Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 03.09.2008, Az.: 1 A 1560/07

Umbettungsverlangen hinsichtlich eines verstorbenen Ehemannes auf einen anderen Friedhof; Beurteilung der Umbettung von Leichen und Urnen innerhalb der Mindestruhezeit anhand der angemessenen Dauer der Totenehrung; Fortwirkendes Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen als Grund für das Recht auf dessen Totenruhe

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
03.09.2008
Aktenzeichen
1 A 1560/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 21901
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0903.1A1560.07.0A

Verfahrensgegenstand

Umbettung eines Verstorbenen

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2008
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schmidt,
den Richter am Verwaltungsgericht Steffen,
den Richter Plog sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Umbettung ihres im Jahre 1999 verstorbenen Ehemannes auf einen anderen Friedhof.

2

Der Ehemann der Klägerin wurde nach seinem Tode im Jahre 1999 eingeäschert und die Urne wurde auf einem F. Friedhof bestattet. Im Jahre 2004 wurde die Urne ausgegraben auf den Antrag der Klägerin auf dem Friedhof in G. - H. - bestattet.

3

Mit Schreiben vom 15. Mai 2007 wandte sich die Klägerin an die ev.-luth. Kirchengemeinde H. als Friedhofsträgerin. Sie wolle das Urnengrab I. zum nächstmöglichen Termin aufgeben und kündige den Nutzungsvertrag vom 13. September 2004. Zur Begründung gab sie an, dass sie es nicht mehr ertragen könne, ständig die Blumensträuße aus Hecken und Gebüsch oder fremden Vasen zusammenzusuchen. Von einem Strauß fehle jeder Spur, eine Grablampe sei von ihrem Platz entfernt worden. Derartige Vorgänge wolle sie ihrem Ehemann an seiner Ruhestätte ersparen. Sie wolle wieder in Ruhe und ohne böse Überraschungen zum Grab ihres Mannes gehen können. Der Grabstein werde von einer Firma abgeholt werden. Mit Schreiben vom 05. Juni 2007 erklärte die Kirchengemeinde nach einer Kirchenvorstandssitzung, dass gegen die Umbettung der Urne keine Einwände bestünden. Am 31. Mai 2007 hat die Klägerin mündlich auch einen entsprechenden Antrag auf Umbettung bei dem Beklagten gestellt, den sie mit Schreiben vom 17. Juli 2007 schriftlich wiederholte. Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 hörte der Beklagte die Klägerin zu der Absicht an, den Antrag abzulehnen. Eine Umbettung könne nur im Falle des Vorliegens eines wichtigen Grundes genehmigt werden. Die Totenruhe sei im vorliegenden Fall bereits einmal durch Umbettung gestört worden, eine neuerliche Umbettung könne nicht hingenommen werden.

4

Mit Schreiben vom 03. August 2007 wandte sich ein Bevollmächtigter im Auftrag der Klägerin an den Beklagten. Die Klägerin wünsche nach ihrem Tod zusammen mit dem Ehemann auf dem Friedhof in J. in einem gemeinsamen Urnengrab bestattet zu werden. Die Wahl sei auf den Friedhof in J. gefallen, weil die Klägerin eine besondere Gestaltung des gemeinsamen Grabes wünsche, die auf dem Friedhof in H. nicht möglich sei. Das Grab soll nämlich eine geschlossene Grababdeckung aus Stein erhalten, auf dem lediglich Namen und Daten der Verstorbenen genannt werden. Ein entsprechender Auftrag sei bereits erteilt und dem Beklagten auch zur Kenntnis gegeben. Diese Form der Gestaltung sei in H. nicht möglich, weil die Friedhofssatzung geschlossene Grababdeckungen nicht erlaube. Das Recht auf persönliche Selbstbestimmung wirke über den Tod hinaus und schließe auch die Gestaltung des Grabes mit ein. Aus der Sicht der Klägerin liege damit ein wichtiger Grund vor, der neben die bisher vorgebrachten Gründe trete.

5

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 lehnte der Beklagte den Antrag zur Umbettung ab. Die Totenruhe sei hier vorrangig zu wahren und es sei den Angehörigen zuzumuten, sich bereits vor der Bestattung über Art und Ort der Bestattung ein abschließendes Urteil zu bilden.

