. 2 StGB eine angemessene Kompensation der überlangen Verfahrensdauer, wie die Verfassung es gebietet, in diesem Fall nicht ermöglicht, war durch die Kammer ein anderer Strafrahmen der Beurteilung der Tat zugrunde zu legen. § 306b StGB sieht einen milderen Strafrahmen, etwa für minder schwere Fälle oder ähnliches nicht vor. Die verfassungsrechtlich gebotene Kompensation stellt zur Überzeugung der Kammer indes einen ungeschriebenen gesetzlichen Milderungsgrund dar, weshalb die Kammer für die vorzunehmende Strafzumessung die Regelung des § 49 Abs. 1 StGB zur Anwendung gebracht hat. Danach ist die Kammer zur Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer von einem Strafrahmen von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten ausgegangen. Unter Berücksichtigung der oben näher dargelegten Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, die ohne die vorzunehmende Kompensation zur Verhängung einer Einzelstrafe von fünf Jahren geführt hätte, hielt die Kammer zur Kompensation der Verfahrensverzögerung es für notwendig die Einzelstrafe für die besonders schwere Brandstiftung auf drei Jahre und zehn Monate zu reduzieren.

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Im Hinblick auf den versuchten Betrug war zunächst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass es sich um einen besonders schweren Fall im Sinne des § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB gehandelt hat. Dieser sieht einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Die Kammer hat indes von der durch § 23 Abs. 2 StGB eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und ist bei der Strafzumessung daher von einem Strafrahmen von einem Monat bis sieben Jahre sechs Monate ausgegangen. Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, dass nach dem spontanen Entschluss der Brandlegung die Umsetzung der Täuschung gegenüber der Versicherung für den durch die Situation überforderten Angeklagten nicht mehr aufgehalten werden konnte. Er war dabei insbesondere durch die Sorge über die finanzielle Zukunft des Familienunternehmens getrieben. Zu seinen Lasten musste sich auswirken, dass der angestrebte Vermögensvorteil nahezu 3 Mio. Euro betrug. Auch bei dem versuchten Betrug war zu berücksichtigen, dass es zu einer Artikel 6 Abs. 1 S. 1 EMRK verletzenden Verfahrensverzögerung gekommen ist. Im Falle des versuchten Betruges hat die Kammer dies wie folgt berücksichtigt. Ohne die vorzunehmende Kompensation wäre die Kammer unter der oben dargelegten Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zur Verhängung einer Einzelstrafe

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von einem Jahr gekommen. Diese war zur Überzeugung der Kammer zur Kompensation der überlangen Verfahrensdauer und zur Verhängung der noch tat- und schuldangemessenen Strafe auf sechs Monate herabzusetzen.

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Gemäß § 54 StGB war aus den Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden, die die Kammer durch die Erhöhung der für die besonders schwere Brandstiftung verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten gebildet hat. Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat die Kammer die Person des Angeklagten und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält die Kammer die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von

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vier Jahren

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für tat- und schuldangemessen.

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Hierdurch hat die bei Verhängung der Einzelstrafen erfolgte Kompensation ausreichend Berücksichtigung gefunden, wie der Umstand zeigt, dass die Kammer ohne Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer aus den dann verhängten Einzelstrafen von fünf Jahren und einem Jahr eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten gebildet hätte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.