Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.10.2021, Az.: 13 Verg 7/21

Sofortige Beschwerde gegen den Beschluss einer Vergabekammer; Ausschluss eines Angebots mangels Eignung; Mehrdeutige Vergabeunterlagen; Mehrere Auslegungsmöglichkeiten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.10.2021
Aktenzeichen
13 Verg 7/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 48696
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2021:1012.13VERG7.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - 12.07.2021 - AZ: VgK-20/2021

Fundstellen

  • VS 2021, 96
  • VergabeR 2022, 210-220

Amtlicher Leitsatz

Die Beendigungswirkung nach § 177 GWB greift nur ein, wenn die sachliche Beurteilung eines Vergabefehlers für die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Zwischenverfahren nach § 176 GWB entscheidungserheblich war.

Unklarheiten der Vergabeunterlagen begründen nur unter gesteigerten Voraussetzungen eine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB.

In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - VII Verg 19/17, juris Rn. 60).

Ein Nachprüfungsantrag hat trotz eines festzustellenden Vergaberechtsfehlers nur dann keinen Erfolg, wenn sich dieser Vergaberechtsfehler nicht nachteilig auf die Rechtsstellung des Antragstellers ausgewirkt haben kann.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vom 12. Juli 2021 (Az.: VgK-20/2021) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die im Beschwerdeverfahren und in dem Verfahren nach § 176 GWB entstanden Gerichtskosten sowie die der Antragstellerin in diesen Verfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens nach § 176 GWB wird auf 505.874,68 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren insbesondere über die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Angebots der Antragstellerin mangels deren Eignung.

Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom 8. Januar 2020 einen Bauauftrag über die Errichtung eines Glasfasernetzes - eines sog. FTTB-Netzes - im Gebiet des Antragsgegners im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgte in verschiedenen Losen. Streitgegenständlich ist hier das Angebot der Antragstellerin auf das Los 2.

Alleiniges Zuschlagskriterium ist der Preis. Nach Nr. III.1.2) lit. d) der Bekanntmachung verlangte der Antragsgegner hinsichtlich des Nachweises der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit eine Erklärung des Bieters über den Umsatz seines Unternehmens; der näher definierte Mindestjahresumsatz betreffend das Los 2 war für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr mit 16.536.891,31 € festgelegt. Diesen Mindestumsatz erreichte die Antragstellerin in ihrem Unternehmen nicht.

In den "Angebots-, Bewerbungs- und Vertragsbedingungen" hat der Antragsgegner unter Nr. II.6. festgelegt, dass bei Inanspruchnahme von Subunternehmen oder der Bildung von Bietergemeinschaften die beteiligten Unternehmen zu benennen und die entsprechenden Eignungsnachweise zu erbringen seien. Insoweit war die Abgabe bestimmter Formblätter vorgesehen. Insbesondere sollte bei einem Einsatz von Nachunternehmen von dem Nachunternehmer "zusätzlich" eine Nachunternehmererklärung "Formblatt Verpflichtungserklärung Nachunternehmer (Anlage 13_Formblatt 236 [...]) abgegeben werden. Nach Nr. II.9.3. dieser Bedingungen sind Angebote auszuschließen, bei denen der Bieter Erklärungen oder Nachweise, deren Vorlage sich der öffentliche Auftraggeber vorbehalten hat, auf Anforderungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt hat.

Für die Nutzung der Kapazitäten anderer Unternehmen enthielten die Teilnahmebedingungen nach dem Formblatt 212 EU folgende Bestimmung:

"6 Kapazitäten anderer Unternehmen (Unteraufträge, Eignungsleihe)

Beabsichtigt der Bieter, Teile der Leistung von anderen Unternehmen ausführen zu lassen (...), so muss er die hierfür vorgesehenen Leistungen/Kapazitäten in seinem Angebot benennen. Der Bieter hat auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt nachzuweisen, dass ihm die erforderlichen Kapazitäten der anderen Unternehmen zur Verfügung stehen und diese Unternehmen geeignet sind. Er hat den Namen, den gesetzlichen Vertreter sowie die Kontaktdaten dieser Unternehmen anzugeben und entsprechende Verpflichtungserklärungen dieser Unternehmen vorzulegen.

Nimmt der Bieter in Hinblick auf die Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit im Rahmen einer Eignungsleihe die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch, müssen diese gemeinsam für die Auftragsausführung haften; die Haftungserklärung ist gleichzeitig mit der 'Verpflichtungserklärung' abzugeben. (...)"

Den Vergabeunterlagen war als Anlage 13 ein Vordruck für die Abgabe der Verpflichtungs- sowie der Mithaftungserklärung beigefügt (Formblatt 236). Die Erklärung zur Mithaftung war dort optisch abgesetzt und von dem Nachunternehmen gesondert anzukreuzen. Nach der angefügten Fußnote, die sich allein auf diese Mithaftungserklärung bezog, war diese abzugeben, "wenn sie in den Teilnahmebedingungen gefordert ist".

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf dem VHB-Formblatt 211 ist das Formblatt 236 im Abschnitt C) als eine der Anlagen gekennzeichnet, die "soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot" einzureichen sind. Nicht gefordert ist das Formblatt 236 nach dieser Aufforderung zur Angebotsabgabe demgegenüber im Abschnitt D) als eine der Anlagen, die "auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle" einzureichen sind.

Im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens stellte ein Bieter am 8. Februar 2021 die Frage, ob u. a. die "Anlage 13_Formblatt 236_Verpflichtungserklärung Nachunternehmer" samt den Angebotsunterlagen innerhalb der Angebotsfrist einzureichen sei. Dies bejahte der Antragsgegner unter Hinweis auf Nr. II.6. der Angebots-, Bewerbungs- und Vertragsbedingungen.

Die Antragstellerin reichte fristgerecht ein Angebot u. a. auf das Los 2 ein. Sie beabsichtigt den Einsatz verschiedener Nachunternehmen, auf deren Umsätze sie sich im Rahmen der Eignungsleihe beruft. Die Formblätter 236 reichte sie aber teilweise nur unvollständig ausgefüllt ein; insbesondere hatte die als Nachunternehmerin vorgesehene K. GmbH dort nur die Unternehmensdaten angegeben, aber weder die Verpflichtungserklärung unterschrieben noch die Mithaftungserklärung angekreuzt.

Mit Informationsschreiben vom 12. Mai 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot aufgrund begründeter Zweifel an ihrer Eignung im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt werden könne. Sie verfehle den für Los 2 geforderten Mindestjahresumsatz. Der Umsatz der als Nachunternehmerin vorgesehenen K. GmbH könne nicht herangezogen werden, da es an der "gemäß VHB-Formular 212, Ziffer 6 geforderten Erklärung einer gemeinschaftlichen Haftung" fehle.

