Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 05.07.2004, Az.: 2 B 32/04
Abbauböschung; Gewässerbewirtschaftung; Landschaftsschutz; Lärmbelästigungen; Nachbarwiderspruch; Naturschutz; Rücksichtnahmegebot; Standsicherheit; Staubimmission; Tonabbau
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 05.07.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 32/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50706
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17 NatSchG ND
- § 19 Abs 1 NatSchG ND
- § 2 NatSchG ND
- § 2 WasG ND
- Art 14 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Erfolgloser Nachbarwiderspruch gegen Tonabbauvorhaben
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zum Tonabbau.
Am 06.10.2000 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Bodenabbaugenehmigung für Tonstein auf den nördlich/nordwestlich des F. G. weges im Außenbereich und innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen in den Landkreisen Bersenbrück, Osnabrück, Melle und Wittlage (Landschaftsschutzverordnung) vom 15.05.1965 gelegenen Flurstücken 7/1 und 8/2, Flur 2, Gemarkung H., in Osnabrück. Die vorgesehene Abbaustätte wurde bislang landwirtschaftlich (als Ackerfläche) genutzt; westlich und südlich schließen daran weitere landwirtschaftliche Nutzflächen, nördlich eine Waldfläche an. Östlich bzw. nordöstlich der Abbaustätte finden sich vereinzelt Wohnhäuser, darunter auch das rd. 50 m von der Abbaufläche und rd. 95 m vom F. G. weg entfernt gelegene Wohngebäude der Antragstellerin; auf deren Grundstück befindet sich in unmittelbarer Nähe der geplanten Abbaustätte ein Brunnen, der allerdings bereits seit langer Zeit mit Bauschutt zugeschüttet ist und nicht mehr genutzt wird. Nach den eingereichten Antragsunterlagen beläuft sich die Fläche der gesamten Abbaustätte auf knapp 6 ha, von denen rd. 5,1 ha abgebaut werden sollen. Der Tonabbau soll in drei (etwa gleich großen) Abbauabschnitten im Trockenabbauverfahren mit einer Abbautiefe zwischen 6 und 16 m erfolgen, wobei mit dem ersten Abschnitt im Südwesten der Abbaustätte begonnen werden soll. Die Rekultivierung des ersten bzw. zweiten Abbauabschnitts soll jeweils nach Beginn des Abbaus im zweiten bzw. dritten Abschnitt erfolgen; die Gesamtdauer der Abbaumaßnahme soll ca. 16 Jahre betragen. Das anfallende Oberflächenwasser soll in einem im Südwesten der Abbaustätte einzurichtenden Absetzbecken gesammelt und anschließend nach vorheriger Klärung in den vorhandenen Seitengraben des F. G. weges abgeleitet werden. Die im Zuge des Tonabbaus erforderlichen Abbauböschungen sollen im Wesentlichen im Verhältnis von 1 : 2 bis 1 : 3 angelegt werden und - soweit es die Antragstellerin betrifft - einen Abstand von 3 m zu deren Grundstück einhalten.
Im Laufe des Genehmigungsverfahren beteiligte die Antragsgegnerin ihre eigenen Fachbehörden sowie verschiedene Träger öffentlicher Belange, die - mit Ausnahme des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland - keine bzw. keine durchgreifenden Bedenken gegen das geplante Vorhaben äußerten; von privater Seite (u.a. auch der Antragstellerin) wurden dagegen zahlreiche Einwände gegen den geplanten Tonabbau erhoben.
Mit Bescheid vom 27.02.2002 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen eine naturschutzrechtliche Befreiung von den dem Abbauvorhaben entgegenstehenden Verboten der Landschaftsschutzverordnung vom 15.05.1965, eine Bodenabbaugenehmigung für den beantragten Abbau von Tonstein, eine Baugenehmigung für die mit dem Abbauvorhaben verbundenen baulichen Anlagen und eine wasserbehördliche Genehmigung zur Herstellung eines Regenwasserrückhaltebeckens und zur Einleitung von Oberflächenwasser in den Straßenseitengraben des F. G. weges .
