Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.05.2009, Az.: 11 A 48/08

Fahrtkosten des für einen bedürftigen Beteiligten beigeordneten Rechtsanwalts

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
12.05.2009
Aktenzeichen
11 A 48/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 30569
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0512.11A48.08.0A

Fundstellen

  • AGS 2009, 467-468
  • NJW-Spezial 2009, 460-461

Amtlicher Leitsatz

Ist einem bedürftigen Beteiligten ein auswärtiger Rechtsanwalt "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Bevollmächtigten" beigeordnet worden (§ 121 Abs. 3 ZPO), kann dieser aus der Staatskasse die Fahrtkosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung bis zur größtmöglichen von einem im Gerichtsbezirk gelegenen Ort bis zum Gerichtssitz bestehenden Entfernung erstattet verlangen.

Zur Erstattungsfähigkeit von Fotokopierkosten in ausländerrechtlichen Rechtsstreitigkeiten.

Gründe

1

Die nach § 56 RVG zu beurteilende Erinnerung gegen die aus dem Tenor ersichtliche Vergütungsfestsetzung bleibt, soweit sie nicht ohnehin schon mit Schreiben vom 31. März 2009 zurückgenommen worden ist, ohne Erfolg.

2

Der Bezirksrevisor beanstandet noch (1.) berücksichtigte Fotokopierkosten des beigeordneten Rechtsanwalts in Höhe von 10,50 EUR (entsprechend 21 Kopien), sowie (2.) festgesetzte Fahrtkosten in Höhe von 45,-- EUR (für eine einfache Strecke von 75 km) zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

3

1.

Nach dem VV Nr. 7000 Nr. 1 a zum RVG kann der Rechtsanwalt u.a. für Ablichtungen aus Behördenakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, eine Dokumentenpauschale verlangen. Hiernach darf der Rechtsanwalt zwar nicht undifferenziert die gesamte Behördenakte kopieren. Andererseits ist aber kein engherziger Maßstab zu Grunde zu legen. Der Rechtsanwalt darf alle Unterlagen ablichten, die er bei gewissenhafter Betrachtung zur sachgerechten Beurteilung und Begleitung der Rechtssache für erforderlich halten durfte; ob die Dokumente letztlich bei der Entscheidung des Gerichts maßgeblich berücksichtigt worden sind, ist ohne Bedeutung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. September 2007 - 1 K 70.06 - [...]<Rn. 4>; OVG Münster, Beschluss vom 6. August 2001 - 10 a D 180/98.NE - [...]<Rn. 8>; VGH München, Beschluss vom 29. August 2000 - 8 C 99.2099 - [...] <Rn. 4>). Bei ausländerrechtlichen Streitigkeiten ist dabei zu beachten, dass regelmäßig eine umfassende Betrachtung des gesamten Lebenslaufs des Ausländers seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, wie er in den Personalakten seinen Niederschlag gefunden hat, von entscheidungserheblicher Bedeutung sein kann. So hat sich der Kläger des zu Grunde liegenden Rechtsstreits seit Mitte der 80er Jahre immer wieder und teilweise langjährig in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Nach der Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen im Jahre 2003 ist ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und diese einmal verlängert worden. Er hat sich auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG, die Altfallregelung des § 104 a AufenthG und die Bindungen zu einem Kind aus einer früheren Beziehung berufen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insgesamt 174 Seiten aus den Behördenakten kopiert. Er hat hiervon 50 Seiten, entsprechend etwa 29%, abgerechnet. Dies lässt bei der gebotenen überschlägigen Betrachtung eine unangemessene Handhabung schon im Ansatz nicht erkennen.

4

2.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, welcher seinen Kanzleisitz in Hannover hat, darf von der Staatskasse auch Fahrtkosten zum Termin zur mündlichen Verhandlung für eine Hin- und Rückfahrt von jeweils 110 km, entsprechend der weitest möglichen Entfernung im Bezirk des Verwaltungsgerichts Oldenburg, und nicht nur für eine Entfernung von 35 km (Wohnsitz des Klägers in Brake bis Oldenburg) beanspruchen.

5

Im Bewilligungsbeschluss des Einzelrichters vom 2. September 2008 ist er, entsprechend der Regelung des § 121 Abs. 3 ZPO, zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Bevollmächtigten beigeordnet worden. Wie der Bezirksrevisor im Ansatz zutreffend vorträgt, sollen damit die von der Staatskasse zu erstattenden Fahrtkosten verringert werden. Dem bedürftigen Beteiligten wird deshalb zur Entlastung der Allgemeinheit zugemutet, einen in der Nähe des Gerichts tätigen Anwalt zu beauftragen.

6

Anknüpfungspunkt des § 121 Abs. 3 ZPO ist indes - anders als der Bezirksrevisor meint - nicht der Wohnort des Klägers. Vielmehr kann er sich einen Rechtsanwalt aus dem gesamten Bezirk des Prozessgerichts wählen. Nur die darüber hinausgehenden ("weiteren") Kosten sollen vermieden werden. Mithin können tatsächlich entstandenen Fahrtkosten bis zur Höhe des geltend gemachten maximal im Bezirk des Verwaltungsgerichts Oldenburg anfallenden Betrages erstattet werden.

7

Dann entstehen im Vergleich zu einem Rechtsanwalt, welcher noch ohne Bedingungen beigeordnet werden könnte, keine Mehrkosten. Es entspricht deshalb auch ständiger Praxis der Kammer Rechtsanwälte, die ihren Sitz weniger als 110 km von Oldenburg entfernt haben, einschränkungslos beizuordnen.

8

Nicht überzeugend ist auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts Stade in dem Beschluss vom 23. Januar 2008 (6 A 2016/06), wonach eine "konkrete Betrachtungsweise" geboten, d.h. die Strecke, die der Prozessbevollmächtigte im Gerichtsbezirk gefahren ist, zu Grunde zu legen sei. Dies lässt ebenfalls außer Betracht, dass lediglich die Mehrkosten, die durch die Bevollmächtigung eines auswärtigen Anwalts zusätzlich entstehen, vermieden werden sollen. Die Betrachtung könnte zu sachgerechten Ergebnissen auch nur führen, wenn sich der Gerichtssitz zentral im Gerichtsbezirk befindet. Beim Verwaltungsgericht Oldenburg dürfte dagegen - bei gleicher Entfernung - ein aus Richtung Süden (etwa aus Nordrhein-Westfalen) in dessen Bezirk einreisender Rechtsanwalt einen höheren Betrag aus der Staatskasse verlangen als ein Bevollmächtigter der aus Westen (etwa aus Hamburg) anreist.