Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 25.09.2017, Az.: 4 A 1246/15

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
25.09.2017
Aktenzeichen
4 A 1246/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 25692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen Kostenbeitragsfestsetzungen für die Kindertagespflege.

Die Kläger sind Eltern des am H. geborenen I.. Dieser wurde in Kindertagespflege durch eine Tagespflegeperson betreut. Die Klägerin zu 1) ist selbständige Unternehmerin und Gesellschafterin einer offenen Handelsgesellschaft (OHG), an der sie zu 50 % beteiligt ist. Der Kläger zu 2) geht einer unselbständigen Beschäftigung nach.

Auf Antrag der Kläger setzte die Beklagte den monatlichen Kostenbeitrag für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 31.12.2013 mit Bescheid vom 24.10.2013 vorläufig auf 403,40 € fest. Mit Bescheid vom 13.11.2013 hob sie ihren Bescheid vom 24.10.2013 mit Wirkung vom 01.08.2013 auf und setzte für den Zeitraum vom 01.08.2013 bis zum 31.12.2013 vorläufig den monatlichen Kostenbeitrag neu auf 331,40 € fest. Mit Bescheid vom 12.12.2013 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 13.11.2013 in Bezug auf den Monat November 2013 auf und setzte den monatlichen Kostenbeitrag für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis zum 30.11.2013 vorläufig neu auf 357,25 € fest.

Mit Wirkung vom 01.01.2014 änderte die Beklagte ihre Satzung über die Förderung der Kindestagespflege und die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Kindertagespflege.

Mit Bescheid vom 13.05.2014 setzte die Beklagte den Kostenbeitrag der Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.07.2014 vorläufig auf 278,00 € monatlich fest.

Aufgrund des von den Klägern am 29.06.2015 eingereichten Einkommensteuerbescheides 2013 hob die Beklagte ihre vorläufigen Bescheide vom 13.11.2013 und 12.12.2013 mit Bescheid vom 29.06.2015 auf und setzte den monatlichen Kostenbeitrag der Kläger endgültig fest, und zwar für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.10.2013 auf 367,40 €, für die Zeit vom 01.11.2013 bis zum 30.11.2013 auf 395,25 € und für die Zeit vom 01.12.2013 bis zum 31.12.2013 auf 367,40 €. Für die Festsetzung berücksichtigte die Beklagte Abschreibungen in Höhe von 127,75 €, die dem Monatseinkommen der Klägerin zu 1) hinzuzurechnen seien.

In einem weiteren Bescheid vom 29.06.2015 hob die Beklagte ihren vorläufigen Bescheid vom 13.05.2014 auf und setzte den monatlichen Kostenbeitrag für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.07.2014 endgültig auf 314,00 € fest. Auch für diese Festsetzung berücksichtigte die Beklagte Abschreibungen in Höhe von 127,75 €.

Mit ihrer am 27.07.2015 erhobenen Klage wenden sich die Kläger gegen die endgültigen Festsetzungen. Sie tragen vor, dass es sich bei den Abschreibungen nicht um Einkommen der Klägerin zu 1) im Sinne des Sozialrechts handele. Auch wenn die OHG keine juristische Person sei, sei sie dennoch rechtsfähig und verfüge über ein eigenständiges Gesellschaftsvermögen. Auch wenn das Gesellschaftsvermögen durch die Abschreibungen anwachse, mindere sich dieses jedoch infolge der Anschaffung der abgeschriebenen Gegenstände. Da die Anschaffungskosten nicht berücksichtigt werden würden, könne nichts anderes für die Abschreibungen gelten.

Ferner sei die Satzung der Beklagten über die Förderung der Kindestagespflege und die Erhebung von Kostenbeiträgen für die Kindertagespflege (Kindertagespflegesatzung) nichtig. Sie verstoße - unter Bezugnahme auf den Beschluss des Nds. OVG vom 29.09.2015 - 4 LB 150/13 - gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit, da die Ermittlung des maßgeblichen Einkommens aufgrund selbständiger und unselbständiger Tätigkeiten auf unterschiedlichen Zeiträumen beruhe. Zudem liege ein Verstoß gegen das Verbot der Kostenüberdeckung vor. Wegen der Nichtberücksichtigung von Bundes- und Landeszuwendungen würden die Höchstsätze in der Stufe 14 die tatsächlichen Kosten überschreiten.