Diese angekündigte Nichtberücksichtigung ihres Angebots auf das Los 2 rügte die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 19. Mai 2021. Die Erklärung zur Mithaftung von Nachunternehmen sei noch nicht gefordert gewesen. Der Antragsgegner habe noch kein entsprechendes "gesondertes Verlangen" ausgesprochen. Zudem sei das Erfordernis einer solchen Mithaftungserklärung nicht hinreichend bekannt gemacht.

Nachdem der Antragsgegner mitgeteilt hatte, der Rüge nicht abzuhelfen, stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag, mit der sie im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits mit der Rüge vorgebrachten Vorbringens beantragt hat, den Antragsgegner zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung ihres Angebots zu erteilen.

Auf diesen Nachprüfungsantrag hin hat die Vergabekammer mit angefochtenem Beschluss vom 12. Juli 2021 festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Sie hat den Antragsgegner verpflichtet, das Vergabeverfahren in das Stadium vor der Vollständigkeitsprüfung der Angebote zurückzuversetzen, die gesamte Angebotswertung vollständig erneut durchzuführen und dabei die aus den Entscheidungsgründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht mangels nachgewiesener Eignung auszuschließen, weil die Antragstellerin unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vorgelegten Verpflichtungserklärungen der vorgesehenen Nachunternehmen den geforderten Mindestumsatz nachgewiesen habe. Sie habe davon ausgehen dürften, dass die im Rahmen der Eignungsleihe erforderlichen Verpflichtungserklärungen inklusive Haftungserklärungen der Nachunternehmen erst auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle zu einem von dieser bestimmten Zeitpunkt abzugeben waren. Ein solches gesondertes Verlangen sei bislang nicht erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erwägungen der Vergabekammer wird auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 28. Juli 2021. Er vertritt die Auffassung, die Antragstellerin sei mit ihren Rügen bereits präkludiert. Jedenfalls ergebe sich aus den Vergabeunterlagen eindeutig, dass die Verpflichtungs- und die Mithaftungserklärungen der vorgesehenen Nachunternehmen gleichzeitig mit dem Angebot vorzulegen gewesen wären. Eine Nachforderung dieser Erklärungen nach Einreichung des insoweit unvollständigen Angebots wäre unzulässig gewesen.

Ergänzend beruft sich der Antragsgegner darauf, dass das Angebot der Antragstellerin zu Los 2 auch aus anderen Gründen auszuschließen sei, wobei er eine Angebotswertung bislang allerdings allgemein nur auf der ersten Stufe vorgenommen und insoweit die Eignung der Bieter überprüft hat. Das Angebot der Antragstellerin sei aber insbesondere auch deshalb auszuschließen, weil mit ihm nicht das in den Vergabeunterlagen vorgegebene Leistungsverzeichnis ausgefüllt und eingereicht wurde, sondern die Antragstellerin nur eine teilweise Abschrift dieses Leistungsverzeichnisses zum Gegenstand ihres Angebots gemacht hatte. Weiter sei das Angebot auszuschließen, weil es entgegen den Anforderungen keine Angaben zu abgefragten Fabrikaten und Typen enthalten hat und keine Datenblätter beigefügt waren.

Nachdem die Antragstellerin auf diese neuen Erwägungen hin im Beschwerdeverfahren Datenblätter vorgelegt hat, beruft sich der Antragsgegner nunmehr auch darauf, dass eines dieser Datenblätter den in der Ausschreibung vorgegebenen Spezifikationen zur Position 3.2.20 nicht entspricht.

Er beantragt,

die Entscheidung der Vergabekammer Niedersachsen vom 12. Juli 2021 - VgK 20/2021 - aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 12. Juli 2021 (VgK-20/2021) zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Hinsichtlich der neu vorgebrachten Ausschlussgründe ist sie der Auffassung, mit Abgabe des Angebots bindend erklärt zu haben, eine Leistung entsprechend den vorgegebenen Spezifikationen erbringen zu werden. Auf den Hinweis des Antragsgegners, dass eines der vorgelegten Datenblätter von den Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses abweiche, hat sie erklärt, dieses Datenblatt irrtümlich zu der fraglichen Position eingereicht zu haben. Sie hat ein neues Datenblatt vorgelegt, das den geforderten Spezifikationen entspricht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. September 2021 einen Antrag des Antragsgegners, ihm den Zuschlag vorab zu gestatten, zurückgewiesen. Der Ausschluss der Antragstellerin mangels nachgewiesener Eignung sei unzulässig, weil die Forderung, insbesondere eine Erklärung zur Mithaftung bereits mit dem Angebot einzureichen, mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam gewesen sei. Das Angebot sei auch nicht wegen einer unzulässigen Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen, weil die Antragstellerin nicht das von dem Antragsgegner vorgegebene Leistungsverzeichnis verwendet und keine Angaben zu Fabrikaten und Typen gemacht sowie Datenblätter zunächst nicht vorgelegt habe. Dem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags sei schließlich auch nicht aufgrund des neuen Vortrags des Antragsgegners zu der Abweichung eines Datenblattes von den Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses stattzugeben. Insoweit stehe bereits einem Eilbedarf im Sinne des § 176 Abs. 1 GWB entgegen, dass der Antragsgegner die weiteren Ausschlussgründe vermeidbar spät vorgebracht habe und die Antragstellerin bis zur Entscheidung über den Antrag nach § 176 GWB insoweit noch nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe.

B.

Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingereichte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig (dazu unter I.). Er ist auch begründet. Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin unter Verletzung von Vorschriften betreffend das Vergabeverfahren fehlerhaft mangels nachgewiesener Eignung nach § 6 EU VOB/A ausgeschlossen (dazu unter II.1.). Dieser Vergaberechtsverstoß verletzt die Antragstellerin auch derart in ihren Rechten, dass ihr ein Schaden im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB droht (dazu unter II.2.).

I.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1. Das Vergabeverfahren ist insbesondere nicht deshalb nach § 177 GWB beendet, weil der Antragsgegner nicht innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung des Beschlusses des Senats vom 14. September 2021, mit dem er mit einem Antrag nach § 176 GWB unterlegen war, Maßnahmen zur Herstellung der Rechtswidrigkeit des Verfahrens ergriffen hat.

a) Voraussetzung für die Beendigungswirkung nach § 177 GWB ist nach dem Wortlaut der Norm zwar allein ein Unterliegen mit einem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags. Nach allgemeiner Auffassung ist diese Bestimmung jedoch einschränkend dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich dann nicht eröffnet ist, wenn der Eilantrag ohne klare Stellungnahme und ohne Wahrscheinlichkeitsprognose betreffend die Beschwerde zurückgewiesen wurde, insbesondere deshalb, weil die Eilbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt oder glaubhaft gemacht wurde. Die scharfe Folge des § 177 GWB ist nur gerechtfertigt, soweit die sachliche Beurteilung zum Bestehen eines Vergabefehlers für die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Zwischenverfahren nach § 176 GWB entscheidungserheblich war (Jaeger in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, 4. Aufl., § 177 Rn. 6; Hänisch in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Vergaberecht, 5. Aufl., § 177 Rn. 5 f., jew. m. w. N.).

