Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.10.2017, Az.: 4 A 342/16

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
17.10.2017
Aktenzeichen
4 A 342/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 25692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • SchuR 2019, 47-49
  • SchuR 2019, 112-113

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Beurteilung seines Sozialverhaltens im Abschlusszeugnis über den erweiterten Sekundarabschluss I.

Der Kläger besuchte im Schuljahr 2014/2015 die 10. Klasse der beklagten Oberschule. An dieser herrschte ein absolutes Rauch- und Alkoholverbot. Der Kläger sowie seine Mutter unterschrieben am 10.06.2009 eine Schulvereinbarung der Beklagten, in der unter anderem auf das Rauchverbot hingewiesen wurde.

Während der Klassenfahrt vom 13.04.2015 bis zum 17.04.2015 wurde der Kläger beim Rauchen beobachtet. Zudem ergab ein am 15.04.2015 - ebenfalls während der Klassenfahrt - durchgeführter Alkoholtest beim Kläger einen Promillegehalt von 0,8.

Am 20.04.2015 beschloss die Klassenkonferenz einstimmig die Ausarbeitung eines Referats zum Thema "Gefahren durch Nikotinkonsum" durch den Kläger sowie einen vierwöchigen Putzdienst in einer Schülerfirma, dem der Kläger nachkam. Zudem wurden Ordnungsmaßnahmen für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung angedroht. Die Klassenkonferenz begründete die Maßnahmen mit diversen Verstößen des Klägers gegen das Rauchverbot und seiner diesbezüglich fehlenden Einsicht. Im Protokoll zur Klassenkonferenz, das dem Kläger und seinen Eltern mit Schreiben vom 24.04.2015 zur Kenntnis übersandt wurde, heißt es unter anderem:

".und seine Mutter bestreiten zwar nicht, dass während der Schulzeit raucht, verweisen jedoch auf die Vorbildfunktion der rauchenden Lehrkräfte."

Während eines zeitlich nicht näher feststellbaren Vorfalls steckte sich der Kläger auf dem Schulgelände eine Zigarette in den Mund, als er mit dem Mofa losfahren wollte.

Am 29.06.2015 bewertete die Klassenkonferenz das Arbeits- und Sozialverhalten des Klägers einstimmig mit der Bewertungsstufe D "entspricht den Erwartungen mit Einschränkungen aufgrund häufiger Nichtbeachtung von Vereinbarungen und Regeln". Die Bewertung wurde in das Zeugnis des Klägers zum erweiterten Sekundar-Abschluss I vom 10.07.2015 unter dem Punkt Sozialverhalten aufgenommen.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12.10.2015 Widerspruch und beantragte eine erneute Sitzung der Klassenkonferenz. Dem angeordneten Rauchverbot fehle es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Ein den gesamten Bereich der Schule umfassendes Rauchverbot ohne räumliche, zeitliche oder personenbezogene Ausnahmen sei mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers unverhältnismäßig. Auch müsse der Beklagte substantiiert darlegen, wann und wo der Kläger gegen das Rauchverbot verstoßen habe. Ein schulisches Zeugnis müsse zudem vom Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung getragen sein, woran es bei der Beurteilung des Sozialverhaltens ebenfalls fehle.

Am 09.11.2015 beschloss die Klassenkonferenz einstimmig, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2016 - dem Kläger zugestellt am 12.01.2016 - wies die Nds. Landesschulbehörde den Widerspruch des Klägers zurück. Die Bewertung im Abschlusszeugnis sei aufgrund der zahlreichen Verstöße des Klägers nicht zu beanstanden. Das Rauchen sei in niedersächsischen Schulen gesetzlich verboten. Das Rauchen und der Konsum von alkoholischen Getränken seien zudem im Schulgebäude und auf dem Schulgelände während schulischer Veranstaltungen aufgrund des Runderlasses des Nds. Kultusministeriums vom 07.12.2012 untersagt. Bereits das Fehlverhalten auf der Klassenfahrt reiche aus, um die Bewertung zu rechtfertigen. Der Kläger sei uneinsichtig und teilweise beleidigend gewesen, wenn er auf sein Fehlverhalten angesprochen worden sei. Nach den von der Klassenkonferenz angeordneten Erziehungsmitteln habe er weiterhin gegen das Rauchverbot verstoßen. Trotz mehrfacher Gespräche und Hinweise habe er sich uneinsichtig gezeigt. Eine genaue Auflistung der Vorfälle sei im Nachhinein - bis auf die Verstöße auf der Klassenfahrt - nicht mehr möglich. Die Bewertung stelle auch keine unangemessene Benachteiligung, sondern eine Konkretisierung des Sozialverhaltens des Klägers dar.

