Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.06.2007, Az.: 13 A 2857/05
Abformlöffel; anerkannte Regeln; Anfertigung eines Modells; Arzthonorar; Begründung; Begründungsumfang; Beihilfefähigkeit; Besonderheiten; Darlegung; Darlegungspflicht; doppelter Zeitaufwand; erhöhte Blutungsneigung; erhöhter Steigerungssatz; Erschwernis; extrem starker Würgereiz; funktionsanalytische Leistungen; funktionstherapeutische Leistungen; Gebührensatz; Gebührenziffer; GOZ; Indikationen; individueller Löffel; Krankheitsprozess; Krankheitsverlauf; Norddeutsche kirchliche Versorgungskasse; Notwendigkeit von Aufwendungen; Planungsmodell; Schwellenwert; Schwellenwertüberschreitung; starker Würgereiz; Veränderung des Kiefers; Würgereiz; zahnärztliche Kunst; zahnärztliche Leistungen; zweites Planungsmodell
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.06.2007
- Aktenzeichen
- 13 A 2857/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71716
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 1 BhV
- § 6 Abs 1 Nr 1 BhV
Tenor:
Soweit die Klage zurückgenommen bzw. soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird verpflichtet, folgende Positionen der zahnärztlichen Rechnung vom 08.07.2004
- Behandlungstag 14.06.2004 GOZ 233 bis zum 3,2fachen
- Behandlungstag 01.07.2004 GOZ 010 bis zum 3,0fachen
- GOZ 009 bis zum 3,0fachen
- GOZ 307 bis zum 3,2fachen
- GOZ 236 bis zum 3,5fachen
- GOZ 241 bis zum 3,5fachen
- GOZ 244 bis zum 3,5fachen
- GOZ 233 bis zum 3,2fachen
- GOZ 277 bis zum 3,0fachen
- Behandlungstag 08.07.2004 GOZ 221 bis zum 3,5fachen
- GOZ 227 bis zum 3,5fachen
- GOZ 233 bis zum 3,2fachen
des einfachen Gebührensatzes als beihilfefähig anzuerkennen und der Klägerin entsprechend Beihilfen zu bewilligen.
Der Bescheid der NDKV vom 05.08.2004 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.04.2005 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Kirchenbeamtin und mit einem Satz von 50 von Hundert beihilfeberechtigt. Sie begehrt eine weitere Beihilfe für streitige Positionen in einer Zahnarztrechnung.
Die Klägerin war am 14.06., 01.07., 06.07. und 08.07.2004 beim Zahnarzt Dr. M. in Behandlung. Unter dem 08.07.2004 stellte der Zahnarzt der Klägerin daraufhin für diese Behandlung einen Gesamtbetrag von 3013,64 € in Rechnung.
Unter anderem berechnete der Zahnarzt folgende Positionen:
TagZahnPos. Nr.BezeichnungAnzahlSatz€Erläuterung
14.06. 35 233 Erhaltung der Pulpa bei Caries profunde 1 3,2 19,80 e) f) g)
005 Planungsmodell 1 2,3 6,46
01.07. 35 010 Leitungsanästhesie 1 3,0 11,82 e)
36 009 Infiltrationsanästhesie 1 3,0 10,11 e)
37-35 307 Exzision von Schleimhaut 3 3,2 24,27 e) f) g)
35 236 Exstirpation der Pulpa 1 3,5 21,66 e) g)
35 241 Aufbereitung eines Wurzelkanals 1 3,5 55,12 e) g)
35 244 Füllung eines Wurzelkanals 1 3,5 39,37 e)
06.07. 36 233 Erhaltung der Pulpa bei Caries profunda 1 3,2 19,80 e)
37 233 Erhaltung der Pulpa bei Caries profunda 1 3,2 19,80 e)
37-35 227 Provisorische Krone 3 3,0 136,71 e)
08.07. 006 Planungsmodelle 1 2,3 33,62
37-35 221 Krone 3 3,5 767,64 a)
37-35 227 provisorische Krone 6 3,5 318,96 b)
OK UK 517 Abformung mit indiv. Löffel 2 3,5 98,42 c)
801 Registrieren der Zentrallage des Unterkiefers 1 3,3 33,39 d)
802 Modellmontage, arbiträre Achsenbestimmung 1 3,3 74,25 b)
804 Montage Gegenkiefermodell 1 3,0 33,75 b)
37-36 233 Erhaltung der Pulpa bei Caries profunda 2 3,2 39,60 e) i)
Erläuterungen:
a) doppelter Zeitaufwand als normal, Erschwerung durch starken Würgereiz, vollkeramische Verblendung der Krone
b) Erschwerung durch starken Würgereiz, doppelter Zeitaufwand als normal
c) Erschwerung durch starken Würgereiz, doppelter Zeitaufwand als normal, Leistung wurde mehrfach erbracht
d) doppelter Zeitaufwand als normal, Erschwerung durch starken Würgereiz
e) Erschwerung durch starken Würgereiz
f) erhöhte Blutungsneigung
g) doppelter Zeitaufwand als normal
h) Schmelz-Dentin-Adhäsiv-Schicht-Technik
i) schwer zugängliches Arbeitsgebiet
Daneben wurden noch an Laborkosten 191,50 € und 835,54 € in Rechnung gestellt.
