Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.08.2013, Az.: 16 U 29/13

Schadensersatz wegen mangelhafter Sanierungsarbeiten, die ohne die erforderliche Statik ausgeführt wurden

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.08.2013
Aktenzeichen
16 U 29/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 58005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0801.16U29.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 13.02.2013

Fundstellen

  • BauR 2015, 684-686
  • IBR 2014, 731
  • MDR 2015, 22

Amtlicher Leitsatz

Enthält das vom Auftragnehmer erstellte Leistungsverzeichnis den Hinweis Leistung "gemäß Zeichnung und Statik", ist die Leistung mangelhaft, wenn der Auftragnehmer die Arbeiten ohne Statik ausführt und Risse am tragenden Mauerwerk auftreten.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. Februar 2013 verkündete Urteil des Landgerichts Stade wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Hauptforderung auf 65.288,76 € ermäßigt wird nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 65.288,76 € seit dem 29. Oktober 2010. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungswert: 68.334 €.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Ersatz von den Beklagten wegen mangelhafter Sanierungsarbeiten an dem von ihr erworbenen Wohnhaus.

Sie hatte gemeinsam mit ihrem Ehemann, der seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten hat, mit Kaufvertrag vom 5. September 2007 das durch einen Brandschaden erheblich geschädigte Haus erworben. Die Beklagte zu 1 war mit den Sanierungsarbeiten beauftragt und der Verkäufer trat im Kaufvertrag die Gewährleistungsansprüche an die Käufer ab.

Nach Durchführung der Sanierungsarbeiten durch die Beklagte zeigten sich zunehmend zahlreiche Risse im tragenden Mauerwerk des Hauses. Man kam überein, das Haus zunächst provisorisch zu stabilisieren. Dennoch zeigten sich im weiteren Verlauf wiederum weitere Risse. Mehrfache Fristsetzungen zur Mangelbeseitigung bzw. zur Vorlage eines Sanierungskonzepts für das Wohnhaus blieben erfolglos. Die Klägerin forderte schließlich unter Fristsetzung Zahlung eines Vorschusses für die Mangelbeseitigung.

Die Klägerin hat behauptet, die Arbeiten der Beklagten seien mangelhaft, weil der Neuaufbau des Daches ohne erforderliche Statik vorgenommen worden sei und die Lasten des Daches nicht von dem darunter liegenden Mauerwerk risselos aufgenommen werden könnten. Eine nachhaltige Sanierung sei nur durch eine Unterfangung mittels vor die Hauswände vorgesetzter Fachwerkkonstruktion und eigener Gründung herzustellen (Gutachten B. vom 15. Oktober 2010, K 21).

Nachdem die Sanierungsmaßnahmen im Laufe des Verfahrens erster Instanz durch die Klägerin - teilweise in Eigenleistung - durchgeführt worden waren, hat sie zuletzt die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung in Höhe von 68.334,73 € nebst Zinsen beantragt.

Die Beklagten haben Mängel ihrer Arbeiten in Abrede genommen; zudem sei eine Sanierung durch Aussteifung des Gebäudes die kostengünstigere und einfachere Lösung.

Das Landgericht hat nach Einholung mehrerer Gutachten des Sachverständigen R. sowie dessen Anhörung der Klage unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes stattgegeben. Gegen dieses Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Klagabweisung begehren.

Sie halten die Entscheidung für nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon hafteten die Beklagten schon dem Grunde nach nicht. Die Beklagte habe den neuen Dachstuhl auf eine Ausgleichsschicht und eine ausbetonierte U-Schale gesetzt. Die Annahme des Sachverständigen, das Drempelmauerwerk sei um 50 cm erhöht worden, sei falsch. Die Beklagte habe auch keine andere Möglichkeit gehabt, eine breitere oder andere U-Schale auf dem vorhandenen Mauerwerk aufzubringen. Wenn die vorhandenen Außenwände statisch nicht ausreichten, die Dachkonstruktion zu tragen, handele es sich um Sowiesokosten. Die Mehrkosten für die nunmehr vorgesetzte Fachwerkfassade seien nicht erstattungsfähig.

Im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 18. Juli 2013 zu dem Hinweis des Senats auf den funktionalen Leistungsbegriff (Bl. 386) und die damit verbundene Frage von Sowiesokosten vertreten die Beklagten die Auffassung, bei dem ihr erteilten Auftrag habe ein detailliertes Leistungsverzeichnis zugrunde gelegen. Dementsprechend habe sie auf dem 11,5 cm starken Mauerwerk eine U-Schale mit Bewährung und Beton hergestellt bzw. an der Terrassentürseite einen entsprechenden Balken gesetzt; damit sei der Ringanker erstellt worden.

Im Übrigen könne die Klägerin bei der Forderung von Schadensersatz in Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten nur die Umsatzsteuer verlangen, soweit sie tatsächlich auch angefallen sei.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als für sie günstig und richtig.

II.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache überwiegend keinen Erfolg.

1. Mit Recht hat das Landgericht - gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen R. - angenommen, dass die Werkleistung der Beklagten zu 1 mangelhaft ist. Das Vorbringen der Berufung rechtfertigt keine abweichenden Feststellungen.