Gegen diese Genehmigung legte die Antragstellerin Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen mit den weiter unten wiedergegebenen Argumenten begründete; in diesem Zusammenhang machte sie u.a. auch geltend, dass die Standsicherheit der im Rahmen des Tonabbaus anzulegenden Böschungen nicht gegeben bzw. nicht durch eine entsprechende Auflage in der Genehmigung gewährleistet sei. Im Hinblick darauf überprüfte die Antragsgegnerin im Laufe des Widerspruchsverfahrens die eingereichten statischen Unterlagen und holte zu diesem Zweck ergänzende Stellungnahmen des Ing.-Büros I. sowie einen bautechnischen Prüfbericht des Prüfingenieurs für Baustatik Prof. Dr. J. ein. In den diesbezüglichen Stellungnahmen bzw. Berichten vom 16.12.2002, 28.04.2003 und 12.05.2003 kamen die Sachverständigen - zusammengefasst - zu dem Ergebnis, dass die im Grenzbereich zum Grundstück der Antragstellerin hin vorgesehene Böschung bei einer Böschungsneigung von 1 : 2 auch langfristig standsicher sei.
Mit Bescheid vom 28.11.2003 half die Bezirksregierung Weser-Ems dem Widerspruch der Antragstellerin hinsichtlich der geltend gemachten Standunsicherheit der Böschungen ab und begründete dies damit, dass jedenfalls nach den bislang eingereichten und der angefochtenen Genehmigung zugrunde liegenden Unterlagen eine ausreichende Standsicherheit der im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin vorgesehenen Böschung nicht gewährleistet sei; gleichzeitig regte sie gegenüber der Antragsgegnerin an, die Bodenabbaugenehmigung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der zwischenzeitlich durchgeführten ergänzenden Untersuchungen in der Weise abzuändern, dass die Standsicherheit der im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin vorgesehenen Böschung sichergestellt werde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück; dagegen hat die Antragstellerin zwischenzeitlich Klage erhoben (2 A 2/04), über die noch nicht entschieden ist.
Mit Ergänzungsbescheid vom 28.01.2004 machte die Antragsgegnerin die Stellungnahmen bzw. Berichte der o.g. Ing.-Büros vom 16.12.2002, 28.04.2003 und 12.05.2003 nachträglich zum Bestandteil der erteilten Bodenabbaugenehmigung und wies die Beigeladene darauf hin, dass die sich aus diesen Untersuchungen ergebenden konstruktiven Änderungen bei der Ausführung des Vorhabens zu berücksichtigen seien; dabei dürfe u.a. die im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin vorgesehene Böschung nicht steiler als mit einer Neigung von 1 : 2 ausgeführt werden. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Ergänzungsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin per Einschreiben am 17.02.2004 zugestellt; Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde anschließend nicht erhoben. Unter dem 26.03.2004 ordnete die Antragsgegnerin sodann auf entsprechenden Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung der Bodenabbaugenehmigung vom 27.02.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2003 und des Ergänzungsbescheides vom 28.01.2004 an und begründete dies damit, dass an der sofortigen Vollziehung sowohl ein überwiegendes öffentliches als auch ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen bestehe.
