Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 06.10.2021, Az.: 14 U 39/21

Zulässigkeit der nachträglichen Geltendmachung eines Umbauzuschlags bei schriftlicher Vereinbarung eines Umbauzuschlag von 0 %; Anforderungen an die Darlegung von Mehrkosten aufgrund von Bauzeitverlängerungen; Kündigung eines Ingenieurvertrages durch den Auftraggeber wegen der Verweigerung der Erbringung weiterer Leistungen ohne weitere Vertragsergänzungen durch den Auftragnehmer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
06.10.2021
Aktenzeichen
14 U 39/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 49778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2021:1006.14U39.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 10.02.2021 - AZ: 14 O 122/17

Fundstellen

  • BauR 2022, 283-290
  • BauSV 2021, 73-75
  • IBR 2021, 633
  • IBR 2021, 635
  • MDR 2021, 1455-1456
  • NJW-RR 2022, 168-172
  • NJW-Spezial 2021, 750
  • NZBau 2022, 277-282
  • ZfBR 2022, 49-54
  • ZfBR 2022, 112
  • ZfBR 2022, 115
  • ZfBR 2022, 120

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine schriftliche Vereinbarung, nach der zwischen den Parteien ein Umbauzuschlag von 0% vereinbart worden ist, steht den Fiktionen von § 35 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2009 und § 6 Abs. 2 Satz 4 HOAI 2013 nicht entgegen, so dass der Auftragnehmer auch nachträglich keinen weiteren Umbauzuschlag fordern kann.

  2. 2.

    Mehrkosten aufgrund von Bauzeitverlängerungen sind konkret darzulegen. Schätzungen auf der Basis von Durchschnittswerten sind nicht ausreichend.

  3. 3.

    Ein wichtiger zur außerordentlichen Kündigung berechtigender Grund liegt vor, wenn das Erbringen von vertraglich geschuldeten Leistungen von einer weiteren Vertragsergänzung abhängig gemacht wird.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10.02.2021 - 14 O 122/17 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 768.400,57 €.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten weitere Zahlungen aufgrund von zwei Ingenieurverträgen. Die Beklagte beauftragte die Klägerin, ein Ingenieurbüro für technische Gebäudeausrüstung, im Juni 2010 mit Sanierungsarbeiten in Bezug auf die Fallschirmjägerkaserne in .... Die Klägerin sollte die Erneuerung der dortigen Gebäudeautomation sowie die Sanierung der Wärmeversorgung und -verteilung planen und überwachen.

Auf die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge und Vertragsergänzungen (Anlagen K1- K6) wird Bezug genommen. Die Klägerin wurde zunächst mit den Leistungsphasen 2 und 3 der HOAI 2009 beauftragt. Später erfolgte eine Beauftragung mit den Leistungsphasen 5-8.

Als Vergütungsregelung vereinbarten die Parteien den Mindestsatz nach der HOAI 2009. In Bezug auf Umbauzuschläge war für die Anlagegruppe 9 im Vertrag Technische Ausrüstung TGA-M (Anlage K4) vom 02.06.2010 ein Umbauzuschlag von 20% vereinbart. Für die übrigen Anlagegruppen und für den gesamten Vertrag TGA-ELT (Anlage K1) war dies nicht der Fall. Dort wurde gem. Ziffer 6.1.3 ein Umbauzuschlag von 0% vereinbart.

Die Bauzeit sollte sich gem. Ziffer 5.1.3 vom 30.9.2010 bis zum 30.9.2013 (37 Monate) erstrecken (Anlage K1). Für den Fall der Bauzeitverlängerung, die über sechs Monate hinausgeht und nicht von der Klägerin zu vertreten ist, regelte Ziffer 6.3 einen Anspruch auf eine Vergütung von nachweislich erforderlichen Mehraufwendungen.

Das Bauvorhaben konnte nicht in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden. Die Klägerin meldete bei der Beklagten mit Schreiben vom 10.01.2014 Mehraufwand aufgrund der Bauzeitverlängerung an (Anlage K7). Im Folgenden gab es zwischen den Parteien eine Diskussion über die Forderungen der Klägerin.

Mit E-Mail vom 4.12.2014 und vom 12.03.2015 (Anlagenkonvolut B4) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Mehraufwand entsprechend der vereinbarten Stundensätze vergütet werde, der behauptete Mehraufwand derzeit aber noch nicht konkret dargelegt worden sei, und erläuterte dies näher.

Die Klägerin setzte der Beklagten mit Schreiben vom 12.1.2015 (Anlage K8) eine Frist bis zum 30.1.2015, die von der Klägerin geforderten Nachtragsvereinbarungen zu unterzeichnen, und teilte der Beklagten schließlich mit Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K10) mit, dass sie Mehraufwendungen in Höhe von 189.590,68 € gehabt habe. Diese seien vertraglich zu vereinbaren und zu vergüten. Ferner seien monatliche Kosten in Höhe von 13.542,19 € seit dem 01.06.2015 rückwirkend zu zahlen bis zum Ende der Bauphase. Sollte bis zum 07.08.2015 keine diesbezügliche Vertragsergänzung stattgefunden haben, werde die Klägerin die Arbeiten einstellen.

Die folgenden E-Mails der Beklagten (vgl. Anlagenkonvolut B2), in denen diese die Klägerin zu Stellungnahmen zu bestimmten Punkten aufforderte, beantwortete die Klägerin stets gleichlautend mit einem Verweis auf ihr Schreiben vom 24.07.2015, ohne in der Sache auf die Anliegen der Beklagten einzugehen.

