Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 19.01.2023, Az.: 2 A 141/21

Beurteilungsgebiet; Einwirkungsbereich; Geruchsimmissionen; gewerbliche Tierhaltungsanlage; Immissionsradien; Irrelevanzkriterium; kumulierend; kumulierende Vorhaben; relevant; relevante Umweltauswirkungen; schutzwürdiges Objekt; Umweltauswirkungen; Baugenehmigung für Junghennenaufzuchtstall (gewerbliche Tierhaltungsanlage; kumulierende Vorhaben)

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
19.01.2023
Aktenzeichen
2 A 141/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 10663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0119.2A141.21.00

Amtlicher Leitsatz

Im Falle von Geruchsimmissionen ist der Einwirkungsbereich i.S.d. UVPG nicht anhand des Beurteilungsgebiets, sondern anhand des Irrelevanzkriteriums zu bestimmen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Baugenehmigung für ein Stallgebäude.

Das Vorhabengrundstück befindet sich im Außenbereich am F. im Gemeindegebiet der Beigeladenen (Flurstück 19/2, Flur 19, Gemarkung G.). Die Umgebung wird von landwirtschaftlichen Flächen und verstreut liegenden Hofstellen geprägt. In über 1 km Abstand liegt südöstlich eine Waldfläche, um die ein Windpark gruppiert ist.

Im Februar 2020 beantragte der Kläger beim Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Junghennenaufzuchtstalls mit 29.995 Tierplätzen und Nebenanlagen. In der Betriebsbeschreibung gab er an, dass es sich um ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ohne eigene Flächengrundlage handele. Die Antragsunterlagen enthalten unter anderem einen immissionsschutztechnischen Bericht der "H. Immissionsschutz & Umweltgutachter GmbH" vom 17.01.2020, der sich zu den durch das Bauvorhaben zu erwartenden Geruchs-, Ammoniak- und Staubimmissionen sowie den Stickstoffdepositionen verhält.

Mit E-Mail vom 27.10.2020 forderte der Beklagte den Kläger auf, einen Nachweis darüber vorzulegen, dass das Vorhaben nicht an einer der Hofstellen errichtet werden könne. Der Kläger wandte mit Schreiben vom 22.12.2020 ein, dass es hierfür an einer rechtlichen Grundlage fehle. Es handele sich um eine nicht vorprüfungspflichtige, gewerbliche Tierhaltungsanlage. Zudem habe er weder Eigentum noch Besitz an den Hofanlagen seiner Eltern.

Durch Bescheid vom 23.01.2021 lehnte der Beklagte die Erteilung der Baugenehmigung mit der Begründung ab, dass sich das Vorhabengrundstück im Eigentum des Vaters des Klägers befinde, der als Gesellschafter der "A. GbR" 450 m nordöstlich eine Hofstelle (I. 17, J.) mit 420 Schweinemast- und 150 Ferkelplätzen betreibe. Eine weitere Hofstelle der "A. GbR" mit 80 Sauen- und 358 Mastschweineplätzen (A-Straße, A-Stadt) befinde sich 4 km südwestlich. Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert zulässig, da es sich um ein mit der Schweinehaltung auf der Hofstelle J. kumulierendes Vorhaben handele, das eine standortbezogene Vorprüfung erforderlich mache. Ein enger Zusammenhang sei gegeben. Das Untersuchungsbiet der GIRL mit einem Radius von 600 m sei mit dem Einwirkungsbereich i.S.d. UVPG gleichzusetzen, wobei unerheblich sei, ob es tatsächlich zu schädlichen Umweltauswirkungen komme. Innerhalb dieses Radius befinde sich die Hofstelle der "A. GbR". Gleiches gelte für das Schutzgut "Landschaft", da sich beide Stallanlagen mangels optischer Trennung gemeinsam auf das Landschaftsbild auswirkten. Als Familienprojekt seien die Anlagen auch wirtschaftlich und funktional aufeinander bezogen. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich beeinträchtigte es die öffentlichen Belange des Planerfordernisses und des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB. Die betriebliche Entwicklung solle an einem vorhandenen und nicht an einem beliebigen Standort im Außenbereich erfolgen. Selbst wenn das Vorhaben als nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert angesehen würde, würde ihm die öffentlichen Belange der Eigenart des Landschaftsbildes und des Naturschutzes entgegenstehen. Sinn der Baurechtsnovelle 2013 sei gewesen, die Inanspruchnahme des Außenbereichs durch gewerbliche Tierhaltungsbetriebe ohne konkreten Flächenbezug zu steuern. Ein Ausweichen von vorhandenen Standorten auf ausgesiedelte Bereiche stelle eine Entwicklung dar, die unter Umgehung der neu geschaffenen bauplanungsrechtlichen Restriktionen zu einer zu vermeidenden Inanspruchnahme und Zersiedlung des Außenbereichs führe.

