Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 12.02.1986, Az.: 3 U 43/85
Erwerb eines Rechensystems nebst Software ; Mitwirkung an der Erweiterung eines Programmes; Rückzahlung des Kaufpreises ; Haftung aufgrund einer Schuldmitübernahme
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 12.02.1986
- Aktenzeichen
- 3 U 43/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 16369
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1986:0212.3U43.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 11.01.1985 - AZ: 3 HO 93/84
Rechtsgrundlagen
- § 326 BGB
- § 327 BGB
- § 346 BGB
Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Oldenburg hat
auf die mündliche Verhandlung von 22. Januar 1986
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die, Berufung der Beklagten zu 2) und 3) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Teilurteil des Landgerichts Osnabrück vom 11. Januar 1985 geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt der Klägerin 89.500,- DM nebst 5 % Zinsen seit dem 29. November 1984 Zug um Zug gegen Rückgabe des...-Computers ... an die Beklagte zu 1) zu zahlen. Im übrigen wird die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) abgewiesen.
Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin und der Beklagte zu 2) die Gerichtskosten je zur Hälfte; von den außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin die des Beklagten zu 3) voll und 1/2 der eigenen, der Beklagte zu 2) die eigenen voll und 1/2 der der Klägerin erwachsenen Kosten.
Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Schlußurteil des Landgerichts vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte zu 2) darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 100.000,- DM abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt für die Klägerin und für den Beklagten zu 2) 40.000,- DM.
Tatbestand
Die Klägerin erwarb im Jahre 1983 von der im Berufungsrechtszug nicht beteiligten Beklagten zu 1), der Firma ... GmbH, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) waren und die sich inzwischen in Liquidation befindet, ein ... Rechensystem nebst Software zum Preise von 89.500,- DM. Sie hat von der Beklagten zu 1) und von den Beklagten zu 2) und 3) - von diesen auf Grund angeblich selbständiger Verpflichtung zur Übernahme der Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1) - die Rückzahlung der von ihr gezahlten 89.500,- DM verlangt. Die Klägerin war mit Schreiben vom 19. November 1984 vom Vertrag zurückgetreten, unter anderem deshalb, weil die Beklagte zu 1) die speziell auf ihre Fabrikation zugeschnittene Programmerweiterung des "Klima-Paketes" nicht vorgenommen hatte.
Demgegenüber haben die Beklagten geltend gemacht, die Programmerweiterung sei nur deshalb nicht erfolgt, weil die Klägerin sich grundlos geweigert habe, das sogenannte "Pflichtenheft" zu unterschreiben. Die Beklagten haben außerdem bestritten, neben oder anstelle der Beklagten zu 1) Pflichten übernommen zu haben.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Teilurteil die Beklagten zu 2) und 3) zur Zahlung von 89.500,- DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Computers an die Beklagte zu 1) verurteilt. Es hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei befugt, vom Vertrag zurückzutreten. Die Beklagte zu 1) sei mit der Erstellung des Klimaprogramms in Verzug gewesen. Das habe sie zu vertreten. Sie könne sich nicht darauf berufen, die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen und habe sich zu Unrecht geweigert, das Pflichtenheft zu unterschreiben. Die Beklagten seien dem Vorbringen der Klägerin nicht entgegengetreten, daß diese mit Schreiben vom 18. August 1983 die ihr klärungsbedürftig erschienenen Fragen der Beklagten zu 1) übermittelt habe, damit sie in das sogenannte Sollkonzept aufgenommen würden. Wenn die Beklagte zu 1) diesen detailliert aufgeführten wünschen nicht nachgekommen sei, habe sie ihre Pflicht verletzt, daran mitzuwirken, daß das Programm den besonderen Bedürfnissen des Unternehmens der Klägerin entspreche. Die Beklagten zu 2) und 3) seien verpflichtet, den Rückzahlungsanspruch der Klägerin zu erfüllen, weil sie sich ihr gegenüber verpflichtet hätten, die Verbindlichkeiten der im Laufe des Rechtsstreits in Konkurs gefallenen Beklagten zu 1) zu übernehmen. Das sei aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme bewiesen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen wird, wenden sich die Beklagten zu 2) und 3) mit ihrer Berufung. Sie sind der Ansicht, daß die Klägerin durch ihr Schreiben vom 18. August 1983 nicht ihrer Mitwirkungspflicht bei der Erstellung des Programms genügt habe. Dieses Schreiben habe nur einige Berechnungsbeispiele sowie Zeichnungen enthalten, die nicht ausgereicht hätten, um eine Programmerweiterung vorzunehmen. Das Pflichtenheft sei der Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 1983 übersandt worden, wie sich aus deren eigenem Schreiben vom 28. November 1983 ergebe. Sie habe das Pflichtenheft jedoch nicht zurückgesandt. In dem Pflichtenheft sei im einzelnen aufgeführt, in welchem Umfang die Klägerin bei der Erweiterung des Programmes mitwirken müsse.