Mit Bescheid vom 05.08.2004 gewährte die Norddeutsche Kirchliche Versorgungskasse (NDKV) der Klägerin auf diese Rechnung lediglich eine Beihilfe in Höhe von 855,49 €. Grundlage war, dass sie lediglich einen Betrag iHv. 1.732,30 € als beihilfefähig anerkannte. Die Aufwendungen für zahntechnische Leistungen seien danach nur zu 60 von Hundert überhaupt beihilfefähig; soweit zum Teil der Schwellenwert das 2,3fache des einfachen Gebührensatzes vom Zahnarzt überschritten worden sei, fehle es an einer ausreichenden Begründung, die Abrechnung einer Gebühr nach Ziff. 517 GOZ komme nur in Zusammenhang mit prothetischen Leistungen in Betracht und Aufwendungen für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen nach Abschnitt J des Leistungsverzeichnisses der GOZ seien nur bei Vorliegen hier nicht gegebener besonderer Indikationen beihilfefähig.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin eine Erklärung ihres Zahnarztes vom 18.01.2005 (Bl. 16 der Verwaltungsvorgänge) vor, wonach die Gebührenziffer 227 GOZ vom 08.07.2004 für Zahn 35-37 irrtümlich 6x berechnet worden, aber nur 3x angefallen sei. Die Neuanfertigung der provisorischen Kronen am 08.07.2004 sei abrasionsbedingt erforderlich geworden. Mit Schreiben vom 24.08.2004 legte die Klägerin dann auch ein Formblatt hinsichtlich der 800er Gebührenziffern vor. Der klinische Funktionsstatus wurde danach am 23.08.2004 erhoben. Wegen der näheren Einzelheiten wird insoweit auf Bl. 36 der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005, zugestellt am 23.04.2005, half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin zum Teil ab, wies ihn aber im Übrigen zurück und forderte gleichzeitig eine Beihilfe in Höhe von 54 € zurück. Nunmehr setzte die Beklagte die beihilfefähigen Aufwendungen auf 1.624,30 € fest.
Im Einzelnen: Die Schwellenwertüberschreitungen könnten nicht anerkannt werden. Ein Würgereiz trete bei vielen Patienten auf und stelle keine außergewöhnliche Belastung dar, die natürliche Lage der Zähne sei ebenfalls keine außergewöhnliche Besonderheit des Einzelfalles dar. Nach alledem könnten die Gebühren zu den Gebührenziffern 010,221,227,233,236,241,244 und 307 GOZ nicht anerkannt werden soweit mehr als der 2,3fache Gebührensatz berechnet worden sei. Nicht beihilfefähig sei mithin insoweit ein Betrag von 372,64 €.