b) Vorliegend hat der Senat in dem den Antrag nach § 176 GWB zurückweisenden Beschluss vom 14. September 2021 zwar einerseits den von der Antragstellerin gerügten Vergabefehler in der Sache geprüft und bejaht. Die Erfolgsaussichten ihres Nachprüfungsantrags und der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners hat er aber letztlich offengelassen, weil auf der Grundlage des dort maßgeblichen Verfahrensstandes nicht abschließend zu beurteilen war, ob die Antragstellerin durch den von dem Senat bejahten Vergabefehler in ihren Rechten verletzt war (§ 168 Abs. 1 Satz 1 GWB). Der Einwand des Antragsgegners, die Antragstellerin habe betreffend die Position 3.2.20 des Leistungsverzeichnisses etwas Anderes angeboten, als nachgefragt war, war im Rahmen des Eilverfahrens nicht zu berücksichtigen, weil dieser Einwand vermeidbar spät vorgebracht worden war und dies insgesamt gegen die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens des Antragsgegners sprach.

2. Die dem Nachprüfungsantrag zugrundeliegenden Rügen der Antragstellerin sind auch nicht präkludiert.

a) Gegenstand der Nachprüfung ist die Rüge, dass die Antragstellerin zu Unrecht mit der Begründung ausgeschlossen worden sei, dass sie insbesondere die geforderten Mithaftungserklärungen der Nachunternehmer nicht vorgelegt habe.

Dieser Vergaberechtsfehler wurde von der Antragstellerin rechtzeitig mit Anwaltsschriftsatz vom 19. Mai 2021 in Reaktion auf das Informationsschreiben des Antragsgegners vom 12. Mai 2021 gerügt. Die Rüge, dass die Bieter nach den Vergabeunterlagen von einem gesonderten Verlangen dieser Unterlagen ausgehen durften, an welcher es gefehlt habe, erfasst auch den Verstoß, dass die Vergabeunterlagen jedenfalls keine eindeutige Aussage zur Frage eines solchen gesonderten Verlangens enthalten.

b) Die Antragstellerin ist auch nicht gehindert, sich darauf zu berufen, der Antragsgegner habe die Bedingungen für die Vorlage der Verpflichtungs- und Mithaftungserklärungen der Nachunternehmer nicht hinreichend eindeutig festgelegt. Eine Präklusionswirkung käme insoweit im Grundsatz in Betracht, wenn der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin eine Fortsetzung des vorangegangenen Vergaberechtsverstoßes darstellte (dazu: Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 Rn. 97; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB [Stand: 21.06.2021), Rn. 314 ff.]. Die Antragstellerin hat auch betreffend diesen vorgelagerten Vergaberechtsverstoß aber schon keine Rügeobliegenheiten verletzt.

aa) Die Rüge, den Zeitpunkt nicht hinreichend eindeutig bestimmt zu haben, zu dem Verpflichtungs- und Mithaftungserklärungen betreffend Nachunternehmer vorzulegen waren, ist nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB präkludiert, weil diese mangelnde Eindeutigkeit aufgrund der Bekanntmachung und der Vergabeunterlagen nicht hinreichend erkennbar war.

Nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, spätestens insbesondere bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe zu rügen. Maßstab für die Erkennbarkeit ist dabei die Erkenntnismöglichkeit für das Unternehmen bei Anwendung üblicher Sorgfalt (Wiese, a. a. O., Rn. 125 ff., 137 f. m. w. N.).

Vorliegend enthielten die Vergabeunterlagen zwar sämtliche Umstände, aufgrund derer die Bestimmung, die Verpflichtungs- und Mithaftungserklärungen betreffend Nachunternehmer seien zusammen mit dem Angebot vorzulegen, nicht hinreichend eindeutig erfolgt ist, wie im nachfolgenden näher ausgeführt ist. Auch müssen Unternehmen, die an einem EU-weiten Vergabeverfahren mit entsprechend hohen Auftragswerten teilnehmen, die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen sorgfältig lesen (Wiese, a. a. O. Rn. 127 m. w. N.).

Da nach dem Transparenzgrundsatz aber hohe Anforderungen an die Qualität der Vergabeunterlagen zu stellen sind, die klar, genau und eindeutig formuliert sein müssen, um den Bietern zu ermöglichen, sie zu verstehen und in gleicher Weise auszulegen, trägt der Auftraggeber - wie nachfolgend näher ausgeführt - das Risiko einer Unklarheit. Diese Risikoverteilung würde unterlaufen und das Risiko der Unklarheit der Ausschreibungsunterlagen in dem Maße auf den Bieter verlagert, in welchem man ihm eine Nachfrage- oder Rügeobliegenheit auferlegen würde. Demzufolge ist bei der Annahme einer solchen Obliegenheit des Bieters, auf Fehler in den Ausschreibungsunterlagen hinzuweisen, in denjenigen Fällen Zurückhaltung geboten, in denen - wie vorliegend - Widersprüche oder Unklarheiten der Vergabeunterlagen betroffen sind (OLG Dresden, Beschluss vom 21. Februar 2020 - Verg 7/19, juris Rn. 41). Ob von einer solchen Obliegenheit erst dann ausgegangen werden kann, wenn die Ausschreibungsunterlagen offensichtlich falsch sind (so: OLG Dresden, a. a. O.; in der Sache auch OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 - 14 U 191/13, juris Rn. 67), oder ob bereits sich aufdrängende Unklarheiten eine Rügepflicht auslösen, kann vorliegend offenbleiben. Wie nachstehend näher ausgeführt, konnte die Antragstellerin die Vergabeunterlagen in ihrer Gesamtheit nämlich nachvollziehbar dahingehend verstehen, dass die bezeichneten Erklärungen erst auf ein gesondertes Verlangen hin vorzulegen waren und ein solches gesondertes Verlangen auch nicht bereits in den Vergabeunterlagen selbst enthalten war. Gegen eine sich dergestalt aufdrängende Unklarheit spricht auch, dass sowohl die Vergabekammer als auch die anwaltlichen Vertreter beider Parteien zunächst davon ausgegangen waren, die Erklärungen seien nach den Vergabeunterlagen erst auf gesondertes Verlangen des Antragsgegners vorzulegen gewesen.

bb) Aufgrund der Antwort des Antragsgegners auf die Bieterfrage Nr. 4 vom 8. Februar 2021, mit dem Angebot sei unter anderem bei Einsatz von Nachunternehmern das ausgefüllte "Formblatt Verpflichtungserklärung Nachunternehmer" abzugeben, war der diesbezügliche Wunsch des Antragsgegners zwar erkennbar und es hätte für Bieter gesteigerter Anlass bestanden, sich mit den entsprechenden Bestimmungen in den Vergabeunterlagen erneut auseinanderzusetzen. Dennoch löste auch dieser Umstand keine Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB aus.