Die Beklagten zu 2) und 3) bestreiten, eine Übernahme der Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1) zugesagt zu haben. Auf einen etwaigen Rückzahlungsanspruch müsse sich die Klägerin ein Entgelt für die tatsächliche Nutzung des Computers nebst der Software anrechnen lassen.
Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, sie habe nicht gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen. Das Pflichtenheft habe sie erst unterschreiben können, wenn dies ihren Wünschen entsprechend erarbeitet gewesen wäre; denn durch ihre Unterschrift werde das Konzept des Lieferanten gebilligt. Um ihrer Mitwirkungspflicht genügen zu können, hätte die Beklagte zu 1) ihr Fragen vorlegen müssen, die sie auch hätte verstehen können. Dem sei zum Beispiel nicht mit der Frage genügt: "Bitte geben Sie an, inwieweit die Auftragsart einen weiteren Einfluß auf die Datenverarbeitung haben soll" oder "Bitte verschlüsseln Sie die Materialarten gemäß Schlüsselverzeichnis und teilen Sie mir die Verschlüsselung mit."
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat durch Zeugenvernehmungen Beweis erhoben. Hierzu wird auf die Niederschriften vom 27. November 1985 und 22. Januar 1986 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten zu 3) ist begründet, nicht hingegen die das Beklagten zu 2). Der Beklagte zu 2) haftet der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises, weil er sich bei einer Unterredung mit der Klägerin am 14. März 1984 verpflichtet hat, für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1) aufzukommen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden ausführlichen Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils, auf die Bezug genommen wird. Allerdings hat, er diese Verpflichtung nicht mit Rechtswirkung für den Beklagten zu 3) übernommen, wie unten noch darzulegen ist.
Die Haftung des Beklagten zu 2) beruht auf einer Schuldmitübernahme. Er ist der Verpflichtung der Beklagten zu 1) beigetreten, der Klägerin zu der gelieferten Hardware und dem Standard-Software-Programm auch das sogenannte Klima-Paket zu liefern. Da dieses Programm aufgrund von den Beklagten zu 1) und 2) zu vertretenden Umständen trotz Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht geliefert worden ist, ist die Klägerin rechtswirksam von dem Vertrag mit der Beklagten zu 1) zurückgetreten (§ 326 BGB). Der Beklagte zu 2) schuldet gemäß §§ 327, 346 BGB der Klägerin die Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises, und zwar des insgesamt geleisteten Kaufpreises von 89.500,- DM, weil sie wegen der teilweisen Nichterfüllung des Vertrages rechtswirksam von dem Vertrag insgesamt zurückgetreten ist.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben - unstreitig - das geschuldete Klima-Paket nicht geliefert. Sie können sich zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, daß die Klägerin ihnen nicht das Pflichtenheft unterschrieben zurückgesandt und sie dadurch gehindert habe, das Spezialprogramm zu entwickeln. Zwar hat die Beklagte zu 1) der Klägerin ein sogenanntes Sollkonzept zugeleitet; aufgrund der Zeugenaussagen des von der Beklagten zu 1) eingeschalteten selbständigen Programmierers M. und des Angestellten S. der Klägerin ist auch erwiesen, daß die Klägerin das Sollkonzept an M. nur unvollständig zurückgesandt hat. Der Grund für die Unvollständigkeit lag nach der glaubwürdigen Aussage des Zeugen S. aber darin, daß die Klägerin mit dem Sollkonzept nicht zurecht kam, einige der ihr vorgelegten Fragen überhaupt nicht verstand. Der Zeuge S. hat weiterhin glaubwürdig bekundet, daß die Klägerin sich wiederholt sowohl an den Programmierer als auch - da dieser auf die Zuständigkeit der Beklagten zu 1) verwiesen hatte - an diese gewandt hat, um eine Besprechung noch offener Fragen zu erreichen. Die Beklagte hat es jedoch nicht vermocht, entgegen ihrer Zusage einen Besprechungstermin mit dem Programmierer zustandezubringen und dadurch der Klägerin berechtigten Anlaß gegeben, von dem Vertrag zurückzutreten.
Es kommt nicht darauf an, ob das der Klägerin zugeleitete Sollkonzept hinreichend verständlich war, um sie instand zu setzen, es nach Bearbeitung dem Programmierer zuzuleiten, damit der auf dieser Grundlage das Klima-Paket entwickeln konnte. Zwar kann nicht die individuelle Sachkunde und Auffassungsgabe des Kunden allein Maßstab dafür sein, wie ein Sollkonzept zu entwickeln ist, um als vertragsgemäße Leistung gellen zu können. Wer sich darauf einläßt, einen Computer und die zugehörige Software zu erwerben, darf nicht bar jeglicher Kenntnis sein. Wenn es sich auch bei einem Computer noch immer um ein relativ neues Produkt handelt und deshalb umfangreichere Informationspflichten bestehen als beispielsweise bei einem Autohändler, der seinem Kunden nicht erst das Fahren beizubringen braucht, so ist gleichwohl von dem Erwerber eines Computers zu erwarten, daß er sich über die Einsatzmöglichkeiten des von ihm erworbenen Geräts auch selbst kundig macht.
