Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 02.09.2008, Az.: 6 A 1323/06

Erhöhung eines betriebsindividuellen Betrages auf Grund eines Härtefalles unter Berücksichtigung von Einheiten im Prämienbereich Ochsenprämie der ersten und zweiten Altersklasse; Voraussetzungen für das Vorliegen eines Härtefalls i.S.d. Art. 40 Abs. 1 und Abs. 2 EG-Verordnung Nr. 1782/2003 (VO Nr. 1782/2003/EG); Beeinträchtigung einer im Betrieb vorhandenen Produktion durch einen Fall höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
02.09.2008
Aktenzeichen
6 A 1323/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 21907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0902.6A1323.06.0A

Verfahrensgegenstand

Zahlungsansprüche

Amtlicher Leitsatz

Ein Härtefall im Sinne des Art. 40 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 setzt grundsätzlich voraus, dass eine im Betrieb bereits vorhandene Produktion durch einen Fall höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträgtigt worden ist.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Drews,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages aufgrund eines Härtefalles.

2

Der Kläger führt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ochsenhaltung und Schweinemast.

3

Am 17. Mai 2005 stellte er den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen bei der Landwirtschaftskammer K. Er gab an, er sei im Bezugszeitraum der Jahre 2000 bis 2002 Betriebsinhaber gewesen. Bis zum 30. Juni 2000 sei jedoch seine Mutter Inhaberin des Betriebes und Antragstellerin gewesen. Er beantragte, bei Berechnung des betriebsindividuellen Betrages wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände oder höherer Gewalt nicht den Bezugszeitraum der Jahre 2000 bis 2002 zugrunde zu legen, sondern das Jahr 2004. In dem Antragsvordruck N gab er an, von höherer Gewalt bzw. außergewöhnlichen Umständen sei aufgrund einer länger andauernden Berufsunfähigkeit seiner Mutter das Jahr 2000 betroffen gewesen. Im Dezember 1999 sei seine Mutter schwer erkrankt. Anfang des Jahres 2000 sei festgestellt worden, dass sie dauerhaft zum Pflegefall werde. Um den Betrieb weiterführen zu können, sei eine Einstellung der Milchproduktion und eine Umstellung auf extensive Ochsenmast notwendig gewesen. Wegen fehlender IBR-Freiheit und fehlender Schlachtreife habe er die vorhandenen und die bis Sommer 2000 geborenen weiblichen Tiere aufziehen müssen, bevor deren Verkauf möglich gewesen sei. Im Jahr 2002 hätten die letzten weiblichen Tiere den Betrieb verlassen. Erst ab diesem Zeitpunkt sei es möglich gewesen, die volle Anzahl an Ochsen zur Nutzung des Grünlandes zu halten. Die volle Produktion schlachtreifer Ochsen sei erst im Jahr 2004 erreicht worden.

4

Mit Informationsschreiben zum betriebsindividuellen Betrag vom 15. Dezember 2005 teilte die Landwirtschaftskammer K dem Kläger mit, seinem Härtefallantrag könne nicht entsprochen werden. Seine Mutter sei im Jahr 2000 nicht mehr als Betriebsleiterin anzusehen. Der Hof sei zwar erst am 1. Juli 2000 formal übergeben worden, seine Mutter sei aber bereits seit Ende 1999 ein Pflegefall gewesen. Laut Schreiben der Reha-Klinik L vom 14. Dezember 2000 habe seine Mutter die landwirtschaftliche Tätigkeit bereits Ende 1998 aufgegeben und seitdem Altersruhegeld bezogen. Der Kläger sei im gesamten Bezugszeitraum selbst Betriebsinhaber gewesen.