Am 01.07.04 sei neben GOZ 009 auch GOZ 010 für den Zahn 35 berechnet worden. Die Infiltrationsanästhesie sei neben der Leitungsanästhesie nur dann berechnungsfähig, wenn jeweils ein eigenständiges Krankheitsgeschehen behoben bzw. beeinflusst werden solle. Mit der intraoralen Leitungsanästhesie (Gebührenziffer 010 GOZ) sei eine Betäubung für die Zähne 35 und 36 erfolgt. Es sei nicht erkennbar, weshalb daneben nach GOZ 009 noch 10,11 € in Rechnung gestellt worden seien. Dieser Betrag könne deshalb nicht als beihilfefähig anerkannt werden.
Da am 14.06.2004 bereits die Ziff. GOZ 005 berechnet worden sei, sei keine Notwendigkeit für die GOZ-Ziff. 006 am 08.07.2004 erkennbar. Der Betrag von 33,62 € werde ebenfalls nicht als notwendig anerkannt.
Die Abformungen im Zusammenhang mit der Versorgung von Zähnen mit Einzelkronen seien mit den Ziff. 220 bis 222 GOZ abgegolten. Die Ziff. 517 GOZ komme daneben nicht in Betracht. Insoweit sei auch der in Rechnung gestellte Betrag von 98,42 € nicht beihilfefähig.
Maßnahmen zur Bestimmung der Kieferrelation seien mit den Gebühren für Inlays, Kronen, Brücken u.ä. abgegolten. Darüber hinaus seien funktionstherapeutische und funktionsanalytische Maßnahmen nur beihilfefähig, wenn vorher der nach Gebührenziffer 800 GOZ vorgeschriebene Befund erhoben werde, hier sei er jedoch im Nachhinein erst erfolgt. Auch der weitere Rechnungsbetrag von 141,39 € sei damit nicht beihilfefähig.
Hinsichtlich der berechneten sechs Leistungen zu GOZ-Ziff. 227 am 08.07.2004 habe der Zahnarzt bestätigt, dass diese irrtümlich doppelt erhoben und nur dreimal angefallen seien. Auch auch die drei erbrachten Leistungen seien nicht notwendig gewesen, weil zwei Tage zuvor bereits provisorische Kronen angebracht worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb diese nach zwei Tagen schon so abgenutzt gewesen sein konnten, dass neue erforderlich waren. Nicht beihilfefähig sei insoweit der Betrag von 318,96 €. Da bereits hierfür eine Beihilfe iHv. 209,46 € geleistet worden sei, werde die geleistete Beihilfe insoweit zurückgefordert. Durch die teilweise Abhilfe und Nachbewilligung von Beihilfe ergebe sich letztendlich aber nur eine Überzahlung iHv. 54 €, die zurückzuzahlen sei.
Die in Rechnung gestellten Material- und Laborkosten seien nur in Höhe von 60 v.H. beihilfefähig. Daher sei ein Betrag von 414,20 € insoweit nicht beihilfefähig.
Die Klägerin hat am 18.05.2005 Klage erhoben
Sie trägt vor: Ein starker Würgereiz führe zu großen Schwierigkeiten bei der Behandlung und rechtfertige deshalb den erhöhten Steigerungssatz. Sie könne überdies ein Absauggerät nicht dauerhaft im Munde ertragen. Während der Behandlung müsse daher die Zahnarzthelferin in kurzen Intervallen die angesammelte Flüssigkeit absaugen. Bei anderen Beihilfeanträgen der Klägerin habe die Beklagte den Würgereiz auch als Grund der Schwellenwertübertretung anerkannt.
Zur Frage des Würgereizes legte die Klägerin im Laufe des Klageverfahrens eine Stellungnahme ihres Zahnarztes vor (Bl. 34ff. der Gerichtsakte).
Die Klägerin führte dann weiter aus
zu GOZ-Ziff. 006:
wegen Fortschreiten des Krankheitsprozesses habe abgeklärt werden müssen, ob funktionstherapeutische Maßnahmen ausreichend sein würden. Auf eine kostenträchtige Funktionsanalyse habe der Zahnarzt verzichten können, er habe jedoch zur Auswertung ein Modell vom Unter- und Oberkiefer benötigt. Das am 14.06.2004 angefertigte Modell sei dafür nicht mehr geeignet gewesen.
