Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 26.04.2023, Az.: S 34 BA 26/21

Versicherungspflicht wegen berufsmäßiger Tätigkeitsausübung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
26.04.2023
Aktenzeichen
S 34 BA 26/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 22083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2023:0426.34BA26.21.00

In dem Rechtsstreit
A.- Klägerin -
B. gegen
Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover,
vertreten durch die Geschäftsführung,
Lange Weihe 6, 30880 Laatzen
- Beklagte -
hat die 34. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2023 durch C. sowie die ehrenamtlichen D. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2021 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.

  3. 3.

    Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Gerichtskosten.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsforderung der Beklagten in Höhe von 350.021,05 € nebst Säumniszuschlägen von 7443 €.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei den bei der Klägerin beschäftigten Erntehelfern um sozialversicherungspflichtig Beschäftigte handelt. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob die Tätigkeit der betroffenen Personen "berufsmäßig" ausgeübt wurde.

Die Klägerin ist ein landwirtschaftliches Unternehmen im Bereich des Anbaus und Verkaufs von Spargel und Erdbeeren. Im streitbefangenen Zeitraum 2016-2018 wurden dort Erntehelfer aus Osteuropa, insb. aus Rumänien, Bulgarien und Polen, beschäftigt.

Zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht verwendete die Beklagte Fragebögen, in welchen unter anderem folgende Konstellationen abgefragt wurden:

1. Besuchen Sie zur Zeit eine Schule, Hochschule, Universität oder eine andere Bildungseinrichtung?

Kopie der Schul-/Studienbescheinigung als Nachweis bitte beifügen - oder lassen Sie die obigen Angaben durch die Einrichtung bestätigen.

2. Beziehen Sie eine Rente?

Kopie des Rentenbescheides als Nachweis bitte beifügen oder lassen Sie die obigen Angaben von der Sozialversicherung bestätigen.

3. Sind Sie Hausfrau/Hausmann?

In der Zeit vom 25. November 2019 bis zum 11. Juni 2020 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, für den Prüfungszeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2020 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018 eine Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 350.021,05 Euro geltend, zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 7443 €. Die Beklagte führte aus, die Saisonarbeiter seien zwar überwiegend kurzzeitig beschäftigt. Da sie allerdings berufsmäßig tätig geworden seien bestehe Versicherungspflicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2021 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 30. September 2021 hat die anwaltlich vertretene Klägerin Klage erhoben.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt vor, in dem jeweiligen Formular seien zwar im Falle von Rentnern, Schülern und Studenten Bescheinigungen verlangt worden. Bei Hausmännern und Hausfrauen habe hingegen das schlichte Ankreuzen des Textfeldes genügt. Im Übrigen sei die Klägerin auch gar nicht in der Lage einen Nachweis zu erbringen, dass es sich bei einer von ihr beschäftigten Person tatsächlich um einen Hausmann/eine Hausfrau gehandelt habe. Im Rahmen der grundsätzlichen Amtsermittlung sei dies auch Aufgabe der Beklagten, wenn sie denn meine, dass diese Angaben falsch sein. Auch die zahlreichen Personen, die ihren Urlaub oder eine Freizeitabgeltung von Überstunden aus ihrem Heimatland dazu genutzt hätten, um in Deutschland für die Klägerin zu arbeiten, hätten dies nicht berufsmäßig getan. Im Übrigen seien Forderungen für das Jahr 2016 ohnehin verjährt. Den Bescheid vom 18. Dezember 2020 habe er erst am 11. Januar 2021 erhalten.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu verbescheiden.

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie geht, auch angesichts der Höhe des Verdienstes der betroffenen Personen davon aus, dass diese berufsmäßig tätig waren. Sie führt aus, dass das schlichte Ankreuzen des Textfeldes Hausmann/Hausfrau nicht dazu führe, dass automatisch Sozialversicherungsfreiheit bestehe. Es falle doch sehr auf, dass die Quote der Hausmänner/Hausfrauen bei osteuropäischen Erntehelfern extrem hoch sei. Auch die spreche dafür, dass die Angaben nicht richtig seien. Letztlich obliege es der Klägerin nachzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall tatsächlich jeweils um eine Hausfrau/einen Hausmann gehandelt habe. Die Forderungen für das Jahr 2016 seien nicht verjährt. Sie weist darauf hin, dass der Bescheid vom 18. Dezember 2020 auch an diesem Datum zur Post gegangen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes.

