Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.08.2003, Az.: 9 U 65/02
Minderungsansprüche beim Erwerb einer gebrauchten Motoryacht
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.08.2003
- Aktenzeichen
- 9 U 65/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 28765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:0818.9U65.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 11.06.2002 - AZ: 7 O 388/97
Rechtsgrundlage
- § 411 Abs. 3 ZPO
Prozessführer
Gesellschaft holländischen Rechts ... B. V.
vertreten durch den Geschäftsführer ... ,
Prozessgegner
E... ,
Amtlicher Leitsatz
- Minderungsansprüche beim Erwerb einer gebrauchten Motoryacht.
- Klageerweiterung im Berufungsverfahren ohne Einlegung eines eigenen Rechtsmittels.
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat
auf die mündliche Verhandlung vom 15.07.2003
durch
die Richter ... , ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Osnabrück vom 11.06.2002 - 7 O 388/97 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz trägt die Beklagte. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 2/5 und die Beklagte 3/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Minderung des Kaufpreises für ein gebrauchtes Motorboot ...", Baujahr 1981, das er zu einem Gesamtpreis von 64.800 DM von der Beklagten gekauft hat. Die Übergabe erfolgte am 5.4.1997. In der als Vermittlungsvertag bezeichneten schriftlichen Vereinbarung war ein Ausschluss der Gewährleistung nicht vereinbart.
Mit Schreiben vom 09.09.1997 übersandte der Kläger der für die Beklagte handelnden ... GmbH in ... die in Bezug genommene schriftliche Mängelanzeige (Bl. I/7 d.A.), in der er neben anderen Mängeln Wasser in der Bilge rügte. Mit der am 06.10.1997 eingereichten Klage begehrte er Zahlung von 14.000 DM wegen Minderung, wovon ein Teilbetrag von 1.000 DM auf die Reparatur (Abdichten) der Bilge entfiel.
Am 16.02.2000 wurde anlässlich der Ortsbesichtigung eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen festgestellt, dass der Holzkern der aus Laminat hergestellten Längs und Querträger in der Bilge (Wohnbereich) sehr feucht und teilweise vermodert war. Gestützt auf die Feststellungen des Sachverständigen bezifferte der Kläger die Kosten der Mängelbeseitigung auf weitere 15.637,00 DM.
In erster Instanz hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 21.05.2002 eine Klageerweiterung auf insgesamt 14.276,33 EUR (27.922,07 DM) angekündigt, den Antrag nach einem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2002 aber nicht gestellt.
Die Beklagte hat die vom Kläger gerügten Mängel bestritten und ferner behauptet, dass dem Holzkern der Längs und Querträger keine stabilisierende Bedeutung zukomme. Der Umstand, dass das Holz teilweise verrottet sei, stelle keinen Mangel dar.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 7.158,09 EUR (14.000 DM) nebst 8,5% Zinsen seit dem 14.11.1997 verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts war das Holz in den Längs und Querträgern schon bei Übergabe verrottet. Dadurch sei die Festigkeit des Bootes beeinträchtigt gewesen. Wegen dieses Mangels stünde dem Kläger ein Minderungsbetrag in der eingeklagten Höhe zu. Die zur Behebung anfallenden Reparaturkosten würden sich nach den Ausführungen des Sachverständigen ... auf 15.637 DM belaufen und somit den eingeklagten Betrag übersteigen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie rügt die Entscheidung als Überraschungsentscheidung, weil das Landgericht ihren Beweisantritten nicht nachgegangen sei. Zudem stehe auf Grund der eingeholten Sachverständigengutachten nicht fest, dass die Verrottung des Holzkerns schon bei Übergabe bestanden habe. Die Wasseransammlung in der Bilge könne auch dadurch veranlasst sein, dass der Kläger nach Übernahme des Schiffes Veränderungen - z.B. Durchlässe der Außenhaut - vorgenommen und den Generator ausgebaut habe oder dass an der Stopfbuchse der Welle Wasser eintreten sei. Zudem habe der von dem Laminat eingeschlossene Holzkern nur der Formgebung gedient.
Mit Schriftsatz vom 04.07.2003 hat die Beklagte hinsichtlich der Mängel "verrottetes Holz", "fehlerhafte Laminierung"; "fehlende Versiegelung" und "mangelnde Festigkeit des Bootes" erstmals die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 19.11.2003 unter anderem zur Frage der Festigkeit des Bootes Beweis erhoben.
Nachdem der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten die Kosten der Mängelbeseitigung für die fachgerechte Reparatur der Quer und Längsträgerkonstruktion auf insgesamt 21.624,00 EUR bezifferte, hat der Kläger neben der Zurückweisung der Berufung im Termin vom 15.07.2003 beantragt,
in Wege der Klageerweiterung die Beklagte zu verurteilen, weitere 14.465,91 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
den Klageerweiterungsantrag zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 459, 462, 472 BGB a.F. einen Minderungsanspruch in Höhe des vom Landgericht ausgeurteilten Betrages von 7.158,09 EUR (14.000,00 DM).