Die Beklagte hatte auftragsgemäß das durch Brand geschädigte Gebäude zu sanieren und dabei vor allem den völlig zerstörten Dachstuhl und damit das Obergeschoss wieder zu errichten. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, diese Maßnahme hätte zuvor die Einholung einer Statik erfordert, um die Standsicherheit des gesamten Gebäudes zu gewährleisten. Diese Statik hat die Beklagte indessen vor Beginn der Arbeiten gar nicht eingeholt, sondern offenbar die Arbeiten ohne eine Statik ausgeführt. Infolge der unzureichenden Arbeiten sind an dem Gebäude zahlreiche Risse in dem tragenden Mauerwerk aufgetreten, die der Sachverständige in seinem Gutachten umfangreich beschrieben hat. Die Risse beruhen - so der Sachverständige - auf den Lastabtragungen des Dachstuhls in Verbindung mit einer unzureichend hergestellten Auflager-/Drempelkonstruktion. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar anhand der Fotodokumentation aus der Bauphase begründet. Bestätigt wird dieser Befund auch durch den vom Sachverständigen eingeschalteten Statiker: weder ein Ringanker noch aussteifende Drempelstützen auf den Außenwänden sind vorhanden. Gerade diese elementaren Aussteifungskonstruktionen wären Voraussetzung für eine dauerhafte Standfestigkeit des Gebäudes. Ein erforderlicher Ringanker zur statischen Abstützung ist von der Beklagten nicht eingebaut worden. Es handelt sich nach den Feststellungen des Sachverständigen lediglich um eine aufgesetzte U-Schale mit Betonfüllung (GA Seite 59 f.), deren verbleibender Betonkern von 5 cm den Einbau einer Bewehrung aus Körben und Rundeisen nicht zulässt. Der Sachverständige hat dazu in der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens wiederholt, dass es sich dabei nicht um einen Ringanker handele, sondern um eine u-förmige Konstruktion. Diese Feststellungen werden im Übrigen auch gestützt durch die Ausführungen des von der Klägerin eingeschalteten Privatgutachters Dr. B., der in seinen Stellungnahmen vom 15. Oktober 2010 sowie 7. Januar 2011 (Bl. 174 ff.) zu den im Wesentlichen gleichen Schlussfolgerungen gelangt ist. Die wesentlichen Mängel der Werkleistung der Beklagten liegen damit darin, dass sie den Wiederaufbau unstreitig ohne eine vorliegende Statik vorgenommen hat und infolge dessen aufgrund unzureichender Ausführung eines Ringankers es zu unzulässigen Lastabtragungen in die Wände gekommen ist mit der Folge der oben bereits beschriebenen Rissbildungen. Auf die von der Beklagten als fehlerhaft bezeichnete Erhöhung des Drempelmauerwerks kommt es dabei nicht einmal an. Entscheidend ist die statisch nicht zulässige Ausführung der vorgenommenen Arbeiten.

Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht entlasten. In ihrem eigenen Leistungsverzeichnis ist an mehreren Stellen (Pos. 11 ff.) ausgeführt: Leistung "gemäß Zeichnung und Statik". Gerade diese Statik hat bei Errichtung des Dachstuhls aber nicht vorgelegen. Ebenso kann es die Beklagte nicht entlasten, wenn sie vorträgt, sie habe auf dem vorhandenen Altmauerwerk keinen breiteren Ringanker aufbringen können. Nach dem ihr erteilten Auftrag und der gebotenen verständigen Auslegung hatte sie die vollständige Sanierung und den Wiederaufbau des Gebäudes als Erfolg geschuldet. Sie hätte daher - entsprechend einer zuvor einzuholenden Statik - die notwendigen Maßnahmen treffen müssen, um den Wiederaufbau des Dachstuhls fachgerecht ausführen zu können. Dabei handelte es sich auch nicht um sog. Sowiesokosten, denn es handelte sich insoweit um eine funktionale Leistungsbeschreibung, wobei die Beklagte jedenfalls zur Erstellung des neuen Dachstuhls die zur Wiedererrichtung erforderlichen Arbeiten gemäß Statik schuldete, auch wenn sie nicht im Einzelnen im Leistungsbeschrieb aufgenommen waren. Dies gilt vor allem für den gemäß Statik (nicht eingeholt) erforderlichen Ringanker. Der insoweit funktionalen Leistungsbeschreibung steht nicht entgegen, dass es sich ansonsten um einen Vertrag auf der Grundlage eines detaillierten Leistungsbeschriebs handelte.