Mit seiner am 12.02.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ergänzend vor, dass der Runderlass des Nds. Kultusministeriums vom 07.12.2012 - insbesondere vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung des Abschlusszeugnisses für sein berufliches Fortkommen - nicht dem Vorbehalt des Gesetzes entspreche. Seine bisherigen Bewerbungen um einen Arbeitsplatz seien - vornehmlich wegen der Bewertung seines Sozialverhaltens - erfolglos geblieben. Daraus und aus der Informationsfunktion des Abschlusszeugnisses gegenüber Dritten ergebe sich eine Verletzung seiner subjektiven Rechte. Ebenso sei er in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, weil im Widerspruchsbescheid die von der Klassenkonferenz angeordneten Erziehungsmittel nicht berücksichtigt worden seien. Dies und der Umstand, dass der Beklagte selbst nur von "vielen kleinen störenden Dingen" spreche, begründe Zweifel an einer tauglichen Tatsachengrundlage. Im Übrigen würden die Erziehungsmittel Sanktionscharakter haben, weswegen sein Fehlverhalten mit ihrer Ableistung abgegolten sei. Die Bewertung im Abschlusszeugnis stelle eine erneute Sanktionierung dar, die weder verhältnismäßig, noch mit dem sinngemäß geltenden Doppelbestrafungsverbot vereinbar sei. Er habe sein Fehlverhalten - was auch der Schulleiter der Beklagten im Schreiben vom 11.11.2015 erkläre - eingeräumt, was für eine reflexive Verarbeitung seines Verhaltens spreche. Der Alkoholkonsum während der Klassenfahrt könne nicht Grundlage der Bewertung sein, weil ein Promillegehalt von 0,8 keine unangemessene Menge darstelle und die Beklagte nicht die besondere gruppendynamische Situation berücksichtigt habe. Die Beklagte könne zudem keinen Vorfall als Verstoß gegen das Rauchverbot heranziehen, bei dem er, der Kläger, sich die Zigarette lediglich in den Mund gesteckt, nicht aber angezündet habe.

Ferner entspreche die Bewertung nicht der besonderen Funktion eines Abschlusszeugnisses und verletze ihn aufgrund der willkürlichen Gleichsetzung von Abschluss- und Nichtabschlusszeugnissen in seinem Recht auf Gleichbehandlung. Zum einen seien Regelverstöße von Schülern innerhalb des Schulbetriebes anders zu beurteilen als in anderen Lebensbereichen, weswegen sich eine 1:1-Übertragung verbiete. Zum anderen könne der Bewertung keine verhaltenssteuernde Funktion mehr zukommen, da diese - anders als bei Nichtabschlusszeugnissen - in einem Schulabschlusszeugnis nicht mehr erreicht werden könne. Diese Sichtweise werde durch die Ziffern 2.1.2 und 3.7.2 des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums über Zeugnisse in den allgemein bildenden Schulen gestützt. Jedenfalls hätte die Beklagte einen abgestuften Bewertungsmaßstab zu Grunde legen müssen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung seines Abschlusszeugnisses vom 10. Juli 2015 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Nds. Landesschulbehörde vom 07. Januar 2016 zu verpflichten, sein Sozialverhalten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, der Kläger sei nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt. Er habe nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit sein berufliches Fortkommen durch die Bewertung erheblich beeinträchtigt werde. Von eigenverantwortlichen Schülern könne im Übrigen der Umgang mit konstruktiver Kritik erwartet werden. Die Bewertung sei aufgrund des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums weitestgehend einer Überprüfung entzogen. In Bezug auf den überprüfbaren Teil sei die Bewertung fehlerfrei. Sie stehe mit dem Runderlass des Nds. Kultusministeriums für Zeugnisse in den allgemein bildenden Schulen im Einklang. In der Bewertungsstufe D sei die Hervorhebung einzelner Gesichtspunkte verpflichtend vorgeschrieben, weswegen dem Beklagten diesbezüglich kein Ermessen zustehe. Eine unzulässige Doppelbestrafung liege ebenfalls nicht vor, da es kein Verbot gebe, Sachverhalte, die Grundlage von Erziehungsmitteln waren, im Zeugnis zu berücksichtigen. Schließlich seien auch andere Schüler in der Klasse des Klägers gleich bewertet worden, weswegen auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Der Kläger ist in Bezug auf die statthafte Verpflichtungsklage klagebefugt. Bei der Bewertung des Sozialverhaltens handelt es sich um einen selbständigen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz i. V. m. § 1 Abs. 1 Nds. Verwaltungsverfahrensgesetz. Denn ihr kommt eine selbständige rechtliche Bewertung zu und sie betrifft die Rechtsposition des Schülers unmittelbar (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.03.2017 - 2 LB 201/16; VG Braunschweig, B. v. 25.05.2010 - 6 B 53/10, [...], Rn. 2; Urt. v. 18.02.2004 - 6 A 106/03, Rn. 21). Es ist offenkundig, dass sie die Chancen beim Eintritt in das Berufsleben, insbesondere die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz, maßgeblich beeinflussen kann (vgl. VG Braunschweig, B. v. 25.05.2010 - 6 B 53/10, [...], Rn. 3; in diese Richtung auch: VG Aachen, Urt. v. 11.06.2010 - 9 K 2150/08, Rn. 24). Die Bewertung zeigt, inwieweit der Schüler in der Lage ist, die für ein Gemeinschaftsleben notwendigen Regeln einzuhalten und Verantwortung zu übernehmen, was regelmäßig für viele Berufe von entscheidender Bedeutung ist (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 18.02.2004 - 6 A 106/03, Rn. 25 f.).