Das vom Kläger erworbene Boot war im Zeitpunkt der Übergabe - 05.04.1997 - mangelhaft, weil die Konstruktion der Längs und Querträger nicht die geforderte Festigkeit erbrachte. Die Laminatschicht des Längs und Querträgerverbandes hatte nicht die ausreichende Stärke; der von dem Laminat eingeschlossene Holzkern befand sich damals schon ein einem Zustand der Verrottung, so dass durch ihn keine zusätzliche Stabilität erreicht wurde. Diesem Anspruch steht die von der Beklagten in zweiter Instanz erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegen.
Das Landgericht hat in seinem Urteil zutreffend festgestellt, dass die Verrottung des Holzes im Bereich der Bilge schon bei der Übergabe im Jahre 1997 sehr weit fortgeschritten war. Der Sachverständige ... hatte in seinem Ergänzungsgutachten vom 31.01.2002, worauf sich das Landgericht bei seiner Entscheidung stützt, festgestellt, dass der Verrottungsursprung schon beim Bau der Motoryacht und der nicht fachgerechten Verarbeitung / Versiegelung der Bodenwrangen-Längsträger-Konstruktion im Kajütbereich gelegt wurde. Der Holzkern war einlaminiert. Das Laminat war aber nicht mit Topcoat versiegelt worden, so dass Feuchtigkeit durch die Laminierung in das Holz eindringen konnte und dessen Verrottung bewirkte.
Die vor dem Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat bestätigt, dass die Festigkeit des Bootes bei der Übergabe des Bootes nicht mehr vorhanden war. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S... hat in seinem Gutachten vom 21.05.2003 überzeugend ausgeführt, dass die Stärke des Laminats der Längs und Querträgerkonstruktion allein nicht ausreicht, um dem Boot die notwendige Festigkeit zu geben. Der Sachverständige hat an verschiedenen Stellen der Bilge und des Motorraumes Messungen der Laminatstärke vorgenommen und durchweg eine Laminatstärke von maximal 2,0 mm festgestellt. Nur der hintere Längsträger, für die Montage des Generators ausgesägt, wies am Gurt (Längsträger) einen 3 - 5 mm dicken GFK-Überzug auf; an den Stegen (Querträgern) dieses Bereichs war die GFK-Schicht 13 mm dick.
Nach den Berechnungen des Sachverständigen hätte die Konstruktion der Träger (Bodenwrangen und Längsträger) ein Widerstandsmoment mit einem Wert von 8,075 ccm erreichen müssen, um dem Schiffsrumpf die erforderliche Festigkeit zu geben. Bei der gemessenen Laminatstärke von durchschnittlich 2 mm und Trägern mit einem Querschnitt von mindestens 30 x 30 mm, errechnet der Sachverständige ein Widerstandsmoment von 2,82 ccm . Dieser Wert liegt damit erheblich unter dem konstruktiv notwendigen Widerstandsmoment. Zutreffend hat der Sachverständige mit der von ihm ermittelten Mindesthöhe gerechnet, da sich die Festigkeit der gesamten Trägerkonstruktion - wie er im weiteren Verlauf seines Gutachtens ausführt - nach der am geringsten dimensionierten Stelle bestimmt.
Die Feststellungen des Sachverständigen S... sind nachvollziehbar und durch die Behauptung der Beklagten nicht erschüttert. Gestützt auf die Ausführungen eines von ihr eingeschalteten Privatgutachters, der einen Querschnitt der Träger von 30 mm Breite und 100 mm Höhe zu Grunde legt, gelangt die Beklagte zu einem deutlich höheren Widerstandsmoment. Entgegen der Annahme in der Berechnung der Beklagten weist die Trägerkonstruktion keine Mindesthöhe von 100 mm auf. Wie die von dem Sachverständigen ... gefertigten Bilder (Anlage 4 zu dessen ersten Gutachten) ist unschwer erkennen lassen, haben die Querträger eine deutlich geringere Höhe.
Für den Wert des Widerstandsmoments ist neben der Höhe des aus Laminat erstellten Trägers auch die Stärke der Laminatschicht von entscheidender Bedeutung. Nach den im Jahr 1972 einschlägigen Vorschriften des Germanischen Lloyds hätte sie aus drei Lagen GFK-Matten bestehen müssen. Tatsächlich war die Laminierung - nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen - nur mit 12 Lagen ausgeführt, wodurch - ohne den Holzkern - die notwendige Festigkeit nicht erreicht wurde. Denn wie der Sachverständige festgestellt hat, war die Bodenwrange im Bereich der Dusche, deren Holzkern restlos verfault war, in sich nicht fest und ließ sich mit den Händen bewegen.
Nach den insoweit übereinstimmenden Feststellungen der Beklagten und des Sachverständigen S... sowie nach den von ihm herangezogenen Ausführungen in der einschlägigen Fachliteratur (Anlage 4.6 des Gutachtens vom 21.05.2003) darf bei der Berechnung der Festigkeit des Bootes der Holzkern, der aus Laminat hergestellten Längs und Querträger, nicht mit herangezogen werden. Gleichwohl können die ursprünglich gesunden Holzträger, für die nach dem Untersuchungsergebnis des Prof. Dr. U... von der Fachhochschule ... aus Teakholz - mit vermutlich geringerer natürlicher Dauerhaftigkeit oder biologisch nicht resistentes Splintholz - verarbeitet wurde, zunächst zur Festigkeit des Bootes beigetragen haben. Diese Wirkung ist im Verlauf der Jahre, die das Boot in Betrieb war, entfallen, weil der Holzkern einer erhöhten Feuchtigkeit ausgesetzt war und verrottete.