Zu GOZ-Ziff. 009
Neben der Leitungsanästhesie sei bei ihr eine zusätzliche Infiltrationsanästhesie wegen eine Anastomose erforderlich gewesen. Durch die Leitungsanästhesie sei das Behandlungsgebiet nicht vollständig betäubt gewesen, weil ein zusätzlicher Nerv in dieses Gebiet reiche.
Zu GOZ-Ziff. 517
wegen des ausgeprägten Würgereizes sei eine Abdrucknahme mit normalen anatomischen Löffeln nicht möglich. Es seien individuelle Abdrucklöffel erforderlich gewesen. Ohne den Abdruck sei sie nicht behandlungsfähig gewesen.
Zu GOZ-Ziff. 227
Die provisorische Krone sei besonders starken Kräften ausgesetzt. Im Falle der Klägerin habe diese wiederholt hergestellt werden müssen
Zu GOZ-Ziff. 800 ff.
Ein Befund nach Ziff. 800 sei nicht erforderlich gewesen.
Außerdem legte die Klägerin eine weitere Stellungnahme ihres Zahnarztes vom 06.01.2007 vor, auf die wegen des näheren Inhaltes verwiesen wird (Bl. 91 Gerichtsakte).
Die Klägerin beantragte zunächst,
die beihilfefähigen Aufwendungen gemäß der Rechnung des Zahnarztes Dr. Wolfgang Mares vom 08.07.2004 auf 3.013,64 € festzusetzen und den Bescheid der Norddeutschen Kirchlichen Versorgungskasse vom 05.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.04.2005 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Am 15.02.2007 (Eingang bei Gericht) nahm die Klägerin ihre Klage hinsichtlich des doppelt in Rechnung gestellten Betrages von 159,48 € (GOZ-Ziff. 227 am 08.07.2004 für Zähne 35-37) und hinsichtlich der nicht als beihilfefähig anerkannten Material- und Laborkosten zurück.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen. Sie sehe zwar die Behandlung der Klägerin als aufwendig und schwierig an, vermag aber keine außergewöhnlichen, aus dem Rahmen fallenden Besonderheiten zu erkennen. Hinsichtlich der Gebührenziffer 006 GOZ sei zu bemerken, dass für diesen Behandlungstag keinerlei Material- bzw. Eigenlaborkosten berechnet worden seien. Hinsichtlich der GOZ-Ziff. 517 stünden die Abrechnungsbestimmungen der Anerkennung entgegen, auch hinsichtlich der GOZ-Ziff. 801 ff. verweise sie auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.
Mit Schriftsatz vom 02.04.2007 erkannte die Beklagte die Beihilfefähigkeit für folgende Rechnungspositionen nachträglich an:
01.07.2004 GOZ 009 Infiltrationsanästhesie 1x bis zum 2,3fachen Gebührensatz
08.07.2004 GOZ 227 provisorische Kronen - 3x bis zum 2,3fachen Gebührensatz
Damit sei eine weitere Beihilfe von 56,24 € zu leisten, so dass die Rückforderung von 54,00 € entfalle und von ihr noch der Restbetrag von 2,24 € an die Klägerin zu leisten sei.
Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 02.04.2007 nachträglich die Beihilfefähigkeit anerkannt hat, erklärte die Klägerin die Hauptsache mit Schriftsatz vom 09.05.2007 für erledigt, die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.05.2007.
Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer und mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter. Weiterhin ergeht im Einverständnis der Beteiligten die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde oder von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war das Verfahren einzustellen.
Die im Übrigen zulässige Klage ist soweit sie aufrechterhalten wurde jedoch nur teilweise begründet.
Kirchenbeamte der Beklagten haben nach den für sie in erster Linie anzuwendenden kirchenrechtlichen Bestimmungen einen Beihilfeanspruch nach den im Land Niedersachsen für Landesbeamte geltenden Vorschriften.
Soweit die Überschreitung des Schwellenwertes von 2,3 mit einem extrem ausgeprägten Würgereiz bzw. erhöhter Blutungsneigung der Klägerin begründet wurde, sind die von der Beklagten bemängelten Rechnungspositionen auch beihilfefähig, soweit der genannte Schwellenwert überschritten wurde, 3§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 BhV.