2. Die Klage ist allerdings unbegründet.

Gemäß § 113 Abs. 5 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Ablehnung bzw. Unterlassung einer Änderung der Bewertung des Sozialverhaltens des Klägers ist weder rechtswidrig, noch wird der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt. Die Bewertung seines Sozialverhaltens im Abschlusszeugnis und auch der Widerspruchsbescheid der Nds. Landesschulbehörde vom 07.01.2016 sind nicht zu beanstanden.

Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 Nds. Schulgesetz (NSchG) entscheidet die Klassenkonferenz im Rahmen der Beschlüsse der Gesamtkonferenz über die Angelegenheiten, die ausschließlich die Klasse oder einzelne ihrer Schülerinnen und Schüler betreffen, insbesondere über die Beurteilung des Gesamtverhaltens der Schülerinnen und Schüler (Nr. 3) und über Zeugnisse (Nr. 5). Nach § 38a der Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (AVO-Sek I) wird im Zeugnis unter anderem das Arbeits- und Sozialverhalten bewertet. Das Nds. Kultusministerium hat zudem in seinem Runderlass über Zeugnisse in den allgemein bildenden Schulen (Zeugniserlass) in der Fassung vom 05.12.2011 (SVBl. 2012 S. 6), zuletzt geändert durch Runderlass vom 11.08.2014 (SVBl. S. 453) nähere Regelungen zur Zeugniserstellung getroffen. Diese Vorgaben hat die Beklagte bei ihrer Bewertung des Sozialverhaltens des Klägers gewahrt.

a) Der Beschluss vom 29.06.2015 ist formell ordnungsmäßig. Dass der Beschluss keine Begründung in Bezug auf die Bewertung des Sozialverhaltens des Klägers enthält, ist nicht zu beanstanden. Die Schule ist nicht verpflichtet, in jedem Fall von vornherein eine Begründung zu den Bewertungen der einzelnen Kompetenzbereiche zu geben. Es ist vielmehr Sache des Schülers bzw. seiner Erziehungsberechtigten, eine Begründung zu verlangen, indem sie darlegen, in welchen konkreten Punkten sie eine Begründung begehren (vgl. VG Osnabrück, Urt. v. 03.08.2016 - 1 A 350/15; VG Aachen, Urt. v. 11.06.2010 - 9 K 2150/08, Rn. 39; VG Köln, Urt. v. 14.01.2009 - 10 K 3275/08, Rn. 65). Der Kritik des Klägers ist die Beklagte im Rahmen der Abhilfekonferenz vom 09.11.2015 sowie ihren Schreiben an die Nds. Landesschulbehörde vom 11.11.2015 und 11.12.2015 hinreichend entgegengetreten. Der klägerische Einwand, die zu Grunde gelegten Verstöße seien nicht substantiiert dargelegt, begründet - aufgrund der bloßen pauschalen Kritik - keinen formalen Begründungsmangel (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, B. v. 02.06.2008 - 19 B 609/08, Rn. 10).

b) Auch in materieller Hinsicht bestehen gegen den Beschluss der Klassenkonferenz keine Bedenken. Die Bewertung des Sozialverhaltens ist nicht zu beanstanden.