Zudem betrage die durchschnittliche Förderung je Betreuungsstunde nicht 1,10 €. Der Anteil der Kinder über drei Jahren in Höhe von 0,37 € dürfe von der landesseitigen Erstattung in Höhe von 1,68 € nicht abgezogen werden. Diesbezüglich bestehe kein Zusammenhang, weswegen in Bezug auf Kinder über drei Jahren eine gesonderte Kalkulationsgruppe gebildet werden müsse. Eine gesonderte Kalkulation ergebe sich auch mit Blick auf die erheblichen Bundes- und Landeszuschüsse für Kinder unter drei Jahren. Ferner umfasse die eigentliche Arbeitsleistung im Sinne der Fördergrundsätze auch Stunden für Urlaub, Krankheit sowie Vor- und Nachbereitung.

Die Beklagte sei darüber hinaus verpflichtet, den zugewiesenen Umsatzsteueranteil in Höhe von 2,2 Prozent zur Finanzierung der Kindertagespflege zu verwenden. Die Erhöhung des Umsatzsteueranteils der Länder sei - wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs. 16/9299) ergebe - zweckbestimmt, und zwar zur Finanzierung der Investitionen und der zusätzlich entstehenden Betriebskosten. Dies solle insbesondere zu einer angemessen Entlohnung der Tagespflegepersonen beitragen. Ebenso seien Zuwendungen aus dem Bundesvermögen "Kinderbetreuungsausbau" für die Investitionskosten zu berücksichtigen. Eine Trennung von Umsatzsteueranteil und Zuwendungen ergebe sich aus den Art. 2 und 3 des KiföG vom 10.12.2008 sowie den dazugehörigen Gesetzgebungsmaterialien.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide der Beklagten vom 29.06.2015 über die geänderte Festsetzung eines Kostenbetrages für die Förderung von Kindern in der Kindertagespflege aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Berücksichtigung der Abschreibungen entspreche ihrer Satzung, die eine Anrechnung gemäß §§ 7 und 7b Einkommensteuergesetz (EStG) vorsehe. Die Verordnung zur Durchführung von § 82 SGB XII sehe ebenfalls die Hinzurechnung von Absetzungen des Finanzamtes nach § 7 EStG vor. Eine Nichtberücksichtigung würde dazu führen, dass im Rahmen der wirtschaftlichen Jugendhilfeberechnung ein höheres Einkommen zu Grunde gelegt werde als bei der Festsetzung des Kostenbeitrages.

Darüber hinaus sei ihre Satzung nicht zu beanstanden. Das Nds. OVG habe in dem von den Klägern angeführten Beschluss nicht die unterschiedlichen Zeiträume bei selbständigen und unselbständigen Tätigkeiten als solche in Frage gestellt, sondern vielmehr die unzureichende Ausgestaltung der Differenzierung in der damals streitgegenständlichen Satzung gerügt. Dies sei mit Blick auf §§ 14 Abs. 1, 17 Abs. 2 und 3 Kindertagespflegesatzung der Beklagten anders. Dass im Falle einer selbständigen Tätigkeit auf den Einkommensteuerbescheid des Vorjahres abzustellen sei, beruhe auf dem Umstand, dass das Einkommen der letzten 12 Monate vor Antragstellung bei selbständigen Tätigkeiten praktisch nicht nachgewiesen werden könne. Das sei nur durch den Einkommensteuerbescheid möglich. Dies entspreche auch § 4 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung SGB XII, wonach Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für das Jahr zu berechnen seien, in dem der Bedarfszeitraum liege.

Der Kindertagespflegesatzung liege auch keine rechtswidrige Kalkulation zu Grunde. Eine Kostenüberdeckung finde nicht statt. Bei Kostenbeiträgen handle es sich um öffentlich-rechtliche Abgaben eigener Art, weswegen das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz keine Anwendung finde. Der gleichwohl zu berücksichtigende Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sei gewahrt, weil der höchste Kostenbeitrag die anteilsmäßig rechnerischen Kosten der Leistung des Jugendhilfeträgers nicht übersteige.

