Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 14.07.2004, Az.: 3 A 176/02

Erstattungsanspruch; Gefahrenabwehrbehörde; Kommune; Kostenerstattung; Polizei

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
14.07.2004
Aktenzeichen
3 A 176/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50732
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das niedersächsische Gefahrenabwehrrecht gibt der Polizei keinen Erstattungsanspruch gegen die kommunale Ordnungsbehörde für Kosten, die ihr bei Durchführung einer Ordnungsmaßnahme infolge der Inanspruchnahme eines Nichtstörers (hier: des Hauseigentümers bei gewaltsamer Türöffnung) entstanden sind.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist für das Gebiet der Beklagten örtlich zuständige Polizeibehörde, die Beklagte ist zuständige Gefahrenabwehrbehörde. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten, die ihr aufgrund eines Einsatzes ihrer Polizeibeamten entstanden sind.

2

Am Samstag, dem 13.11.1999 um 01:19 Uhr meldete ein Taxiunternehmen einer Polizeidienststelle der Klägerin, dass ein zuverlässiger Mitarbeiter nicht zur Arbeit erschienen, telefonisch und an seiner Wohnung nicht erreichbar gewesen sei. Beamte der Klägerin stellten ausweislich des Polizeiberichts fest, dass der Pkw dieses Mitarbeiters auf dem Parkplatz abgestellt war. Auf lautes Klopfen und intensives Klingeln an dessen Wohnungstür reagierte niemand. Die Tür ließ sich auch mit einem Schlüssel des Hauseigentümers nicht öffnen, weil auf der Innenseite der Tür ein Schlüssel im Schloss steckte. Versuche in die Wohnung einzusteigen scheiterten; Schlüsseldienste waren nicht erreichbar. Daraufhin traten die Beamten die Tür ein. Der vermisste zuverlässige Mitarbeiter erschien nunmehr schlaftrunken aus seinem Zimmer und erklärte, keine Lust gehabt zu haben, zur Arbeit zu gehen.

3

Das Instandsetzen der Tür kostete 788,80 DM (= 403,31 €). Der Hauseigentümer legte der Klägerin die Rechnung vor, die diese beglich, nachdem sich die Beklagte mit Schreiben vom 19.1.2000 geweigert hatte, die Kosten zu übernehmen.

4

Das mit der Androhung der Leistungsklage verbundene Erstattungsbegehren der Klägerin vom 3.3.2000 wies die Beklagte im Mai 2000 zurück. Unter Bezugnahme auf einen „Leistungsbescheid vom 03.03.2000“ forderte die Klägerin die Beklagte unter dem 19.3.2002 zur Zahlung auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 3.4. und 6.8.2002 zurück.

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Am 2.9.2002 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie geltend macht, die Türöffnung sei im Rahmen polizeilicher Eilzuständigkeit gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 NGefAG erfolgt. Gemäß § 105 Nr. 1 NGefAG sei die „originär“ zuständige Behörde auch dann kostentragungspflichtig, wenn zur Erfüllung der Gefahrenabwehraufgabe auf besonderer rechtlicher Grundlage die Behörde einer anderen Körperschaft tätig geworden ist. Letztere habe in diesem Fall einen Erstattungsanspruch.

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Die Klägerin beantragt,

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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Türöffnung vom 13.11.1999 zu tragen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage unzulässig. Sie sei auch unbegründet, denn die Beklagte sei bei der Türöffnung im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr tätig geworden (§ 1 NGefAG) und habe damit als zuständige Behörde im Sinn des § 105 Abs. 1 NGefAG die ihr entstandenen Kosten selbst zu tragen. Für die Annahme einer eine Erstattungspflicht begründenden „originären“ Zuständigkeit gäben die Vorschriften keinen Raum. Im Übrigen habe eine Anscheinsgefahr vorgelegen, ohne dass Anhaltspunkte für eine hilflose Lage des Wohnungseigentümers bestanden hätten, so dass die Gefahrerforschung weder der vorbeugenden Verfolgung von Straftaten gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 NGefAG noch der übrigen Gefahrenabwehr zugeordnet werden könnten.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Zulässigkeit der Feststellungsklage auch bei möglicher Leistungsklage gegenüber Hoheitsträgern entspricht gefestigter Rechtsprechung und findet ihre Begründung in der Annahme, dass öffentlich-rechtliche Körperschaften des Vollstreckungsdrucks nicht bedürfen, weil sie auch eine gerichtliche Feststellung beachten und die gebotenen Konsequenzen ziehen.

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Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Kosten der Türöffnung zu erstatten. Die Klägerin hat keinen dahingehenden Erstattungsanspruch; sie hat vielmehr die ihr entstandenen Kosten selbst zu tragen.

