Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.06.2008, Az.: 1 Ws 322/08
Maßgebende Kriterien für die Beurteilung des Erfolges einer auf den Strafausspruch beschränkten Berufung im Sinne von § 473 Abs. 3 Strafprozessordnung (StPO); Bindung des Berufungsgerichtes an den Beschluss des Erstrichters oder an die Beschwerdeentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.06.2008
- Aktenzeichen
- 1 Ws 322/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 21409
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0627.1WS322.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 268a StPO
- § 473 Abs. 3 StPO
Fundstelle
- NStZ-RR 2008, 359 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Gefährliche Körperverletzung
Amtlicher Leitsatz
Für die Beurteilung des Erfolges einer auf den Strafausspruch beschränkten Berufung im Sinne von § 473 Abs. 3 StPO ist es nicht maßgeblich, dass das Berufungsgericht in seinem Bewährungsbeschluss nach § 268 a StPO eine gegenüber dem Amtsgericht wesentlich geringere Geldauflage angeordnet hat.
In der Strafsache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 27. Juni 2008
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird die Kosten und Auslagenentscheidung des Urteils der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts H. vom 14. Mai 2008 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte die Kosten der Berufung und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen dem Angeklagten zur Last.
Gründe
I.
Das Amtsgericht L. verurteilte den Angeklagten am 29. Januar 2008 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 25 EUR aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts L. vom 25. Mai 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Mit dem zugleich verkündeten Bewährungsbeschluss erteilte das Amtsgericht dem Angeklagten eine Zahlungsauflage in Höhe von 1.500 EUR. Gegen das Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Die zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung beschränkte der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin vom 14. Mai 2008, zu dem auch Zeugen geladen waren, auf den Rechtsfolgenausspruch.
Durch Urteil vom 14. Mai 2008 änderte die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts H. den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils dahingehend, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wurde. Die Geldstrafe aus dem Strafbefehl war nicht mehr einzubeziehen, weil diese zwischenzeitlich vollständig gezahlt worden war. Hierfür gewährte das Landgericht einen Härteausgleich. Außerdem erteilte das Landgericht in seinem Bewährungsbeschluss dem Angeklagten eine Zahlungsauflage in Höhe von 900 EUR. Die Kosten und Auslagenentscheidung des Urteils lautet:
"Die Kosten der Berufung und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse mit Ausnahme der Kosten, die durch die Ladung der Zeugen zum heutigen Termin entstanden sind. diese trägt der Angeklagte."
Diese Kosten und Auslagenentscheidung stützte das Landgericht auf § 473 Abs. 1 und 3 StPO. Zur Begründung führte es an, dass der Angeklagte die durch die Ladung der Zeugen entstandenen Kosten zu tragen habe, weil diese nicht entstanden wären, wenn er die Berufung von vornherein auf den Strafausspruch beschränkt hätte. Im übrigen habe seine Berufung im Wesentlichen Erfolg gehabt, weil der Angeklagte sein Ziel, sowohl die Gesamtfreiheitsstrafe als auch die Höhe der im Rahmen des Bewährungsbeschlusses verhängten Geldauflage zu reduzieren, erreicht habe. Dem stehe nicht entgegen, dass die Anpassung der Geldauflage im Wesentlichen auf die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zurück zu führen sei.
Gegen die Kosten und Auslagenentscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde, soweit Kosten und Auslagen der Landeskasse auferlegt worden sind. Sie macht geltend, dass die Berufung nur in geringem Umfang Erfolg gehabt habe, der allein darauf beruhe, dass die Geldstrafe nicht mehr einzubeziehen gewesen sei. Die Höhe der Geldauflage sei bei der Beurteilung des Erfolgs der Berufung unbeachtlich. Der Angeklagte habe daher sämtliche Kosten und Auslagen zu tragen.
II.
Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. StPO statthafte sowie form und fristgerecht erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Angeklagte hat sämtliche Kosten und Auslagen des Berufungsverfahrens zu tragen.
1.
Soweit diese darauf beruhen, dass der Angeklagte seine Berufung erst in der Hauptverhandlung und damit nachträglich beschränkt hat, ergibt sich dies aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, weil die nachträgliche Beschränkung eine Teilrücknahme der Berufung darstellt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 473 Rdnr. 20 m. w. Nachw.). Dies hat das Landgericht zutreffend beurteilt.
2.