Die Beklagte hat zu Unrecht in zahlreichen Fällen eine Versicherungspflicht wegen berufsmäßiger Tätigkeitsausübung angenommen.

Geringfügige Beschäftigung und geringfügige selbständige Tätigkeiten sind in § 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) geregelt. Die Norm lautet wie folgt:

Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn

1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt,

2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens 2 Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt.

(Fassung vom 5. Dezember 2012, gültig bis zum 31. Dezember 2018)

Die Ziffern eins und zwei stehen in einem Alternativverhältnis zueinander. Dies bedeutet, wenn jemand monatlich mehr als 450 € verdient, jedoch die Tätigkeit zeitlich geringfügig ausgeübt wird, besteht keine Versicherungspflicht. Eine Gegenausnahme hierzu ist die Konstellation, dass die Tätigkeit zwar zeitlich geringfügig ist, es sich jedoch um eine berufsmäßige Beschäftigung handelt.

Vorliegend wurden die streitbefangenen Tätigkeiten zeitlich geringfügig ausgeübt. Streitig zwischen den Beteiligten ist die Frage, ob die Tätigkeiten berufsmäßig ausgeübt wurden.

In seinem Urteil vom 5. Dezember 2017 (B 12 R 10/15 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt, dass eine Beschäftigung oder Tätigkeit dann berufsmäßig ausgeübt wird, wenn sie für den Beschäftigten nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und der Beschäftigte damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht (vgl. Rn. 18 der Entscheidung).

Schüler und Studenten, die ihren Status durch die bereits im Antrag genannte Bescheinigung der Schule oder Universität nachgewiesen haben, sind von einer Beitragspflicht ausgenommen. Bei Schülern und Studenten besteht die Hauptbeschäftigung in der Teilnahme am Schulunterricht oder dem Studium.

Problematisch sind vorliegend insbesondere diejenigen Personen, die im Prüfungsbogen der Beklagten angegeben haben, Hausmänner/Hausfrauen zu sein.

In ihrem Fragebogen hat die Beklagte, anders als bei Schülern/Studenten oder Rentner hier keine Bescheinigung verlangt. Nun meint sie jedoch, die Klägerin müsse einen Nachweis dafür erbringen, dass eine bei ihr beschäftigte Person tatsächlich Hausmann/Hausfrau sei. Es stellt die Frage, wie die Klägerin dies anstellen soll. Soweit sich die Beklagte etwa eine Steuerauskunft der betroffenen Person und es Partners/Ehepartners oder der Partnerin/Ehepartnerin vorstellt, zuzüglich einer Meldebescheinigung, dass ein gemeinsamer Haushalt geführt wird, stößt dies an vielerlei Grenzen.

Zum einen hat die Klägerin keinerlei Rechtsgrundlage, auf derer sie die vorgenannten Informationen einholen könnte. Die Klägerin ist ein Unternehmen der Privatwirtschaft. Anders als bei der Beklagten (einer Behörde) ist keine Rechtsgrundlage für einen Datenabgleich mit Behörden im Heimatland der betroffenen Person möglich. Auch die Beklagte muss zugeben, dass sie diesen Abgleich letztlich nicht wird führen können. Daher möchte sie diese Pflicht auf die Klägerin abwälzen. Auch aus datenschutzrechtlichen Gründen scheitern hier jedoch die Optionen der Klägerin (vgl. hierzu die detaillierten und zutreffenden Ausführungen der ersten Kammer des Sozialgerichts Lüneburg aus dem Beschluss vom 19. Mai 2022 (S 1 BA 15/22 ER). Selbst wenn es der Klägerin gelänge eine Anfrage an ein Einwohnermeldeamt oder Finanzamt im Heimatland einer bei ihr beschäftigten Person zu stellen, so würde die dortige Behörde die Anfrage ohne Zweifel wegen datenschutzrechtlicher Hindernissen ablehnen. Dies zu Recht.