Der Senat sah keine Veranlassung, gemäß § 411 Abs. 3 ZPO eine mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen anzuordnen. Seitens der Beklagten waren auch keine weiter gehenden Einwendungen oder Fragen mitgeteilt worden. Die pauschale Bezugnahme von ein Privatgutachten reicht nicht, § 411 Abs. 4 ZPO.
Gestützt auf die Tatsache, dass der Verrottungsprozess im Zeitpunkt der Probenentnahme am 16.02.2000 schon so weit fortgeschritten war, dass das Holz zwischen den Fingern zerrieben werden konnte, ist der Senat überzeugt, dass der Beginn der Verrottung schon lange vor Übergabe des Bootes eingesetzt hat. Die vom Sachverständigen ... hinzugezogene Holzbiologin Prof. Dr. U..., hat an der von ihr überlassenen Holzprobe eine Weißfäule - verursacht durch holzzerstörende Pilze - festgestellt. Diese Erreger breiten sich dann aus, wenn über längere Zeit Holzfeuchten von über 20 % gegeben sind.
Die Behauptung der Beklagten, vor der Übergabe habe in der Bilge kein Wasser gestanden, ist auf Grund einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände widerlegt. Der Kläger hatte bereits in seinem Schreiben vom 9.9.1997 darauf hingewiesen, dass die Bilge in Höhe der Toilette nicht eindeutig abgedichtet sei und Wasser an der nachgedichteten Stelle eintrete. Auch wenn der Kläger hinsichtlich der Ursache des Wassereintritts nur auf Vermutungen angewiesen war, so bleibt doch die Tatsache, dass - auf welche Art auch immer - Wasser in die Bilge gelangte. Auch der Zeuge H... hat bestätigt, dass Wasser in der Bilge war. Zwar hat der Zeuge zunächst bekundet, dass die Bilge im Winterlager vor dem Verkauf kein Wasser gezogen und er auch keine Wasserränder bemerkt habe. Anderseits hat der Zeuge auch bestätigt, dass der Kläger ihn wenige Tage nach Übergabe auf Wasser in der Bilge hingewiesen habe. Er habe daraufhin nachgeschaut und festgestellt, dass dort ein wenig Wasser vorhanden war. Diese Feststellungen decken sich mit der Aussage der Zeugin R..., wonach schon bei der Überführungsfahrt ein Rinnsälchen von der Dusche in Richtung Bilge geflossen sei. Schließlich hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass das Wasser aus der Dusche zunächst in die Bilge geleitet wurde und von dort durch eine Pumpe außenbords gepumpt wurde.
Die Höhe des ausgeurteilten Minderungsbetrages ist nicht zu beanstanden. Der Sachverständige S... hat die notwendigen Kosten der Mängelbeseitigung auf mehr als 21.000 EUR beziffert. Der auf diesen Mangel gestützte Minderungsbetrag beläuft sich auf ca. ein Drittel dieses Betrages und liegt somit innerhalb der gemäß § 472 BGB a.F. zu beachtenden Grenzen.
Gegenüber diesem Anspruch kann sich die Beklagte nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Die Einrede der Verjährung wurde erstmals in der Berufungsinstanz erhoben, obwohl die entsprechenden Tatsachen schon in erster Instanz festgestanden haben. Es handelt sich somit nicht um neue Tatsachen, deren Berücksichtigung in der zweiten Instanz gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässig ist. Zu den neuen Tatsachen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zählen auch "sonstige Angriffs und Verteidigungsmittel", so dass über § 282 Abs. 1 ZPO die Einrede Verjährung mit erfasst wird.
Die vom Kläger in 2. Instanz beantragte Zahlung weiterer 14.465,91 EUR nebst Verzugszinsen, wird als unzulässig zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Klageerweiterung gemäß §§ 525, 264 ZPO im Berufungsverfahren nicht jederzeit möglich. Vielmehr muss die Partei, die ohne ein eigenes Rechtsmittel mehr erreichen will als die Verwerfung oder Zurückweisung der Hauptberufung, sich dem Rechtsmittel des Gegners anschließen, da ihr erst damit die Möglichkeit zu Sachanträgen eröffnet wird (Zöller - Gummer, ZPO, 23. Auflage, § 524 Rdn. 2). Auf den Hinweis des Gerichts hat der Kläger ausdrücklich erklärt, keine - wegen des Fristablaufs unzulässige - Anschlussberufung einlegen zu wollen.
Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals die mit der Klage geltend gemachten Zinsen bestreitet, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, dessen Berücksichtigung unzulässig ist, §§ 529 Abs. 1 Ziff. 2, 531 Abs. 2 ZPO.
Die Nebenentscheidungen wegen der Kosten beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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