Es gebe keine zu berücksichtigenden Bundeszuschüsse für die laufende Kindertagespflege. Der Bund gewähre nach § 12 des Gesetzes über Finanzhilfen zum Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder vom 10.12.2008 nur Finanzhilfen für Investitionen in Tageseinrichtungen und zur Kindertagespflege für Kinder unter drei Jahren, die dazu bestimmt seien, der Schaffung und Ausstattung zusätzlicher Betreuungsplätze zu dienen, und die ab dem 01.04.2014 begonnen hätten. Dem Gesetz zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinderbetreuung sowie zur Änderung des Lastenausgleichs vom 22.12.2015 seien unterschiedliche Finanzierungsmaßnahmen nicht zu entnehmen. Die Kläger würden übersehen, dass es sich um ein Artikelgesetz handle, wobei sich aus Art. 1 nicht ergebe, dass der erhöhte Umsatzsteueranteil für Betriebskosten gewährt werde. Dies gelte ebenso für das von den Klägern angeführte KiföG vom 10.12.2008.

Ferner sei der Anteil am Umsatzsteueraufkommen bei der Kalkulation auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich hierbei nicht um eine Entlastung anderer staatlichen Stellen handle. Der Anteil am Umsatzsteueraufkommen stelle vielmehr originäre eigene Mittel der Beklagten dar, auf die sie nach Art. 106 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) einen Anspruch habe. Zum anderen sei der Anteil am Umsatzsteueraufkommen nicht mit Blick auf die von den Gemeinden zu tragenden Betriebskosten der Kindertagespflegeeinrichtungen bemessen worden. Die vom Bund in § 1 Finanzausgleichsgesetz getroffene Verteilungsentscheidung berücksichtige lediglich den Betriebsaufwand der Länder für die Kindertagespflege, nicht dagegen den kommunalen Kostenaufwand.

In Bezug auf Landeszuschüsse sei zu beachten, dass das Land diese nur nach pflichtgemäßen Ermessen gewähre. Unter den hierfür erforderlichen Voraussetzungen würden im Gebiet der Beklagten derzeit noch vier Tagespflegepersonen gefördert. Für 2015 ergebe sich daraus eine Stundenanzahl von 2.666,50, die aufgrund dessen nicht bezuschusst werde.

Darüber hinaus bezuschusse das Land lediglich tatsächlich geleistete Betreuungsstunden, wovon Zeiten für Urlaub, Krankheit, Vor- und Nachbereitung nicht erfasst seien. Die seitens der Beklagten gleichwohl bezahlten Stunden für sechs Wochen bezahlten Urlaub der Tagespflegeperson sowie durchschnittlich 2,5 Wochen bezahlter sonstiger Ausfälle wie Feiertage, Krankheit, Urlaub des Kindes sowie Fortbildungen, würden mindestens in Höhe von 16,34 % nicht bezuschusst werden.

Der Zuschuss für Kinder unter drei Jahren betrage 1,68 € und für Kinder über drei Jahren 0,78 € je tatsächlicher Betreuungsstunde. Von den in 2015 in Anspruch genommenen Stunden seien 78 % auf Kinder unter drei Jahren und 22 % auf Kinder über drei Jahren entfallen. Grundsätzlich betrage die durchschnittliche Förderung je Betreuungsstunde unter 1,68 €.

Ausgehend von einer Erstattung je Betreuungsstunde für Kinder unter drei Jahren in Höhe von 1,68 € sei ein Betrag von 0,37 € (= 22 % für Kinder über drei Jahren) abzuziehen, was einen Betrag von 1,31 € ergebe. Unter Abzug der von der Beklagten bezahlten - aber tatsächlich nicht absolvierten - Betreuungsstunden von 16,34 % (= 0,21 €) ergebe sich ein Betrag von 1,10 €.

Ausgehend von einer Erstattung je Betreuungsstunde für Kinder über drei Jahren in Höhe von 0,78 € sei ein Betrag von 0,61 € (= 78 % für Kinder unter drei Jahren) abzuziehen, was einen Betrag von 0,17 € ergebe. Unter Abzug der von der Beklagten bezahlten - aber tatsächlich nicht absolvierten - Betreuungsstunden von 16,34 % (= 0,03 €) ergebe sich ein Betrag von 0,14 €.