Soweit die Beklagte meint, die Angaben der Klägerin müssten bereits deswegen falsch sein, weil es in Osteuropa gar nicht so viele Hausmänner geben könne, wird ebenfalls auf die Ausführungen in dem vorgenannten Beschluss hingewiesen. Eine derartige Annahme entbehrt nicht einer gewissen Ausländerdiskriminierung.

Somit wird die Beklagte, wenn sie nicht das Gegenteil beweisen kann, erst einmal davon ausgehen müssen, dass es sich bei den Personen, die dies im Formular der Beklagten angegeben haben tatsächlich um Hausmänner/Hausfrauen handelt.

Allerdings bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass für diese Personengruppe Versicherungsfreiheit besteht. Dies ist an keiner Stelle gesetzlich oder obergerichtlich festgelegt worden. Gleiches gilt für diejenigen Personen, die nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihren Jahresurlaub oder Überstundenausgleich dazu nutzen, um bei der Klägerin zu arbeiten.

Vielmehr ist erneut auf die Kernthese des Bundessozialgerichts aus dem Urteil vom 5. Dezember 2017 (B 12 R 10/15 R) zu verweisen.

Hiernach kommt es für die Frage der Berufsmäßigkeit allein darauf an, ob eine Beschäftigung für den Betroffenen nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und der Beschäftigte damit seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang bestreitet, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht.

Hieraus hat die Kammer folgende Eckpunkte entwickelt, die bei der Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten sein werden:

1. Finanzielle Obergrenze für Alleinstehende

Dies betrifft insbesondere diejenigen alleinstehenden Personen, die nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihren Urlaubsanspruch oder eine Überstundenabgeltung dazu nutzen, um für die Klägerin in Deutschland tätig zu sein.

Die Kammer sieht die Grenze zur Berufsmäßigkeit erreicht, wenn eine alleinstehende Person, die nicht nachgewiesen Schüler oder Student ist, monatlich mehr als 900 € verdient. Hierbei ist das insgesamt bei der Beklagten erzielte Einkommen des betroffenen Beschäftigten durch die Anzahl der Monate zu teilen, die der Betroffene dort beschäftigt war. War der Betroffene etwa im gesamten April dort beschäftigt und noch eine kurze Zeit im Mai, so beträgt der Grenzwert 1800 € für die Gesamtbeschäftigungszeit.

Zum einen stellt 900 € den doppelten Wert einer geringfügigen Beschäftigung (450 €). Daher geht die Kammer davon aus, dass ein Verdienst von 900 € im Monat für eine alleinstehende Person durchaus geeignet ist deren wirtschaftliche Stellung so zu beeinflussen, dass die wirtschaftliche Stellung der Person auf diesen Einkünften zumindest zu einem erheblichen Teil beruht.

Außerdem hat sich die Kammer zur Bezifferung der vorgenannten 900 € angelehnt an den Regelsatz nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für Alleinstehende. Dieser betrug im Jahr 2016 404 €, im Jahr 2017 409 € und im Jahr 2018 416 €. Hinzu kamen die Kosten für eine günstige Wohnung und Heizkosten. Auch nach dieser Berechnung würden sich etwa 900 € monatlich ergeben für die Jahre 2016 - 2018 . Diese 900 € hätte ein alleinstehender Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in den Jahren 2016-2018 monatlich zum Leben gehabt. Wenn man also annimmt, dass dies die Basissicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige sein soll, von derer diese in Deutschland ihren kompletten Lebensunterhalt bestreiten sollen, so erscheint es nicht gerechtfertigt, diesen Wert (hier etwa 900 €) als wirtschaftlich unerheblich anzusehen.

Vielmehr wirken sich die vorgenannten 900 € ganz erheblich auf die Lebensführung des Betroffenen aus.