Die Beklagte kündigte daraufhin die Verträge mit der Klägerin durch Schreiben vom 20.08.2015 fristlos. Zu diesem Zeitpunkt waren ca. 50% der Leistungen der Klägerin erbracht.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine berechtigte fristlose Kündigung der Beklagten handelt. Die Klägerin begehrt die ihr entstandenen Mehraufwendungen aufgrund der Bauzeitverlängerung sowie einen Umbauzuschlag in Höhe von 20%, den sie pauschal auf alle erbrachten Leistungen aufschlägt, insgesamt 768.400,47 €.

Die Beklagte lehnt eine Zahlung - über die bereits gezahlten Beträge - ab. Die Klägerin habe ab dem 24.07.2015 keine Leistungen mehr erbracht, die Beklagten habe daher außerordentlich kündigen können. Auf die Aufforderungen der Beklagten habe die Klägerin mit zwei E-Mails vom 10.8.2015, weiteren drei E-Mails vom 11.08.2015 und einer weiteren E-Mail vom 12.8.2015 lediglich auf ihr Schreiben vom 24.07.2015 verwiesen (Anlagenkonvolut B2), ohne inhaltlich Stellung zu beziehen.

Die Beklagte bestreitet die von der Klägerin geltend gemachten Bauzeitansprüche. Die Klägerin habe ihren Mehraufwand lediglich hypothetisch geschätzt und nicht real dargelegt. In Bezug auf den Umbauzuschlag hätten die Parteien für das Gebäude 76 einen pauschalen Umbauzuschlag in Höhe von 1.000,00 € vereinbart, ansonsten hätten die Parteien einen Umbauzuschlag von 0% vereinbart. Daran müsse sich die Klägerin festhalten lassen.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf einen Umbauzuschlag bestehe nicht. Es liege eine wirksame schriftliche Vereinbarung vor, die eine weitere Vergütungsforderung der Klägerin ausschließe. Die Beklagte habe rechtmäßig außerordentlich gekündigt, denn die Klägerin habe kein Zurückbehaltungsrecht gehabt. Sie sei daher auch nicht berechtigt, Mehraufwendungen geltend zu machen. Es bestehe kein Anspruch aufgrund der Bauzeitverlängerung. Dieser sei von der Klägerin jedenfalls nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt, das Landgericht habe verkannt, dass es sowohl die HOAI 2009 als auch die HOAI 2013 hätte anwenden müssen. Nach beiden Regelungen sei ein Umbauzuschlag von 20% vorgesehen, wenn die Parteien keine Vereinbarung getroffen hätten. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Es handele sich auch bei allen von der Klägerin erbrachten Leistungen um Umbauten im Sinne der HOAI. Die Parteien hätten AGB-widrig keinen Umbauzuschlag vereinbart. Die Regelungen in Ziffer 6.1.3 und 6.1.6 aus den Verträgen stellten gerade keine gegenseitige Erklärung im Sinne einer Vereinbarung dar, sondern eine einseitige Vorgabe der Beklagten.

Werde der Umbauzuschlag nicht gewährt, stelle sich dies auch als unzulässige Mindestsatzunterschreitung dar.

Schließlich sei die außerordentliche Kündigung unrechtmäßig erfolgt. Das Landgericht habe Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Die Klägerin habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, auch noch nach dem 24.07.2015 Leistungen der Objektüberwachung erbracht zu haben. Schließlich habe das Landgericht die Anforderungen an substantiierten Vortrag überspannt. Die Klägerin habe vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass sie einen Vergütungsanspruch aufgrund der Bauzeitverlängerung habe.

Sie beantragt,

1. auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin das Urteil des Landgerichts Hannover zum Geschäftszeichen 14 O 122/17 vom 10.2.2021 aufzuheben;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 768.400,57 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, der Umbauzuschlag habe keinen Mindestsatzcharakter. Es liege auch keine unwirksame AGB vor. Die Parteien hätten - bezogen auf das konkrete Bauvorhaben - einen Umbauzuschlag von 0% vereinbart, mit Ausnahme der Kostengruppe 490, dies sei rechtlich zulässig.

II

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Umbauzuschlag in Höhe von 20 % für die streitigen Positionen. Die Parteien haben hierzu eine schriftliche Vereinbarung getroffen, welche gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Danach haben die Parteien bereits dem vertraglichen Wortlaut nach für die streitgegenständlichen Positionen einen Umbauzuschlag von 0% vereinbart. An dieser Vereinbarung müssen sie sich festhalten lassen. Der vom Bundesgerichtshof anerkannte Grundsatz einer beiderseits interessengerechten Auslegung (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2017 - VII ZR 65/14 -, BGHZ 217, 13-24, Rn. 22, juris, mit weiteren Nachweisen) gebietet es insofern, nicht nachträglich eine Vereinbarung im Sinne einer Partei zu verändern, sondern - im Gegenteil - im Sinne einer verlässlichen Vertragsgestaltung an den beiderseitigen Vereinbarungen festzuhalten.

