Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.03.1989, Az.: 11 U 46/88

Führen einer Klage in gewillkürter Prozessstandschaft; Prozessfähigkeit eines nicht eingetragenen Vereins; Notwendigkeit des eigenen schutzwürdigen Interesses eines Klägers bei Geltendmachung einer fremden Forderung; Wahrnehmung der Rechte einer politischen Partei

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.03.1989
Aktenzeichen
11 U 46/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 18879
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1989:0308.11U46.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 28.10.1987 - AZ: 6 O 131/87

Fundstelle

  • NJW 1989, 2477 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung

Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Februar 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht... und die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28. Oktober 1987 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer für die Kläger: 26.466,37 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist als unzulässig abzuweisen, weil den Klägern das Prozessführungsrecht hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches fehlt.

2

Inhaber des streitigen Anspruches war und ist nach Vortrag der Kläger die Gesamthandsgemeinschaft der Mitglieder des Kreisverband H.-Stadt der ...(Partei), eines nicht eingetragenen Vereines (i. S. §§ 54, 21 BGB). Dem Kreisverband soll der Beklagte vor und während des Wahlkampfes zur Europawahl 1984 - für die der Beklagte von der Partei als Kandidat aufgestellt worden war - zugesagt haben, bestimmte Kosten, die dem Kreisverband anläßlich des Wahlkampfes entstehen, zu erstatten. Nachdem der Beklagte im Juni 1984 hierauf unstreitig 20.000,- DM gezahlt hatte, soll er bei einem mit dem Geschäftsführer des Kreisverbandes am 12.07.1985 über die angefallenen Kosten geführten Gespräch zugesagt haben, außer einer weiteren Zahlung von 20.000,- DM - die der Beklagte damals sofort erbrachte - auch den aus der Kostenaufstellung des Kreisverbandes vom 19.03.1985 verbleibenden Restbetrag in Höhe von 26.466,37 DM (Klagforderung) zu zahlen. Danach stände ein Anspruch - der sich hier aus Auftrag oder Anerkenntnis (§ 670, 782 BGB) ergeben könnte - nicht den Klägern zu. Daß der geltend gemacht Anspruch den Klägern - acht Mitgliedern des zwölfköpfigen geschäftsführenden Vorstandes des Kreisverbandes - abgetreten worden sein könnte (gemäß § 398 BGB) und diese somit Inhaber des Anspruches geworden wären und demgemäß aus eigenem Recht ohne weiteres hätten klagen können (auch bei einer Abtretung nur zum Inkasso, vgl. BGH in NJW 1980, 991), tragen die Kläger nicht vor. Vielmehr berufen sie sich ausdrücklich darauf, daß sie zur Klage ermächtigt worden seien und folglich in sogenannter gewillkürter Prozeßstandschaft die Klage führten. Die insoweit zur näheren Darlegung der Ermächtigung vorgelegten Protokolle über eine Sitzung des Kreisvorstandes am 16.03.1987 und des Kreisparteitages am 27.02.1988 ergeben auch für eine etwaige Abtretung nichts; insbesondere nicht das Protokoll vom 27.02.1988 über die damals beschlossene Änderung des § 17 Abs. 3 der Satzung. Der neu gefaßte Absatz bestimmt nämlich, dass "die Mitglieder des geschäftsführenden Kreisvorstandes ermächtigt (sind), die Rechtsansprüche des Kreisverbandes ... im eigenen Namen treuhänderisch für den Kreisverband gerichtlich geltend zu machen". Der Weg einer Abtretung von Ansprüchen ist demgemäß gerade nicht gewählt worden.