5

Die Beklagte, die am 1. Januar 2006 an die Stelle der Landwirtschaftskammer K getreten ist, setzte mit Bescheid vom 7. April 2006 die Zahlungsansprüche fest. Sie berücksichtigte einen betriebsindividuellen Betrag i.H.v. insgesamt 7.333,33 EUR unter Berücksichtigung von jeweils 23 Einheiten Sonderprämie Ochsen der 1. und 2. Altersklasse (AK) und 46 Einheiten Extensivierungsprämie im Jahr 2001 und jeweils 32 Einheiten Sonderprämie Ochsen der 1. und 2. AK sowie 64 Einheiten Extensivierungsprämie im Jahr 2002. Zur Ablehnung des Härtefall-Antrages wiederholte sie die bisherige Begründung.

6

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 7. April 2006 am 22. Mai 2006 Klage erhoben.

7

Er begehrt die Anerkennung eines Härtefalles für den gesamten Bezugszeitraum der Jahre 2000 bis 2002 und die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages auf der Grundlage der im Jahr 2004 gewährten Sonderprämien für Ochsen. Im Jahr 2004 habe er 41 Ochsen vermarktet. Bei einer Prämie von 400,00 EUR je Tier ergebe sich ein betriebsindividueller Betrag von 16.400,00 EUR.

8

Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, erst im Frühjahr 2000 habe Klarheit über das Ausmaß und die Folgen des Schlaganfalls seiner Mutter bestanden. Erst ab diesem Zeitpunkt habe er Vorbereitungen zur Umstellung des Betriebes eingeleitet. Wegen fehlender BHV1-Freiheit des Rinderbestandes habe er die weiblichen Tiere nicht verkaufen können, sondern alle Tiere zur Schlachtung geben müssen. Tragende Tiere oder kleine Kälber hätten aber nicht sofort geschlachtet werden können. Daher sei es in den Jahren 2000 bis 2002 nicht bzw. nur eingeschränkt möglich gewesen, Tiere für die Ochsenmast zu kaufen, da weder Futterflächen noch Stallkapazitäten zur Verfügung gestanden hätten. Eine Umstellung auf die Ochsenmast hätte er nur unter erheblichem finanziellen Schaden früher bzw. schneller vornehmen können.

9

Die letzte Milchlieferung des Betriebes sei am 31. März 2000 erfolgt. Zum 1. April 2000 seien die eigenen Referenzmengen verpachtet und gepachtete Referenzmengen zurückgegeben worden. Nach dem 1. April 2000 produzierte Milch sei nicht mehr an die Molkerei geliefert, sondern im Betrieb zum Eigenbedarf verwendet worden.

10

Die Angaben in dem Schreiben der Reha-Klinik L vom 14. Dezember 2000 seien unrichtig. Seine Mutter habe seit dem 1. Juli 2000 Frührente und erst seit dem 1. August 2002 Altersrente bezogen.

11

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines betriebsindividuellen Betrages in Höhe von insgesamt 16.236,00 EUR (41 Einheiten Ochsenprämie x 300,00 EUR zuzüglich 82 Einheiten Extensivierungsprämie x 50,00 EUR = 16.400,00 EUR abzgl. 1% für die nationale Reserve) festzusetzen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Sie erwidert:

14

Aus dem Schreiben des Reha- Zentrums vom 14. Dezember 2000 gehe eindeutig hervor, dass der Gesundheitszustand der Mutter des Klägers keine betriebsleitende Tätigkeit mehr zugelassen habe. Der Kläger habe bereits vor der offiziellen Betriebsübergabe am 01. Juli 2000 als Betriebsinhaber fungiert. Unabhängig davon liege ein Härtefall auch deshalb nicht vor, weil nicht die Erkrankung seiner Mutter die Produktion im Bezugszeitraum beeinträchtigt habe, sondern die von dem Kläger durchgeführte Umstellung der Erzeugung. Den Nachweis, dass eine Betriebsumstellung auf der Grundlage der Erkrankung seiner Mutter notwendig gewesen sei, habe er nicht erbracht. Die Gründe der Umstellung habe er nicht angegeben. Es sei davon auszugehen, dass diese auf einer freiwilligen Entscheidung des Klägers beruht habe.