Die von den Parteien getroffene Regelung, nach der die Klägerin - außer in den vereinbarten Fällen - keinen Umbauzuschlag erhält, ist auch rechtmäßig. Die Regelungen der HOAI 2009 und 2013 stehen dieser Vereinbarung nicht entgegen.

a) Die HOAI 2009 in der Fassung vom 11.08.2009 ist ab diesem Zeitpunkt für alle seitdem geschlossenen Verträge anwendbar. Bei Stufenverträgen gilt die zum Zeitpunkt der jeweiligen Stufe geltende Fassung der HOAI (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2014 - VII ZR 350/13 -, BGHZ 204, 19-29, Rn. 18, juris). Die seit dem 17.07.2013 geltende HOAI 2013 wäre demnach für alle seitdem geschlossenen Vereinbarungen zwischen den Parteien gültig, soweit sie umbaurelevante Leistungen zum Gegenstand hätten. Ob es sich tatsächlich bei allen von der Klägerin geleisteten Arbeiten um Umbauten i.S.v. § 2 Abs. 5 HOAI 2013 gehandelt hat, wie die Klägerin behauptet, kann vorliegend dahinstehen, denn ein über die vertragliche Vereinbarung hinausgehender Umbauzuschlag ist bereits aus rechtlichen Gründen weder gemäß den Vorgaben der HOAI 2009 (aa) noch nach denen der HOAI 2013 (bb) von der Beklagten zu leisten. Die derzeit umstrittene Rechtsprechung zu den Mindestsätzen betrifft nicht den streitgegenständlichen Umbauzuschlag (cc).

aa) Gemäß § 35 Abs. 1 HOAI 2009 kann für Objekte ein Zuschlag bis zu 80 % vereinbart werden. Sofern kein Zuschlag schriftlich vereinbart ist, fällt für Leistungen ab der Honorarzone II ein Zuschlag von 20% an. Diese Regelung wird in der Literatur teilweise so ausgelegt, dass die 20% Umbauzuschlag als Untergrenze verstanden werden. Wenn bereits ein Zuschlag in Höhe von 20% erfolgen solle, wenn überhaupt keine schriftliche Vereinbarung vorliege, müsse dies erst Recht im Falle einer Honorarvereinbarung gelten, die 20% unterschreite (Locher, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl. 2010, § 35, Rn. 14).

Der Senat folgt dieser Auslegung nicht. Der Wortlaut der Fassung lässt nicht darauf schließen, dass die Norm eine Untergrenze festlegen möchte. Es wurde lediglich eine Obergrenze von 80% normiert. Eine Untergrenze wurde nicht normiert, so dass auch die Vereinbarung eines Umbauzuschlages von "0%" vom Gesetzeswortlaut gedeckt ist (vgl. Schwenker/Wessel, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Aufl. 2012, § 35, Rn. 5).

Lediglich im Fall überhaupt keiner schriftlichen Vereinbarung fällt ein Umbauzuschlag in Höhe von 20% an. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn die Parteien haben eine (eindeutige) Vereinbarung getroffen. Insofern trägt der Schluss nicht, ein vertraglicher Umbauzuschlag von 0% stelle keine schriftliche Vereinbarung dar, so dass die Fiktion des Satzes 2 greife und ein Zuschlag von 20% zu erheben wäre (so aber: Seifert, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 8. Aufl. 2013, § 35, Rn. 17; Locher, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl. 2010, § 35, Rn. 14).

Der Satz 2 kann daher lediglich als Auffangtatbestand verstanden wissen, wenn überhaupt keine schriftliche Zuschlagsvereinbarung getroffen wurde (Seifert, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 8. Aufl. 2013, § 35, Rn. 20). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall (s.o.).

bb) Gem. § 6 Abs. 2 S. 4 HOAI 2013 gilt ein Zuschlag von 20 % ab einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad als vereinbart, sofern keine Vereinbarung in Textform getroffen wurde. Es steht den Parteien nach der Regelung der HOAI 2013 frei, im Rahmen ihrer Privatautonomie auch einen geringeren Umbauzuschlag als 20% zu vereinbaren. Dies ist hier erfolgt. Die Parteien haben in den vertraglichen Regelungen in § 6.1.3 und 6.1.6 (Anlagen K1 und K4) teils einen Umbauzuschlag mit 0% angegeben, teils für die Kostengruppe 490 mit 20 %. Für das Gebäude 76 wurde ein Umbauzuschlag von 1.000,00 € vereinbart. Die Regelung in der HOAI 2013 steht dem nicht entgegen.

Dies ergibt sich zunächst aus einer Wortlautauslegung der Norm. Danach kann eine Vereinbarung in Textform getroffen werden, die einen anderen Zuschlag als 20% vorsieht. Dass ein geringerer Zuschlag nicht vereinbart werden darf, besagt der Wortlaut nicht.

Auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck lässt nicht erkennen, warum die Parteien im Rahmen ihrer Privatautonomie nicht einen Umbauzuschlag aushandeln können sollen, der nicht 20% entspricht.