Das nach Teilrücknahme noch verbleibende Rechtsmittel hatte indes lediglich einen geringfügigen Teilerfolg, indem der Strafausspruch von 10 Monaten auf 9 Monate reduziert wurde. Der Erfolg eines Rechtsmittels ist durch einen Vergleich der angefochtenen Entscheidung mit dem Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens zu ermitteln (vgl. OLG Köln StV 1993, 649. LR-Hilger. StPO, 25. Aufl., § 473 Rdnr. 22. KK-Franke, StPO, 5. Aufl., § 473 Rdnr. 4. Meyer-Goßner a. a. O. Rdnr. 21. jew. m. w. Nachw.). Dabei kommt es auf einen Vergleich der im Schlussvortrag des Verteidigers beantragten und vom Rechtsmittelgericht zuerkannten Milderung nicht an (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 1998, 221 [OLG Hamm 10.02.1998 - 3 Ws 575/97]. OLG Jena NStZRR 1997, 384. Meyer-Goßner a. a. O.). Ein voller Erfolg der Strafmaßberufung ist daher, auch bei beziffertem Strafantrag der Verteidigung, dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer eine erhebliche Milderung der Strafe erreicht (vgl. OLG Zweibücken MDR 1993, 698. KK-Franke a. a. O.). So kann ein voller Erfolg einer Strafmaßberufung in der Reduzierung der Strafe um die Hälfte, um ein Drittel oder auch noch um ein Viertel gesehen werden (vgl. LR-Hilger a. a. O. Rdnr. 35 m. w. Nachw.). Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Berufung im vorliegen Fall als nur in geringem Umfang erfolgreich. Denn die Strafe wurde lediglich um ein Zehntel reduziert.
Auf die vom Landgericht im Bewährungsbeschluss angeordnete und im Vergleich zu der vom Amtsgericht angeordneten geringere Geldauflage kommt es dabei nicht an. Denn für die Beurteilung des Erfolges eines Rechtsmittels ist nur das maßgeblich, was mit dem Rechtsmittel der Prüfung des Rechtsmittelgerichts unterstellt war (vgl. KK-Franke a. a. O.). Das war vorliegend allein der Strafausspruch im Urteil des Amtsgerichts, nicht jedoch dessen Bewährungsbeschluss. Das Berufungsgericht hat über die Anordnungen der Bewährung neu zu entscheiden, wenn es nach durchgeführter Berufung eine erstinstanzliche Strafaussetzung bestätigt. § 268 a StPO gilt gemäß § 332 StPO auch für die Berufungsinstanz. Das Berufungsgericht ist dabei weder durch den Beschluss des Erstrichters noch durch den nur für die Beschwerdeentscheidung geltenden § 305 a StPO gebunden. Auch das für die Berufung geltende Verbot der Schlechterstellung (§ 331 StPO) gilt für diesen Beschluss nicht (vgl. BGH NStZ 1995, 200 bei Kusch. Meyer-Goßner, a. a. O., § 268 a Rdnr. 2). Das Berufungsgericht erlässt den neuen Bewährungsbeschluss als erstinstanzliches Gericht (vgl. LR-Gollwitzer, a. a.O. § 268 a Rdnr. 20). Es überprüft nicht den Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts. Dieser wird mit Erlass des Berufungsurteils von selbst gegenstandslos (vgl. OLG Celle MDR 1970, 68 [OLG Celle 14.05.1969 - 1 Ws 146/69]. OLG Düsseldorf MDR 1982, 1042. Meyer-Goßner, a. a. O, m. w. Nachw.). Dementsprechend kann der Bewährungsbeschluss als Begründung für den Erfolg der Berufung nicht herangezogen werden.
Ob der hiernach festzustellende Teilerfolg deshalb nicht als solcher angesehen werden kann, weil er nur durch eine nach Zeitablauf gebotene Anpassung an die veränderten Verhältnisse, nämlich die vollständige Zahlung der Geldstrafe, begründet war, kann vorliegend dahin stehen. Es bedarf hier keiner Entscheidung der umstrittenen Frage, ob es für den Erfolg bzw. Teilerfolg eines Rechtsmittels im kostenrechtlichen Sinn auch auf die Gründe der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ankommt (vgl. zum Streitstand LR-Hilger, a. a. O., § 473 Rdnr. 23 m. w. Nachw.). Denn jedenfalls im Rahmen der bei einem Teilerfolg gemäß § 473 Abs. 4 StPO vorzunehmenden Billigkeitsentscheidung kann auch der Umstand, dass der Teilerfolg des Rechtsmittels allein oder im Wesentlichen auf Zeitablauf beruht, berücksichtigt werden (vgl. LR-Hilger, a. a. O., Rdnr. 51). Hinzu kommt, dass davon auszugehen ist, dass der Angeklagte die Berufung auch dann eingelegt hätte, wenn er bereits vom Amtsgericht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden wäre (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 473 Rdnr. 26). Denn sein Verteidiger hatte in erster Instanz noch auf Geldstrafe plädiert, und die Berufung ist zunächst unbeschränkt eingelegt worden. Hiernach sieht der Senat keinen Anlass, den Angeklagten aus Billigkeitsgründen von Kosten und Auslagen zu entlasten oder die Gebühren zu ermäßigen.
III.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 465 Abs. 1 StPO analog.
Dieser Beschluss ist gemäß § 304 Abs. 4 StPO nicht anfechtbar.