Ob die Beklagte zu 1) - insoweit vertreten durch den Programmierer - hier übersteigerte Anforderungen an die Sachkunde der Klägerin gestellt hat - der Senat versteht die im Tatbestand als Beispiel aufgeführten Fragen auch nicht -, kann aber dahinstehen. Denn selbst wenn sich die Formulierung des Sollkonzeptes im Rahmen dessen gehalten haben sollte, was einem Computerkunden, der ein mittelständisches Unternehmen betreibt, zugemutet werden darf, war die Beklagte zu 1) verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß sie von ihr zumindest ohne zusätzliches Entgelt keine weitere Hilfe erwarten dürfe und sich anderweitig sachkundig machen müsse. Das haben die Beklagten aber unstreitig niemals geltend gemacht, sondern in Aussicht gestellt, einen Besprechungstermin mit dem Programmierer zu vereinbaren.
Wie die dem Senat vorliegende Korrespondenz der Parteien und auch die Aussage des Zeugen S. ergeben, hat es letztlich nicht an der Klägerin gelegen, daß es zu einer solchen Besprechung nicht gekommen ist. Die Klägerin hat, nachdem ihr von der Beklagten zu 1) die Frist gesetzt worden war das ihr Mitte Juni 1983 zugeleitete Sollkonzept bis zum 25. August 1983 zurückzusenden, dieses am 18. August 1983 dem Programmierer (wenn auch unvollständig) zugesandt. Wie der Zeuge S. glaubhaft bekundet hat, hat sie sich aber zugleich sowohl bei dem Programmierer als auch bei der Beklagten zu 1) um eine Unterredung bemüht. Der Programmierer habe sie an die Beklagte zu 1) verwiesen, was seine Bestätigung in seinem Schreiben vom 15. März 1984 an die Klägerin findet, wonach er der Beklagten zu 1) bereits unter dem 8. Oktober 1983 mitgeteilt hatte, daß er die weitere Mitarbeit an diesem Projekt ablehne. Gleichwohl stellte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 11. November 1983 für Dezember 1983 einen Besprechungstermin mit dem Programmierer in Aussicht. Aber auch dazu kam es nicht.
Am 14. März 1984 vereinbarten die Parteien, daß die Beklagte bei dem Programmierer klären solle, was er noch von der Klägerin benötige. Auf ein Schreiben der Klägerin vom gleichen Tage, in dem sie diese Absprache bestätigte, antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 1984 abredewidrig, die Klägerin möge sich unmittelbar an den Programmierer wenden. Der aber hatte bereits auf einen telefonischen Anruf der Klägerin vom 15. März hin ihr am gleichen Tage schriftlich mitgeteilt, sie möge sich an die Beklagte zu 1) halten. In einem Schreiben vom 16. März 1984 forderte diese den Bevollmächtigten der Klägerin sogar auf, mit dem Programmierer einen eigenen Vertrag zu schließen.
Unter diesen Umständen ist es verständlich und gerechtfertigt, daß die Klägerin der Beklagten zu 1) unter dem 7. November 1984 zur Erfüllung des Vertrages eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzte und nach Ablauf der Frist vom Vertrag zurücktrat (§ 326 BGB).
Der Beklagte hat 2) hat aus den oben dargelegten Gründen die von der Klägerin der Beklagten zu 1) bereits gezahlte Summe von 89.500,- DM zurückzuerstatten. Der Beklagte zu 2) kann gegenüber diesem Anspruch nicht mit einen Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgeltes aufrechnen. Denn auf Grund der Aussage des Zeugen Stahl ist erwiesen, daß der Computer - auch mit dem gelieferten Standardprogramm - niemals eingesetzt worden ist.
Die Klägerin hat aber keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 3). Er haftet nicht für die Verbindlichkeiten der beschränkt haftenden Beklagten zu 1) deren Gesellschafter er ist. Der Beklagte zu 2) konnte ihn nicht rechtswirksam in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Offenen Handelsgesellschaft verpflichten, die er mit ihm betreibt, weil der Gesellschaftsvertrag unstreitig nur eine gemeinsame Vertretung nach außen vorsieht. Für eine persönliche Verpflichtung, die die Klägerin nunmehr behauptet, fehlt es an einer Vollmacht. Sie ist nicht dadurch stillschweigend erteilt, daß der Beklagte zu 2) anstelle des zunächst angekündigten Beklagten zu 3) die Unterredung vom 14. März 1984 mit der Klägerin geführt hat. Sie hat nicht einmal behauptet, daß bei diesem Treffen von vornherein eine Absprache vorgesehen war, wie sie dann zwischen ihr und dem Beklagten zu 2) getroffen worden ist. Es ist auch unerheblich, ob der Beklagte zu 3) von der Absprache erfahren hat, denn daraus allein ergibt sich keine Vollmacht für den Beklagten zu 2), weder als Anscheins- noch als Duldungsvollmacht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.