Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 08.05.2012, Az.: 12 B 2321/12

Aufenthaltserlaubnis; Ehegatte; Ehegattennachzug; Sicherung des Lebensunterhalts; Lebensunterhalt

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.05.2012
Aktenzeichen
12 B 2321/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44415
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist verfassungsgemäß.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug.

Der am B. geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger. Am 20.09.2008 heiratete er in Polen die zu diesem Zeitpunkt dort lebende C., geboren am D.. Die Ehefrau des Antragstellers ist ausweislich des durch das Bundesverwaltungsamt am 03.05.2010 ausgestellten Staatsangehörigkeitsausweises deutsche Staatsangehörige. Sie verfügt zugleich über die polnische Staatsangehörigkeit. Nach Aktenlage - der Antragsteller hat eine diesbezügliche Nachfrage der Kammer vom 03.04.2012 unbeantwortet gelassen - hat die Ehefrau bis mindestens September 2008 in Polen gelebt. Sie zog anschließend zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Deutschland, kehrte dann am 12.03.2010 nach Polen zurück und lebt seit dem 16.12.2010 gemeinsam mit dem Antragsteller in Deutschland.

Unmittelbar nach seiner Einreise zeigte der Antragsteller der Antragsgegnerin seinen Aufenthalt an. Dabei stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller nur wenig deutsch spricht und einfache Deutschkenntnisse i.S. von § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorhanden sind. Unter dem 30.01.2011 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine bis zum 15.06.2011 befristete Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU aufgrund eines Aufenthalthaltsrechts zum Zweck der Arbeitssuche aus.

Unter dem 17.01.2011 und erneut unter dem 30.06.2011 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG. Zur Begründung verwies er darauf, dass seine Ehefrau Spätaussiedlerin sei. Sie wolle weiterhin in Deutschland leben. Die Rückkehr nach Polen sei nicht zumutbar. Auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes komme es nicht an.

Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller mehrfach auf, die Spätaussiedlereigenschaft oder aber die Sicherung des Lebensunterhaltes bzw. entsprechende Bemühungen nachzuweisen. Daraufhin erwiderte der Antragsteller, er wolle als Kraftfahrer arbeiten. Dies scheitere aber an den fehlenden Deutschkenntnissen. Im weiteren Verfahren legte er eine Eingliederungsvereinbarung des Jobcenters der Region Hannover vom 25.10.2011 sowie eine Bestätigung vom 12.11.2011 vor, dass ein Transportunternehmen bei Deutschkenntnissen und Vorlage der entsprechenden Führerscheine bereit sei, ihn als Kraftfahrer einzustellen.

Nach weiterem Zuwarten lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 05.01.2012 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis zwar in der Regel abweichend von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes erteilt werden solle. Hier lägen indes besondere Umstände vor. Da die Ehefrau auch die polnische Staatsangehörigkeit besitze, beide Ehegatten polnisch sprächen und bis 2008 in Polen gelebt hätten, sei es ihnen zumutbar, die eheliche Lebensgemeinschaft in Polen zu leben. Da auch die Spätaussiedlereigenschaft nicht nachgewiesen sei, sei die Sicherung des Lebensunterhaltes zu fordern. Gründe, davon abzusehen, lägen nicht vor. Es fehle bereits an dem Nachweis nachhaltiger Bemühungen um einen Arbeitsplatz. Dem Antragsteller fehle es überdies an den erforderlichen einfachen Deutschkenntnissen.

Der Antragsteller hat am 06.02.2012 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, er habe sich stets darum bemüht, mit Unterstützung des Jobcenters seine Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Jedoch habe ihm die Antragsgegnerin für die Zeit vom 14.07.2011 bis zum 13.10.2011 eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt, nach der ihm die Erwerbstätigkeit nicht gestattet gewesen sei. Das sei auch der Grund für die erfolglosen Bewerbungen. Er sei zudem körperlich beeinträchtigt und könne nicht jede Arbeit annehmen. Deshalb wolle er nunmehr einer selbstständigen Tätigkeit als Haushaltshilfe nachgehen und habe ein Gewerbe angemeldet. Auch seine Ehefrau arbeite an der Verbesserung ihrer beruflichen Qualifikation. Seit dem 01.04.2012 arbeite sie als Haushaltshilfe. Sie sei nicht bereit, gemeinsam mit ihm nach Polen auszureisen. Insgesamt habe man den Bezug von Sozialleistungen bereits verringert.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.01.2012 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Das Bundesverwaltungsamt hat auf Nachfrage der Kammer telefonisch mitgeteilt, dass die Ehefrau des Antragstellers nicht Spätaussiedlerin gemäß § 4 BVFG ist. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet.