Die Beklagte hat für die Unterbringung der von ihr beschäftigten Saisonarbeitnehmer Unterkünfte in Wohncontainern zur Verfügung gestellt. Die hierfür den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Kosten sind im Rahmen der Berechnung, ob der Grenzwert von 900 € monatlich erreicht ist, in Abzug zu bringen.

2. Finanzielle Obergrenze für Hausmänner/Hausfrauen

Bei Hausmännern/Hausfrauen handelt es sich bereits dem Begriff nach um Personen, die mit einer anderen Person zusammenleben und dieser Person den Haushalt führen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Personen miteinander verheiratet sind. Die Kammer nimmt bei Hausmännern/Hausfrauen und bei verheirateten Personen die Obergrenze bei dem doppelten Wert, nämlich 1800 € an. Insbesondere, wenn in der Beziehung auch Kinder vorhanden sind hält die Kammer den vorgenannten Wert von 900 € (Alleinstehende) für zu gering. Nach den oben genannten Kriterien geht die Kammer jedoch davon aus, dass 1800 € monatlich durchaus geeignet sind, die finanzielle Situation des Betroffenen (und seiner Familie) zumindest nicht unerheblich wirtschaftlich zu beeinflussen.

Die Beklagte hat für die Unterbringung der von ihr beschäftigten Saisonarbeitnehmer Unterkünfte in Wohncontainern zur Verfügung gestellt. Die hierfür den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Kosten sind im Rahmen der Berechnung, ob der Grenzwert von 1800 € monatlich erreicht ist, in Abzug zu bringen.

3. "falsche Ehepaare"

Sofern sich die Klägerin darauf beruft, dass fälschlicherweise von Ehepaaren ausgegangen wurde, obgleich es sich nicht um Ehepaare handele ist auch hier eine entsprechende Nachberechnung nach den vorgenannten Kriterien durch die Beklagte vorzunehmen.

Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Klägerin den Nachweis erbringt, dass es sich bei den betroffenen Personen tatsächlich nicht um Ehepaare handelt.

4. Verjährung

Bezüglich der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Forderungen aus dem Jahr 2016 verjährt sind, ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass die Forderungen aus dem Jahr 2016 nicht verjährt sind.

Die Verjährung von Beitragsforderungen ist in § 25 SGB IV geregelt. Die Norm lautet wie folgt:

(1) 1Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. 2Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.

(2) 1Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. 2Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt....

(§ 25 SGB 4 in der Fassung vom 12.6.2020)

Vorliegend erfolgte die Prüfung im Zeitraum vom 25. November 2019 bis zum 11. Juni 2020. Die Erteilung des Bescheides erfolgte am 18. Dezember 2020. Damit wurde die Beitragsforderungen noch 2020 fällig gestellt, sodass die Forderung aus dem Jahr 2016 noch nicht verjährt sein konnte.

5. Säumniszuschläge

Die Erhebung von Säumniszuschlägen hält die Kammer im vorliegenden Fall nicht für gerechtfertigt. Die Frage, wann es sich bei Saisonarbeitern um berufsmäßig tätige Personen handelt ist höchst streitig, so dass der Klägerin ein Fehlverhalten nicht vorzuwerfen ist. Wahrscheinlich wird sich letztlich das BSG (erneut) mit der streitbefangenen Frage zu befassen haben. Wenn es jedoch zur Klärung einer Sachfrage voraussichtlich einer Entscheidung des BSG bedarf geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin nicht schuldhaft eventuelle Beiträge zurückgehalten hat.

Letztlich bleibt festzustellen, dass eine abschließende Klärung der Thematik wohl nur durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers möglich wäre. Es wäre am Gesetzgeber zu definieren, unter welchen Voraussetzungen, ggf. ab welchen Beträgen, von einer berufsmäßigen Tätigkeit auszugehen ist. Der Gesetzgeber hat es jedoch bislang vorgezogen, seine Aufgabe auf die Gerichte abzuwälzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 193, 197a SGG.