Schließlich besagt die Genese der Vorschrift ebenfalls nicht, dass den Parteien in diesem Punkt ihre Autonomie genommen wird. In der amtlichen Begründung heißt es zu § 6 Abs. 2 (BR-Drucksache 334/13 S. 141): "§ 6 Absatz 2 Satz 4 gibt allerdings keinen Mindestwert vor. Die Höhe des Zuschlags ist im Wege einer schriftlichen Vereinbarung bei Auftragserteilung frei vereinbar. Es steht den Vertragsparteien wie bisher auch frei, bei Auftragserteilung einen Zuschlag von weniger als 20 Prozent zu vereinbaren." (Unterstreichungen durch den Senat)

Das gleiche ergibt sich aus dem Einführungserlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur HOAI 2013 vom 19.08.2013. Dort heißt es zu § 6: "Auf die Ausweisung einer prozentualen Spanne wurde bewusst verzichtet. Damit soll verdeutlicht werden, dass es nach der HOAI keinen Mindestumbauzuschlag gibt. Wie bisher können die Vertragsparteien auch einen Zuschlag unter 20% vereinbaren." (Unterstreichungen durch den Senat; ebenso: Preussner, in Messerschmidt/Niemöller/Preussner, HOAI, § 6 Rn. 66 ff; Locher, in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 12. Aufl., § 6 Rn. 54; Fuchs/Seifert, in: Fuchs/Berger/Seifert, HOAI, § 6 Rn. 59, vgl. aber auch Rn. 77 wonach nach der HOAI 2013 in diesen Fällen mangels Vereinbarung von 20 % auszugehen sei; für den Mindestsatzcharakter, zumindest bei einem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad dagegen Wirth/Galda in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 9. Aufl., § 6 Rn. 42 f.; insgesamt wie oben: OLG Köln, Urteil vom 29. Dezember 2016 - I-16 U 49/12 -, Rn. 103, juris).

Die Genese spricht übrigens ebenfalls dafür, dass die Parteien auch unter der HOAI 2009 einen Umbauzuschlag von 0% vereinbaren konnten, "wie bisher" (s.o.) stehe es den Parteien frei, einen Umbauzuschlag von weniger als 20% zu vereinbaren.

cc) Die derzeit streitige Rechtsprechung zu den nach hiesiger Auffassung europarechtswidrigen Mindestpreisgarantien (vgl. exemplarisch: Senat, Beschluss vom 09. Dezember 2020 - 14 U 92/20; Senat, Urteil vom 08. Januar 2020 - 14 U 96/19 -, juris) ist im vorliegenden Fall nicht relevant, weil die Umbauzuschläge keinen Mindestsatz sichern sollen, sondern es sich um einen Zuschlag handelt, der aufgrund erhöhtem Leistungsaufwand bei Umbauten bzw. Modernisierungen im Gegensatz zu Neubauten nach den Erfahrungen erforderlich ist (Seifert, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 8. Aufl. 2013, § 35, Rn. 3; OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2019 - I-21 U 24/18 -, Rn. 76; OLG Köln, Urteil vom 29. Dezember 2016 - I-16 U 49/12 -, Rn. 111, juris m.w.N.).

b) Bei denen in Streit stehenden Regelungen handelt es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen (aa). Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin liegt aber nicht vor (bb).

aa) Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Die Vorformulierung setzt voraus, dass die Vertragsbestimmungen nicht für den konkreten Vertragsschluss entworfen, sondern als Grundlage oder Rahmen für gleichartige Rechtsverhältnisse aufgestellt sind (vgl. BGH, Urt. v. 26.09.1996 - VII ZR 318/95 -, Rn. 8, juris). In diesem Sinne sind Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist, auch wenn es sich dabei nicht um verschiedene Vertragsparteien handelt (BGH, Urt. v. 11.12.2003 - VII ZR 31/03, BauR 2004, 674, Rn. 17, juris). Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen aber auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will (BGH, Beschl. v. 23.06.2005 - VII ZR 277/04, BauR 2006, 106 - st. Rspr.).

Die in Rede stehenden Klauseln als solche erfüllen diese Voraussetzung. Die individuellen Eintragungen der Prozentsätze ändern daran nichts.

Aus der Entscheidung des BGH vom 11.07.2019 (VII ZR 266/17, juris; WM 2019, 1615) ergibt sich keine andere Bewertung. Der BGH hat dort für einen handschriftlich in ein Formular eingefügten Betrag (die Baukosten) eine AGB verneint (Rn. 32 des Urteils, zitiert nach juris): "...ist § 5.3.1 Abs. 1 Satz 1 der Vertragsmuster nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren. Zwar ist trotz der Notwendigkeit, in den Vertragsbedingungen den Betrag der Baukosten einzusetzen und anzukreuzen, ob die Baukosten "brutto" oder "netto" vereinbart sein sollen, von vorformulierten Vertragsbedingungen auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 23.08.2016 - VIII ZR 23/16 Rn. 9, NJW-RR 2017, 137). Die so zu vervollständigende Vertragsbedingung bezieht sich indes nicht auf eine Vielzahl von Verträgen. Sie erhält vielmehr ihren Regelungsgehalt erst durch das Einsetzen der Baukostensumme, die für das jeweilige Bauvorhaben, d.h. individuell, bestimmt wird. Damit enthält § 5.3.1 Abs. 1 Satz 1 der Vertragsmuster eine Vertragsbestimmung, deren Verwendung nur für diesen Vertrag beabsichtigt ist."

Im Unterschied zum vorliegenden Fall handelt es sich bei den Baukosten aber um einen wesentlichen Vertragsinhalt, der Einfluss auf die gesamte Vertragsgestaltung hat. Die hier betroffenen Prozentsätze haben keine vergleichbare Bedeutung. Der Vertrag als solcher kann auch ohne die im Streit stehenden Klauseln bestehen bleiben (vgl. Senat, Urteil vom 02. Oktober 2019 - 14 U 94/19 -, Rn. 27 - 32, juris). Es handelt sich bei den Umbauzuschlägen lediglich um die zusätzliche Vergütung eines Mehraufwandes, die einen höheren Leistungsaufwand rechtfertigen sollen. Sie unterfallen aber nicht denen für die Preisbildung anrechenbaren Kosten und damit auch nicht den Mindestsätzen (s.o.) und sind mithin unabhängig von dem zu zahlenden Architektenhonorar, der Hauptleistung, zu betrachten.

