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Abschnitt 5 VV-ROG/NROG - RROP - Überprüfung der regionalplanerischen Abwägung

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum ROG und NROG zur Genehmigung Regionaler Raumordnungsprogramme (RROP) und Ausübung der Rechtsaufsicht (VV-ROG/NROG - RROP)
Amtliche Abkürzung
VV-ROG/NROG - RROP
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
23100

Bei der Genehmigung eines RROP sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung zu prüfen. Neben den Grundsätzen der Raumordnung aus § 2 ROG, § 2 NROG und dem LROP sind in der Abwägung die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens und der Umweltbericht zu berücksichtigen.

Die Rechtsaufsicht der oberen Landesplanungsbehörden beschränkt sich auf die Überprüfung von Abwägungsfehlern. Für die Erteilung der Genehmigung ist es unerheblich, ob es sich um einen Fehler im Abwägungsvorgang oder im Abwägungsergebnis handelt; beides steht einer Genehmigung entgegen.

Mängel im Abwägungsvorgang sind gegeben, wenn

  1. a)

    eine Abwägung vollständig unterbleibt oder nur teilweise stattfindet (Abwägungsausfall),

  2. b)

    ein Belang in die Abwägung nicht eingestellt wurde, der hätte eingestellt werden müssen (Abwägungsdefizit),

  3. c)

    ein Belang nicht mit dem ihm objektiv zukommenden Gewicht berücksichtigt wurde (Abwägungsfehlgewichtung) oder

  4. d)

    sich bei der vergleichenden Bewertung der verschiedenen Belange eine Fehlgewichtung herausstellt (Abwägungsdisproportionalität).

Werden rechtlich überprüfbare Abwägungsfehler festgestellt, etwa weil das Abwägungsmaterial unzureichend war, die abzuwägenden Belange erkennbar fehlgewichtet oder in vergleichbaren Fallkonstellationen ohne sachlichen Grund ungleich gewichtet wurden oder weil maßgebliche Belange und Unterlagen in der Abwägung gar nicht berücksichtigt wurden, stehen diese einer Genehmigung entgegen.

5.1
Anforderungen an die Abwägung in Bezug auf die Umweltprüfung, Natura 2000 (§ 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 ROG) und Artenschutz

Eine ordnungsgemäße Abwägung der Umweltauswirkungen erfordert, den Umweltbericht während der Aufstellung des RROP zu überprüfen; erforderlichenfalls ist er unter Berücksichtigung der Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren zu korrigieren, zu aktualisieren oder zu ergänzen. Eine Berücksichtigung der Umwelterwägungen bedeutet nicht, dass stets die Planungsalternative mit den geringsten Umweltauswirkungen zu wählen ist. Vielmehr sind alle maßgeblichen Belange und widerstreitenden Interessen gegeneinander und untereinander pflichtgemäß abzuwägen.

In der Abwägung sind ferner nach Maßgabe des § 34 i. V. m. § 36 BNatschG die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) und der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 30. 11. 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) in den jeweils geltenden Fassungen einzubeziehen (§ 7 Abs. 6 ROG). Die Feststellung, ob die FFH-Verträglichkeitsprüfung in den Entwurfsunterlagen vollständig und nachvollziehbar dargelegt ist und die naturschutzrechtlichen Anforderungen zu Natura 2000 beachtet wurden oder ob die FFH-Verträglichkeitsprüfung sachliche Mängel aufweist, obliegt in erster Linie den im Beteiligungsverfahren zum RROP-Entwurf eingebundenen Naturschutz- und Fachbehörden. Die obere Landesplanungsbehörde hat jedoch im Genehmigungsverfahren zu prüfen, ob seitens des Regionalplanungsträgers alle notwendigen Prüf- und Abwägungsschritte erfolgt sind und die fachlichen Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß gewürdigt wurden.

Die FFH-Verträglichkeitsprüfung erfordert Aussagen dazu

  1. a)

    ob und von welchen Festlegungen im RROP-Entwurf Natura-2000-Gebiete betroffen sind,

  2. b)

    ob es Konfliktfälle gibt, in denen die beabsichtigten RROP-Festlegungen zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebietes führen könnten,

  3. c)

    ob prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen werden können,

  4. d)

    inwieweit für etwaige Festlegungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können, Planungsalternativen im RROP-Entwurf aufgegriffen wurden bzw. ob weitere Alternativen aufgreifbar gewesen wären, die nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natura-2000-Gebieten führen, und ob die Alternativen i. S. der verfolgten Planungsabsicht geeignet und zumutbar sind,

  5. e)

    ob es zwingende Gründe des überwiegenden Interesses als Ausnahmetatbestände nach § 34 Abs. 3 oder 4 BNatSchG gibt, die trotz zu erwartender erheblicher Beeinträchtigung von Natura-2000 die geplanten RROP-Festlegungen rechtfertigen können, und falls prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten betroffen sind, ob eine ggf. nach § 34 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG erforderliche Erklärung der EU-Kommission vorliegt,

  6. f)

    ob in einem Fall nach Buchstabe e dargelegt ist, wie gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG die Wahrung des Natura-2000-Zusammenhangs sichergestellt wird und ob die vorgesehenen Maßnahmen dafür geeignet sind.