Dagegen erhob der Kläger am 10.02.2021 Widerspruch mit der Begründung, dass es sich nicht um kumulierende Vorhaben handele. Das pauschale Abstellen auf Radien von 600 m sei unzulässig. Nach der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme vom 03.02.2021 überschnitten sich die Irrelevanzradien der Geruchsimmissionen, Stickstoffdepositionen und Staubimmissionen nicht.

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 28.05.2021 zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, dass es nicht darauf ankomme, ob tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen auftreten würden. Vielmehr sei entscheidend, dass die Möglichkeit sich überschneidender Einwirkungsbereiche gegeben sei. Die Zielsetzung der Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der Baurechtsnovelle 2013, die ungeplante Inanspruchnahme des Außenbereichs durch Tierhaltungsbetriebe ohne Flächenbezug entgegenzuwirken, würde durch die Zulassung von vielen kleinen - gerade unterhalb der Schwellenwerte liegenden - Vorhaben umgangen werden.

Der Kläger hat am 30.06.2021 Klage erhoben und trägt ergänzend vor, dass entgegen der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Überschneidungsbereich kein schutzwürdiges Objekt, insbesondere kein Wohnhaus oder Waldstück, liege. Es müssten Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung des Vorhabens relevant seien. Die Irrelevanzisoplethen der Anlagen überschnitten sich jedoch nicht. Der Hinweis der Beklagten auf die Zersiedlung des Außenbereichs und die Belange des Natur- und Wasserhaushalts sei von der Betrachtung des konkreten Bauvorhabens losgelöst und in dieser Allgemeinheit unzulässig.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 23.01.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.2021 zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Junghennenaufzuchtstalls mit 29.995 Tierplätzen und Nebenanlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend vor, dass innerhalb des 600m-Radius zumindest weitere Wohnhäuser vorhanden seien. Auch habe das Vorhaben eine weitergehende Zerschneidung des Landschaftsbildes und eine Versiegelung von Bodenflächen zur Folge. Großflächige, weitgehend unzerschnittene Landschaftsräume seien vor weiterer Zerschneidung zu bewahren. Nach der Gesetzesbegründung komme es nur darauf an, dass Umweltauswirkungen vorliegen "können".

Die Beigeladene hat weder einen Antrag gestellt noch sich zum Verfahren geäußert.

Das Verfahren ist durch Beschluss der Kammer vom 10.01.2023 auf den Einzelrichter übertragen worden.

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO); der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

1. Es handelt sich um ein steckengebliebenes Genehmigungsverfahren, da der Beklagte die übrigen Genehmigungsvoraussetzungen noch nicht vollständig geprüft hat. In der mündlichen Verhandlung hat er hierzu erklärt, dass die bauordnungs- und brandschutzrechtliche Prüfung sowie die Überprüfung des Immissionsschutzgutachtens auf Plausibilität noch nicht erfolgt seien. In einem solchen Fall darf sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die von der Behörde herangezogenen Versagungsgründe die Ablehnung des Antrags tragen, bzw. ob die Genehmigung nach dem bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisstand aus anderen Gründen als den von der Behörde zu Unrecht angenommenen erkennbar zu versagen ist (vgl. BVerwG, U. v. 14.04.1989, 4 C 52/87, juris, Rn. 18; B. v. 25.11.1997, 4 B 179/97, juris Rn. 3; Nds. OVG, B. v. 15.05.2009, 12 LC 55/07, juris Rn. 31).

Der im streitbefangenen Bescheid allein ausgeführte Versagungsgrund, dass das Vorhaben mangels Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB als sonstiges Vorhaben im Außenbereich wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange bauplanungsrechtlich unzulässig sei, trägt diesen nicht. Auch sonst ist kein Versagungsgrund offensichtlich erkennbar.

2. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ist gegeben. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind.

a. Das Vorhaben ist mit 29.995 Junghennenplätzen - allein betrachtet - nach § 7 i.V.m. Anlage 1 Nr. 7.2.3 UVPG nicht vorprüfungspflichtig, da eine standortbezogene Vorprüfung erst ab 30.000 Tierplätzen vorgesehen ist.