(1) Diese Antwort bezog sich ihrem Wortlaut nach bereits nur auf Verpflichtungserklärungen und nicht auch auf Mithaftungserklärungen. Eine Aussage dazu, wann Letztere vorzulegen waren, enthielt sie zumindest ausdrücklich nicht.

Zwar war die Abgabe der Mithaftungserklärung im selben Formblatt 236 wie diejenige der Verpflichtungserklärung vorgesehen. Beide waren dort aber räumlich voneinander getrennt. Es handelte sich sowohl inhaltlich als auch formal um zwei eigenständige Erklärungen was im Übrigen der Antragsgegner selbst in anderem Zusammenhang betont hat (beispielsweise auf Seite 25 der Beschwerdebegründung).

(2) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen, dass das Risiko aufgrund von Unklarheiten in den Vergabeunterlagen nicht über die Präklusionsvorschriften auf Bieter verlagert werden darf, und des daraus abzuleitenden Maßstabs für die Erkennbarkeit war dieser Vergabefehler auch nicht aufgrund der Antwort auf die Bieterfrage hinreichend eindeutig erkennbar. Zwar hätte aus dieser Antwort in Gesamtschau insbesondere mit der Bestimmung unter Nr. 6 der Teilnahmebedingungen im Formblatt 212 EU geschlussfolgert werden können, dass sich die Antwort zumindest mittelbar auch auf den Zeitpunkt der Vorlage der Mithaftungserklärung beziehen sollte. Gerade aus diesem Formblatt ergab sich jedoch - wie nachfolgend zu zeigen ist -, dass die fraglichen Erklärungen erst auf gesondertes Verlangen vorzulegen waren. Die mit der Antwort auf die Bieterfrage geäußerte Rechtsauffassung des Antragsgegners stimmte mit den zumindest insoweit eindeutigen Festlegungen in den Teilnahmebedingungen nicht überein. Es bestand damit noch kein hinreichender Anlass zur Rüge einer Unklarheit in den Vergabeunterlagen.

(3) Ob die Antwort auf die Bieterfrage überhaupt zu den "Vergabeunterlagen" i. S. d. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB zählt, kann offenbleiben.

Allgemein wird auch die Antwort auf Bieterfragen zwar dem Begriff der Vergabeunterlagen zugeordnet. Noch nicht abschließend geklärt ist aber, ob dies auch für den Begriff der Vergabeunterlagen i. S. d. § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB gilt (befürwortend: VK Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Juni 2010 - VK 1-17/10, juris Rn. 72; Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 GWB, Rn. 82; im Ergebnis ebenso: VK Lüneburg, Beschluss vom 3. Juni 2016 - VgK-12/2016, juris Rn. 161-166, 191; dies befürwortend, aber letztlich offenlassend: BKartA, Beschluss vom 13. Januar 2020 - VK 3 - 173/11, juris Rn. 46 f.; wohl ebenso: OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. April 2013 - Verg W 3/13, juris Rn. 55; VK München, Beschluss vom 14. Februar 2017 - Z3-3-3194-1-54-12/16, juris Rn. 257).

cc) Es bestehen schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin selbst oder die sie vertretenden Rechtsanwälte den entsprechenden Vergaberechtsverstoß vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens positiv erkannt haben, auch wenn die entsprechende Widersprüchlichkeit insbesondere für Juristen erkennbar war.

(1) Aus dem Rügeschreiben der Antragstellerin vom 19. Mai 2021 kann nicht auf eine solche positive Kenntnis geschlossen werden. Die Antragstellerin hat dort unter Bezug auf Nr. 6 des Formblatts 212 EU die Auffassung zugrunde gelegt, dass ein "gesondertes Verlangen" erforderlich sei, ohne den Inhalt des von dem Antragsgegner bearbeiteten Formblatts 211 EU in den Blick zu nehmen.

Selbst der Antragsgegner hat sich in der Rügeantwort vom 27. Mai 2021 nicht auf das letztgenannte Formblatt gestützt. Soweit er sich dort auf eine Formulierung unter Nr. 6 der als Anlage 1 zur Verfügung gestellten "Angebots-, Bewerbungs- und Vertragsbedingungen" bezog, folgte hieraus - wie nachstehend näher erörtert - gerade nicht, dass die betreffenden Erklärungen ohne gesondertes Verlangen zusammen mit dem Angebot vorzulegen gewesen wären; einen entsprechenden Schluss zieht der Antragsgegner in der Rügeantwort auch nicht.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 28. Mai 2021 enthält insoweit keine weitergehenden Ausführungen.

(2) Erstmals mit der Antragserwiderung vom 4. Juni 2021 gegenüber der Vergabekammer hat sich der Antragsgegner auf das Formblatt 211 EU bezogen, ohne hieraus jedoch in den folgenden rechtlichen Erwägungen herzuleiten, dass die entsprechenden Erklärungen auch ohne gesondertes Verlangen mit dem Angebot einzureichen gewesen wären. In dem folgenden Schriftsatz vom 24. Juni 2021 hatte die Antragstellerin sodann die infrage stehende Widersprüchlichkeit unter 2.b) erstmals im Ansatz angesprochen.

Selbst die Vergabekammer ist in ihrem rechtlichen Hinweis vom 29. Juni 2021 (Bl. 342 VgK-A) noch davon ausgegangen, dass die Vergabeunterlagen eindeutig gewesen seien und eine Unklarheit erst durch die Antwort auf die Bieterfrage entstanden sei.

(3) Auch sonstige Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin die Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen vor Einreichen des Nachprüfungsantrags positiv erkannt hätte, bestehen nicht. So hatte sie sowohl in dem Rügeschreiben vom 19. Mai 2021 als auch im Nachprüfungsverfahren eingehend begründet herausgearbeitet, weshalb eine entsprechende Bestimmung mangels hinreichender Bekanntmachung jedenfalls nicht wirksam getroffen worden sei. Es liegt nahe, dass sie auf eine Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen eingegangen wäre, wenn sie diese Widersprüchlichkeit erkannt hätte.

dd) Die Kenntniserlangung im Laufe des Nachprüfungsverfahrens löst nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB keine Rügeobliegenheit aus (Wiese, a. a. O., Rn. 118).