15

Die Rechtslage beurteilt sich nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes in der Fassung vom 20.2.1998 (NdsGVBl 1998, 101). Gemäß § 105 Abs. 1 dieses Gesetzes sind die Kosten, die den Verwaltungsbehörden und der Polizei bei Aufgaben der Gefahrenabwehr entstehen, von der Körperschaft zu tragen, deren Behörde für die Erfüllung der Aufgaben zuständig ist. Entsprechend der in § 1 Abs. 1 Satz 1 NdsGefAG normierten, Verwaltungsbehörden und Polizei „gemeinsam“ obliegenden Aufgabe der Gefahrenabwehr sieht diese Bestimmung somit eine Kostentragungspflicht der Trägerkörperschaft anderer, dritter Behörden vor, die für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig sind, die im Rahmen der gemeinsamen Gefahrenabwehrzuständigkeit von Verwaltungsbehörde und/oder Polizei wahrgenommen worden ist. Damit steht diese Bestimmung in sachlichem Zusammenhang mit der Regelung über die sachliche Zuständigkeit in § 101 Abs. 3 NdsGefAG und der auf dieser Grundlage ergangenen Zuständigkeitsverordnung. Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 NdsGefAG ist hingegen nicht der interne Kostenausgleich zwischen den Körperschaften der gemeinsam zur Aufgabe der Gefahrenabwehr berufenen Verwaltungsbehörde einerseits und der Polizei andererseits.

16

Aber auch wenn man diese Bestimmung für einen solchen internen Kostenausgleich heranzöge, wäre die Klage unbegründet. Kostentragungspflichtig wäre dann die Körperschaft, deren Behörde für die Erfüllung der Aufgabe zuständig ist. Für eine Differenzierung im Sinne eines ein bischen mehr oder weniger zuständig geben die Bestimmungen des NdsGefAG nichts her. Vielmehr enthält das Gesetz neben den Zuständigkeitsregelungen im eigentlichen Sinn, nach denen sowohl für die Kommunen als allgemeine Verwaltungsbehörden (§ 96 Abs. 1 NdsGefAG) als auch für die Polizeibehörden (§ 87 NdsGefAG) Regelungen zur örtlichen (§ 100 NdsGefAG) und sachlichen (§§ 101, 102 NdsGefAG) Zuständigkeit auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr gelten, insbesondere die durch diese Zuständigkeitsregelungen in Bezug genommene Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 NdsGefAG, welche gerade normiert, dass die Aufgabe der Gefahrenabwehr den Verwaltungsbehörden und der Polizei „gemeinsam“ obliegt. Jede Verwaltungsbehörde und jede Polizeibehörde ist somit im Rahmen der angesprochenen Zuständigkeitsregelungen „zuständig“ im Sinn des § 105 Abs. 1 NdsGefAG und damit selbst - die jeweilige Körperschaft - kostentragungspflichtig, so dass insoweit ein Kostenerstattungsanspruch untereinander ausgeschlossen ist. Dem entspricht es, wenn in § 105 Abs. 2 NdsGefAG mit Blick auf Art. 57 Abs. 4 NdsVerfassung eine Kostendeckung lediglich für die kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen des Finanzausgleichs geregelt wird, während für die Polizeibehörden als Landesbehörden es einer diesbezüglichen Normierung nicht bedarf.

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Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die Normierung des § 1 Abs. 2 NdsGefAG in Frage gestellt, nach der die Polizei tätig wird, soweit die Gefahrenabwehr durch die Verwaltungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint (polizeiliche Subsidiarität). Selbst wenn die Polizei im Einzelfall tätig wird, obwohl diese Voraussetzungen - möglicherweise entgegen der Einschätzung der tätig gewordenen Beamten - nicht gegeben sind, stellt dies ihre Zuständigkeit im Sinne vorstehend erörterter Regelungen für die wahrgenommene Aufgabe der Gefahrenabwehr nicht in Frage, so dass den handelnden Beamten nicht der Vorwurf rechtswidrigen, weil unzuständigen Verwaltungshandelns gemacht werden kann (vgl. hierzu Ipsen, Nds. Gefahrenabwehrrecht, 2. Auflage, Rn. 607; Suckow, Nds. Gefahrenabwehrrecht, 11. Auflage Rn. 45 f). Im Übrigen hat die Klägerin im vorliegenden Fall selbst ihr Einschreiten gemäß § 1 Abs. 2 NdsGefAG als unaufschiebbare Maßnahme im Sinn eines „Rechts des ersten Zugriffs“ angesehen, so dass es bei ihrer Kostentragung verbleibt (Saipa, NdsGefahrenabwehrgesetz , § 105 Rn. 1). Dies belegt auch die Darstellung der Klägerin, der kostenverursachende Gefahrerforschungseingriff sei angemessen, erforderlich und verhältnismäßig, der Einsatz ihrer Beamten mithin rechtmäßig gewesen.