Es handelt es sich bei dem vorhandenen Schweinemast- sowie Ferkelstall auf der nordöstlich gelegenen Hofstelle "K. 17, J." und dem geplanten Junghennenaufzuchtstall auch nicht um (nachträglich) kumulierende Vorhaben i.S.d. §10 Abs. 3 Satz 1 UVPG.

Unter welchen Voraussetzungen zwei Vorhaben kumulieren, ist in § 10 Abs. 4 UVPG (n.F.) geregelt und ergibt sich - entgegen des Wortlauts - nicht aus § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, der insofern als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Legaldefinition des UVPG zu verstehen ist (vgl. OVG Schleswig-Holstein, U. v. 11.11.2020, 1 LB 1/18, juris Rn. 128; ebenso: VG Hannover, U. v. 30.11.2020, 12 A 2799/18, juris Rn. 30; VG Münster, U. v. 07.12.2017, 2 K 1930/16, juris Rn. 29). Der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB orientiert sich an der Legaldefinition eines "engen Zusammenhangs" in § 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG a. F. und ist (noch) nicht an das neue Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung angepasst. Bereits aus der Auslegung des § 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UVPG a. F. durch das Bundesverwaltungsgericht ergab sich, dass das Merkmal "auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen" dann erfüllt ist, wenn sich die Umweltauswirkungen der Vorhaben überlagern und die Vorhaben wirtschaftlich und funktional aufeinander bezogen sind (vgl. BVerwG, U. v. 18.06.2015, 4 C 4.14, juris Rn. 24 ff.; U. v. 17.12. 2015, 4 C 7.14, juris Rn. 15 ff.). Auch die Gesetzesbegründung betont, dass die ausdrückliche Wiedergabe des Wortlauts des § 3b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UVPG a.F. in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB lediglich eine klarstellende Funktion hat (vgl. BT-Drs. 17/11468, S. 15).

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 UVPG liegen kumulierende Vorhaben vor, wenn mehrere Vorhaben derselben Art von einem oder mehreren Vorhabenträgern durchgeführt werden und in einem engen Zusammenhang stehen. Ein enger Zusammenhang liegt vor, wenn (1.) sich der Einwirkungsbereich der Vorhaben überschneidet und (2.) die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind (Satz 2). Technische und sonstige Anlagen müssen zusätzlich mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sein (Satz 3).

(1) Gemäß § 2 Abs. 11 UVPG ist Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind. Maßgebend dafür, welche Umweltauswirkungen eines Vorhabens für dessen Zulassung relevant sind, sind die jeweiligen fachrechtlichen Bestimmungen, da das UVPG keine eigenständigen, von den fachrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen unabhängigen materiellen Anforderungen für die Vorhabenzulassung enthält (vgl. Bay. VGH, U. v. 10.07.2019, 22 B 17.124, juris Rn. 44; BT-Drs. 18/11499, S. 14; vgl. auch: Nds. OVG, B. v. 11.03.2019, 12 ME 105/18, juris Rn. 28; OVG NRW, U. v. 22.11.2021, 8 A 973/15, juris Rn. 78-80).

Dabei reicht eine Überschneidung von Immissionsradien zur Annahme eines gemeinsamen Einwirkungsbereichs im Sinne des UVPG nicht aus; im Überschneidungsbereich muss auch ein schutzwürdiges Objekt liegen, auf das die Immissionen einwirken (vgl. Nds. OVG, U. v. 30.06.2021, 1 LC 120/17, juris Rn. 70; Nds. OVG, B. v. 23.11.2021, 1 LA 160/19, juris Rn. 10). An einem solchen Objekt im Überschneidungsbereich der Einwirkungsbereiche fehlt es hier in Bezug auf die Geruchsimmissionen und das Schutzgut "Landschaft".

(a) Im Falle von Geruchsimmissionen ist der Einwirkungsbereich nicht anhand des Beurteilungsgebiets (vgl. Nr. 4.4.2 Abs. 1 GIRL bzw. Nr. 4.4.2 Abs. 1 Anhang 7 TA Luft n.F.), sondern anhand des Irrelevanzkriteriums (vgl. Nr. 3.3 GIRL bzw. Nr. 3.3 Satz 1 Anhang 7 TA Luft n.F.) zu bestimmen (ebenso: VG Bayreuth, U. v. 14.05.2020, B 2 K 17.803, juris Rn. 46; a.A.: Nds. OVG, U. v. 30.06.2021, 1 LC 120/17, juris Rn. 70). Das Beurteilungsgebiet ist die Summe der Beurteilungsflächen, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30fachen der ermittelten Schornsteinhöhe entspricht und mindestens 600 m beträgt. Dem Irrelevanzkriterium zufolge soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 überschreitet, da bei Einhaltung dieses Wertes davon auszugehen ist, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht.