Anders als die Kläger meinten, bestehe ein Zusammenhang zwischen der Förderung von Kindern über und unter drei Jahren. Die Kindertagespflegesatzung unterscheide diesbezüglich bei der Tagespflege - anders als bei Tageseinrichtungen - nicht. Die unterschiedliche Handhabung bei Tageseinrichtungen ergebe sich aus einer reduzierten Gruppengröße und einem anderen Betreuungsschlüssel bei Kindern unter drei Jahren, Diese Differenzierung gebe es bei der Tagespflege indes nicht, weswegen die Personengruppen auch nicht zu unterscheiden seien. Mit Blick darauf und die gleichwerte Betreuungsleistung würde eine getrennte Kalkulation im Übrigen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, da eine unterschiedliche Heranziehung der Eltern von Kindern unter und über drei Jahren nicht gerechtfertigt sei.

Zudem verpflichte weder einfaches Recht noch Verfassungsrecht dazu, den Kostenbeitrag für Kinder im Alter von unter und über drei Jahren im Rahmen einer getrennten Kalkulation zu ermitteln. Unter Verweis auf den Beschluss des Nds. OVG vom 29.09.2015 - 4 LB 149/13 - sei auch eine detaillierte betriebswirtschaftliche Berechnung, wie § 5 Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz es vorsehe, nicht erforderlich. Es verbiete sich lediglich eine Kalkulation, die zu einer Kostenüberdeckung führe. Eine solche sei jedoch vorliegend nicht gegeben. In diesem Zusammenhang könne die Beklagte typisieren und abstrahieren. Ungeachtet dessen ergebe auch eine von den Klägern geforderte getrennte Kalkulation für Kinder unter und über drei Jahren keine Kostenüberdeckung. Danach sei für Kinder über drei Jahren ein Landeszuschuss von 0,78 € und für Kinder unter drei Jahren von 1,68 € je Betreuungsstunde zu Grunde zu legen. Ein Abzug der 1,68 € von der durchschnittlichen Stundenvergütung in Höhe von 3,91 € würde - ohne den Elternbeitrag - zu einer Deckungslücke in Höhe von durchschnittlich 2,23 € führen. Unter Berücksichtigung des höchsten Elternbeitrages von 2,04 € ergebe sich eine Kostenunterdeckung von 0,19 €.

Die reguläre Stundenvergütung der Tagespflegeperson setze sich aus Sachkosten in Höhe von 1,58 € (ohne Verpflegung) und einer Förderleistung von 2,02 € zusammen. Für Erzieher oder qualifizierte Tagespflegepersonen mit mindestens fünfjähriger Berufserfahrung und nachweisbarer Teilnahme an mindestens acht Stunden Fortbildung pro Jahr erhöhe sich das Pflegegeld auf 3,80 € (1,58 € Sachaufwand und 2,22 € Förderleistung). Für das Jahr 2015 ergebe sich eine durchschnittliche Stundenvergütung von 3,91 € (3,67 € zzgl. 0,24 € je geleisteter Betreuungsstunde für Leistungen für die Kranken- und Unfallversicherung sowie die Altersvorsorge). Hinzu kämen im Falle einer Teilnahme an einer achtstündigen Fortbildung im Jahr die diesbezüglich von der Beklagten übernommenen Kosten. Auf der Grundlage einer durchschnittlichen Erstattung in Höhe von 1,24 € pro Betreuungsstunde durch das Land Niedersachsen seien mindestens 2,67 € pro Betreuungsstunde ungedeckt. Der Höchstsatz in Stufe 14 mit 407,00 € überschreite daher unter Zugrundelegung von 200 Betreuungsstunden mit 2,04 € den ungedeckten Anteil nicht.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

I. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hebt das Gericht den Verwaltungsakt auf, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die Bescheide der Beklagten vom 29.06.2015 erweisen sich als rechtswidrig und verletzen die Kläger dadurch in ihren Rechten.

Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch (SGB VIII) können für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24 Kostenbeiträge festgesetzt werden. Soweit Landesrecht - wie in Niedersachsen der Fall - nichts anderes bestimmt, sind solche Kostenbeiträge zu staffeln. Als Kriterien können insbesondere das Einkommen, die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder in der Familie und die tägliche Betreuungszeit berücksichtigt werden (§ 90 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VIII).

Die Beklagte hat von der Ermächtigung des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII Gebrauch gemacht, indem gemäß § 12 Kindertagespflegesatzung für die Inanspruchnahme von Angeboten zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24 ein öffentlich rechtlicher Kostenbeitrag in pauschalierter Form erhoben wird. Dessen Höhe richtet sich gemäß § 14 Abs. 1 Kindertagespflegesatzung nach dem Einkommen, der Anzahl der in einem Haushalt lebenden Personen und der durchschnittlichen monatlichen Betreuungszeit, wobei sich der Kostenbeitrag aus der Beitragsstaffelung in der Anlage zur Kindertagespflegesatzung ergibt.