3

Nach herrschender und zutreffender Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. BGHZ 100, 217, BGHZ 96, 151 sowie die weiter unten angeführten Fundstellen) kann jemand ein fremdes Recht im eigenen Namen nur geltend machten (abgesehen von den Fällen der Ermächtigung kraft Gesetzes), wenn ihn der berechtigte hierzu ermächtigt hat und wenn er an der Durchsetzung des Rechtes ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft, auf die sich die Kläger berufen). Die Voraussetzungen sind in dem vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der angeführte § 17 Abs. 3 der Satzung i.d.F. vom 27.02.1988 ermächtigt jedenfalls nicht die Kläger; denn nach dieser Bestimmung sind "die Mitglieder des geschäftsführenden Kreisvorstandes" ermächtigt. Mitglieder sind gemäß § 14 der Satzung nicht nur acht sondern zwölf Personen (zu denen die acht Kläger zählen). § 17 Abs. 3 bestimmt, daß die Mitglieder, nicht einige Mitglieder ermächtigt seien. Außerdem bestehen auch Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzungsänderung. Nach § 33 der Satzung kann die Satzung nämlich nur von der Kreishauptversammlung (§§ 12, 13 der Satzung) geändert werden. Ob eine Beschlußfassung des Parteitages (Mitgliederversammlung nach § 20 der Satzung) hierüber wirksam wäre, wenn mehr als die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder der Kreishauptversammlung (erforderlich für die Beschlußfähigkeit einer Kreishauptversammlung, § 28 der Satzung) anwesend ist und Zweidrittel von ihnen für die Änderung stimmen (§ 33 der Satzung), kann offen bleiben. Entgegen der Ansicht des Landgerichts scheidet § 15 der Satzung als Ermächtigung für die Kläger ebenfalls aus. Die dort bestimmten Aufgaben des Kreisvorstandes - nämlich insbesondere die Geschäfte des Kreisverbandes "zu führen" - befassen sich nicht mit der Frage, ob Vorstandsmitglieder Prozesse im eigenen Namen führen dürfen. Ebensowenig ließe sich aus § 17 Abs. 4 n.F. (= Abs. 3 a.F.) derartiges entnehmen. Hier wird lediglich geregelt, wer den Kreisverband - sofern dieser Prozeßpartei ist - vor Gericht zu vertreten hat.

4

Nach - bestrittener - Behauptung der Kläger soll ihnen allerdings der Kreisvorstand (sogenannter "großer" Vorstand i. S. § 14 der Satzung) mit Beschluß vom 16.03.1987 die Ermächtigung zur Prozeßführung für den Verband erteilt haben. Ob dieses zutrifft, ist durchaus zweifelhaft. Das zum Beweis für die Behauptung vorgelegte Protokoll der Vorstandsitzung vom 16.03.1987 enthält einen derartigen Beschluß nämlich nicht.

5

Dort heißt es insoweit lediglich, daß das Vorstandsmitglied Dr. N. den Kreisvorstand informiert, daß die "... (Partei)-H..." sich gezwungen sehe, eine gegen den Europa-Abgeordneten W... (Beklagten) näher bezeichnete Forderung (Klagforderung) einzuklagen, daß das Mitglied B. darum bittet, vor Klageinreichung noch eine gütliche Einigung anzustreben und mit W. ein persönliches Gespräch zu führen, und daß der Kreisvorstand sich dieser Auffassung mehrheitlich anschließe.