Die Antragstellerin hat daraufhin um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und geltend gemacht, dass die angefochtene Genehmigung gegen zahlreiche Rechtsvorschriften verstoße, die gleichzeitig auch dem Schutz ihrer Nachbarrechte dienten, und darüber hinaus im Ergebnis schwer und unerträglich in ihr Eigentum eingreife. In baurechtlicher Hinsicht sei die Genehmigung rechtswidrig, weil sie gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Dies folge zum einen schon daraus, dass das genehmigte Abbauvorhaben die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes und die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtige, weil es zu einer erheblichen Veränderung des Landschaftsbildes, insbesondere dazu führe, dass die unmittelbar an ihr eigenes Grundstück angrenzenden Wald- und Wiesenflächen verschwinden würden und die dort vorhandene Flora und Fauna unwiederbringlich zerstört werde. Zum anderen werde das Orts- und Landschaftsbild durch die entstehenden Abbaugruben und die bei einer Realisierung des Vorhabens zu erwartenden Lärmbelästigungen und Staubverwehungen erheblich verunstaltet. Darüber hinaus werde ihr durch die mit dem geplanten Abbau verbundene Absenkung des Wasserspiegels faktisch und endgültig die Möglichkeit genommen, ihren unmittelbar neben der Abbaustätte gelegenen Brunnen zu nutzen; insoweit sei es unerheblich, ob sie diesen Brunnen künftig tatsächlich nutzen werde bzw. welcher Aufwand ggf. erforderlich sei, um dessen Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. Schließlich müsse ungeachtet der dem Ergänzungsbescheid zugrunde liegenden gutachterlichen Feststellungen nach wie vor die ausreichende Standsicherheit der Abbauböschungen bestritten werden, was zu einer unmittelbaren Gefährdung der Standfestigkeit ihres eigenen Grundstücks bzw. Wohnhauses führe. In immissionsschutzrechtlicher Hinsicht begegne das genehmigte Vorhaben ebenfalls Bedenken, weil insbesondere durch den Betrieb der Maschinen beim Abbau und das An- und Abfahren verschiedener Lkws und Pkws erhebliche Luftverunreinigungen, Geräuschbelästigungen und Erschütterungen verursacht würden, die zudem über einen langen Zeitraum, nämlich 16 Jahre hinweg auftreten würden. Außerdem solle auch die zwischen ihrem Grundstück und der nördlich davon verlaufenden Autobahn (BAB 1) gelegene Waldfläche, die bislang zur Dämmung des Verkehrslärms beigetragen habe, abgebaut werden, so dass insoweit künftig mit einer erheblichen Verlärmung ihres Grundstücks zu rechnen sei. Die mit der angefochtenen Genehmigung gleichzeitig erteilten wasserrechtlichen Genehmigungen seien ebenfalls rechtswidrig, weil die damit zugelassene Gewässerbenutzung weder gemeinwohl- noch nachbarverträglich sei. Insbesondere werde dadurch die Wasserversorgung des in der Nähe der Abbaustätte gelegenen Waldstücks erheblich gefährdet und damit auf Dauer auch die dort vorhandene Flora und Fauna nachhaltig geschädigt bzw. sogar zerstört, weil die dort vorhandene, als natürlicher Wasserspeicher dienende organische Bodenschicht im Rahmen des geplanten Abbaus großflächig entfernt werde; auf diese Problematik sei in den bislang vorliegenden Gutachten in keiner Weise eingegangen worden. Die der Beigeladenen erteilte Befreiung von der Landschaftsschutzverordnung sei ebenfalls rechtswidrig, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Überwiegende Gründe des Gemeinwohls lägen schon deshalb nicht vor, weil das genehmigte Vorhaben einen erheblichen und nachhaltigen Eingriff in ein für die Naturlandschaft wichtiges Gebiet darstelle; im Übrigen könne auch nicht von einer Rohstoffknappheit in dem Sinne ausgegangen werden, dass in anderen in der Umgebung gelegenen Abbaugebieten keine ausreichenden Tonsteinvorkommen mehr vorhanden seien. Die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Vorschriften stelle für die Beigeladene auch keine nicht beabsichtigte Härte dar; insbesondere sei nicht erkennbar, dass der Beigeladenen dadurch unzumutbare wirtschaftliche Schäden drohten. Ihrem demnach offensichtlich berechtigten Anliegen, die Realisierung des genehmigten Vorhabens vorläufig zu verhindern, könne schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass mit dem Tonabbau zunächst an der - ihrem Grundstück abgewandten - Südwestseite der Abbaustätte begonnen werden solle; denn auch dadurch würden zu ihren Lasten vollendete und nicht mehr umkehrbare Tatsachen geschaffen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Bodenabbaugenehmigung der Antragsgegnerin vom 27.02.2002 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2003 und des Ergänzungsbescheides vom 28.01.2004 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Sie sind der Auffassung, dass die angefochtene Genehmigung rechtmäßig sei und insbesondere Nachbarrechte der Antragstellerin nicht verletze und tragen dazu - im Wesentlichen übereinstimmend - vor: Auf die geltend gemachten Beeinträchtigungen des Orts- und Landschaftsbildes bzw. der natürlichen Eigenart der Landschaft und auf die behaupteten Verstöße gegen naturschutzrechtliche und wasserrechtliche Vorschriften könne sich die Antragstellerin - unabhängig davon, dass derartige Verstöße hier auch nicht vorlägen - schon deshalb nicht berufen, weil diese Vorschriften keinen nachbarschützenden Charakter hätten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege ebenfalls nicht vor, weil nach den im Genehmigungsverfahren eingeholten Gutachten die Grenzwerte für Lärm- und Staubimmissionen an sämtlichen untersuchten Immissionsorten sicher eingehalten würden. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, die zwischen dem Grundstück der Antragstellerin und der Autobahn gelegene Waldfläche werde ebenfalls abgebaut, sei unzutreffend. Der Einwand der Antragstellerin, die Standsicherheit ihres Grundstücks sei gefährdet, sei angesichts der inzwischen in den Ergänzungsbescheid aufgenommenen Regelungen über die erforderlichen Böschungsneigungen ebenfalls unbegründet. Dasselbe gelte für ihre Befürchtung, sie könne den auf ihrem Grundstück befindlichen Brunnen künftig nicht mehr nutzen; vielmehr hätten die insoweit durchgeführten Untersuchungen ergeben, dass die Grundwasserstände im hier interessierenden Bereich zwischen 6 und 13 m unterhalb der geplanten Abbausohle lägen, so dass mit einer Grundwasserabsenkung nicht zu rechnen sei. Schließlich sei dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin auch deshalb kein Vorrang einzuräumen, weil mit dem genehmigten Bodenabbau zunächst im Westen und damit an der vom Grundstück der Antragstellerin am weitesten entfernten Stelle begonnen werde und das Abbauvorhaben deshalb erst in mehreren Jahren an deren Grundstück heranrücke.
II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine einem Dritten erteilte Genehmigung, deren sofortige Vollziehung die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung bedarf es insbesondere einer Abwägung zwischen dem Interesse des Genehmigungsempfängers an der sofortigen Ausnutzbarkeit der erteilten Genehmigung und dem gegenläufigen Interesse des davon betroffenen Dritten (Nachbarn), bei der auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Im Falle der hier gegebenen Anfechtung einer Genehmigung durch Dritte kommt entscheidend hinzu, dass diese nur dann Erfolg haben kann, wenn die Genehmigung - ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit in objektiver Hinsicht - unter Verletzung drittschützender Rechtsnormen erteilt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 06.10.1989 - 4 C 14.87 -, NJW 1990, 1192). Diese Interessenabwägung fällt zulasten der Antragstellerin aus, weil bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar ist, dass sie durch die angefochtene Genehmigung in eigenen Rechten (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verletzt wird. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Ein nicht unerheblicher Teil des Vorbringens der Antragstellerin bezieht sich allein darauf, dass das genehmigte Vorhaben gegen objektives Recht verstoße bzw. bestimmte öffentliche Belange beeinträchtige; derartige Einwände aber sind - unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung im Einzelnen - nach den soeben dargelegten Grundsätzen für den im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Nachbarrechtsbehelf rechtlich von vornherein nicht von Bedeutung. Dies gilt hier zunächst für den Einwand, das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Bodenschutzes sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und deren Erholungswert beeinträchtige und zu einer Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes führe, darüber hinaus aber auch für das (umfangreiche) Vorbringen dazu, durch die erteilten wasserrechtlichen Genehmigungen werde die Wasserversorgung einer an die Abbaustätte angrenzenden Waldfläche und damit auf Dauer auch die dort vorhandene Flora und Fauna gefährdet, und eine naturschutzrechtliche Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung hätte mangels Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen ebenfalls nicht erteilt werden dürfen. Denn all diese Gesichtspunkte, insbesondere die in § 2 NNatG und § 2 NWG geregelten Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege bzw. der gemeinwohlverträglichen Gewässerbewirtschaftung, betreffen allein die Wahrung von Belangen der Allgemeinheit und damit die Übereinstimmung des genehmigten Vorhabens mit der objektiven Rechtslage; deren Durchsetzung aber obliegt - entgegen der von ihr offenbar vertretenen Auffassung, jede der von ihr zitierten Vorschriften habe gleichzeitig auch drittschützenden Charakter - nicht der Antragstellerin, sondern allein der Antragsgegnerin als Genehmigungsbehörde. Das (mutmaßliche) Interesse der Antragstellerin, den hier interessierenden Landschaftsteil in seinem bisherigen Bestand zu erhalten und von künftigen Eingriffen bzw. Störungen weitgehend freizuhalten, ist vielmehr rein ideeller Natur, verleiht ihr jedoch keine geschützte Rechtsposition dahingehend, derartige Belange - sei es im eigenen Namen, sei es „stellvertretend“ für die Allgemeinheit - im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens durchzusetzen, um auf diese Weise einen bislang „ungestörten Naturgenuss“ zu erhalten.