15

Selbst wenn man von einer Beeinträchtigung der Produktion im gesamten Bezugszeitraum ausgehe, führe dies nicht zu der geltend gemachten Berücksichtigung des Prämienjahres 2004. Vielmehr sei dann der Zeitraum der Jahre 1997 bis 1999 zugrunde zu legen. Dies führe jedoch nicht zu einer Verbesserung für den Kläger. Er habe im Jahr 1997 für 13 Ochsen, im Jahr 1998 für 8 Ochsen und im Jahr 1999 für 7 Ochsen Sonderprämien der 1. und 2. Altersklasse erhalten und damit im Durchschnitt weniger, als ihm in dem angefochtenen Bescheid bereits zugeteilt worden sei.

16

Der Kläger könne auch die Anerkennung einer besonderen Lage wegen Umstellung der Milcherzeugung nicht verlangen, weil er die einzelbetriebliche Milchreferenzmenge nicht endgültig abgegeben, sondern diese befristet bis zum 31. März 2009 verpachtet habe.

17

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage hat keinen Erfolg.

19

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung eines betriebsindividuellen Betrages in Höhe von insgesamt 16.236,00 EUR unter Berücksichtigung von 41 Einheiten im Prämienbereich Ochsenprämie der 1. und 2. Altersklasse und der entsprechenden Extensivierungsprämie nicht zu.

20

Die Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Zahlungsansprüchen nach der erstmals für das Antragsjahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung ergeben sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. EU - Nr. 1 270 S. 1), der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EU Nr. L 141 S. 1), der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EU Nr. L 141 S. 18), dem Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I S. 1298) und der Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung -BetrPrämDurchfV-) vom 03. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204). Auf die späteren Änderungen dieser Vorschriften wird hingewiesen.

21

Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 gezahlt. Nach Art. 44 Abs. 3 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Die Anzahl der Zahlungsansprüche je Betriebsinhaber entspricht gem. Art. 43 Abs. 1, Art. 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 der Hektarzahl der Flächen, die er gem. Art. 44 Abs. 2 im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung angemeldet hat. Der Wert eines Zahlungsanspruchs setzt sich nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Kombinationsmodell gemäß § 5 Abs. 1 BetrPrämDurchfG für jeden Betriebsinhaber in Anwendung des Art. 59 Abs. 1, Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 aus einem flächenbezogenen Betrag (§ 5 Abs. 3 BetrPrämDurchfG) und einem betriebsindividuellen Betrag - sog. Top Up - (§ 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG) zusammen.

22

Betriebsindividuelle Beträge können Betriebsinhaber nach Art. 33 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 erhalten, wenn ihnen im Bezugszeitraum der Jahre 2000 bis 2002 im Rahmen von mindestens einer der Direktzahlungen gemäß den im Anhang VI der Verordnung aufgeführten Prämienarten (unter anderem Prämien im Sektor Rindfleisch) eine Zahlung gewährt wurde. Aus den im Bezugzeitraum gewährten Direktzahlungen wird ein Referenzbetrag gebildet, der gem. Art. 37 Abs. 1 S. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen entspricht, die ein Betriebsinhaber in jedem Kalenderjahr des Bezugzeitraums (2000 bis 2002) bezogen hat. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG wird dem betriebsindividuellen Betrag auch ein Betrag in dem - hier maßgeblichen - Sektor Rindfleisch mit der Direktzahlung Sonderprämie für männliche Rinder zugrunde gelegt.

23

Nach diesen Vorschriften hat die Beklagte der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages in der Prämienart Sonderprämie Ochsen der 1. und 2. Altersklasse jeweils 23 Einheiten im Jahr 2001 und 32 Einheiten im Jahr 2002 zuzüglich der entsprechenden Extensivierungsprämie zugrunde gelegt (Anlage 2 des Bescheides). Hierbei handelt es sich um die Anzahl der Sonderprämien für Ochsen, die der Kläger im Bezugszeitraum erhalten hat.

24

Der Kläger kann unter Berufung auf das Vorliegen eines Härtefalles nicht verlangen, dass der betriebsindividuelle Betrag abweichend von den vorstehenden Grundsätzen anhand der im Kalenderjahr 2004 gewährten Sonderprämien für Ochsen ermittelt wird.