6

Im Ergebnis kann die Frage, ob eine Ermächtigung wirksam erteilt worden ist, dahinstehen; denn es fehlt an der weiteren Voraussetzung des eigenen schützwürdigen Interesses der Kläger an der Geltendmachung der fremden Forderung. Ein derartiges Interesse ist gegeben, wenn die von dem Ermächtigten begehrte Entscheidung die eigene Rechtslage beeinflußt; siehe Baumbach-Hartmann, 47., A., Vorb. § 50 ZPO, Anm. 4 C; Zöller, 15. A., vorb. § 50 ZPO, Rn. 44; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. A., § 46 II 1. So hat der Bundesgerichtshof ein derartiges Interesse bejaht für die Klage eines Bauträgers - der seine Gewährleistungsansprüche bereits an den Erwerber des Bauwerkes abgetreten hatte - gegen einen Bauhandwerker auf Ersatz ihm entstandener Mängelbeseitigungskosten (BGHZ 70, 389 [BGH 23.02.1978 - VII ZR 11/76]: weil der Bauträger beim Fehlschlagen der Mängelbeseitigung selbst gegenüber dem Erwerber einzutreten hätte), für die Klage dessen, der seine Forderung zur Sicherheit abgetreten hat (BGH vom 22.12.1988 - VII ZR 129/88 - sowie BGHZ 96, 151), für die Klage des Forderungsverkäufers, der dem Käufer gemäß § 437 BGB gewährleistungspflichtig ist (BGH NJW 1979, 924/925), für die Klage des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder GmbH (NJW 1987, 3121 sowie NJW - RR 1987, 57). In dem vorliegenden Fall lassen sich die Grundsätze, die für den Gesellschafter gelten (s.o.), auf die Kläger nicht anwenden. Der nicht eingetragene Verein wird zwar insoweit einer Gesellschaft (i.S. § 705 BGB) gemäß § 54 BGB gleichgestellt, als seine korporative Verfassung dem nicht entgegensteht. Diese Verfassung führt bei dem Verein dazu, daß das Mitglied einen wirtschaftlich verwertbaren Anteil am Vereinsvermögen nicht hat. Es kann seinen "Anteil" weder veräußern, noch kann es beim Ausscheiden eine Auseinandersetzung geltend machen (vgl. Palandt, 48. A. § 54 BGB Anm. 4 A). Im Gegensatz dazu wirkt sich bei einer Gesellschaft die Einziehung einer Gesellschaftsforderung unmittelbar auf den Umfang der Beteiligung des Gesellschafters am Vermögen der Gesellschaft sowie auf seine Ansprüche auf Gewinn Verteilung und etwaige Auseinandersetzung aus.

7

Die Tatsache, daß die Kläger Vorstandsmitglieder eines Vereines sind und demgemäß die Angelegenheiten des Vereines wahrzunehmen haben, begründet ein schutzwürdiges Interesse, Ansprüche des Vereines geltend zu machen, nicht (vgl. BGH 42, 210). Schließlich ließe sich das erforderliche Interesse hier auch nicht damit begründen, daß nur über eine gewillkürte Prozeßstandschaft verhindert werden könne, daß Gebietverbände politischer Parteien in der Wahrnehmung ihrer Rechte vor den Zivilgerichten eingeschränkt sind. Zwar haben nicht eingetragene Vereine - wie es die Kreisverbände politischer Parteien in der Regel sind - gemäß § 50 Abs. 2 ZPO nicht das Recht, als solche zu klagen. Es bestehen auch rechtliche Bedenken, entgegen der vorgenannten Bestimmung der Zivilprozeßordnung und insbesondere auch entgegen dem § 3 des Parteiengesetzes i.d.F. vom 15.02.1984 (das nur der Partei selbst und ihren Gebietsverbänden der jeweils höchsten Stufe das Recht zur Klage einräumt; also der Bundesparteien nicht einem Kreisverband) als vor den Zivilgerichten zur Klage befugt anzusehen (verneint vom OLG Köln in NJW 1978, 227 für den Bezirksverband einer Partei, vom OLG Frankfurt in OLGZ 1984, 468 für den Kreisverband einer Partei sowie vom BGH nach Maßgabe des § 50 ZPO für einen Landesverband einer Gewerkschaft in MDR 1972, 859). Im Ergebnis braucht hierzu näher nicht Stellung bezogen zu werden; denn in Fällen vorliegender Art läßt sich die - vom Gesetzgeber gerade bei politischen Parteien insoweit offenbar in Kauf genommene - Einschränkung dadurch ausgleichen, daß der Parteiverband Vermögensansprüche und -rechte auf Mitglieder als Treuhänder überträgt (bei Forderungen gemäß § 398 BGB).

8

Dem in der Verhandlung gestellten Antrag der Kläger auf Vertagung hat der Senat nicht stattgegeben, weil es sich bei der Frage der Zulässigkeit der Klage und der Prozeßstandschaft nicht um neu aufgetretene rechtliche Gesichtspunkte handelte, auf die sich die Partei nicht hätte vorbereiten können. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 708 f ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwer für die Kläger: 26.466,37 DM.