Die Beklagte hat auch weder dargelegt, noch bewiesen, dass die Einträge "ausgehandelt" worden sind. Aushandeln ist jedoch individueller als Verhandeln (BGH, Urt. v. 20.03.2014 - VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, Rn. 27, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, Urt. v. 22.11.2012 - VII ZR 222/12, BauR 2013, 462 Rn. 10). Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen (BGH, Urt. v. 03.04.1998 - V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2601).

Dem Vortrag der Beklagten kann nicht entnommen werden, ob und inwieweit sie bereit gewesen wäre, die Vereinbarungen zum Umbauzuschlag zu ändern.

bb) Die im Streit stehenden AGB sind daher an den §§ 305 ff. BGB zu messen ("zwingendes Recht", vgl. dazu nur BGH, Urt. v. 20.03.2014 - VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725, Rn. 28 ff. m.w.N., juris). Dies führt indes nicht zu einer Unwirksamkeit aufgrund einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin.

Denn eine vertragliche Vereinbarung, die - wie hier - teilweise einen Umbauzuschlag in Höhe von 0% vorsieht, verstößt nicht gegen eine gesetzliche Regelung oder deren Grundgedanken gem. §§ 305 ff. BGB (s.o.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist, vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Es handelt sich vorliegend lediglich um einen Zuschlag zum Honorar, der vereinbart hätte werden können, aber - siehe oben - nicht hätte vereinbart werden müssen. Wenn eine gesetzliche Regelung den Parteien diese Freiräume gibt (s.o.), kann es bereits keine unangemessene Benachteiligung darstellen, wenn die Parteien vertraglich keinen solchen Zuschlag vereinbaren.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Mehrkosten aufgrund der Bauzeitverlängerung gem. Ziffer 6.3 der Verträge, § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. gem. § 642 BGB.

a) Gem. Ziffer 6.3 der Verträge (vgl. Anlagen K1 und K4) ist für die nachweislich erforderlichen Mehraufwendungen eine zusätzliche Vergütung zu vereinbaren, wenn sich die Bauzeit durch Umstände, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, wesentlich verzögert. Eine Überschreitung bis zu 20 v.H. der festgelegten Ausführungszeit, maximal jedoch sechs Monate ist durch das Honorar abgegolten. Gem. § 6 Abs. 6 VOB/B hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens (...), sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten.

Die Klägerin beziffert ihre Mehraufwendungen aufgrund der Bauzeitverlängerung aus beiden Verträgen TGA-Elt und TGA-M zuletzt auf 305.205,00 € netto (Schriftsatz vom 29.07.2020, Seite 2). Es ist ihr aber nicht gelungen, die von ihr behaupteten Mehraufwendungen als "nachweislich erforderlich" darzulegen und zu beweisen.

Die schlüssige Geltendmachung eines solchen Anspruches durch den Auftragnehmer erfordert die Darlegung einer oder mehrerer Pflichtverletzungen des beklagten Auftraggebers sowie der sich daraus ergebenden Behinderungen der eigenen Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2002 - VII ZR 224/00 -, Rn. 23; Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 141/03 -, Rn.13, beide juris). Dafür ist eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich. Das heißt, es ist zusätzlich zu den konkreten Pflichtwidrigkeiten des Auftraggebers dazu vorzutragen, welche vorgesehenen Bauarbeiten ihretwegen nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 8. Teil, Rn.56).

Aus dem Vortrag muss sich nachvollziehbar ergeben, dass und in welchem Umfang eine Pflichtverletzung eine Behinderung verursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 141/03 -, Rn.18, juris). Angesichts regelmäßig zeitabhängiger Mehrkosten des Auftraggebers gilt Gleiches für die Dauer der Erschwernis oder Behinderung, so dass es letztlich der Darlegung einer ununterbrochenen Kausalkette vom Verzug des Auftraggebers mit einer Leistungspflicht über die schadensbegründenden Umstände in Form der konkreten Behinderung bis hin zu den dadurch entstandenen Mehrkosten bedarf (vgl. Kniffka/Koeble a.a.O.).

Der Vortrag zu Pflichtverletzungen und Behinderungen ist im Schadensersatzprozess an den Anforderungen einer Behinderungsanzeige nach § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B zu messen. Deswegen muss der Auftragnehmer Angaben dazu machen, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt werden mussten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden konnten (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 141/03 - juris Rn.17; OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 20. August 2019 - 2 U 81/19 -, Rn. 56, juris).

Folglich ist für den Mehraufwand, der der Klägerin durch die Bauzeitüberschreitung entstanden ist, ein Einzelnachweis erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 03. Juli 1997 - VII ZR 319/95 -, juris). Der tatsächliche Mehraufwand muss in der Weise dokumentiert werden, dass der Zeitaufwand für das überlange konkrete Bauvorhaben demjenigen im Normalfall gegenüberzustellen ist (Senat, Urteil vom 27. Februar 2003 - 14 U 31/01 -, Rn. 27; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Dezember 1999 - 12 U 34/99 -, Rn. 56, juris).