Ein entsprechender Nachbarschutz der Antragstellerin könnte sich im vorliegenden Verfahren - im Hinblick darauf, dass die für den beabsichtigten Tonabbau erforderliche (§ 17 NNatG) Genehmigung nur dann erteilt werden darf, wenn das Abbauvorhaben u.a. mit dem öffentlichen Baurecht vereinbar ist (§ 19 Abs. 1 NNatG) - vielmehr allein aus einem möglichen Verstoß der angefochtenen Genehmigung gegen das im Bauplanungsrecht allgemein geltende (nachbarschützende) Gebot der Rücksichtnahme ergeben. Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der jeweiligen Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der wechselseitigen Interessen und der Intensität der Beeinträchtigung die Grenze dessen, was dem durch das Vorhaben Betroffenen billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U. v. 25.02.1977 - 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122), wobei klarstellend bzw. einschränkend allerdings darauf hinzuweisen ist, dass das Rücksichtnahmegebot keinen allgemeinen Rechtssatz bzw. keine „allgemeine Genehmigungsvoraussetzung“ in dem Sinne darstellt, dass ein Nachbar damit jegliche ihn (subjektiv) störenden oder belästigenden Auswirkungen eines (Bau-)Vorhabens auf einem anderen Grundstück verhindern kann; vielmehr dient es allein dazu, solche Unzuträglichkeiten zu vermeiden, die für den Nachbarn im Ergebnis nicht mehr hinnehmbar sind. Diese Zumutbarkeitsschwelle wird hier aller Voraussicht nach nicht zulasten der Antragstellerin überschritten.
Insoweit kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin bei einer Realisierung des genehmigten Vorhabens unzumutbaren Lärm- und/oder Staubimmissionen ausgesetzt sein wird. Nach der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingegangenen Stellungnahme des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Osnabrück vom 13.03.2003 werden an sämtlichen in der Umgebung der Abbaustätte untersuchten Immissionsorten die Grenzwerte der Lärm- und Staubimmissionen sicher eingehalten. Diese Einschätzung beruht auf einer zuvor eingeholten „Abschätzung der Lärm- und Staubimmissionen im Umfeld des geplanten Bodenabbaus in K. -H.“ des Ing.-Büros L. (einer anerkannten Messstelle nach §§ 26, 28 BImSchG) vom 28.01.2003, in der die Gutachter hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbelästigungen unter Berücksichtigung der Betriebsgeräusche der auf der Abbaustätte eingesetzten Fahrzeuge (Bagger, Radlader, Lkw) und der Geräusche des Zu- und Abgangsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m zur Abbaustätte sowie unter Zugrundelegung von jeweils maximal 15 An- und Abfahrten pro Tag für das als „Immissionspunkt 2“ bezeichnete Wohnhaus der Antragstellerin für die Tageszeit einen Beurteilungspegel von 48,7 dB(A) und einen maximalen Immissionspegel von 59,2 dB(A) ermittelt haben. Damit aber wird sowohl der für Außenbereichsgrundstücke während der Tageszeit maßgebliche Immissionsrichtwert von 60 dB(A) - der demjenigen für Kern-, Dorf- und Mischgebiete entspricht - als auch der maximal zulässige, gegenüber diesem Wert um 30 dB(A) erhöhte Immissionspegel von 90 dB(A) (vgl. Ziff. 6.1 c der TA Lärm 1998) sicher eingehalten; etwaige Geräuscheinwirkungen während der Nachtzeit (22 Uhr bis 6 Uhr) brauchten hier demgegenüber nicht untersucht zu werden, weil ein Nachtbetrieb weder beantragt noch genehmigt worden ist. Entsprechendes gilt für die Geräuscheinwirkungen, die durch den Zu- und Abgangsverkehr zur Abbaustätte entstehen; insoweit haben die Gutachter für das Grundstück der Antragstellerin einen Beurteilungspegel von 28 dB(A) ermittelt, der deutlich unter dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) zulässigen Immissionsgrenzwert von 64 dB(A) liegt. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang ferner geltend macht, die zwischen ihrem Grundstück und der nördlich davon verlaufenden Autobahn gelegene Waldfläche solle künftig ebenfalls abgebaut werden, was zu einem für sie unzumutbaren Wegfall der damit bislang verbundenen „Verkehrslärmdämmung“ führe, trifft diese Behauptung nicht zu, weil diese Waldfläche ausweislich der genehmigten Antragsunterlagen nicht Gegenstand des beantragten Abbauvorhabens ist; darüber hinaus hat die Antragsgegnerin durch die der Genehmigung vom 27.02.2002 beigefügte Nebenbestimmung 1.N1 eine Ausdehnung auf weitere Teile der Lagerstätte von vornherein ausgeschlossen und eine Genehmigungsfähigkeit etwaiger Erweiterungsabsichten ausdrücklich verneint. Soweit es die mit dem genehmigten Vorhaben verbundenen Staubimmissionen betrifft, sind die Gutachter unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Immissionsquellen - Lösen des Tonsteins mit Bagger, Abwurf des Tonsteins mit Bagger oder Radlader auf Halde, Aufnahme des Tonsteins mit Radlader, Abwurf des Tonsteins auf Lkw, Fahrtwege der Lkws und Radlader - und unter Zugrundelegung von 15 Lkw-Fahrten pro Tag zu dem Ergebnis gekommen, dass auf sämtlichen Beurteilungsflächen in der näheren Umgebung der Abbaustätte einschließlich des Wohnhauses der Antragstellerin die in der TA Luft vorgesehenen Grenzwerte für Staubkonzentration und Deposition deutlich unterschritten werden. Angesichts dieser gutachterlichen Erkenntnisse, an deren Richtigkeit bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Zweifel bestehen und mit denen sich die Antragstellerin nicht einmal ansatzweise auseinandersetzt, ist für die Annahme, das Grundstück der Antragstellerin werde unzumutbaren - nur solche können im Rahmen des Rücksichtnahmegebots abgewehrt werden - Lärm- und Staubimmissionen ausgesetzt, kein Raum.
Die Antragstellerin wird sich voraussichtlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen können, das genehmigte Vorhaben erweise sich deshalb als rücksichtslos, weil ihr damit faktisch und endgültig die Möglichkeit genommen werde, den auf ihrem Grundstück in unmittelbarer Nähe der Abbaustätte gelegenen Brunnen künftig noch nutzen zu können. Insoweit bestehen schon grundsätzliche Zweifel daran, ob dieses Argument im hier interessierenden Zusammenhang überhaupt „fruchtbar“ gemacht werden kann, weil es bei der Frage, ob ein bestimmtes Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, regelmäßig allein auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ankommt (vgl. BVerwG, U. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, NVwZ 1993, 1184). Zu diesem Zeitpunkt aber wurde der Brunnen der Antragstellerin, der unstreitig - und zwar offenbar schon seit Jahren - mit Bauschutt zugeschüttet ist, nicht mehr als solcher genutzt, so dass es (derzeit) jedenfalls faktisch an einem geeigneten „Substrat“ für eine etwaige Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen fehlt; ob dieser Brunnen künftig tatsächlich jemals wieder genutzt werden soll bzw. ob dessen Funktionsfähigkeit mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand überhaupt wiederhergestellt werden kann, hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren ebenfalls ausdrücklich offen gelassen. Abgesehen davon greift der diesbezügliche Einwand aber auch der Sache nach nicht durch, weil sich die Antragstellerin insoweit lediglich auf die nicht weiter begründete Behauptung beschränkt, „durch die Abbautätigkeit und das damit einhergehende Absinken des Wasserspiegels werde die Brunnennutzung faktisch unmöglich gemacht“. Damit aber setzt sie sich nicht einmal ansatzweise mit der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholten Stellungnahme des Ing.