Es handelt sich dabei um folgende Rechnungspositionen:
- am 14.06 die Gebührenziffer GOZ 233
- am 01.07. die Gebührenziffern 009,010, 307, 236, 241, 244
- am 06.07. die Gebührenziffern 233, 227
- am 08.07. die Gebührenziffern 221, 227,233
Richtig ist, dass es einer besonderen, auf den Einzelfall bezogenen Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes bedarf. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Unstreitig leidet die Klägerin aber auch an einem Würgereiz, mit dem die Überschreitung des Schwellenwertes entsprechend begründet wurde. Die Beklagte hält dies allerdings nicht für besonders außergewöhnlich.
Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Erklärungen ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin unter einem besonders ausgeprägten Würgereiz leidet, der die Behandlung wesentlich erschwert und deshalb Besonderheiten im Sinn des § 5 Abs. 2 GOZ vorgelegen haben, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen. Der Einwand der Beklagten überzeugt nicht. Es mag zwar sein, das leichtere Würgereize bei einer Reihe von Patienten vorkommen, ein extrem starker Würgereiz ist jedoch eine derartige Besonderheit, dass diese nicht mehr von einem Gebührenrahmen bis zum 2,3fachen angemessen erfasst werden kann.
Die Klägerin hat im Übrigen keinen Anspruch auf weitergehende Beihilfeleistungen. Insoweit ist die Klage unbegründet.
* Zu GOZ-Ziff. 006 am 08.07.2004
Hingegen hat die Beklagte zu Recht die Rechnungsposition nach GOZ-Ziff. 006 am 08.07.2004 nicht als beihilfefähig anerkannt. Denn die Notwendigkeit dieser Aufwendungen iSd § 5 Abs. 1 Nr. 1 BhV wurde von der Klägerin nicht dargetan.
Ausweislich der Rechnung vom 08.07.2004 wurde bereits am 14.06.2004 ein Planungsmodell erstellt, dessen Beihilfefähigkeit von der Beklagten auch anerkannt wurde. Die Notwendigkeit der Anfertigung eines zweiten Planungsmodells rund zwei Wochen später hat die Klägerin nicht überzeugend darlegen können. Soweit sie im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.06.2007 auf die Erklärung ihres Zahnarztes vom 06.01.2007 (Blatt 91 ff. der Gerichtsakte) verweist, vermögen die dortigen Ausführungen der Klage insoweit nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Zahnarzt geht in diesem Schreiben auf die am 08.07.2004 in Rechnung gestellte GOZ-Ziff. 006 nicht weiter ein. Er führt dort nur aus, die Gebührenziffern 005 oder 006 seien dann berechenbar, wenn diagnostische und/oder planerische Leistungen durch den Zahnarzt erbracht werden. Die Beklagte hat aber auch die Anfertigung eines Planungsmodells ohne weiteres als beihilfefähig anerkannt. Fraglich ist hier nur die Notwendigkeit eines zweiten Planungsmodells. Die Ausführungen zur Notwendigkeit eines zweiten Modells im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 06.02.2007 (Bl. 81 oben) sind jedoch zu unsubstantiiert, um die Notwendigkeit belegen zu können. Weder ist der vorgetragene Krankheitsprozess näher dargelegt worden, noch wurde erläutert, weshalb ggf. der Zahnarzt nicht gleich bis zum Behandlungstermin am 08.07.2004 mit der Anfertigung eines Modells hat warten können. Denkbar ist zwar durchaus, dass auch zwei hintereinander angefertigte Planungsmodelle beihilfefähig sind. Zum Einen dann, wenn bereits am ersten Behandlungstag ein derartiges Modell notwendig gewesen ist, welches wegen eines substantiiert dargelegten Krankheitsverlaufes später nicht mehr verwendet werden konnte, obwohl auch später noch ein Modell erforderlich war oder etwa, wenn es den anerkannten Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechen würde, sogleich am ersten Behandlungstermin ein Modell für den späteren Gebrauch zu fertigen und ohne dass seinerzeit schon erkennbar gewesen wäre, dass der Krankheitsverlauf den Kiefer so verändern wird, dass dieses Modell später doch nicht mehr verwendbar ist.