Die Bestimmung des Einwirkungsbereichs bei Geruchsimmissionen anhand des Beurteilungsgebiets wird der Legaldefinition in § 2 Abs. 11 UVPG nicht gerecht, da der Einwirkungsbereich danach nur das Gebiet, in dem "relevante Umweltauswirkungen" auftreten, umfasst. Der Begriff der "relevanten Umweltauswirkungen" erfordert einen individualisierbaren Immissionsbeitrag der Anlage auf den in Einwirkungsbereich einbezogenen Flächen (vgl. zum immissionsschutzrechtlichen Begriff des Einwirkungsbereichs: Nds. OVG, B. v. 02.08.2022, 12 MS 88/22, juris Rn. 15), setzt mithin eine Ursächlichkeit des Vorhabens für die dadurch bedingten Umweltveränderungen voraus und schließt eine pauschale Bestimmung im Sinne einer bestimmten Entfernung aus (vgl. Hoppe / Beckmann / Kment, UVPG, 5. Aufl., § 2 Rn. 152). Das Beurteilungsgebiet bei der Geruchsimmissionsermittlung stellt lediglich ein "Suchgebiet" dar, in dem erhebliche Geruchsimmissionen potentiell auftreten können und das auf solche Immissionen im Rahmen der Begutachtung zu untersuchen ist; mithin können Beurteilungsflächen innerhalb des Beurteilungsgebiets relevante Geruchsimmissionen aufweisen, sie müssen es jedoch nicht. Die durch das Irrelevanzkriterium abgegrenzte Fläche ist hingegen ein Bereich, in dem die Geruchsbelästigung relevant erhöhende Geruchsimmissionen (sicher) zu erwarten sind.

Daran ändert auch ein Verweis auf die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 76) nichts, in der die Rede davon ist, dass nach der neuen Legaldefinition der Einwirkungsbereich auf das Gebiet beschränkt ist, in dem Umweltauswirkungen eines Vorhabens, die für die Zulassung relevant sind, auftreten "können" (a.A.: OVG NRW, B. v. 16.03.2020, 10 A 360/18, juris Rn. 35-38). Dieser in der Gesetzesbegründung enthaltene Zusatz ("können") ist zum einen nicht zum Wortlaut des Gesetzestextes geworden. Zum anderen lässt sich das Abstellen auf die bloße Möglichkeit relevanter Umweltauswirkungen nicht mit der Bestimmung des Einwirkungsbereichs bei anderen Immissionsarten in Einklang bringen.

Ein solcher Vergleich zeigt, dass der Einwirkungsbereich anderer Immissionsarten - wie beim Irrelevanzkriterium - anhand jeweils konkret relevanter Zusatzbelastungen und nicht im Sinne eines durch einen Radius gezogenen, abstrakten "Suchgebiets" bestimmt wird. So definiert Nr. 2.2 TA Lärm den Einwirkungsbereich einer Anlage als diejenigen Flächen, in denen die von der Anlage ausgehenden Geräusche (a) einen Beurteilungspegel verursachen, der weniger als 10 dB(A) unter dem für diese Fläche maßgebenden Immissionsrichtwert liegt, oder (b) Geräuschspitzen verursachen, die den für deren Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwert erreichen. Mithin werden die relevanten von den nicht relevanten Lärmimmissionen durch die Grenzziehung anhand eines bestimmten Abstand des Beurteilungspegels zum Immissionsrichtwert für jeden einzelnen Umgebungspunkt anhand der konkret zu erwartenden Lärmdruckpegel unterschieden. Auch bei der Ermittlung der Ausbreitung von Stickstoffdepositionen in FFH-Gebiete bzw. gesetzlich geschützte Biotope wird zur Bestimmung des Einwirkungsbereichs auf eine tatsächlich auftretende Mindestzusatzbelastung, das Abschneidekriterium von 0,3 kg N/(ha*a), abgestellt (vgl. BVerwG, U. v. 21.01.2021, 7 C 9/19, juris Rn. 29). Das Heranziehen des Beurteilungsgebiets i.S. der GIRL bzw. des Anhangs 7 TA Luft als Einwirkungsbereich i.S.d. § 2 Abs. 11 UVPG hätte im Gegensatz dazu zur Folge, dass sich der Einwirkungsbereich abstrakt, nur anhand der Schornsteinhöhe einer Anlage - und damit völlig unabhängig von der Intensität der konkret emittierten Gerüche und der zu erwartenden Geruchsimmissionen auf den einzelnen Beurteilungsflächen - bestimmen würde. Anders als Anlagen mit geringen Lärm- oder Ammoniak- bzw. Stickstoffemissionen würden Anlagen mit noch so geringen Geruchsemissionen innerhalb eines mindestens 600m-Radius immer kumulieren. Das würde den Gesetzesbegriff "relevant" nicht entsprechen.