Für die erforderliche Prüfung der FFH-Verträglichkeit reicht es nicht aus, bei der Aufstellung eines RROP mit Blick auf die Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten "problematische" Gebiete zu benennen und die weitere Prüfung nachfolgender Planung oder dem Genehmigungsverfahren vorzubehalten (OVG Lüneburg, NK-Beschluss vom 30. 7. 2013, 12 MN 301/12).

Weitere artenschutzrechtliche Untersuchungen unterfallen nicht der förmlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung, sondern sind erforderlichenfalls im Rahmen der Umweltprüfung durchzuführen.

Die artenschutzrechtlichen Verbote der §§ 44 ff. BNatSchG gelten in der Regionalplanung nicht unmittelbar. Eine Einbeziehung in die Umweltprüfung ist nur erforderlich, wenn regionalplanerische Festlegungen wegen artenschutzrechtlicher Verbote nicht vollzugsfähig wären. Besondere Relevanz bekommt die Vollzugsunfähigkeit bei Festlegungen aufgrund eines gesamträumlichen Planungskonzepts (z. B. Ausweisung von Vorranggebieten mit Ausschlusswirkung). Hierbei kann sich die Vollzugsunfähigkeit einzelner Flächen auf das gesamte Planungskonzept auswirken und die Unwirksamkeit des gesamten RROP-Kapitels zur Folge haben.

Insofern hat die obere Landesplanungsbehörde bei der Genehmigung eines RROP zu prüfen, ob der Träger der Regionalplanung i. S. einer Prognose vorausschauend ermittelt und bewertet hat, ob die vorgesehenen Festlegungen auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse treffen würden. Dem Träger der Regionalplanung steht hierbei eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, soweit sich zu ökologischen Fragestellungen noch kein allgemein anerkannter Stand der Fachwissenschaft herausgebildet hat. Der Beurteilungsspielraum kann sich sowohl auf die Erfassung des Bestandes der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Risiken beziehen, denen diese bei späterer Realisierung des genehmigungspflichtigen Vorhabens ausgesetzt sind. Sofern die Bewertung ergibt, dass Konflikte zwischen den artenschutzrechtlichen Schutzgütern und der planerisch beabsichtigten Nutzung wirksam durch nachfolgende Planungen oder auf Zulassungsebene geklärt werden können, ist eine Flächenausweisung auf Ebene der Regionalplanung zulässig.

5.2
Sonstige Anforderungen an die Abwägung (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ROG)

Der Planungsträger ist verpflichtet, öffentliche und private Belange - soweit sie erkennbar und von Bedeutung sind - von Amts wegen auch dann zu berücksichtigen und pflichtgemäß abzuwägen, wenn sie nicht im Rahmen des Beteiligungsverfahrens vorgetragen wurden.

Flächennutzungspläne und sonstige städtebauliche Planungsergebnisse sind in die Abwägung einzubeziehen (§ 13 Abs. 2 ROG). Sie erzeugen für Regionalplanungsträger keine Bindungswirkung. Sieht ein RROP für bestimmte Gebiete Funktionen oder Nutzungen als Ziele der Raumordnung vor, die nicht mit den Darstellungen in Flächennutzungsplänen oder Festsetzungen in Bebauungsplänen korrespondieren, löst dies ein Anpassungserfordernis für den Träger der Bauleitplanung aus. Die mit dieser Rechtsfolge verbundenen Auswirkungen auf Belange der betroffenen Gemeinde sind in die regionalplanerische Abwägung einzubeziehen und in der Begründung des RROP erkennbar darzulegen. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit möglichen Entschädigungsfolgen nach den §§ 39 ff. BauGB.

Im Rahmen der Abwägung ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wonach planerische Festlegungen im Hinblick auf die beabsichtigte Steuerung geeignet, erforderlich i. S. des mildesten Mittels und angemessen sein müssen. Ziele des RROP dürfen entsprechend ihrem regionalen Planungsauftrag keine Entscheidungen über die Nutzung von Flächen vornehmen, die ebenso wirksam auf nachfolgenden Planungsebenen, insbesondere durch Bauleitplanung, getroffen werden können.

5.3
Dokumentation der Abwägung

Die Abwägung muss nachvollziehbar dokumentiert werden. Sofern die wesentlichen für und gegen eine regionalplanerische Festlegung sprechenden Gründe und ihre Gewichtung nicht aus der Begründung des RROP ersichtlich sind (siehe Nummer 3.5), müssen sie in anderer geeigneter Form aktenkundig sein (z. B. Vermerke, Beschlussvorlagen etc.) und der für die Genehmigung zuständigen oberen Landesplanungsbehörde vorliegen.

5.4
Zusammenfassende Erklärung (§ 10 Abs. 3 ROG)

Die Ergebnisse der Umweltprüfung, einschließlich der FFH-Verträglichkeitsprüfung, sind der Planbegründung in übersichtlicher Form als "zusammenfassende Erklärung" beizufügen. Fehlt die zusammenfassende Erklärung gänzlich oder ist sie unvollständig, darf die Genehmigung des RROP nicht erteilt werden. Die zusammenfassende Erklärung hat darzulegen, wie Umwelterwägungen und der Umweltbericht sowie die eingegangenen Stellungnahmen im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigt wurden. Außerdem ist in ihr darzustellen, welche Gründe bei Abwägung der geprüften Planungsalternativen entscheidungserheblich für die Festlegungen im RROP waren. Sie hat auch die Maßnahmen zur Überwachung der Umweltauswirkungen aufzuführen.