Diesen Anforderungen ist die Klägerin über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus, der bereits vertraglich keine Ansprüche auslöst, nicht hinreichend nachgekommen. Es fehlt bereits an der konkreten Darlegung, welche Bauarbeiten aufgrund der von der Beklagten verschuldeten Verzögerung nicht durchgeführt werden konnten und wie sich diese Verzögerung konkret auf der Baustelle ausgewirkt hat. Die von der Klägerin ermittelten Kosten sind fiktiv.

Die Klägerin stellt zwar dar, welcher Mitarbeiter zu welchem Zeitpunkt eingesetzt werden sollte. Die sich daraus ergebende Stundenzahl wurde aber auf der Basis von Durchschnittswerten kalkuliert (vgl. Schriftsatz vom 26.08.2019, Seite 22). Die so errechnete Stundenzahl für die Bauzeitverlängerung stellt einen fiktiven Wert dar. Exemplarisch steht für die Berechnung der Klägerin die Schätzung aus dem Schriftsatz vom 26.08.2019, Seite 20: "dies entspricht einer Erhöhung von rund 41% - daher ist die Klägerin in der weiteren Kalkulation davon ausgegangen, dass sich auch die tatsächlich notwendigen Stunden um 41% erhöhen würden".

Wie das Landgericht in seinem Urteil zu Recht ausführt, hätte die Klägerin auch den zusätzlichen Zeitaufwand im Hinblick auf die Sicherheitsbedürfnisse des Bundeswehrgeländes bei ihrer Berechnung nicht berücksichtigen dürfen. Der hierfür erforderliche Zusatzaufwand führt bereits deshalb nicht zu einer kostenpflichtigen Verzögerung, weil die Beklagte diesen Punkt in den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses unter 0.1.21 aufgenommen (vgl. Schriftsatz vom 01.10.2019, Seite 6) und extra darauf hingewiesen hat, dass es aufgrund besonderer Sicherheitsvorkehrungen zu Arbeitsunterbrechungen kommen könne, die nicht gesondert zu vergütet seien. Die Klägerin kann daher aus diesem Punkt bereits keine vergütungspflichtige Verzögerung herleiten, die in der Folge die gesamte Rechnung der Klägerin verfälscht.

Darüber hinaus ist die Berechnung der Klägerin nicht richtig, weil diese auf Schätzungen basiert. Die Klägerin hat (beispielsweise) die Verzögerungen in dem Komplex "Schlüsselverwaltung und Wachbefehl", aufgrund des Wachbefehls auf 24 Tage in sechs Monaten (geschätzte Verzögerung von 2 Stunden täglich, vgl. Schriftsatz vom 26.08.2019, Seite 18) geschätzt. Die Verzögerung für die Schlüsselverwaltung schätzt sie in 19 Monaten auf 38 Tage. Dies stellt keine konkrete Berechnung der Verzögerung dar, zudem wurden die Auswirkungen auf die Baustelle hierdurch nicht dargelegt.

Soweit die Klägerin ausführt, es spiele nach der HOAI keine Rolle, wieviel Zeit der Architekt für seine Arbeiten benötige, weshalb sie auch nur eine grobe Kalkulation der geschätzten Arbeitsstunden darlegen müsse (Schriftsatz vom 12.05.2021, Seite 22), folgt der Senat dieser Ansicht für den Bereich der Bauzeitverzögerung nicht. Denn im Rahmen ihrer Darlegungs- und Beweislast muss die Klägerin ausführen, zu welchem konkreten Schaden die Bauzeitverzögerung geführt hat. Wenn dies im Rahmen der HOAI für die Klägerin nicht möglich ist, kann dies nicht zu Lasten der Beklagten gehen, indem mit fiktiven Werten gerechnet wird.

Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, welche vorgesehenen Bauarbeiten wegen der Verzögerungen nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben. Auch dies wäre erforderlich gewesen.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Mehraufwendungen, die durch die Bauzeitverzögerung entstanden sind, konkret zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 288/05 -, BGHZ 172, 237-250, Rn. 40). Mehraufwendungen sind solche Aufwendungen, die der Auftragnehmer für die geschuldete Leistung tatsächlich hatte und die er ohne die Bauzeitverzögerung nicht gehabt hätte (BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 288/05 -, BGHZ 172, 237-250, Rn. 40, juris). Da die Klägerin ihre Mehraufwendungen aber fiktiv berechnet, bzw. die Verzögerung geschätzt hat (s.o.), kann der Senat nicht feststellen, ob sie tatsächlich konkrete Mehraufwendungen hatte. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.05.2007. Dort sind konkrete Mehraufwendungen dargelegt und bewiesen.