II.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

1. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin unter Verletzung von Vorschriften betreffend das Vergabeverfahren fehlerhaft mangels nachgewiesener Eignung nach § 6 EU VOB/A ausgeschlossen, weil die Forderung, insbesondere eine Erklärung zur Mithaftung auf dem Formblatt 236 bereits mit dem Angebot einzureichen, unwirksam war.

a) Ein Angebotsausschluss wegen der fehlenden Einreichung bestimmter Unterlagen setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass Bieter zumindest den Verdingungsunterlagen, wenn nicht sogar bereits der Vergabebekanntmachung, klar entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe verlangt werden. Bedürfen die Vergabeunterlagen der Auslegung, ist dafür der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises, maßgeblich. Verbleiben auch nach der hiernach vorzunehmenden Auslegung Zweifel, wird mithin nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass eine bestimmte Erklärung vom Bieter schon bis zum Ablauf der Angebotsfrist beizubringen ist, darf die Vergabestelle ein Angebot, in dem diese Erklärung fehlt, nicht ohne weiteres ausschließen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, juris Rn. 10; Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, juris Rn. 9-11). In vergaberechtswidriger Weise nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen hiernach, wenn fachkundigen Unternehmen auch nach Auslegungsbemühungen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder nicht geleistet werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - VII-Verg 19/17, juris Rn. 60).

Vorliegend waren die Vergabeunterlagen im Hinblick auf die Forderung von Verpflichtungs- und Mithaftungserklärungen in Fällen einer Eignungsleihe widersprüchlich und auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts und zu erwartender Kenntnisse potentieller Bieter nicht hinreichend eindeutig dahingehend auszulegen, dass diese Erklärungen bereits ohne gesonderte Aufforderung mit dem Angebot vorzulegen waren.

aa) Bestandteil der Vergabeunterlagen war das Formblatt 212 EU (Teilnahmebedingungen für die Vergabe von Bauleistungen, einheitliche Fassung). Nach der dortigen Nr. 6 musste ein Bieter im Falle einer beabsichtigten Ausführung der Leistung durch andere Unternehmen auch dann, wenn er eine sog. Eignungsleihe in Anspruch nehmen wollte, in seinem Angebot lediglich die hierfür vorgesehenen Leistungen/Kapazitäten benennen. In Abgrenzung hierzu sollte er erst "auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle" und "zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt" nachweisen, dass ihm die Kapazitäten der anderen Unternehmen zu Verfügung stehen sowie deren Namen angeben und entsprechende Verpflichtungserklärungen dieser Unternehmen vorlegen. Für den Fall einer Eignungsleihe sollte mit dieser Verpflichtungserklärung gleichzeitig eine Erklärung über die Mithaftung abzugeben sein.

Diese Bestimmungen sind für sich genommen eindeutig und ohne weiteres verständlich. Insbesondere erfolgt hier eine klare Abgrenzung zwischen den bereits in dem Angebot zu benennenden Leistungen bzw. Kapazitäten, für die ein Nachunternehmereinsatz vorgesehen ist, und den erst auf gesondertes Verlangen vorzulegenden weiteren Erklärungen.

bb) Im Widerspruch hierzu hat der Antragsgegner in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots auf dem Formblatt 211 EU allerdings unter lit. C) als eine Anlage, die mit dem Angebot einzureichen war, im Fettdruck bestimmt: "236 Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen". Entsprechend war das letztgenannte Formular, das den Vergabeunterlagen als Anlage 13 beigefügt war, auch in der Aufzählung der Anlagenummern in der Folgezeile genannt, wenn auch mit dem Zusatz "bei Bedarf". Ebenfalls in Übereinstimmung hiermit war die unter dem nächsten Gliederungspunkt lit. D) betreffend Anlagen, die auf gesondertes Verlangen einzureichen waren, vorgesehene Textzeile "236 Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen" dort nicht angekreuzt. Auch unter Nr. 3.4 dieses Aufforderungsschreibens war das Formblatt 236 nicht als Unterlage, die auf gesondertes Verlagen vorzulegen war, aufgeführt.

Die Einschränkung unter lit. C) dieses Aufforderungsschreibens, dass die entsprechenden Unterlagen nur "soweit erforderlich" bzw. "bei Bedarf" ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen waren, lässt zwar einen gewissen Deutungsspielraum zu und könnte für sich genommen auch dahin zu verstehen sein, dass die entsprechende Erforderlichkeit bzw. der entsprechende Bedarf nur im Falle eines gesonderten Verlangens bestand. Gerade aus der Abgrenzung zu lit. D) sowie zu Nr. 3.4 wurde bei isolierter Betrachtung dieses Formulars allerdings der Wille des Antragsgegners erkennbar, diese Unterlagen bereits gemeinsam mit dem Angebot vorgelegt zu erhalten. Die Einschränkung auf die Erforderlichkeit bzw. den Bedarf war vor diesem Hintergrund eher dahingehend zu verstehen, dass diese Unterlagen (nur) für den Fall eines vorgesehenen Nachunternehmereinsatzes und einer in Anspruch zu nehmenden Eignungsleihe vorzulegen waren.

cc) Weitere Teile der Vergabeunterlagen führen bei der Auslegung der fraglichen Bestimmung nicht hinreichend weiter. Die Ausführungen unter Nr. 8 der Angebots-, Bewerbungs- und Vertragsbedingungen bestimmen, dass die in den Anlagen 1 und 2 geforderten Eignungsnachweise mit dem Angebot beizubringen waren, wozu die Verpflichtungs- und die Mithaftungserklärungen nicht zählten. Im selben Abschnitt waren für den Fall einer Inanspruchnahme von Nachunternehmern zwar auch die von diesen Unternehmen geforderten Eignungsnachweise bezeichnet. Obwohl im letzten Absatz dieses Abschnitts die Eignungsleihe nach § 6d EU VOB/A in Bezug genommen wurde, waren die Mithaftungs- und Verpflichtungserklärungen aber nicht ausdrücklich benannt.

Dies mag für sich genommen den Schluss nahelegen, dass die letztgenannten Erklärungen nicht bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Eindeutig ist dies zumindest bei isolierter Betrachtung jedoch nicht.

In dem Vordruck des Angebotsschreibens (Formblatt 213) war das Formblatt 236 zwar als optional anzukreuzende Anlage in der Anlagenliste mit aufgeführt. Rückschlüsse darauf, dass dieses Formblatt ausgefüllt zwingend mit dem Angebot einzureichen war, ergeben sich hieraus aber nicht.