Das Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von den belastenden Wirkungen der ablehnenden Entscheidung verschont zu bleiben, überwiegt das in § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck kommende öffentliche Vollzugsinteresse nicht. Die Antragsgegnerin hat es offensichtlich zu Recht abgelehnt, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG zu erteilen.

Dabei kann offen bleiben, ob § 28 AufenthG überhaupt Anwendung findet und nicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG von den Regelungen des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern verdrängt wird. Aus § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU folgt im Umkehrschluss, dass § 28 AufenthG nur dann anzuwenden sind, wenn ein Recht auf Einreise und Aufenthalt gemäß § 2 Abs. 1 FreizügG/EU nicht besteht. Soweit der Antragsteller nunmehr vorträgt, er wolle in Deutschland einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen und habe deshalb ein Gewerbe angemeldet, beruft er sich der Sache nach auf ein Freizügigkeitsrecht aus § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Sollte der Antragsteller tatsächlich - was die vorgelegte Gewerbeanmeldung allein nicht belegt - ernsthaft und nachhaltig einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, könnte sich der Antragsteller schon deshalb nicht auf § 28 AufenthG berufen. Dasselbe würde gelten, wenn seine Ehefrau tatsächlich dauerhaft in dem erforderlichen Umfang (vgl. dazu Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 2 FreizügG/EU, Rn. 36 ff.) erwerbstätig wäre mit der Folge, dass der Antragsteller als Familienangehöriger seiner Ehefrau gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU i.V. mit den § 3 Abs. 1 FreizügG/EU nachziehen könnte. Auch dann wäre § 28 AufenthG von vornherein nicht anwendbar.

Auch das in § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU verankerte Günstigkeitsprinzip führte zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Rechtsstellung als Freizügigkeitsberechtigter erweist sich schon aufgrund der fehlenden Befristung im Fall des Antragstellers als günstiger als die Rechtsstellung, die ihm § 28 AufenthG vermitteln könnte.

Wäre der vorliegende Sachverhalt demgegenüber - wovon der Antragsteller offenbar ausgeht - nach dem Aufenthaltsgesetz zu beurteilen, hätte er ebenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Das ist der Fall. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis setzt weiter einfache deutsche Sprachkenntnisse sowie in diesem besonderen Fall die Sicherung des Lebensunterhaltes voraus. An beidem fehlt es hier.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift verweist damit auf das in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG geregelte Erfordernis, dass sich der nachziehende Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Das ist nach den Feststellungen der Antragsgegnerin sowie der eigenen Einlassung des Antragstellers nicht der Fall. Der Antragsteller spricht nahezu überhaupt kein Deutsch, sodass schon aus diesem Grund die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden darf.

Der Antragsteller kann sich auch nicht auf einen Ausschlusstatbestand nach § 30 Abs. 1 Satz 3 AufenthG berufen. Insbesondere findet § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gilt das Spracherfordernis nicht, wenn der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Die Vorschrift verweist auf die visumrechtliche Privilegierung des § 41 AufenthV. Wortlaut und Systematik des § 30 AufenthG ist zu entnehmen, dass die visumrechtliche Privilegierung nicht bei dem nachziehenden, sondern bei dem bereits in Deutschland lebenden, stammberechtigten Ehegatten vorliegen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.2010 - 1 C 8.09, juris; ebenso BT-Drs. 16/5065, S. 175). Über eine visumsrechtliche Privilegierung nach § 41 AufenthV verfügt die Ehefrau des Antragstellers nicht. Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass seine Ehefrau zugleich die polnische Staatsangehörigkeit innehat und nachziehende Ehegatten von EU-Staatsangehörigen nach einer Literaturansicht ebenfalls von § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG erfasst werden (vgl. Hoffmann, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, § 30 AufenthG, Rn. 25). Der Familiennachzug des Antragstellers hängt nämlich gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG davon ab, dass sich seine Ehefrau in ihrer Eigenschaft als Deutsche in Deutschland aufhält. Dass sie zugleich über die polnische Staatsangehörigkeit verfügt, muss deshalb im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG außer Betracht bleiben.