25

Eine Ausnahme von der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages anhand des Durchschnitts der Prämienzahlungen im gesamten Bezugszeitraum (2000 bis 2002) kommt in Betracht, wenn ein in Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003, Art. 16 VO (EG) Nr. 795/2004 und § 13 BetrPrämDurchfV geregelter Härtefall vorliegt. Nach Art. 40 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 kann ein Betriebsinhaber, dessen Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt wurde, abweichend von Art. 37 beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Basis des/der durch die höhere Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre(s) des Bezugzeitraums berechnet wird. War der gesamte Bezugszeitraum durch die Fälle höherer Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände betroffen, so wird der Referenzbetrag auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999 berechnet (Art. 40 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003). Als höhere Gewalt oder außergewöhnlicher Umstand wird nach Art. 40 Abs. 4 Buchst. b) VO (EG) Nr. 1782/2003 unter anderem die länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers anerkannt.

26

Der Kläger kann sein Klageziel - die Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages aufgrund der Vermarktungszahlen des Jahres 2004 - unter Berufung auf die Härtefallregelung des Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 nicht erreichen, weil diese Vorschrift die Berücksichtigung eines dem Bezugszeitraum der Kalenderjahre 2000 bis 2002 nachfolgenden Zeitraums nicht zulässt.

27

Weist der Betriebsinhaber nach, dass der gesamte Bezugszeitraum durch höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände betroffen war, so wird der Referenzbetrag auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999 berechnet (Art. 40 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003). Die Anwendung dieser Vorschrift führt zu keinem Vorteil für den Kläger, weil der Betrieb im Zeitraum 1997 bis 1999 durchschnittlich Prämien für 9,3 Ochsen erhalten hat, während ihm in dem angefochtenen Bescheid im Bezugszeitraum bereits 18,3 Einheiten im jährlichen Durchschnitt zugewiesen worden sind.

28

Ist nicht der gesamte Zeitraum der Jahre 2000 bis 2002, sondern sind nur einzelne Jahre des Bezugszeitraums von den außergewöhnlichen Umständen beeinträchtigt, regelt Art. 40 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003, dass dem betriebsindividuellen Betrag allein die durch die außergewöhnlichen Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre des Bezugszeitraums zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kommt es auf die Vermarktungszahlen einzelner, nicht betroffener Jahre an, die jedoch innerhalb des Bezugszeitraums der Jahre 2000 bis 2002 liegen. Eine Berücksichtigung von Direktzahlungen, die in späteren, auf den Bezugszeitraum folgenden Jahren erwirtschaftet wurden, und so auch der von dem Kläger im Jahr 2004 erzielten Ochsenprämien, kommt nach der Vorschrift nicht in Betracht.

29

Auch im Übrigen kann der Kläger die Berechnung des Referenzbetrages auf der Basis eines vom Bezugszeitraum der Kalenderjahre 2000 bis 2002 abweichenden Zeitraums nicht verlangen. Die schwere Erkrankung seiner Mutter kann als Härtefall im Sinne von Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 keine Berücksichtigung finden, weil der Kläger eine Beeinträchtigung der im Bezugszeitraum bestehenden Produktion des Betriebes, die auf die Erkrankung seiner Mutter zurückzuführen war, nicht dargelegt hat.