Die Bewertung im Einzelfall unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung. Denn bei Prüfungsleistungen - wozu auch das Sozialverhalten zählt - steht der Beklagten aufgrund der Einmaligkeit und fehlenden Wiederholbarkeit der Leistung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Bewertung kann nur dahingehend gerichtlich überprüft werden, ob sie auf der Grundlage eines fehlerfreien Bewertungsverfahrens zustande gekommen ist und die Grenzen des Bewertungsspielraums überschritten worden sind, weil die Klassenkonferenz von falschen Tatsachen ausgegangen ist, allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze missachtet oder sachfremde und damit willkürliche Erwägungen angestellt hat (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 28.03.2017 - 2 LB 201/16; VG Köln, Urt. v. 14.01.2009 - 10 K 3275/08, Rn. 47 ff.; VG Braunschweig, B. v. 25.05.2010 - 6 B 53/10, [...] Rn. 11; Urt. v. 18.02.2004 - 6 A 106/03, Rn. 34 f.).

(1) Entgegen der Ansicht des Klägers basiert die Bewertung auf einer tauglichen Tatsachengrundlage. Der Beklagte durfte Verstöße des Klägers gegen das Alkohol- und Rauchverbot zur Grundlage seiner Bewertung machen.

(a) Darauf, ob der Kläger beim letzten Vorfall gegen das Rauchverbot verstoßen hat oder die Zigarette lediglich in den Mund steckte, ohne diese anzuzünden, kommt es nicht an. Allein die Nichtberücksichtigung dieses einen Vorfalls berührt die taugliche Tatsachengrundlage aufgrund der zahlreichen weiteren Verstöße nicht.

Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe die Verstöße nicht nach Daten aufgeschlüsselt, ist es ihm in Bezug auf die bis zum 20.04.2015 begangenen Verstöße gegen das Rauchverbot verwehrt, sich hierauf zu berufen. Er verhält sich insoweit treuwidrig, denn er hat die Verstöße, die Grundlage für die Klassenkonferenz am 20.04.2015 waren, laut des dazu ergangenen Protokolls eingeräumt, was er auch im Rahmen seiner Klage nicht in Abrede stellt.

Ungeachtet dessen, dass bereits die bis zum 20.04.2015 begangenen Verstöße gegen das Rauchverbot die Bewertung des Sozialverhaltens tragen, ist die Berücksichtigung von Verstößen auf der Klassenfahrt und solchen nach dem 20.04.2015 nicht zu beanstanden. Zwar ist die Beklagte mit Blick auf einen effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gehalten, die Verstöße substantiiert und nachvollziehbar zu belegen (vgl. VG Braunschweig, B. v. 25.05.2010 - 6 B 53/10, [...] Rn. 24; VG Köln, Urt. v. 14.01.2009 - 10 K 3275/08, Rn. 59). Allerdings hat der Kläger auch die nach dem 20.04.2015 und auf der Klassenfahrt begangenen Verstöße dem Grunde nach nicht bestritten, sondern lediglich die Unangemessenheit der Alkoholmenge und die Rechtmäßigkeit des Rauch- und Alkoholverbotes. Nur den letzten Vorfall hat er in Abrede gestellt.

(b) Der Kläger hat - was er ebenfalls nicht bestreitet - gegen das absolute Alkoholverbot verstoßen. Bei ihm wurde während der Klassenfahrt am 15.04.2015, also während einer schulischen Veranstaltung, ein Promillewert von 0,8 festgestellt. Ob es sich dabei - wie der Kläger meint - um eine nicht unangemessene Menge Alkohol handelt, ist insbesondere mit Blick auf sein Alter zweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn es galt insofern ein absolutes Alkoholverbot, das vor dem Hintergrund von Ziffer 1 des Runderlasses des Nds. Kultusministerums vom 07.12.2012 zum Rauchen und Konsum alkoholischer Getränke in der Schule (Runderlass vom 07.12.2012) nicht zu beanstanden ist. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts liegt ebenfalls nicht vor, da der Runderlass die gesetzlichen Vorgaben aus § 9 Abs. 1 Jugendschutzgesetz umsetzt und zudem der Aufsichtspflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) in der maßgeblichen Fassung vom 03.03.1998 (GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.06.2013 (GVBl. S. 165) entspricht. Eine etwaige gruppendynamische Beeinflussung des Klägers ist insoweit unbeachtlich, da diese in vielfältigen Lebenssituationen anzutreffen sein dürfte und eine konsequente Durchsetzung des Alkoholverbotes geboten ist, um den damit verfolgten Zweck zu gewährleisten.

