Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.02.1986, Az.: 10 WLw 21/85

Einziehung eines Hoffolgezeugnisses wegen Feststellung des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Ehegattenhofes; Errichtung eines Testaments zur Übertragung eines landwirtschaftlichen Hofes an die Ehefrau als Vorerbin und an den Neffen als Nacherben

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.02.1986
Aktenzeichen
10 WLw 21/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1986, 23485
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1986:0227.10WLW21.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Leer - 02.07.1985 - AZ: 5 LwH 57/83

Fundstelle

  • NJW-RR 1986, 823-824 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Hoffolge des von dem am 26. Juni 1983 verstorbenen Landwirt xxx nachgelassenen Hofes, eingetragen in den Grundbüchern von xxx und xxx.

In der Landwirtschaftssache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 27. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx und
die Richter am Oberlandesgericht xxx und xxx sowie
die landwirtschaftlichen Beisitzer xxx und xxx
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Leer vom 2. Juli 1985 aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Antragsgegners beider Instanzen sind von der Antragstellerin zu tragen.

Der Geschäftswert wird auf 400.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der am 26. Juni 1983 kinderlos verstorbene Landwirt xxx hatte in seinem privatschriftlichen Testament vom 26. Mai 1983 die Antragstellerin, seine zweite Ehefrau, zur alleinigen Vorerbin, den Antragsgegner, seinen Neffen, zum alleinigen Nacherben seines gesamten Nachlasses eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war der Erblasser eingetragener Eigentümer des Hofes im Sinne der Höfeordnung in xxx zur Größe von etwa 24 ha. Das Landwirtschaftsgericht Leer erteilte am 10.11.1983 Erbschein und Hoffolgezeugnis dahin, daß die Antragstellerin Vorerbin und Hofvorerbin und der Antragsgegner Nacherbe und Hofnacherbe sei.

2

Später stellte sich heraus, daß im Wege eines Flurbereinigungsverfahrens der Erblasser und die Antragstellerin durch Kaufvertrag vom 12.3./8.4.1976 für knapp 44.000,-- DM von der Nds. Landgesellschaft ca. 7,49 ha landwirtschaftlichen Grundbesitz, nunmehr übertragen in das Grundbuch von xxx, erworben hatten, der von der Hofstelle aus bewirtschaftet wurde.

3

Durch ein Versehen des Amtes für Agrarsturktur in Aurich war jedoch nur der Erblasser als Eigentümer eingetragen worden. Das wurde durch Eintragung vom 17.1.1984 gemäß § 132 FlurbG von Amts wegen berichtigt. Der Erblasser und die Antragstellerin sind nunmehr als Eigentümer je zur Hälfte eingetragen.

4

Das Landwirtschaftsgericht hat sodann auf Antrag der Antragstellerin entgegen dem Begehren des Antragsgegners durch Beschluß vom 2. Juli 1985 das Hoffolgezeugnis vom 10.11.1983 als unrichtig eingezogen und festgestellt, daß der in den Grundbüchern von xxx und xxx eingetragene Grundbesitz mit Wirkung vom 8.4.1976 ein Ehegattenhof gemäß der Höfeordnung ist. Dies folge aus § 1 HöfeO a.F. i. V. mit § 8 Abs. 1, 2 HöfeO n.F. sowie den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes. Auf die Einzelheiten des Beschlusses wird Bezug genommen.

5

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner. Der Beschluß des Landwirtschaftsgerichts sei unrichtig und daher aufzuheben. Die Antragstellerin tritt dem entgegen.

6

II.

Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist als einfache Beschwerde nach §§ 9 LwVG, 19 FG i. Verb. mit § 5 Nds. Gesetz vom 19. Dezember 1955 (GVBl S. 291) zulässig (vgl. Barnstedt/Steffen, LwVG, 3. Aufl., § 22 Rdn. 22) und in der Sache begründet.

7

Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben.

8

Das Testament des Erblassers ist nicht gem. § 8 Abs. 2 HöfeO n.F. unwirksam. Denn der Hof ist kein Ehegattenhof im Sinne von § 1 HöfeO in der hier anzuwendenden neuen Fassung.

9

Zugunsten der Antragstellerin ist allerdings mit dem Landwirtschaftsgericht davon auszugehen, daß diese (zusammen mit dem Erblasser) bereits im April 1976 eine Mitanwartschaft an dem im Flurbereinigungsverfahren von der NLG verkauften und zugeteilten Grundstück, das vom Hof aus bewirtschaftet werden sollte, erworben hat mit der Folge, daß, da damals noch altes Höferecht galt, der Hof zum Ehegattenhof alten Rechts, § 1 HöfeO a.F., wurde (vgl. Faßbender pp., HöfeO, § 1, Rn. 22, 33; § 2, Rn. 10, 20, 32; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 4. A., § 1, Rn. 57; § 2, Rn. 12).