30

Der Kläger führt in seinem Härtefallantrag aus, aufgrund der Erkrankung seiner Mutter habe er Mitte des Jahres 2000 den Betrieb übernommen und schrittweise von der Milchviehhaltung auf die Ochsenhaltung umgestellt. Er hat jedoch nicht dargelegt und nachgewiesen, weshalb die Erkrankung seiner Mutter und die Übernahme der Betriebsführung durch ihn eine Umstellung von der Milchproduktion auf die Ochsenmast erforderlich machte. Vielmehr hat der Kläger aufgrund einer eigenen betrieblichen Entscheidung von der Milchproduktion auf die Ochsenmast umgestellt. Ein Zusammenhang der Erkrankung seiner Mutter mit der Produktionsumstellung und damit eine auf dem Härtefall beruhende Beeinträchtigung der Produktion im Bezugszeitraum ist nicht ersichtlich. Die geringere Produktion von Ochsen in den Jahren 2000 bis 2002 beruhte auf der von dem Kläger veranlassten Aufgabe der Milcherzeugung und Umstellung auf die Ochsenmast. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Umstellung der Produktion nach Übernahme des Betriebes habe er vorgenommen, weil die Ochsenmast weniger zeitintensiv sei als die Milcherzeugung und er neben der Landwirtschaft weiterhin einer Teilzeit- Tätigkeit als Angestellter nachgehe.

31

Art. 40 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 setzt jedoch voraus, dass die Produktionsbeeinträchtigung unmittelbar auf dem Fall höherer Gewalt bzw. den außergewöhnlichen Umständen beruht. Nach der Vorschrift muss die Produktion im Bezugszeitraum durch die höhere Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände beeinträchtigt worden sein. Dies ist hier nicht der Fall, denn die Berufsunfähigkeit seiner Mutter zwang den Kläger nicht zur Aufgabe der Milcherzeugung und Aufnahme der Ochsenmast. Vielmehr beruhte dies auf einer eigenen betrieblichen Entscheidung des Klägers.

32

Zudem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Berücksichtigung eines Härtefalles, weil die Erkrankung seiner Mutter nicht dazu führte, dass eine in dem Betrieb bereits vorhandene Produktion beeinträchtigt wurde.

33

Die Regelungen des Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 machen deutlich, dass die Vorschrift den hier vorliegenden Fall einer Umstellung der Produktion nicht erfasst. Vielmehr stellt die Vorschrift auf Direktzahlungen ab, die ein Betriebsinhaber - aufgrund einer bestehenden Produktion - in den Jahren 1997 bis 1999 oder in einzelnen nicht betroffenen Jahren des Bezugszeitraums erhalten hat. Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 und Art. 16 VO (EG) Nr. 795/2004 erfassen nur Beeinträchtigungen einer tatsächlich vorhandenen Produktion. Sie sind nicht erweiterbar auf ein fiktives Prämienvolumen oder auf ein landwirtschaftliches Einkommen, das bei fehlendem Eintritt des Falles höherer Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände hypothetisch hätte erzielt werden können (vgl. VG Neustadt [Weinstraße], Urteil vom 26. März 2008 - 1 K 427/07.NW -). Die Härtefallregelung dient nicht dem Ersatz von Einkommenseinbußen, sondern ist auf den Ausgleich von Produktionsbeeinträchtigungen zu beschränken (vgl. VG Neustadt [Weinstraße], Urteil vom 26. März 2008, wie vor). Eine Produktionsbeeinträchtigung ist nur anzunehmen, wenn das durchschnittliche Prämienvolumen der Jahre 2000 bis 2002 hinter dem Durchschnittsvolumen der alternativen Bezugszeiträume des Art. 40 Abs. 1 oder Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 zurückbleibt, also eine bereits bestehende Produktion durch den Härtefall nachteilig beeinflusst wird (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008 - 8 A 11173/07 - AUR 2008, 277). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn -wie im Fall des Klägers- eine bestimmte Produktion, hier die Ochsenhaltung, erst nach Eintritt des Härtefalles und unabhängig von diesem aufgenommen wird.