II. Daran gemessen ist die Festsetzung der Kostenbeiträge in den Bescheiden vom 29.06.2015 rechtswidrig. Es fehlt bereits an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Denn die Kindertagespflegesatzungen der Beklagten in den Fassungen ab dem 01.08.2011 und 01.01.2014 sind nichtig. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip.

Eine Kalkulation nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unter Zugrundelegung eines bestimmten Kalkulationszeitraumes, wie sie § 5 Abs. 2 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) vorschreibt, bedarf es zwar vorliegend nicht. Denn das NKAG findet auf Kostenbeiträge im Sinne des § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII keine Anwendung, da es sich bei diesen um öffentlich-rechtliche Abgaben eigener Art handelt. Ungeachtet dessen ist jedoch das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip und der in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankerte Grundsatz der Abgabengerechtigkeit zu beachten. Diese sind bei einer Kostenstaffelung nach dem Einkommen des Kostenpflichtigen jedenfalls dann gewahrt, wenn auch der in Relation zu dem Umfang der Leistung des Jugendhilfeträgers höchste Kostenbeitrag die anteilsmäßig rechnerischen Kosten dieser Leistung nicht übersteigt (vgl. Nds. OVG, B. v. 29.09.2015 - 4 LB 149/13, Rn. 66 ff.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Denn der nach der Kindertagespflegesatzung höchst mögliche Kostenbeitrag pro Betreuungsstunde in Höhe von 3,30 € führt zu einer Kostenüberdeckung.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kalkulation der Beklagten überhaupt geeignet ist, Grundlage für die hier streitgegenständlichen Kostenbeiträge zu sein. Denn erstere bezieht sich auf das Jahr 2015, während die streitgegenständlichen Kostenbeiträge die Jahre 2013 und 2014 betreffen. Selbst wenn die für 2015 erstellte Kalkulation herangezogen werden könnte, läge ein Verstoß gegen das Kostenüberdeckungsverbot vor.

Anders als die Beklagte meint, kommt es nicht auf den Kostenbeitrag in Höhe von 407,00 € (Stufe 14 bei 200 Betreuungsstunden) an. Vielmehr ist der Kostenbeitrag von 3,30 € je Betreuungsstunde (Stufe 14 bei 40 Betreuungsstunden und Stufe 14 bei 60 Betreuungsstunden) maßgebend. Die Beklagte übersieht, dass der in Relation zu dem Umfang der Leistung der Beklagten höchste Kostenbeitrag entscheidend ist und nicht der höchste Monatskostenbeitrag.

Dabei kann dahinstehen, ob eine - wie die Beklagte meint - gemeinsame oder - wie die Kläger meinen - eine getrennte Kalkulation für Kinder unter und über drei Jahren vorzunehmen ist, da in beiden Fällen eine Kostenüberdeckung zu verzeichnen ist. Auch, ob von den Landeszuschüssen bezahlte Zeiten für Urlaub, Krankheit sowie Vor- und Nachbereitungen abzuziehen sind, kann offen bleiben. Denn auch unter Zugrundelegung der für die Beklagte günstigsten Annahme (Abzug der unbezahlten Ausfallstunden) liegt eine Kostenüberdeckung vor.

Im Falle einer gemeinsamen Kalkulation (unter Abzug der unbezahlten Ausfallstunden) beträgt die Kostenüberdeckung bis zu 0,63 € je Betreuungsstunde. Dies ergibt sich unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Stundenvergütung von 3,91 € abzüglich einer durchschnittlichen Erstattung durch das Land Niedersachsen in Höhe von 1,24 € je Betreuungsstunde (1,10 € für Kinder unter drei Jahren + 0,14 € für Kinder über drei Jahren) und abzüglich des nach der Satzung höchst möglichen Kostenbeitrages von 3,30 € je Betreuungsstunde. Letzterer ergibt sich bei der Stufe 14 und 40 Betreuungsstunden sowie bei der Stufe 14 und 60 Betreuungsstunden. Insgesamt liegen bei folgenden Stufen und Betreuungsstunden Kostenüberdeckungen vor:

StufeMonatsbetragBetreuungsstundenKostenbeitrag je BetreuungsstundeKostenüberdeckung je Betreuungsstunde
1466,00 €21 bis 242,75 bis 3,140,08 € bis 0,47 €
132,00 €40 bis 492,69 bis 3,300,02 € bis 0,63 €
198,00 €60 bis 742,68 bis 3,300,01 € bis 0,63 €
253,00 €80 bis 942,69 bis 3,160,02 € bis 0,49 €
277,00 €100 bis 1032,69 bis 2,770,02 € bis 0,10 €
1362,00 €21 bis 232,70 bis 2,950,03 € bis 0,28 €
120,00 €40 bis 442,73 bis 3,000,06 € bis 0,33 €
188,00 €60 bis 702,69 bis 3,130,02 € bis 0,46 €
239,00 €80 bis 892,69 bis 2,990,02 € bis 0,32 €
1258,00 €212,760,09 €
114,00 €40 bis 422,71 bis 2,850,04 € bis 0,18 €
178,00 €60 bis 662,70 bis 2,970,03 € bis 0,30 €
225,00 €80 bis 842,68 bis 2,810,01 € bis 0,14 €
11108,00 €402,700,03 €
168,00 €60 bis 622,71 bis 2,800,04 € bis 0,13 €

Im Falle einer getrennten Kalkulation besteht jedenfalls in Bezug auf Kinder unter drei Jahren eine Kostenüberdeckung in Höhe von bis zu 0,86 € je Betreuungsstunde. Diese Überdeckung ergibt sich unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Stundenvergütung von 3,91 € abzüglich einer Förderung von 1,47 € je Betreuungsstunde (1,68 € - 0,21 € unbezahlte Ausfallstunden) und abzüglich des nach der Satzung höchst möglichen Kostenbeitrages von 3,30 € je Betreuungsstunde. Insgesamt liegen bei folgenden Stufen und Betreuungsstunden Kostenüberdeckungen vor:

StufeMonatsbetragBetreuungsstundenKostenbeitrag je BetreuungsstundeKostenüberdeckung je Betreuungsstunde
1466,00 €21 bis 262,54 bis 3,140,10 € bis 0,70 €
132,00 €40 bis 532,49 bis 3,300,05 € bis 0,86 €
198,00 €60 bis 792,51 bis 3,300,07 € bis 0,86 €
253,00 €80 bis 992,56 bis 3,160,12 € bis 0,72 €
277,00 €100 bis 1132,45 bis 2,770,01 € bis 0,33 €
300,00 €120 bis 1222,46 bis 2,500,02 € bis 0,06 €
1362,00 €21 bis 252,48 bis 2,950,04 € bis 0,51 €
120,00 €40 bis 492,45 bis 3,000,01 € bis 0,69 €
188,00 €60 bis 762,47 bis 3,130,03 € bis 0,69 €
239,00 €80 bis 972,46 bis 2,990,02 € bis 0,55 €
262,00 €100 bis 1072,45 bis 2,620,01 € bis 0,18 €
1258,00 €21 bis 232,52 bis 2,760,08 € bis 0,32 €
114,00 €40 bis 462,48 bis 2,850,04 € bis 0,41 €
178,00 €60 bis 722,47 bis 2,970,03 € bis 0,53 €
225,00 €80 bis 922,45 bis 2,810,01 € bis 0,37 €
247,00 €100 bis 1012,45 bis 2,470,01 € bis 0,03 €
1154,00 €21 bis 222,45 bis 2,570,01 € bis 0,13 €
108,00 €40 bis 442,45 bis 2,700,01 € bis 0,26 €
168,00 €60 bis 682,47 bis 2,800,03 € bis 0,36 €
211,00 €80 bis 862,45 bis 2,640,01 € bis 0,20 €
10102,00 €40 bis 412,49 bis 2,550,05 € bis 0,11 €
158,00 €60 bis 642,47 bis 2,630,03 € bis 0,19 €
199,00 €80 bis 812,46 bis 2,490,02 € bis 0,05 €
9148,00 €602,470,03 €

Aufgrund der Kostenüberdeckungen erweist sich die gesamte Kindertagespflegesatzung als nichtig. Denn diese betrifft diverse Einkommensstufen und Betreuungsstunden und hat eine nicht nur unerhebliche Kostenüberdeckung zur Folge.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i. V. m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.