Dem immissionsschutztechnischen Bericht der "H. Immissionsschutz & Umweltgutachter GmbH" vom 17.01.2020 lässt sich entnehmen das die 2%-Isolinie des streitbefangenen Bauvorhabens weit südlich der Hofstelle "I. 17, J." endet (vgl. Bl. 233 VV-Antragsunterlagen). Auch wenn den Verwaltungsvorgängen keine Aussagen über die Geruchsimmissionen durch die Mastschweine- und Ferkelhaltung an der Hofstelle zu entnehmen sind, liegt im Bereich der relevanten Geruchsimmissionen des Bauvorhabens - und damit auch im (potentiellen) Überschneidungsbereich der beiden Einwirkungsbereiche - jedenfalls kein schutzwürdiges Objekt - wie etwa ein Wohnhaus -, sondern lediglich landwirtschaftlich genutzte Fläche.

(b) Im Hinblick auf das Schutzgut "Landschaft" (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG) dürfte die Annahme des Beklagten, dass Vorhaben, die optisch vom jeweils anderen Vorhaben wahrnehmbar - mithin nicht optisch getrennt - sind, überschneidende Einwirkungskreise besitzen, zwar zutreffen. Jedoch ist weder dargelegt worden noch sonst erkennbar, dass sich in dem so gebildeten Überschneidungsbereich ein schutzwürdiges Objekt befindet, auf das sich die Errichtung des Stallbauvorhabens relevant optisch beeinträchtigend auswirken könnte. Die gesamte Umgebung des Bauvorhabens und der Hofstelle "I. 17, J." ist fast ausschließlich durch landwirtschaftliche Flächen mit verstreut liegenden Hofstellen geprägt. Die sich in einer Entfernung von mehr als 1 km südöstlich befindliche Waldfläche dürfte bereits außerhalb des Überschneidungsbereichs liegen und ist zudem durch einen darum herum gruppierten Windpark optisch erheblich vorbelastet.

(2) Das Gericht lässt mangels Entscheidungserheblichkeit offen, ob die weitere Voraussetzung des § 10 Abs. 4 Satz 3 UVPG, dass die Anlagen durch gemeinsame betriebliche oder bauliche Einrichtungen verbunden sind, gegeben wäre.

b. Dem Vorhaben stehen keine öffentlichen Belange entgegen.

Ob öffentliche Belange einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen, ist im Wege einer "nachvollziehenden" Abwägung zu ermitteln. Dabei sind die öffentlichen Belange je nach ihrem Gewicht und dem Grad ihrer nachteiligen Betroffenheit einerseits und das kraft der gesetzlichen Privilegierung gesteigert durchsetzungsfähige Privatinteresse an der Verwirklichung des Vorhabens andererseits einander gegenüberzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 27.01.2005, 4 C 5/04, juris Rn. 18). Privilegierte Vorhaben genießen den Vorzug, dass sie vom Gesetzgeber dem Außenbereich in planähnlicher Art zugewiesen sind, während sonstige Vorhaben nicht durch eine derartige Aussage unterstützt werden, vielmehr im Gegenteil grundsätzlich im Außenbereich nicht ausgeführt werden sollen (vgl. BVerwG, U. v. 25.10.1967, IV C 86.66, juris Rn. 12).