(c) Die Beklagte durfte zudem die Verstöße gegen das Rauchverbot für die Bewertung heranziehen. Ihr Rauchverbot fußt auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage und ist auch im konkreten Fall nicht zu beanstanden.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 Niedersächsisches Nichtraucherschutzgesetz (Nds. NiRSG) in der Fassung vom 12.07.2007 (Nds. GVBl. S. 337), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10.12.2008 (Nds. GVBl. S. 380) ist das Rauchen in Niedersachsen in vollständig umschlossenen Räumlichkeiten von öffentlichen Schulen und auf den zur Einrichtung gehörenden Hof- und Freiflächen verboten. Bedenken in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen nicht. Der Nds. Gesetzgeber hat seinen Beurteilungsspielraum gewahrt, indem er seiner Nichtrauchern gegenüber bestehende Pflicht, sie vor Gesundheitsschäden infolge des Passivrauchens zu schützen und seiner Aufgabe, rauchende Schüler vor von ihnen selbst nicht abschätzbaren Folgen des Rauchens zu bewahren (vgl. BVerfG, B. v. 18.05.2017 - 2 BvR 249/17, Rn. 4), ein höheres Gewicht beigemessen hat als der allgemeinen Handlungsfreiheit der rauchenden Schüler (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.08.2012 - OVG 4 B 29.10, [...] Rn. 20, 24 f.; VGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.09.2008 - VGH B 21/08 und VGH B 29/08, Rn. 26; VG Gießen, Urt. v. 20.02.2013 - 5 K 455/12.Gi, Rn. 18).

Das von der Beklagten erlassene Rauchverbot entspricht der Ziffer 1 des Runderlass vom 07.12.2012, die sich als Umsetzung der Vorgaben des NiRSG darstellt. Ein auf bestimmte Räumlichkeiten, Personen oder Zeiten beschränktes Rauchverbot war der Beklagten schon von gesetzes wegen nicht möglich.

Der Kläger hat gegen das absolute Rauchverbot verstoßen, obwohl ihm dieses jedenfalls aufgrund der Unterzeichnung der Schulvereinbarung am 10.06.2009 bekannt war. Die Verstöße des Klägers waren so häufig, dass am 20.04.2015 eine Sondersitzung der Klassenkonferenz stattfand und Erziehungsmittel ihm gegenüber angeordnet wurden. Entgegen der Ansicht des Klägers handelte es sich nicht nur "um viele kleine störende Dinge". Ungeachtet dessen, dass die Beklagte diese Wortwahl in ihrem Schreiben an die Nds. Landesschulbehörde vom 11.12.2015 verwendet hat, zeigt ihre übrige Reaktion, dass sie die wiederholenden Verstöße - zu Recht - als gravierend und erheblich einstufte. Schon das vom Kläger auf der Klassenfahrt gezeigte Verhalten reicht ihrer Ansicht nach für die Bewertung aus. Auch die eigens aufgrund der Verstöße anberaumte Klassenkonferenz macht die Erheblichkeit deutlich.

(d) Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es im Schul- und Beurteilungswesen keinen Grundsatz, dass mit Erziehungsmitteln geahndete Verhaltensweisen nicht Grundlage für eine Beurteilung im Zeugnis sein können. Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 3 GG findet keine Anwendung. Bei Erziehungsmitteln handelt es sich nicht um Strafen. Sie dienen vorrangig einer pädagogischen Einwirkung auf den Betroffenen, das Verhalten in Zukunft zu ändern (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 NSchG) und die Funktionsfähigkeit der Schule zu gewährleisten (vgl. VG Berlin, B. v. 03.11.2011 - 3 L 995.11, [...] Rn. 9 in Bezug auf Ordnungsmaßnahmen). Im Übrigen findet im Zeugnis keine weitere Bewertung von Verstößen statt, sondern lediglich eine Zusammenfassung des im zurückliegenden Schuljahr gezeigten Verhaltens.

