Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.06.2008, Az.: 1 Ws 254/08
Bestehen einer Pflicht zur Mitzählung von Samstagen als Werktage bei der Berechnung der Freistellungstage; Bestehen einer Pflicht zur zusammenhängenden Inanspruchnahme der Freistellungstage ohne Auslassung der arbeitsfreien Samstage
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.06.2008
- Aktenzeichen
- 1 Ws 254/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 21402
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0619.1WS254.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 StVollzG
- § 3 Abs. 2 BUrlG
- § 7 Abs. 2 BUrlG
Verfahrensgegenstand
Freistellungstage
Amtlicher Leitsatz
Bei der Berechnung der Freistellungstage nach § 42 Abs. 2 StVollzG sind Samstage als Werktage mit zu zählen. Dies kann nicht durch eine willkürliche Stückelung eines zusammenhängenden Freistellungszeitraums lediglich unter Ausnahme der Samstage umgangen werden.
In der Strafvollzugssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin
gegen den Beschluss der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts L. mit Sitz in C. vom 14. April 2008
nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug und Anhörung des Antragstellers
durch den Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 19. Juni 2008
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss vom 14. April 2008 wird aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2007 in der Fassung vom 1. November 2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Gegenstandswert wird für beide Instanzen auf bis zu 300, Euro festgesetzt.
Gründe
1.
Der Antragsteller, der nach Maßgabe des bis zum 31. Dezember 2007 auch in Niedersachen noch geltenden § 42 Abs. 1 StVollzG im Zeitraum vom 24. August 2006 bis zum 23. August 2007 Anspruch auf achtzehn Freistellungstage erworben hatte, hat mit dem an die Antragsgegnerin gerichteten Antrag vom 23. Oktober 2007 Freistellungstage wie folgt in Anspruch nehmen wollen:
- Montag, 3. Dezember bis Freitag, 7. Dezember 2007,
- Montag, 10. Dezember bis Freitag, 14. Dezember 2007,
- Montag, 17. Dezember bis Freitag, 21. Dezember 2007,
- Montag, 24. Dezember bis Freitag, 28. Dezember 2007,
faktisch also für den Zeitraum vom 3. Dezember bis zum 28. Dezember 2007 mit Ausnahme der jeweiligen Sonn und Feiertage sowie der Samstage. Dieser Antrag wurde mit am 29. Oktober 2007 eröffneten Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Oktober 2007 abgelehnt, soweit Freistellung für mehr als 15 Arbeitstage beantragt worden war. Die Antragsgegnerin hat mit weiterer Begründung ihres Bescheides unter dem 1. November 2007 unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 BUrlG hierzu ausgeführt, Samstage seien Werktage und müssten demnach bei der Berechnung der Freistellungstage mitgezählt werden. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Januar 2008 mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zum Bewilligen von Freistellungstagen entsprechend seinem Begehren, mithin zum Bewilligen von drei weiteren Freistellungstagen zu verpflichten.
Mit Beschluss vom 14. April hat die Strafvollstreckungskammer den Bescheid der Antragsgegnerin aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller drei weitere Freistellungstage zu bewilligen. Die Kammer stützt ihre Entscheidung namentlich auf einen Beschluss des Landgerichts Potsdam und führt aus, der Antragsteller könne selbst entscheiden, ob die von ihm begehrten Freistellungstage auf einem Samstag liegen sollen, auch wenn hierdurch faktisch ein Freistellungszeitraum von mehr als drei Wochen entstehen könne.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer auf eine Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde, mit der sie beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12. Januar 2008 zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin stützt ihr Rechtsmittel insbesondere auf die obergerichtliche Rechtsprechung zu § 42 Abs. 1 StVollzG sowie auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 3 Abs. 2 BUrlG. Der Zentrale Juristische Dienst für den Niedersächsischen Justizvollzug vertritt das Rechtsmittel. Der Antragsteller hatte rechtliches Gehör.
2.
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zulässig und auch im Übrigen zulässig erhoben.
3.
Das sorgfältig begründete Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung konnte keinen Bestand haben.
a)
Nach dem bis zum 31. Dezember 2007 auch in Niedersachen noch geltenden § 42 Abs. 1 StVollzG hat der Antragsteller einen Anspruch auf achtzehn Freistellungstage erworben. Dieser Anspruch ist infolge des vom Antragsteller angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin durch Bewilligen der dort bestimmten Freistellungstage bereits erloschen. Ein hierüber hinaus gehender Anspruch auf weitere Freistellungstage für den maßgeblichen Zeitraum besteht nicht.
b)
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei der Auslegung des Begriffs ,Werktag' im Sinne von § 42 Abs. 2 StVollzG auf die Regelung in § 3 BUrlG zurückzugreifen ist, wonach als Werktage alle Kalendertage gelten, die nicht Sonn oder Feiertage sind (OLG Stuttgart, NStZ 1982, 263. OLG Hamm, ZfStrVo 1983, 124. KG NStZ 2001, 413). Auch in der Literatur wird diese Einschätzung zu weiten Teilen geteilt (Callies/MüllerDietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Aufl., § 42 Rn. 6. Schwindt/Böhm/JehleMatzke/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl., § 42 Rn. 10. Arloth/Lückemann, Strafvollzugsgesetz, § 42 Rn. 5). Dies ist im Grundsatz auch unstreitig.