10

Nicht zu folgen ist dem Landwirtschaftsgericht jedoch in seiner daraus gezogenen Folgerung, der mithin bis zum 30.6.1976 bestehende Ehegattenhof sei auch nach Inkrafttreten der neuen Höfeordnung am 1.7.1976 Ehegattenhof geblieben, und der Erblasser habe deshalb nicht allein durch Testament darüber rechtswirksam letztwillig verfügen können. Vielmehr war der Hof z. Zt. der Testamentserrichtung und des Erbfalls im Jahre 1983 kein Ehegattenhof mehr. § 8 Abs. 1 und 2 HöfeO n.F. stehen daher der Wirksamkeit des Testaments nicht entgegen.

11

Zu Recht ist das Landwirtschaftsgericht, da Testament und Erbfall aus 1983 datieren, von der Anwendbarkeit der HöfeO in der nach dem 1.7.1976 geltenden Fassung ausgegangen (vgl. die Übergangs- und Schlußvorschriften (ÜS) in Art. 3 des 2. ÄndG HöfeO, dort § 9 sowie Umkehrschluß zu dort § 3; BGH NJW 1980, 2582 [BGH 26.06.1980 - V BLw 40/79]).

12

Das gilt aber vorrangig und vor allem auch im Hinblick darauf, ob der Hof im Jahre 1983 (auch noch) Ehegattenhof war (vgl. BGH NJW 1982, 2667 [BGH 13.05.1982 - V BLw 5/81]). Das ist - entgegen der Aufassung des Landwirtschaftsgerichts - nicht der Fall.

13

Ob ein Ehegattenhof alten Rechts (§ 1 HöfeO a.F.) als Ehegattenhof neuen Rechts (§ 1 HöfeO n.F.) fortbesteht, bestimmt sich nach den zitierten Übergangsvorschriften, bei deren Nichteingreifen nach der jetzt geltenden HöfeO (vgl. BGH NJW 1982, 2667 [BGH 13.05.1982 - V BLw 5/81]).

14

Die Voraussetzungen des für die vorliegende Entscheidung maßgebenden § 2 ÜS liegen nicht vor:

15

§ 2 Abs. 1 greife nicht ein, weil die Voraussetzung "... und als solcher (= Ehegattenhof) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Grundbuch eingetragen ..." hier nicht vorliegt. Zum 1.7.1976 war der Hof nur als dem Erblasser gehörig im Grundbuch eingetragen. Soweit in der Literatur vereinzelt (vgl. Faßbender pp. Rn. 4 zu § 2 ÜS), die Auffassung vertreten wird, die unterbliebene Eintragung des Ehegattenhofvermerks im Grundbuch sei jedenfalls dann nicht entscheidend, wenn diese "versehentlich" nicht erfolgt sei, der Hof aber nach altem Recht tatsächlich ein Ehegattenhof war, vermag der Senat dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber diese Voraussetzung - Ehegattenhofvermerk im Grundbuch verlangt hätte, wenn sie stets nur deklaratorische Bedeutung hätte und damit letztlich überflüssig wäre. Für den Parallelfall in § 1 Abs. 1 ÜS hat der BGH ausdrücklich klargestellt, daß die Voraussetzung des im Grundbuch eingetragenen Hofvermerks zum 1.7.1976 im Hinblick auf § 1 Abs. 1 S. 3 HöfeO n.F. entscheidende (konstitutive) Bedeutung hat und daß ihr Fehlen, gleichviel aus welchem Grund, die Anwendung dieser Vorschrift hindert (vgl. BGH NJW 1982, 2667 [BGH 13.05.1982 - V BLw 5/81]). Für den hier zu entscheidenden, rechtlich vergleichbar liegenden Fall kann nichts anderes gelten.

16

Die hier maßgebende Vorschrift des § 2 Abs. 1 ÜS kann ebensowenig wie § 1 Abs. 1 ÜS ihrem Wortlaut zuwider dahin ausgelegt werden, daß es auf die Eintragung des Ehegattenhofvermerks nicht ankomme. Beide Vorschriften beruhen auf demselben, vom BGH (a.a.O.) aufgezeigten Zweck. Dementsprechend soll die Übergangsregelung in § 2 Abs. 1 ÜS lediglich den Eigentümern von disparitätischen Ehegattenhöfen (Ehegattenhöfen, bei denen - wie hier - die Miteigentumsanteile der Ehegatten verschieden groß sind) die Abgabe der Erklärung nach § 2 Abs. 2 ÜS ersparen, um damit die Ehegattenhofeigenschaft zu begründen. Dies gilt aber eben, wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, nur in den Fällen, in denen der Ehegattenhof auch schon als solcher eingetragen ist. Da die Ehegatten auch keine Erklärung nach § 1 Abs. 2 HöfeO n.F. abgegeben haben, war der Hof bei Errichtung des Testaments kein Ehegattenhof, so daß das Testament des Erblassers nicht unwirksam ist.

17

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 44, 45 LwVG, 21 g HöfeVfO, 19 Abs. 2 u. 3 KostO.