Die Tatsachengrundlage ist zudem nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte die Erziehungsmittel nicht berücksichtigt hat, sondern von seiner Uneinsichtigkeit ausgegangen ist. Anders als der Kläger meint, ist eine reflexive Verarbeitung seines Verhaltens nicht erkennbar. Zwar hat er die Verstöße auf der Klassenkonferenz am 20.04.2015 eingeräumt, dies allerdings erst nach längerer Diskussion. Die Vielzahl der Verstöße (auch nach dem Ableisten der Erziehungsmittel) und seine Uneinsichtigkeit, wenn Lehrkräfte der Beklagten ihn hierauf ansprachen, zeugen nicht von einer hinreichenden Reflexion. Die Einbeziehung von Verhalten vor den Erziehungsmitteln ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn Bewertungen in Abschlusszeugnissen beziehen sich auf das gesamte vorausgegangene Schuljahr (vgl. Ziffer 3.1 Zeugniserlass). Inwieweit die Nichtberücksichtigung der Erziehungsmittel im Widerspruchsbescheid den Kläger in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzen soll, ist nicht ersichtlich.

(2) Die Beklagte hat ferner die wesentlichen Verfahrensvorschriften gewahrt. Insbesondere hat sie die anerkannten Bewertungsgrundsätze beachtet.

Die Bewertung "I. Sozialverhalten entspricht den Erwartungen mit Einschränkungen aufgrund häufiger Nichtbeachtung von Vereinbarungen und Regeln" steht im Einklang mit den Vorgaben von Ziffer 3.7.3 des Zeugniserlasses. Sie ist durch Hervorhebung einzelner Gesichtspunkte zu ergänzen, was vorliegend mit Blick auf die häufige Nichtbeachtung von Vereinbarung und Regeln erfolgt ist. Diese sind für die Beklagte verbindlich (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 18.02.2004 - 6 A 106/03, Rn. 37).

Obgleich die Beklagte die in Ziffer 3.7.2 genannten Gesichtspunkte nicht ausdrücklich erwähnt hat, ergeben sich diese gleichwohl aus dem Gesamtzusammenhang. Denn der häufige Verstoß gegen das Rauchverbot und der Verstoß gegen das Alkoholverbot sowie die diesbezüglichen Reaktionen betreffen alle genannten Gesichtspunkte.

(3) Die Bewertung des Sozialverhaltens widerspricht schließlich nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte hat Abschluss- und Nichtabschlusszeugnisse nicht in willkürlicher Weise gleichbehandelt. Der Kläger übersieht, dass die verhaltenssteuernde Funktion in Bezug auf den weiteren Schulbetrieb nur eine neben anderen Funktionen ist, wobei die verschiedenen Funktionen in keinem bestimmten Rangverhältnis zueinander stehen. Zwar kann die verhaltenssteuernde Funktion von Beurteilungen im Abschlusszeugnis in Bezug auf den Schulbetrieb nicht mehr erreicht werden. Gleichwohl ist eine solche für die Zeit nach dem Schulbetrieb noch möglich und geradezu im Abschlusszeugnis angelegt. Denn die darin enthaltenen Bewertungen erfüllen auch eine Informationsfunktion gegenüber Dritten - vorzugsweise zukünftigen Arbeitgebern (vgl. Ziffer 2.1.2 des Zeugniserlasses).

Darüber hinaus erschließt sich für das Gericht nicht, warum - wie der Kläger meint - Regelverstöße innerhalb des Schulbetriebes anders zu beurteilen sein sollen als solche außerhalb des Schulbetriebes oder ein abgestufter Bewertungsmaßstab zu Grunde zu legen sei. Der Schulbetrieb weist keine derartigen Besonderheiten auf, dass eine gesonderte Betrachtung angezeigt wäre. Ob besondere Umstände, bspw. eine Gruppendynamik, vorliegen, ist bei beiden Situationen in gleicher Weise zu berücksichtigen und stellt keine atypische Situation im Schulbetrieb dar.

Ungeachtet der Frage, ob es im Schul- und Beurteilungswesen überhaupt einen Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung gibt, verstößt die vorliegende Bewertung nicht hiergegen. Der Kläger verkennt, dass auch eine wohlwollende Bewertung die geltenden Maxime der Notenwahrheit, der Notenklarheit und der Notentransparenz (vgl. Galas, Nolte, Ulrich, Eickmann, Kommentar Niedersächsisches Schulgesetz, 9. Aufl. 2016, § 58 Rn. 4) nicht außer Kraft setzt und ein den objektiven Umständen gerecht werdendes Bild vom Verhalten darzustellen hat, selbst wenn sich dieses als negativ für den Schüler erweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i. V. m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.