Schließlich verfängt auch nicht der Einwand der Beklagten, es handele sich bei den mittlerweile ausgeführten Nachbesserungsarbeiten um eine unnötig teure Sanierung. Auch damit hat sich der Sachverständige in seinem Gutachten bereits auseinander gesetzt. Bei der vorgenommenen Nachbesserung durch vorgesetzte Außenwände und eigenem Fundament handelt es sich um eine statisch geprüfte und sichere Aussteifungskonstruktion, die nachträglich eine zulässige Lastabtragung letztlich in das Erdreich ermöglicht (und dies ohne den ansonsten erforderlichen Abriss und Neuaufbau des gesamten Daches einschließlich des statisch erforderlichen Ringankers). Anderweitige und günstigere Sanierungskonzepte seien dagegen nicht gegeben. Auch die von der Beklagten zunächst vorgeschlagene Lösung mittels biegesteifer Horizontalträger im Erdgeschoss des Hauses hat der Sachverständige als nicht prüfbar und letztlich auch nicht durchführbar bezeichnet. Er würde zudem zu einem massiven Eingriff in die Wohnräume des Hauses führen, der der Klägerin nicht zumutbar ist. Auf eine solche Sanierung, die die Wohnqualität beeinträchtigt, muss sich die Klägerin nicht verweisen lassen. Eine andere Art der Nachbesserung wäre lediglich der komplette Abriss des errichteten Dachstuhls und der anschließende Neuaufbau. Dass diese Variante noch kostenträchtiger wäre, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

2. Zur Höhe hat das Landgericht der Klägerin 68.334,73 € als Schadensersatz zugesprochen. Dieser Betrag setzt sich nach den Urteilsgründen aus 67.508,70 € Kosten für die Sanierung (nach der Kostenermittlung des Sachverständigen) sowie anteiligen Gutachterkosten des Sachverständigen E. von 826,03 € zusammen.

Zutreffend ist, dass die Klägerin zunächst Kostenvorschuss verlangt hatte und sodann die Klage jedenfalls teilweise auf Kostenerstattung umgestellt hatte, weil ganz überwiegend die Sanierung während des Verfahrens erster Instanz bereits durchgeführt worden war. Indem das Landgericht indessen den Betrag als Schadensersatz zugesprochen und die Klägerin in der Berufung diese Entscheidung als für sie günstig und richtig verteidigt, liegt jedenfalls hierin eine (zulässige, weil sachdienliche) Klageänderung auf die Forderung von Schadensersatz, so dass im Ergebnis insoweit keine Bedenken bestehen.

Als Schadensersatz sind die vom Sachverständigen ermittelten Kosten aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB begründet. Die Voraussetzungen dafür liegen vor, weil die Klägerin nach mehrfacher Mängelbeseitigungsaufforderung mit Fristsetzung letztlich Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Kosten der Nachbesserung hat.

Diese Kosten sind mit dem Gutachten R. hinreichend belegt und werden auch von der Beklagten mit Substanz nicht angegriffen.

Allerdings rügen die Beklagten, dass darin auch die Kosten für eine Dämmung mit netto 2.835 € (= brutto 3.373,65 €) enthalten sind. Insoweit handelt es sich aber um Sowiesokosten, denn die Beklagte schuldete nach dem ihr ursprünglich erteilten Auftrag keine Dämmung. Diese Kosten sind daher aus dem Anspruch herauszunehmen, so dass sich die erforderlichen Kosten für die Schadensbeseitigung auf noch 64.135,05 € belaufen.

Soweit die Klägerin noch in erster Instanz (Bl. 161) als weitere Position die Kosten für die erforderliche Statik mit 3.763,38 € begehrt hat, kommt eine (hilfsweise) Stützung der Klageforderung mit diesen Kosten allerdings nicht in Betracht, denn die Klägerin hat - nach Erörterung und Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung - die Klage nicht (auch) hilfsweise auf diese Position gestützt.

Hinzuzurechnen sind aber die Kosten des Gutachtens E. mit insgesamt 1.153,71 €. Das Landgericht hatte unter Berücksichtigung von § 308 ZPO insoweit lediglich 826,03 € aus den Gutachterkosten E. zuerkannt. Gegen die Auffüllung der Klageforderung mit den berechtigten Gutachterkosten in voller Höhe, die der Vorbereitung des Prozesses dienten, bestehen daher keine Bedenken.

Insgesamt ist daher eine Schadensersatzforderung von 65.288,76 € begründet.

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehen auch keine Bedenken, auf die vom Gutachter errechneten Sanierungskosten die Umsatzsteuer aufzuschlagen. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2010, 3085 [BGH 22.07.2010 - VII ZR 176/09]) die Umsatzsteuer nur zu ersetzen ist, soweit sie auch tatsächlich angefallen ist. Dies ist hier aber jedenfalls in Höhe der vom Sachverständigen aufgrund der Schadensschätzung berechneten Umsatzsteuer auch anzunehmen, denn die Klägerin hat die Sanierung mittlerweile tatsächlich auch durchgeführt. Dabei sind jedenfalls teilweise auch Leistungen einschließlich Umsatzsteuer angefallen, die sogar höher als die vom Sachverständigen ermittelten Kosten gelegen haben, teilweise hat die Klägerin dagegen die Arbeiten in Eigenleistung ausgeführt. Insgesamt erscheint es dem Senat danach im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung hier auch gerechtfertigt, die vom Sachverständigen errechnete Umsatzsteuer von 10.779 € als begründet anzusehen.

3. Die Zinsforderung ist aus Verzug gerechtfertigt.

4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 97, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.