In dem Formblatt 236 ist die vorgedruckte Mithaftungserklärung mit dem Fußnotenzusatz versehen, "Diese Erklärung muss abgegeben werden, wenn sie in den Teilnahmebedingungen gefordert ist". Rückschlüsse auf den geforderten Zeitpunkt ihrer Abgabe ergeben sich hieraus für sich genommen ebenfalls nicht.

dd) In der Gesamtschau dieser Unterlagen könnte der insbesondere zwischen den Formblättern 211 EU und 212 EU bestehende Widerspruch zwar im Hinblick auf die Erwägung aufzulösen sein, dass das Formblatt 211 EU individuell auf das vorliegende Vergabeverfahren zugeschnittene Bestimmungen enthält und der Antragsgegner damit von den allgemein vorformulierten Teilnahmebedingungen in dem Formblatt 212 EU abweichen wollte. Diese für einen Juristen zunächst nicht fernliegende Überlegung setzt allerdings eine genauere Analyse des "hierarchischen Zusammenspiels in den einzelnen Bestandteilen der Vergabeunterlagen" sowie eine "vertragsrechtlich basierte Gesamtschau" voraus, die von Bietern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird und von ihnen auch nicht erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, a. a. O. Rn. 12). Zudem hat der Antragsgegner auch in dem Formblatt 212 EU an anderer Stelle individuelle Änderungen vorgenommen. Er hat die dort vorgesehenen Bestimmungen betreffend Nebenangebote gestrichen und diese Streichungen sogar farblich hervorgehoben. Dies schwächt das Gewicht der vorstehenden Erwägung ab, allein in dem Formblatt 211 EU seien individuell formulierte Bestimmungen enthalten. Vielmehr hätte es nahegelegen, auch unter Nr. 6 Änderungen vorzunehmen, wenn von der dortigen Bestimmung abgewichen werden sollte.

Gegen eine Auslegung der Vergabebedingungen in ihrer Gesamtheit im Sinne des Rechtsstandpunktes des Antragsgegners spricht weiter, dass die Bestimmung in Nr. 6 des Formblatts 212 EU eine klare Differenzierung enthält, die ausführlich und nachvollziehbar im Klartext erfolgt, wohingegen die Analyse der in dem Formblatt 211 EU enthaltenen Bestimmungen eine Auseinandersetzung mit der Platzierung der entsprechenden Anlagennennungen in verschiedenen Aufzählungen und eher stichwortartigen Erläuterungen erfordert. Dass ein juristisch weniger versierter Bieter sich auf die umfangreiche Differenzierung in Nr. 6 des Formblatts 212 EU verlässt, ist vor diesem Hintergrund nicht nur nicht fernliegend, sondern nachvollziehbar.

Es kommt hinzu, dass diese Differenzierung zwischen den bereits in dem Angebot zu benennenden für den Nachunternehmereinsatz vorgesehenen Leistungen bzw. Kapazitäten und den erst später auf gesondertes Verlangen vorzulegenden Erklärungen entsprechend Nr. 6 des Formblatts 212 EU insbesondere in Anknüpfung an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2008 einer zumindest weit verbreiteten Praxis entspricht. Der Bundesgerichtshof hat dort (a. a. O., Rn. 14) im Rahmen der Auslegung die beiderseitigen Interessen und dabei eine mögliche Unzumutbarkeit einer bereits mit dem Angebot vorzunehmenden Benennung der Nachunternehmer berücksichtigt. Im Hinblick auf diese Bedenken wird verbreitet empfohlen, beispielweise eine Verpflichtungserklärung erst dann zu erfordern, wenn ein Bieter in den engeren Kreis gelangt ist (so: Schranner in: Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Aufl., § 2 VOB/A Rn. 35 a. E. und § 6d EU VOB/A Rn. 9 a. E.; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 47 VgV (Stand: 16.07.2019), Rn. 29; Opitz in: Beck VergabeR, 3. Aufl. 2019, VOB/A-EU § 16 Rn. 118; vgl. auch Herrmann in: Ziekow/Völlink, 4. Aufl., VOB/A-EU § 16EU, Rn. 13; Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, 7. Aufl. 2020, VOB/A § 16a Rn. 12).

Gerade im Hinblick auf diese verbreitete Handhabung und die ersichtlich daran anknüpfende Differenzierung unter Nr. 6 des Formblatts 212 EU erfolgte die mit der Gestaltung der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) wohl intendierte Abweichung nicht hinreichend deutlich. Dass der Antragsgegner eine solche verbreitete Handhabung bestreitet, ist unerheblich. Bereits die Darstellung in den verschiedenen Kommentaren lässt die dem Formblatt 212 EU zu Grunde liegende Differenzierung plausibel erscheinen.

Die Forderung, diese Erklärungen bereits mit dem Angebot vorzulegen, erfolgte weiter auch deshalb nicht hinreichend deutlich, weil gerade die vorliegend auch infrage stehende Erklärung der Mithaftung als solche ausdrücklich allein unter Nr. 6 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) behandelt ist. Ein Bieter, der sich über die Erforderlichkeit dieser Erklärung informiert, stößt damit unweigerlich auf die Bestimmung, dass diese gleichzeitig mit der Verpflichtungserklärung erst auf gesondertes Verlangen abzugeben ist. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) ist demgegenüber als mit dem Angebot einzureichend nur die "Verpflichtungserklärung anderer Unternehmen" bezeichnet. Erst in der Gesamtschau mit der Gestaltung des Formblattes 236 mag sich einem Bieter dann erschließen, dass auch diese Erklärung zur Mithaftung bereits gemeinsam mit der Verpflichtungserklärung zusammen mit dem Angebot eingereicht werden sollte.

ee) Die Antwort auf die Bieterfrage Nr. 4 vom 8. Februar 2021, die dort genannten Formblätter - zu denen auch das Formblatt 236 gehörte - seien von allen Nachunternehmen auszufüllen und unterzeichnet mit dem Angebot einzureichen, ließ zwar den Willen des Antragsgegners erkennen, das entsprechende Formblatt mit den dort vorgesehenen Erklärungen bereits zusammen mit dem Angebot zu erhalten. Diese Bestimmung war aber nicht geeignet, den Mangel der im Übrigen nicht hinreichend eindeutigen Bestimmung zu heilen.

Richtigerweise hätte der Antragsgegner die mit dieser Bieterfrage deutlich gewordenen Zweifel zum Anlass nehmen müssen, die Vergabeunterlagen zu ändern und unter Verlängerung der Angebotsfrist nach § 10a Abs. 6 Nr. 2 EU VOB/A neu bekanntzumachen.

ff) Ob und inwieweit andere Bieter Erklärungen auf dem Formblatt 236 zusammen mit dem Angebot abgegeben haben, hilft vorliegend im Rahmen der Auslegung der Vergabeunterlagen nicht weiter. Diese Handhabung mag gerade als sicherster Weg auch vor dem Hintergrund nicht behebbarer Zweifel an dem Inhalt der Vergabeunterlagen - möglicherweise auch im Hinblick auf die Antwort auf die Bieterfrage - gewählt worden sein. Tragfähige Schlussfolgerungen dazu, welchen objektiven Erklärungsgehalt die Vergabeunterlagen haben, lassen sich daraus nicht ziehen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 3. April 2012, a. a. O. Rn. 15).