Soweit demgegenüber aber vorgebracht wird, Samstage dürften gleichwohl nicht von den Freistellungstagen abgezogen werden, (LG Potsdam vom 19.10.2001, 20 Vollz 212/2001. AKFeest, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, 5. Aufl., § 42 Rn. 17), kann dieser Einwand nicht überzeugen. Denn die auch nach Auffassung des erkennenden Senats für die Auslegung von § 42 Abs. 2 StVollzG heranzuziehende Vorschrift des § 3 Abs. 2 BUrlG bestimmt schon vom Wortlaut ausdrücklich, dass Werktage alle Kalendertage sind, die nicht Sonn oder Feiertage sind. Samstage sind hiernach ebenfalls Werktage. Dies gilt auch, wenn sie - wie dies nach Einführung der sog. 5TageWoche nunmehr weitgehend üblich ist - nicht Arbeitstage sind und kann jedenfalls nicht mit dem Argument entkräftet werden, dass die im BUrlG erfolgte Verlängerung der Mindesturlaubszeit auf 24 Werktage [von früher ebenfalls 18 Werktagen] in der Regelung des § 42 StVollzG keinen Niederschlag gefunden hat. Dies ist als gesetzgeberische Grundentscheidung vielmehr hinzunehmen.
In denjenigen Fällen, in denen sich wie vorliegend Werktage und Arbeitstage nicht decken (was häufig, aber keinesfalls immer die Samstage betreffen dürfte) sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur MDR 1987, 462 [OLG Köln 30.04.1987 - 5 W 39/87]) jedenfalls bei fehlender tarif oder arbeitsvertraglicher Umrechnungsregelung Werktage und Arbeitstage rechnerisch so in Beziehung zueinander zu setzen, dass bei der Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als sechs Arbeitsage die Gesamtdauer des Urlaus durch die Zahl sechs geteilt und mit der Zahl der Arbeitstage einer Woche multipliziert wird (vgl. auch Neumann/Fenski, Bundesurlaubsgesetz, 9. Aufl., § 3 Rn. 20. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12. Aufl., § 102 Rn. 41 m.w.N.). Diesen Umrechnungsmaßstab zugrunde gelegt, hat der Antragsteller einen Anspruch auf einen Freistellungszeitraum einschließlich der Samstage von faktisch drei Wochen erworben.
Dies bejaht [unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Stuttgart (a.a.O.)] vorliegend auch die Strafvollstreckungskammer - jedenfalls für einen zusammen hängenden Freistellungszeitraum - dem Grunde nach. Soweit die Strafvollstreckungskammer indessen meint, es sei legitim, wenn der Antragsteller seine Freistellungstage nicht zusammenhängend nehmen, sondern hiervon die für ihn arbeitsfreien Samstage ausnehmen wolle, kann dem nicht gefolgt werden. Denn hierbei bleibt - neben der hier bereits benannten obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 42 StVollzG und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - die grundlegende Regelung des § 7 Abs. 2 BUrlG außer Acht, nach welcher [unbeschadet abweichender tarif oder arbeitsvertraglicher Regelungen oder betrieblicher Praxis] der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu nehmen bzw. zu gewähren und, wenn dies nicht möglich ist, jedenfalls ein Urlaubsteil mindestens zwölf aufeinander folgende Werktage umfassen muss. Ein dem entgegen stehendes besonderes in der Person des Antragstellers liegendes Interesse ist weder dargetan noch ersichtlich. Die vom Antragsteller erstrebte Stückelung seines Urlaubs lediglich unter Ausnahme der Samstage ist hiernach sachlich nicht gerechtfertigt, sondern vielmehr willkürlich und hiernach nicht geeignet, den Freistellungszeitraum insgesamt zu verlängern. Eine andere Betrachtung würde überdies zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung derjenigen Strafgefangenen führen, die Samstags arbeiten müssen. Auch insoweit gilt eine Angleichung an allgemeine arbeitsrechtliche Grundregeln.
c)
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Justizvollzugs in Niedersachsen (NJVollzG) am 1. Januar 2008 Gefangene nach § 39 Abs. 1 Satz 1 NJVollzG nach einjähriger Tätigkeit nunmehr beanspruchen können, für die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs nach § 3 Abs. 1 BUrlG [entsprechend 24 Werktage] von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Zwar kann der Antragsteller diese Regelung für seinen bis zum August 2007 erworbenen Freistellungsanspruch nicht mehr in Anspruch nehmen. Die Regelung bestärkt indessen die bislang bereits vorgenommene Bezugnahme auf die entsprechenden Bestimmungen des BUrlG und das hiernach gebotene Berücksichtigen von Samstagen als Werktagen.
4.
Da hiernach lediglich Rechtfragen zu klären waren und hinsichtlich des vom Antragsteller verfolgten Begehrens somit Spruchreife im Sinne von § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG eingetreten ist, konnte der Senat an Stelle der Strafvollstreckungskammer selbst entscheiden mit der Folge, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen war.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 StVollzG.
6.
Ein Rechtsmittel gegen die vorliegende Entscheidung ist nach § 119 Abs. 5 StVollzG nicht eröffnet.