Aus dem Vortrag der Klägerin ergeben sich für diese grundsätzlich denkbaren Versionen jedoch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte. Es ist erst einmal Sache der Klägerin, die Notwendigkeit einer Behandlungsmaßnahme darzulegen. Sie dürfte insoweit einen (zivilrechtlichen) Auskunftsanspruch gegenüber ihren Zahnarzt aus dem mit diesem abgeschlossenen Dienstvertrag haben, so dass ihr eine entsprechende Darlegung auch möglich ist. Ihre Darlegungspflicht wird nicht durch den Hinweis, das Gericht könne ja den Zahnarzt hören, genüge getan. Ohne substantiierten nachvollziehbaren Vortrag der Klägerin liefe dies auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.
Zu GOZ-Ziff. 517 am 08.07.2004
Die Rechnungsposition nach GOZ-Ziff. 517 ist ebenfalls nicht beihilfefähig. Zwar sind grundsätzlich zahnärztliche Leistungen beihilfefähig (§ 6 Abs. 1 BhV des Bundes, die auch in Niedersachsen anzuwenden sind). Der Aufwand für die Abformung bei konservierenden Leistungen ist jedoch nach dem Erläuterung in der Anlage 1 zur GOZ bei Ziffer 222 durch die Nummern 215 bis 217 und 220 bis 222 abgegolten und kann nicht noch einmal besonders berechnet werden. Die Gebührenziffer 517 gehört zu den prothetischen Leistungen und regelt das Entgelt für die anatomische Abformung des Kiefers mit individuellen Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezieller Abformung zur Remontage. Entsprechende prothetische Leistungen wurde im Rahmen der Rechnung vom 08.07.2004 nicht erbracht.
Es ist zwar für das Gericht nachvollziehbar, dass auf Grund des starken Würgereizes bei der Klägerin ein „normaler“ Abformlöffel nicht verwendet werden konnte. Muss in diesem Fall ein individueller Löffel verwendet werden, liegt darin eine Erschwernis, die im Rahmen des Gebührenansatzes berücksichtigt werden kann und auch eine Überschreitung des Schwellenwertes von 2,3 zulassen würde. Eine analoge Anwendung der Gebührenziffer 517 kommt hingegen nicht in Betracht. Dafür bietet die GOZ keinen Raum.
Zu den GOZ-Ziff. 801, 802 und 804 am 08.07.2004
Auch diese Rechnungspositionen sind nicht beihilfefähig.
Bei den in Rede stehenden Rechnungspositionen handelt es sich um funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen nach Teil 10 der Anlage 1 zur GOZ.
Das Gericht lässt offen, ob eine Befunderhebung nach GOZ-Ziff. 800 zwingend den Maßnahmen nach den Ziff. 801 ff. vorausgehen muss - wie offenbar die Beklagten meint - oder ob - wie die Klägerin vorträgt - in besonderen Fällen durchaus auf diese Maßnahme verzichtet werden kann bzw. sie überflüssig ist. Darauf kommt es letztendlich nicht an.
Denn nach Anlage 2 zu § 6 BhV sind funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen nur bei Vorliegen bestimmter Indikationen beihilfefähig und zwar bei
- Kiefergelenk- und Muskelerkrankungen (Myoartropathien,
- Zahnbetterkrankungen - Parodontopathien,
- umfangreiche Gebisssanierung, d.h., wenn in jedem Kiefer mindestens die Hälfet der Zähne eines natürlichen Gebisses sanierungsbedürftig ist und die richtige Schlussbissstellung nicht mehr auf andere Weise feststellbar ist,
- umfangreichen kieferorthopädischen Maßnahmen.
Derartige Indikationen lagen bei der Klägerin jedoch nicht vor, so dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BhV in Verbindung mit der Anlage 2 eine Beihilfefähigkeit für diese Aufwendungen nicht gegeben ist. Maßnahmen der Relationsbestimmung bei Kronen etc. sind durch die Gebühren, die hierfür anfallen, mit abgegolten (vgl. Erläuterung bei GOZ-Ziff. 222).
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.