Die tatsächliche Handhabung durch die Antragstellerin, die ein Angebot ohne ausreichende Verpflichtungs- und Mithaftungserklärung sämtlicher vorgesehener Nachunternehmer abgegeben hatte, obwohl sie den festgelegten Mindestumsatz nicht erreicht hatte, dürfte dafür sprechen, dass jedenfalls sie davon ausgegangen war, diese Erklärungen erst auf gesondertes Verlangen vorlegen zu müssen. Anderenfalls wäre ihr Angebot ersichtlich aussichtslos gewesen. Wesentliche Bedeutung für die vorgenommene Auslegung kommt dem allerdings nicht zu.

b) Der Antragsgegner hat die Erklärung zur Verpflichtung und Mithaftung der Nachunternehmer auch nicht gesondert i. S. d. Nr. 6 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) verlangt.

Die weiteren Bestimmungen in den Vergabeunterlagen stellten ersichtlich kein gesondertes Verlangen dar (vergleiche dazu grundsätzlich schon BGH, Urteil vom 10. Juni 2008, a. a. O. Rn. 12). Zudem wäre dies als gesondertes Verlangen nicht hinreichend deutlich erfolgt.

Die Antwort auf die Bieterfrage Nr. 4 vom 8. Februar 2021 erläuterte ersichtlich nur das Verständnis des Antragsgegners von den Vergabeunterlagen, ohne jedoch ein gesondertes Verlangen darzustellen.

Abgesehen von diesen systematischen Gesichtspunkten, die einer Auslegung der übrigen Vergabeunterlagen bzw. der Antwort auf die Bieterfrage als gesondertes Verlangen bereits entgegenstehen, legte es die Formulierung unter Nr. 6 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) zudem nahe, dass der zusammen mit dem gesonderten Verlangen zu bestimmende Zeitpunkt von dem Zeitpunkt abwich, zu dem Angebote einzureichen waren. Darüber hinaus legte es die vorgenannte übliche Handhabung betreffend die Aufforderung zur Abgabe solcher Erklärungen, auf die sich die Bestimmung unter Nr. 6 der Teilnahmebedingungen ersichtlich bezog, nahe, dass dieses gesonderte Verlangen nur an einen engeren Teilnehmerkreis und nicht an alle Bieter gerichtet würde. Auch diese beiden Gesichtspunkte sprechen in der Sache dagegen, die Formulierung des Formblatts 211 EU oder die Antwort auf die bezeichnete Bieterfrage als gesondertes Verlangen zu verstehen.

c) Ob die entsprechenden Bestimmungen bereits nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB in der Vergabebekanntmachung selbst aufzuführen gewesen wären, kann nach allem offenbleiben.

d) Offenbleiben kann weiter auch, ob die entsprechenden Erklärungen nach § 16a EU VOB/A nachgefordert hätten werden können, wenn hinreichend eindeutig und damit wirksam bestimmt worden wäre, dass sie bereits zusammen mit dem Angebot vorzulegen gewesen wären.

2. Die Antragstellerin wurde durch diese Verletzung von Vorschriften betreffend das Vergabeverfahren auch derart in ihren Rechten verletzt, dass ihr ein Schaden im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB droht.

Ein Nachprüfungsantrag ist zwar im Ergebnis unbegründet, wenn die Antragstellerin auch bei Einhaltung der Vergaberegeln keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt hätte, so dass sich die Vergaberechtsverstöße für sie nicht negativ ausgewirkt haben (OLG München, Beschluss vom 5. November 2009 - Verg 15/09, juris Rn. 57). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.

a) Unter Berücksichtigung der Umsätze der vorgesehenen Nachunternehmen war der unter Nr. III.1.2) lit. d) bestimmte Mindestumsatz überschritten, so dass die Antragstellerin bei Berücksichtigung einer Eignungsleihe nicht aus dem von dem Antragsgegner berücksichtigten Grund ungeeignet wäre.

b) Auch aufgrund der weiter von dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren eingeführten möglichen Ausschlussgründe ist es nicht ausgeschlossen, dass der Antragstellerin aufgrund der Rechtsverletzung ein Schaden droht.

aa) Zwar hat ein Nachprüfungsantrag trotz eines festzustellenden Vergaberechtsfehlers keinen Erfolg, wenn sich dieser Vergaberechtsfehler nicht nachteilig auf die Rechtsstellung des Antragstellers ausgewirkt haben kann (OLG München a. a. O.). Vorliegend ist ein solcher fehlender Kausalzusammenhang zwischen dem Vergaberechtsfehler und einem drohenden Schaden der Antragstellerin aber unabhängig davon nicht festzustellen, ob ihr Angebot aus anderen Gründen von der Wertung auszuschließen wäre. Dabei sind nicht nur die Chancen in dem aktuell geführten Vergabeverfahren zu berücksichtigen (i. Erg. ebenso: BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, juris; zur Antragsbefugnis: Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, § 160 Rn. 71 m. w. N.).

Der Antragsgegner hat bislang nur das Angebot der Antragstellerin mangels derer Eignung in wirtschaftlicher Hinsicht ausgeschlossen, die Zuschlagsfähigkeit der Angebote der weiteren Bieter aber noch nicht abschließend geprüft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Rechtsposition der Antragstellerin verbessert, wenn der ausgesprochene Ausschluss mangels Eignung rückgängig gemacht wird. Zum einen ist denkbar, dass der Antragsgegner aus Gründen der Gleichbehandlung sämtlichen Bietern im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens Gelegenheit gibt, Angebote zu ändern, der Antragstellerin eine solche Gelegenheit aber aufgrund des ausgesprochenen Ausschlusses versagen würde. Zum anderen konnte der Antragstellerin durch den ausgesprochenen Ausschluss die Möglichkeit genommen werden, den beabsichtigten Zuschlag auf andere Angebote mit dem Ziel anzugreifen, eine Zurückversetzung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens aus dem Grund zu erreichen, dass keine zuschlagsfähigen Angebote vorliegen.

bb) Ob der Antragsgegner die neu vorgebrachten vermeintlichen Ausschlussgründe im Nachprüfungsverfahren überhaupt noch vorbringen kann, obwohl sie bereits vor der Vergabekammer hätten vorgebracht werden können und nach § 167 Abs. 2 Satz 1 GWB gegebenenfalls hätten vorgebracht werden müssen, kann offenbleiben (vgl. dazu aber Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - 13 Verg 8/15, juris Rn. 26).

III.

Für das weitere Vergabeverfahren weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

1. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 14. September 2021 näher ausgeführt, dass es keinen Angebotsausschluss rechtfertigen dürfte, dass die Antragstellerin nicht das von dem Antragsgegner vorgegebene Leistungsverzeichnis zu Los 2 verwendet und zunächst auch keine Fabrikats- und Typangaben gemacht sowie keine Datenblätter vorgelegt hatte. Auf die entsprechenden Erwägungen nimmt der Senat Bezug. Er hält hieran fest.