-Büros M. zu den „Hydrogeologischen Gegebenheiten und Standsicherheit der Böschungen“ vom 16.12.2002 auseinander, in der es - ähnlich wie schon in den mit dem Bodenabbauantrag vorgelegten Unterlagen - unter Bezugnahme auf die ermittelten Grundwasserstände und Fließrichtungen zusammenfassend heißt, dass die höchsten Grundwasserstände im Bereich der Abbaustätte zwischen ca. 6 m (im Südwesten) und ca. 13 m (im Nordosten) unter der geplanten Abbausohle lägen und deshalb der Mindestabstand von 5 m zwischen dem höchsten Grundwasserstand und der Abbausohle eingehalten werde. Angesichts dessen spricht nach dem derzeit überschaubaren Sachverhalt nichts für die Annahme, die Grundwasserstände in diesem Bereich könnten durch das genehmigte Abbauvorhaben in einer Weise absinken, dass damit auch der Brunnen der Antragstellerin - sollte er künftig überhaupt reaktiviert werden - auf Dauer trocken fällt.
Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ferner damit zu begründen versucht, die Standsicherheit der zu ihrem Grundstück hin vorgesehenen Abbauböschung (und damit auch die Standfestigkeit ihres eigenen Grundstücks) sei nicht gewährleistet, dürfte ihr dieser Einwand schon aus verfahrensrechtlichen Gründen abgeschnitten sein. Denn die Ergebnisse der insoweit - auf entsprechenden Einwand der Antragstellerin von der Widerspruchsbehörde veranlassten - durchgeführten ergänzenden gutachterlichen Untersuchungen (neben der bereits oben erwähnten Stellungnahme des Ing.-Büros M. vom 16.12.2002 die „Ergänzenden Angaben zur Standsicherheit der Böschungen“ desselben Büros vom 28.04.2003 sowie der bautechnische Prüfbericht des Prof. Dr. J. vom 12.05.2003) sind von der Antragsgegnerin durch den Ergänzungsbescheid vom 28.01.2004 nachträglich und ausdrücklich zum Bestandteil der angefochtenen Genehmigung gemacht worden; diesen - ihr bereits am 17.02.2004 zugestellten - Ergänzungsbescheid hat die Antragstellerin jedoch nicht mit dem Widerspruch angefochten, so dass die darin enthaltenen Regelungen ihr gegenüber bestandskräftig geworden sein dürften. Abgesehen davon hat sich die Antragstellerin insoweit auch der Sache nach auf die Erklärung beschränkt, „es müsse nach wie vor bestritten werden, dass die gutachterlichen Feststellungen zur Standsicherheit richtig sind“, ohne substantiiert darzulegen, warum die in den genannten Stellungnahmen enthaltene - und im Einzelnen begründete - Aussage, die im Grenzbereich zum Grundstück der Antragstellerin hin vorgesehene Böschung sei bei einer Böschungsneigung von 1 : 2 auch langfristig standsicher, sachlich unzutreffend sein soll.
Die Antragstellerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie bei einer Realisierung des genehmigten Vorhabens unabhängig von ihren sonstigen Einwänden jedenfalls schwer und unerträglich in ihrem Eigentumsrecht verletzt werde. Vielmehr werden - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - Umfang und Grenzen des bauplanungsrechtlichen Nachbarschutzes bereits umfassend durch die §§ 31, 34 u. 35 BauGB sowie § 15 BauNVO bestimmt, so dass daneben für unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG hergeleitete Abwehransprüche kein Raum mehr ist (vgl. u.a. Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., vor §§ 29-38, Rn. 22 m.w.N.).