Zwar unterliegen die weiteren Folgen der konkreten Behinderung der Beurteilung nach § 287 ZPO, weil sie dem durch die Behinderung erlittenen Schaden und damit dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen sind. Die Darlegungserleichterung aus § 287 ZPO führt nicht dazu, dass der Auftragnehmer eine aus einer oder mehreren Behinderungen abgeleitete Bauzeitverlängerung nicht möglichst konkret darlegen muss (BGH, Versäumnisurteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 225/03 -, Rn. 30 - 31, juris). Auch unter Berücksichtigung des Beweismaßes des § 287 ZPO ist vorliegend keine Schadensschätzung durch den Senat möglich, weil die Klägerin keinen konkreten Mehraufwand geltend machen konnte.

b) Ein anderes Ergebnis ergibt auch nicht aus § 642 BGB. Danach kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen einer Handlung in Verzug kommt, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers (BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 - VII ZR 16/17, NJW 2018, 544; BGH, Urteil vom 20.4.2017 - VII ZR 194/13, NJW 2017, 2025 [BGH 20.04.2017 - VII ZR 194/13]). Nach § 642 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der Entschädigung nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung einerseits und dem, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Nach seiner ratio legis will § 642 BGB eine Kompensation dafür gewähren, dass der Unternehmer Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel, bereithält (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 - VII ZR 16/17, NJW 2018, 544 [BGH 09.11.2017 - IX ZR 270/16] m.w.N.; BGH, Urteil vom 26.4.2018 - VII ZR 81/17, NJW 2018, 2561; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2019 - I-5 U 52/19 -, Rn. 44, juris).

§ 642 BGB gewährt aber keinen Anspruch für eine von dem tatsächlichen Bereithalten von Produktionsmitteln abgekoppelte Entschädigung für allgemeine Geschäftskosten. Ansonsten würde das bloße Vorhandensein eines Geschäftsbetriebes entschädigt. § 642 BGB soll nicht die Erwartungen des Unternehmers auf volle Auslastung seines Betriebs schützen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Dezember 2019 - I-5 U 52/19 -, Rn. 45, juris).

Das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nach § 642 BGB erfordert daher, dass die Beklagte eine Mitwirkungshandlung unterlassen hatte, wodurch die Bauausführung behindert wurde, dass die Klägerin ihr aber ihre Leistung angeboten und ihr die Behinderung der ordnungsgemäßen Bauausführung mittels Behinderungsanzeige angezeigt hatte bzw. dies offenkundig war (vgl. Döring, in: Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rn. 54 ff.). Um eine dahingehende Feststellung treffen zu können, hätte die Klägerin hinsichtlich jeder einzelnen Behinderung konkret die unterlassene Mitwirkung nebst Behinderungsanzeige, den sich daraus ergebenen Annahmeverzug und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf den Bauverlauf und die übernommenen Arbeiten darlegen müssen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 04. März 2020 - 7 U 334/18 -, Rn. 53; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 18. Februar 2016 - 12 U 222/14 -, Rn. 49, juris; Döring, in: Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rn. 58 m.w.N.). An diese Darstellung sind, selbst bei umfangreichen Großbaustellen, strenge Anforderungen zu stellen. Selbst wenn in aller Regel eine Behinderung auftreten wird, wenn beispielsweise freigegebene Pläne nicht rechtzeitig geliefert werden, entbindet auch dies den Anspruchsteller nicht von seiner Verpflichtung, nicht nur die Pflichtverletzung der Vertragspartnerin, sondern auch die hieraus resultierende Behinderung und deren Dauer möglichst konkret darzustellen. Hierfür gilt das Beweismaß des § 286 ZPO (Döring, in: Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 21. Aufl. 2020, § 6 Abs. 6 VOB/B, Rn. 58; KG Berlin, Urteil vom 19. April 2011 - 21 U 55/07 -, OLG Stuttgart, Urteil vom 14. August 2018 - 10 U 154/17 -, Rn. 91, juris). Dies ist seitens der Klägerin nicht geschehen (s.o.).

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aufgrund einer nicht rechtmäßig erfolgten außerordentlichen Kündigung. Gem. § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. gem. § 242 BGB i.V.m. § 649 a.F. BGB hat der Unternehmer einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, wenn der Besteller den Vertrag kündigt. Vorliegend hat die Beklagte außerordentlich gekündigt (zur Rechtsgrundlage vgl.: Busche, in: MüKo, BGB, 8. Aufl. 2020, § 648a, Rn. 14 m.w.N.; BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95 -, Rn. 17, juris; Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl. 2013, Rn. 1752 und 17. Aufl. 2020, Rn. 1703 m.w.N.).

Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 242 BGB i.V.m. § 649 a.F. BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei der umfassenden Würdigung sind die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juni 2017 - I-5 U 114/16 -, Rn. 124, juris).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Auftraggeber eines Werkvertrages berechtigt, den Bauvertrag zu kündigen, wenn durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so gefährdet ist, dass der vertragstreuen Partei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann; dies gilt auch für einen VOB-Vertrag (BGH, Urteil vom 21. März 1974 - VII ZR 139/71 = NJW 1974, 1080 f; Urteil vom 6. Februar 1975 - VII ZR 244/73 = NJW 1975, 825 f; Urteil vom 25. März 1993 - X ZR 17/92 = ZfBR 1993, 189 = BauR 1993, 469, 470).

Die unberechtigte Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags und das Unterbleiben einer Fortsetzung binnen einer angemessen gesetzten Frist können als schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen (vgl. BGH NJW 2000, 807, 808; OLG Düsseldorf BauR 1996, 115, 116; Virneburg ZfBR 2004, 419, 420; Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Rn. 1708; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 - 1 U 154/10 -, Rn. 18, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juni 2017 - I-5 U 114/16 -, Rn. 126, juris).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte kann ihr Recht zur außerordentlichen Kündigung darauf stützen, dass die Klägerin ihre Weiterarbeit ernsthaft und endgültig von der Zahlung einer weiteren Vergütung abhängig gemacht hat.