2. Das Angebot der Antragstellerin wird im Hinblick auf das zunächst mit dem Anlagenkonvolut BG 2 vorgelegte Datenblatt betreffend die Position 3.2.20 des Leistungsverzeichnisses auch nicht zwingend deshalb nach § 16 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 EU VOB/A auszuschließen sein, weil die Antragstellerin damit etwas Anderes angeboten hat, als von dem Antragsgegner nach dem Leistungsverzeichnis nachgefragt wurde, das der Ausschreibung zugrunde lag, und sie damit die Vergabeunterlagen in unzulässiger Weise abgeändert hätte.

a) Unter Berücksichtigung des in dem Anlagenkonvolut BG 2 betreffend die Position 3.2.20 des Leistungsverzeichnisses vorgelegten Datenblattes hätte die Antragstellerin zu dieser Position zwar eine Leistung angeboten, die den nachgefragten technischen Spezifikationen nicht entsprach. Das nach diesem Datenblatt für die Leistungsausführung vorgesehene Produkt entsprach in seinem Außendurchmesser und der maximalen Zugkraft nicht den im Leistungsverzeichnis geforderten Spezifikationen.

b) Die Antragstellerin hat aber später mit der Anlage BG 3 ein anderes Datenblatt zu dieser Position des Leistungsverzeichnisses vorgelegt, das den nachgefragten Spezifikationen genügt. Die Berücksichtigung dieses zuletzt vorgelegten Datenblattes ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Antragstellerin insoweit zunächst das abweichende Datenblatt vorgelegt hatte.

aa) Die von Bietern im laufenden Nachprüfungsverfahren nachgereichten Datenblätter sind zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, obwohl sie ebenso bereits mit dem Angebot hätten vorgelegt werden müssen, wie die Antragstellerin die in dem Datenblatt enthaltenen Fabrikats- und Typangaben bereits mit dem Angebot hätte angeben müssen.

Fehlende Fabrikats- und Typangaben sind aber ebenso wie fehlende Datenblätter von dem Auftraggeber nachzufordern, wenn der Preis - wie vorliegend - das einzige Zuschlagskriterium ist (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 16a VOB/A (Stand: 02.10.2018), Rn. 11; Opitz in: Beck VergabeR, 3. Aufl. 2019, VOB/A-EU § 16a Rn. 16).

Zwar hatte der Antragsgegner diese fehlenden Angaben und Unterlagen bislang nicht nachgefordert. Auch unaufgefordert nachgereichte Unterlagen können aber entsprechend zu berücksichtigen sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. August 2011 - Verg 66/11, juris Rn. 13; Opitz in: Beck VergabeR, 3. Aufl., VOB/A-EU § 16a Rn. 45).

bb) Die Antragstellerin hat aber durch die Einreichung des ersten - den Vergabeunterlagen widersprechenden - Datenblattes ihr Angebot nicht verbindlich dahingehend konkretisiert, dass das anschließend in Korrektur nachgereichte Datenblatt nicht berücksichtigt werden könnte.

(1) Ihr zunächst produktneutrales Angebot war ursprünglich dahingehend auszulegen, dass sie eine Leistung mittlerer Art und Güte anbieten wollte, die den nachgefragten Spezifikationen entsprach.

Sofern der öffentliche Auftraggeber aber die Fabrikate und Typen der angebotenen Produkte abfragt und der Bieter die entsprechenden Produktblätter vorlegt, legt letzterer sein Angebot auf diese Fabrikate und Produkte fest. Grundsätzlich handelt es sich bei der Konkretisierung nicht um eine unverbindliche Darstellung, wie der Bieter die Leistung beispielsweise erbringen will, sondern um eine verbindliche Festlegung seines insoweit noch nicht konkretisierten Angebotes. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Aufklärung, die der Ermittlung des Angebotsinhalts und nicht einer beispielhaften Darstellung der Leistungserbringung dient. Jegliche Aufklärung wäre sinnlos, wenn der Bieter nachträglich erklären könnte, er wolle das von ihm benannte Produkt gar nicht liefern, sondern ein anderes Produkt mittlerer Art und Güte (OLG München, Beschluss vom 10. April 2014 - Verg 1/14, juris Rn. 57 m. w. N.; BKartA, Beschluss vom 24. Juni 2019 - VK 1 - 31/19, juris Rn. 93). Dies gilt auch dann, wenn der Bieter grundsätzlich eine ausschreibungskonforme Leistung zusagt (VK München, Beschluss vom 18. Februar 2020 - Z3-3-3194-1-42-10-19, juris Rn. 97).

(2) Eine entsprechende bindende Konkretisierung mag zwar auch dann eintreten können, wenn der Auftraggeber fragliche Unterlagen zwar noch nicht nachgefordert, ein Bieter diese aber unaufgefordert nachgereicht hat, weil auch diese unaufgefordert nachgereichten Unterlagen entsprechend den obigen Erwägungen in gleicher Weise zu berücksichtigen wären.

Maßgeblicher Grund für die Berücksichtigung solcher unaufgefordert nachgereichter Unterlagen ist dabei, dass der Bieter mit dieser unaufgeforderten Nachreichung nur einer ohnehin erforderlichen Nachforderung zuvorkommt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. August 2011 - Verg 66/11, a. a. O.). Demgegenüber hat die Antragstellerin die Unterlagen in dem Anlagenkonvolut BG 2 aber gerade nicht deshalb eingereicht, um einer Nachforderung zuvorzukommen. Vielmehr hat sie mit Schriftsatz vom 17. August 2021 (Seite 31) ausdrücklich klargestellt, diese "trotz der noch ausstehenden Nachforderung" vorzulegen. Auch wenn die dortige Formulierung insgesamt nicht ganz klar sein mag, macht dieser ausdrückliche Einschub doch hinreichend deutlich, dass die Antragstellerin durch die Vorlage dieser Unterlagen im Beschwerdeverfahren nicht auf eine förmliche Nachforderung verzichtet hat. Denkbar - und im Hinblick auf diesen Einschub naheliegend - ist vielmehr, dass sie durch die Vorlage des Anlagenkonvoluts BG 2 ausschließlich mit Blick auf das Beschwerdeverfahren zeigen wollte, dass eine - noch ausstehende - Nachforderung nicht sinnlos wäre.

IV.

Der Antragsgegner trägt nach § 175 Abs. 2 i. V. m. § 78 Satz 2 GWB die Gerichtskosten und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin sowohl betreffend das Hauptsacheverfahren als auch das Verfahren nach § 176 GWB.

Die Beigeladene ist bei der Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren nach § 78 Satz 1 GWB nicht zu berücksichtigen, weil sie sich weder durch Einreichung von Schriftsätzen beim Beschwerdegericht noch durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aktiv an dem Beschwerdeverfahren beteiligt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2014 - 13 Verg 8/14, juris Rn. 59).

Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 2 GKG. Derselbe Wert ist nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift auch für das Verfahren nach § 176 GWB anzusetzen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. April 2010 - Verg W 2/10, juris Rn. 17 f., auch mit Nw. zur Gegenauffassung; Beschluss vom 16. Mai 2011 - Verg W 2/11, juris Rn. 18).