Konkrete Beeinträchtigungen der öffentlichen Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts (vgl. § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB) hat der Beklagte weder in den streitbefangenen Bescheiden noch in seinen Ausführungen im Gerichtsverfahren vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Allein, dass durch das Vorhaben ein neuer Betriebsstandort errichtet und Außenbereichsflächen versiegelt werden, stellt keinen entgegenstehenden öffentlichen Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB dar. Mit dem öffentlichen Belang der Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft wird außer dem Schutz einer im Einzelfall schutzwürdigen Landschaft vor ästhetischer Beeinträchtigung das Ziel verfolgt, das Vordringen von Vorhaben in den Außenbereich zu verhindern, die, selbst bei mehr oder weniger gelungener Einfügung in das Landschaftsbild, der beabsichtigten Nutzung nach in der Umgebung wesensfremd sind (vgl. BVerwG, B. v. 30.07.1971, IV B 109.70, juris Orientierungssatz). Anhaltspunkte für eine ästhetische Beeinträchtigung schutzwürdiger Landschaft sind - wie bereits ausgeführt - angesichts der fast ausschließlich landwirtschaftlichen Nutzung der umliegenden Flächen weder erkennbar noch vorgetragen. Insbesondere kann vor dem Hintergrund der Vielzahl verstreut liegender Hofstellen in der näheren und weiteren Umgebung und des weiter südöstlich befindlichen Windparks keine Rede davon sein, dass es sich um einen weitgehend unzerschnittenen Landschaftsraum i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG handelt. Eine wesensfremde Nutzung stellt das Vorhaben schon angesichts der landwirtschaftlichen Prägung der Umgebung und der gesetzlichen Privilegierung nicht vorprüfungs- und nicht UVP-pflichtiger, gewerblicher Tierhaltungsanlagen in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB nicht dar.

Der Grundsatz, dass der "vernünftige Land- bzw. Forstwirt" - auch unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs - ein Vorhaben grundsätzlich auf der eigenen Betriebsfläche und in räumlicher Nähe zum Betrieb zu errichten hat (vgl. BVerwG, U. v. 16.05.1991, 4 C 2/89, juris Rn. 16-19), mithin eine räumliche Zuordnung landwirtschaftlicher Gebäude zu den landwirtschaftlichen Betriebsflächen bestehen muss (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.1985, 4 C 71/82, juris Rn. 14), was grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Hofstellte und landwirtschaftlichen Stallanlagen gelten dürfte (vgl. Nds. OVG, U. v. 18.06.2003, 1 LB 143/02, juris Rn. 64ff.), findet auf gewerbliche Tierhaltungsanlagen i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB keine Anwendung, da dieser Grundsatz an den Begriff des "Dienens" in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB anknüpft und eine gewerbliche Tierhaltung gerade keine Anknüpfung an einen landwirtschaftlichen Betrieb voraussetzt.

Auch der Gesetzesbegründung der "Baurechtsnovelle 2013" (vgl. BT-Drs. 17/11468, S. 14-15) lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Inanspruchnahme des Außenbereichs durch gewerbliche Tierhaltungsbetriebe ohne konkreten Flächenbezug in der Weise gesteuert werden sollte, dass auch diese grundsätzlich nur an landwirtschaftlichen Hofstellen errichtet werden dürfen. Danach sollte die Privilegierung gewerblicher Tierhaltungsanlagen angesichts deren in den letzten Jahren stark zugenommenen Anzahl auf nicht UVP-pflichtige Anlagen beschränkt werden, ohne die bisherigen Steuerungsmöglichkeiten für Standorte gewerblicher Tierhaltungsanlagen in Frage zu stellen. Mithin gibt die Gesetzesbegründung über die Entprivilegierung "großer" gewerblicher Tierhaltungsanlagen - wie sie durch die Änderung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zur Gesetzesfassung geworden ist - hinaus nichts dafür her, dass zugleich auch eine Standortsteuerung oder -einschränkung "kleiner" gewerblicher Tierhaltungsanlagen beabsichtigt gewesen ist.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der notwendig beigeladenen Gemeinde sind nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil sie sich weder durch Antragstellung nach § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt noch etwas zur Durchdringung des Sach- und Streitstoffes beigetragen hat (vgl. Nds. OVG, B. v. 29.04.2020, 1 ME 99/19, juris Rn. 23). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, wie die Einwirkungsbereiche kumulierender Vorhaben in Hinblick auf Geruchsimmissionen zu bestimmen sind, und wegen Divergenz zum Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30.06.2021 (1 LC 120/17, juris Rn. 70) bezüglich der Frage, ob die "Immissionsradien" (der Beurteilungsgebiete) oder die sich aus der Anwendung des Irrelevanzkriteriums ergebenden Gebiete für die Bestimmung der Einwirkungsbereiche maßgeblich sind, zugelassen.