34

Besondere Härten, die sich aus der Produktionsumstellung in einem Betrieb ergeben, werden von Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 deshalb im Regelfall nicht erfasst. Betriebsinhaber, die sich aufgrund der Umstellung ihrer Erzeugung in einer besonderen Lage befinden, können sich jedoch auf Art. 18 ff. VO (EG) Nr. 795/2004 berufen. So können Betriebsinhaber, die in die Aufnahme eines neuen Produktionszweiges investiert haben, nach Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 besondere Referenzbeträge aus der nationalen Reserve erhalten. Die Umstellung der Erzeugung ist in Art. 23 VO (EG) Nr. 795/2004 besonders geregelt. Den hier vorliegenden Fall einer Umstellung von der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung regelt Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 295/2004. Nach dieser Vorschrift wird der betriebsindividuelle Betrag abweichend vom Regelfall nicht nur anhand des durchschnittlichen Prämienaufkommens in den Jahren 2000 bis 2002 berechnet, sondern aus der nationalen Reserve um Beträge zugunsten einer bestimmten Produktion erhöht, die der Betriebsinhaber nach Einstellung der Milcherzeugung aufgenommen hat. Die Einzelheiten regelt § 17 BetrPrämDurchfV.

35

Auch auf der Grundlage dieser Vorschriften kann der Kläger die Festsetzung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve nicht beanspruchen.

36

Zwar hat er nach seinem Vortrag im Bezugszeitraum, nämlich mit Ablauf des 31. März 2000, die Milcherzeugung eingestellt. Die letzte Belieferung der Molkerei sei im März 2000 erfolgt.

37

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrPrämDurchfV ist jedoch in Fällen der Umstellung von der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung die für Direktzahlungen im Sinne des Anhangs VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 "in Frage kommende Erzeugung" des Betriebs in den 12 Monaten nach Einstellung der Milcherzeugung maßgeblich. Der zusätzlich zu berücksichtigende betriebsindividuelle Betrag richtet sich deshalb maßgeblich nach der Erzeugung des Betriebs in den 12 Monaten nach Einstellung der Milcherzeugung.

38

Der 12-Monatszeitraum beginnt vorliegend am 1. April 2000 und endete am 31. März 2001. Der Kläger hat jedoch im Jahr 2000 keine Ochsen vermarktet und im Jahr 2001 23 Einheiten für die Vermarktung von Ochsen erhalten. Darüber hinausgehende Kapazitäten des Betriebes bestanden im 12-Monatszeitraum nach Einstellung der Milcherzeugung nicht. Der Kläger hat selbst vorgetragen, in diesem Zeitraum seien die Produktionskapazitäten des Betriebes weiterhin durch weibliches Vieh belegt gewesen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass dem Kläger über die in dem angefochtenen Bescheid bereits berücksichtigten Einheiten für Ochsen in den Jahren 2001 und 2002 aufgrund der im 12- Monatszeitraum nach Einstellung der Milcherzeugung bestehenden Produktion weitere Einheiten zustanden. Besondere Ausnahmetatbestände für den Fall, dass - wie im Betrieb des Klägers - eine Produktionsumstellung schrittweise im Verlauf mehrerer Jahre erfolgt, sehen Art. 23 VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrPrämDurchfV nicht vor.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

41

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

42

...

43

Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

44

...

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf

6.732,00 EUR

Festgesetzt.

Gründe

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVWZ 2004, Seite 1327) Nr. 24.2 auf einen Wert von 75% der hier streitigen Zahlungsansprüche festgesetzt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17.11.2006 - 10 OA 223/06 -). Der Kläger begehrt die Festsetzung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve für eine Kapazität von insgesamt 41 Einheiten im Prämienbereich Sonderprämie Ochsen zuzüglich 82 Einheiten Extensivierungsprämie. Dies entspricht bei einem Satz von 150,00 EUR je Einheit und Altersklasse Ochsenprämie einen Betrag von 12.300,00 EUR und für 82 Einheiten Extensivierungsprämie bei einem Satz von 50,00 EUR je Einheit einen Betrag von 4.100,00 EUR, insgesamt damit 16.400,00 EUR. Abzüglich 1% zugunsten der nationalen Reserve ergibt sich ein Betrag von 16.236,00 EUR. Abzüglich bereits bewilligter 7.260,00 EUR (7333,33 abzüglich 1% zugunsten der nationalen Reserve) beantragt der Kläger einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag in Höhe von 8.976,00 EUR. Dies entspricht einem Streitwert von 6.732,00 EUR (75%).

...

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

Gärtner
Dr. Drews
Struhs