6

Am 23. November 2007 hat die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig, weil ein wichtiger Grund für die Umbettung ausreichend sei und auch vorliege. Die Klägerin möchte selbst in Otterndorf beigesetzt werden und es sei ihr besonders wichtig, neben ihrem Ehemann die letzte Ruhe zu finden. Der Wunsch nach einer gemeinsamen Grabstelle von Eheleuten sei ein wichtiger Grund im Sinne des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes. Dies ergäbe sich aus der Gesetzesbegründung und sei höher zu bewerten als die Totenruhe. Das Gesetz sehe auch nicht vor, dass eine zweite Umbettung generell ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die erste Umbettung erfolgt war, bevor das Bestattungsgesetz in Kraft getreten ist. Die Klägerin vollende in diesem Jahr ihr 80. Lebensjahr und habe die gemeinsame Grabstelle auf dem Friedhof in Otterndorf vorbereitet. Aus persönlichen Gründen könne sie sich nicht auf dem Friedhof in Altenwalde beisetzen lassen, weil die Besuche an der Grabstelle ihres Ehemannes für die Klägerin sehr unangenehm seien. Die Klägerin fühle sich auf dem Friedhof sehr unwohl, so dass sie Besuche am Grab ihres Mannes auf ein zeitliches Minimum begrenze, obwohl es ihr ein Bedürfnis sei, dort länger zu verweilen. Für die Klägerin stelle die Umbettung der Urne ihres Ehemannes auch keine Verletzung der Pietät und der Totenwürde dar. Vielmehr sei ihr bekannt, dass es auch dem Wunsche ihres Ehemannes, den sie vor seinem Tode über viele Jahre gepflegt hätte, entsprochen hätte, mit ihr gemeinsam bestattet zu werden.

7

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2007 zu verpflichten, einer Umbettung des Verstorbenen K. L. vom Friedhof der Kreuzkirche in G. H. zum Friedhof in J. zuzustimmen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er verteidigt den ergangenen Bescheid und weist darauf hin, dass eine Umbettung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gestattet werden kann. Ein solcher liege im Falle der Klägerin nicht vor. Der Wunsch nach einer gemeinsamen Bestattung müsse nunmehr zurücktreten, nachdem die erste Umbettung von G. nach H. im Jahre 2004 bereits erfolgt sei. Eine gemeinsame Bestattung in H. bleibe der Klägerin unbenommen. Auf dem Friedhof in H. habe es auch nicht ernsthaft Störungen der Totenruhe gegeben. Vielmehr sei die Klägerin mehrfach von der Friedhofsverwaltung darauf hingewiesen worden, dass die von ihr auf das Grab gebrachten Kunstblumen bei den dortigen Windverhältnissen regelmäßig fortwehen würden. Der Beklagte weist im Übrigen darauf hin, dass die Totenruhe den Sinneswandeln der Angehörigen vorzugehen habe.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte verpflichtet wird, der Ausgrabung und Umbettung der Urne ihres verstorbenen Ehemannes zuzustimmen.

12

Nach § 15 des Niedersächsischen Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG vom 08. Dezember 2005, Nds. GVBl. Seite 381) dürfen Leichen und Aschenreste in Urnen außer in den bundesrechtlich geregelten Fällen vor Ablauf der Mindestruhezeit nur mit Genehmigung der unteren Gesundheitsbehörde ausgegraben und umgebettet werden. Die Genehmigung darf nach Abs. 2 dieser Vorschrift nur erteilt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Mindestruhezeit beträgt gemäß § 14 BestattG 20 Jahre. Diese Ruhezeit gilt grundsätzlich auch für die Urnenbestattung, weil die Ruhezeit nicht nur wegen gesundheitlicher Gründe einzuhalten ist, sondern auch um eine angemessene Dauer der Totenehrung zu ermöglichen. Gesichtspunkte der Pietät, der Totenwürde und der Totenruhe sind daher bei allen Bestattungsarten grundsätzlich in gleicher Weise einzuhalten. Das Gesetz macht dafür auch keine grundsätzlichen Unterschiede. Die Umbettung von Leichen und Urnen innerhalb der Mindestruhezeit beurteilt sich nach den gleichen Grundsätzen (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, S. 221).