Der Klägerin stand insoweit auch kein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Werkleistungen zu. Denn der Werkunternehmer unterliegt einer Vorleistungspflicht, so dass ihm vor der Abnahme allenfalls Abschlagszahlungen zustehen können. Der Vergütungsanspruch setzt dagegen die vollständige vertragsgerechte Erbringung der Werkleistung und deren Annahme voraus. Zum Zeitpunkt der Leistungseinstellungen der Klägerin im Jahr 2015 war weder das vertraglich vereinbarte Werk vollständig erbracht, noch war eine Abnahme erfolgt. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Auftragnehmers scheidet jedenfalls auch dann aus, wenn - wie hier - der Auftragnehmer die Nachtragsforderung dem Auftraggeber nicht prüfbar dargelegt hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011- 1 U 154/10 -, Rn. 18, juris).

Die Klägerin hätte daher nicht ihre weiteren Leistungen von einer Vertragsergänzung im Hinblick auf Bauzeitverzögerungen abhängig machen dürfen, wie sie es mit Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K10) getan hat.

Nichts Anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zwar einen Anspruch des Werkunternehmers auf Verhandlung und Einwilligung in eine zusätzliche Vergütung bei Mehraufwendungen bejaht. Dieser Anspruch wandelt sich allerdings erst in einem Rechtsstreit in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Besteller nicht verhandelt bzw. nicht in eine angemessene Vergütung einwilligt. Erst dann tritt an die Stelle des Anspruchs auf Verhandlung und Einwilligung der Anspruch auf Zahlung der angemessenen Vergütung (BGH, Urteil vom 30. September 2004 - VII ZR 456/01 -, BGHZ 160, 267-277, Rn. 42; BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 288/05 -, BGHZ 172, 237-250, Rn. 32, beides zitiert nach juris).

Vorliegend war die Beklagte aber verhandlungsbereit und zeigte die Bereitschaft, in eine zusätzliche Vergütung der Klägerin aufgrund einer Bauzeitverlängerung einzuwilligen (vgl. Anlagenkonvolut B4). Die Beklagte war lediglich der Ansicht, die Klägerin habe ihrem Mehraufwand nicht konkret dargelegt. Dies stellt einen zulässigen Einwand dar, der seitens der Klägerin nicht mit Sanktionen beantwortet werden durfte.

Eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung ist in Fällen der schwerwiegenden Vertragsverletzung grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1975 - VII ZR 244/73 - Rn. 14; BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95 -, Rn. 24, beide zitiert nach juris; ebenso: Werner, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl. 2013, Rn. 1752, 1754). Vorliegend handelte es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung (s.o.), so dass eine vorherige Fristsetzung oder Kündigungsandrohung entbehrlich ist.

Dennoch hat die Beklagte die Klägerin mit mehreren E-Mails zur Vertragserfüllung aufgefordert (E-Mail vom 11.08.2015 und 12.08.2015, Anlagenkonvolut B2), was die Klägerin stets mit einem Verweis auf ihr Schreiben vom 24.07.2015 (Anlage K10) beantwortete, nach dem sie mit Ablauf der dort gesetzten Frist ihre Arbeiten einstellen werde, wenn nicht die Beklagte bis dahin eine Vertragsergänzung über die aufgeführten Mehrkosten unterzeichnet habe.

Eine darüberhinausgehende Fristsetzung zur Aufnahme der Werkerbringung liefe - selbst wenn man eine Fristsetzung für grundsätzlich erforderlich hielte - angesichts der eindeutigen E-Mails der Klägerin (Anlagenkonvolut B2), in denen sie keinen Zweifel daran ließ, dass sie erst nach Erfüllung ihrer Forderungen ihre Leistungen aufnehmen werde, auf eine bloße Förmelei hinaus, so dass eine Fristsetzung jedenfalls gem. § 323 Abs. 2 Satz 1 BGB entbehrlich war (siehe E-Mails der Klägerin vom 10.8.2015 und 11.8.2015 und 12.8.2015, die Klägerin geht dabei nicht einmal mehr inhaltlich auf die Schreiben der Beklagten ein, sondern antwortet nur mit dem Satz: "Wir verweisen auf unser Schreiben vom 24.07.2015.").

Die Klägerin kann sich zur Rechtfertigung ihrer angedrohten Leistungsverweigerung auch nicht auf die AVB der Beklagten berufen, nach denen alle Vergütungsregelungen vor Beginn der Leistungen schriftlich zu vereinbaren seien (§ 9.1, Anlage K1 und K4) und die Klägerin daher - mangels Nachtragsvereinbarung - keine weiteren Leistungen zu erbringen gehabt habe. Denn mit der Vorgabe, dass gem. § 6.3 (Anlage K1 und K4) nachweislich erforderliche Mehraufwendungen vergütet werden, bestand eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien.

Es kann daher auch dahinstehen, ob Mitarbeiter der Klägerin nach dem zur Kündigung berechtigenden Schreiben vom 24.07.2015 noch einzelne Leistungen erbracht haben, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung behauptet. Denn allein das Verhalten der Klägerin, die in ihren vorgenannten E-Mails (Anlagenkonvolut 2) nicht mehr bereit war, inhaltlich auf das Vorbringen der Beklagten einzugehen, ließ für die Beklagte im Rahmen ihres Empfängerhorizontes nur den Schluss zu, dass die Klägerin nur dann weitere Leistungen erbringen werde, wenn die Beklagte die geforderten Beträge zahlte. Dieses Verhalten stellt eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht und somit einen wichtigen Kündigungsgrund dar.

Mangels Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

V.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.