13

Der Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Umbettung verneint. Der Begriff des wichtigen Grundes, der in vollem Umfang als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich zu überprüfen ist, verlangt eine Abwägung zwischen der Totenruhe und den Bedürfnissen der Angehörigen. Ein wichtiger Grund kann nur angenommen werden, wenn zwingende, ganz persönliche Gründe für die Umbettung vorliegen, die auf einer atyptischen, völlig unerwarteten Entwicklung der Lebensumstände beruhen und nicht zum allgemeinen Lebensrisiko jedes Angehörigen eines Verstorbenen gehören. Das Recht der Totenruhe beruht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes auf dem fortwirkenden Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen. Rechtlicher Schutz der Persönlichkeit gemäß Artikel 1 Abs. 1 GG endet nicht mit dem Tode. Vielmehr besteht der allgemeine Wert- und Achtungsanspruch fort, so dass das tatsächliche Lebensbild eines Verstorbenen weiterhin gegen schwerwiegende Umstellungen geschützt wird (vgl. BGHZ 107, 384 ff und BGHZ 50, 133, 136 ff [BGH 20.03.1968 - I ZR 44/66]; BVerfGE 54, 148, 154 [BVerfG 03.06.1980 - 1 BvR 185/77]; BVerfG, Beschluss v. 05.04.2001, NJW 2001, 2957 ff). Der vom Gesetz mit der Einführung des Erfordernisses eines wichtigen Grundes hervorgehobene besondere Schutz der Totenruhe setzt zwingend voraus, dass Umbettungen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zugelassen werden sollen. Daraus ergibt sich zugleich, dass im vorliegenden Fall nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass es sich bereits um die zweite Umbettung handelt. Sinnes-, Geschmacks- und Meinungsänderungen der Angehörigen stellen keine unerwarteten Ereignisse dar, die zur Annahme eines wichtigen Grundes führen können. Vielmehr würde die Anerkennung solcher Veränderungen im subjektiven Bereich zur Folge haben, dass der vom Gesetz gewollte Schutz der Totenruhe ins Leere laufen würde. Da grundsätzlich auf den Willen des Verstorbenen abzustellen ist, kann sich dieser nach seinem Tode nicht mehr ändern, so dass regelmäßig davon ausgegangen werden muss, dass den Angehörigen bereits zum Zeitpunkt der ersten Bestattung eine Entscheidung möglich sein muss, an welchem Ort und in welcher Art die Bestattung dem Willen des Verstorbenen am ehesten entspricht. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15. November 2006 (8 LA 128/06) ausgeführt, dass von volljährigen Angehörigen erwartet werden kann, dass sie sich rechtzeitig, das heißt vorher und nicht erst nachträglich, über Art und Ort der Bestattung ein abschließendes Urteil bilden (Unter Bezugnahme auf das Senatsurteil v. 31.10.1994 - 8 L 1084/94 - u. Senatsbeschluss vom 15.07.1997 - 8 L 2287/97 -). Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin sogar bis zur ersten Umbettung, die etwa vier Jahre nach der ersten Bestattung stattfand, weitere Zeit, sich ein abschließendes Urteil über den Willen des Verstorbenen zu bilden. Ferner liegt es auf der Hand, dass an die Anforderungen einer weiteren Umbettung noch höhere Ansprüche zu stellen sind, weil der Sinneswandel und möglicherweise geschmackliche Veränderungen hinsichtlich der Grabgestaltung kaum einen wichtigen Grund darstellen können. Dies gilt umso mehr, wenn die Gestaltungsvorschriften der Friedhöfe, wie in den vorliegenden Fällen, sich im Laufe des hier maßgeblichen Zeitraumes gar nicht wesentlich geändert haben.

14

Zu Recht weist der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr Wunsch, mit dem Ehemann gemeinsam auf einem Friedhof zu liegen, bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Es ist jedoch auch unter Berücksichtigung des gesamten Vortrages der Klägerin nicht ersichtlich, dass es für diese unzumutbar ist, sich auf dem Friedhof in H. bestatten zu lassen. Die von ihr vorgetragenen Gründe können in der gleichen Weise auf jedem Friedhof auftreten und stellen eher ein allgemeines Risiko dar, das zur Begründung eines wichtigen Grundes schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil es keineswegs atypisch ist.

15

Die Entscheidung des Beklagten kann daher nicht beanstandet werden, so dass der Klage insgesamt der Erfolg versagt bleiben muss. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus 154 Abs. 1 VwGO.

16

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

17

....

18

Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

19

...

20

....

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf

5.000,00 Euro

festgesetzt.

...

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

Schmidt
Steffen
Plog