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Das ist bei dem Antragsteller nicht der Fall. Nach Aktenlage leben er und seine Ehefrau gegenwärtig ausschließlich von öffentlichen Leistungen. Insbesondere den mit Schriftsatz vom 02.05.2012 vorgelegten Unterlagen ist nicht zu entnehmen, dass sie einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Der Antragsteller nimmt lediglich an einer Maßnahme nach § 16 d SGB II ("Ein-Euro-Job") teil und hat ein Gewerbe angemeldet. Dass er dieses tatsächlich ausübt, ist indes weder dargetan noch ersichtlich. Die Ehefrau war vom 01.04.2012 bis zum 30.04.2012 für einen monatlichen Lohn von 600,- EUR in Teilzeit beschäftigt. Dass diese Beschäftigung, die den Lebensunterhalt der Ehepartner ohnehin nicht sichert, verlängert worden ist, hat sie nicht glaubhaft gemacht.

Eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen soll gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG allerdings in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden. Im Regelfall kommt es demnach auf die Sicherung des Lebensunterhaltes nicht an, wohingegen es in atypischen Fällen im Ermessen der Behörde liegt, ob sie für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen gesicherten Lebensunterhalt voraussetzt oder darauf verzichtet. Ein solcher atypischer Fall liegt hier vor.

Voraussetzung für die Annahme eines atypischen Falles ist, dass es auch dem deutschen Ehepartner ausnahmsweise zumutbar ist, die eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland zu führen. Dies kommt nach der Gesetzesbegründung zu § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG insbesondere bei Doppelstaatlern in Bezug auf das Land in Betracht, dessen Staatsangehörigkeit sie neben der deutschen besitzen, oder bei Deutschen, die geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen (vgl. BT-Drs. 15/5065, S. 171, ebenso Nr. 28.1.1.0 VV-AufenthG v. 26.10.2009, GMBl. S. 878). Ein solcher Fall, in dem die § 28 Abs. 1 AufenthG zugrunde liegende Annahme, einem Deutschen sei die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland unzumutbar, nicht zutrifft, liegt hier vor.

Neben dem Antragsteller verfügt auch dessen deutsche Ehefrau als Doppelstaatlerin über die polnische Staatsangehörigkeit. In rechtlicher Hinsicht sind ihre Bindungen an den polnischen Staat demnach den Bindungen an den deutschen Staat gleichwertig. In tatsächlicher Hinsicht überwiegen nach Aktenlage - der Antragsteller hat die diesbezüglichen Fragen der Kammer zur weiteren Sachaufklärung nicht beantwortet - ihre Bindungen an Polen die in Deutschland entstandenen Bindungen erheblich. Beide Eheleute sprechen die polnische Sprache fließend. Sie haben den ganz überwiegenden Teil ihres Lebens in Polen verbracht, sodass sie dort nach wie vor verwurzelt sein dürften. In Deutschland haben die Eheleute hingegen bislang kaum Fuß gefasst. Deutschkenntnisse sind bei der Ehefrau offenbar nur begrenzt und bei dem Antragsteller nahezu nicht vorhanden. Die soziale Integration in Deutschland dürfte deshalb wenig entwickelt sein. Beide sind allenfalls geringfügig erwerbstätig, sodass eine wirtschaftliche Integration (nahezu) fehlt. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie nach Aktenlage aus öffentlichen Leistungen. Demgegenüber ist der Antragsteller bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten, als er im Juni 2011 einen Roller ohne Versicherungsschutz geführt hat. Nach dem Gesamtbild ihrer Bindungen ist es den Eheleuten daher trotz der deutschen Staatsangehörigkeit der Ehefrau möglich und zumutbar, ihre eheliche Lebensgemeinschaft in Polen und damit in dem Land zu führen, in dem sie aufgewachsen und verwurzelt sind.

Soweit gegen die in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG verankerte und in diesem Fall zum Tragen kommende Möglichkeit, den Ehegattennachzug bei fehlender Lebensunterhaltssicherung zu verweigern, verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden (vgl. zusammenfassend Marx, in: GK-AufenthG, § 28, Rn. 194 ff <Stand der Bearbeitung: Mai 2008>), teilt die Kammer diese Bedenken nicht.

Zunächst liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der grundrechtlichen Schutzpflicht für die Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG kein Anspruch auf Aufenthalt eines deutsch verheirateten Ausländers im Bundesgebiet. Die zuständigen Behörden und Gerichte sind bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren lediglich verpflichtet, die bestehenden ehelichen Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche Art. 6 Abs. 1 GG dem Schutz der Ehe erkennbar beimisst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a., BVerfGE 76, 1, stRspr.). Dazu gehört auch, dass es grundsätzlich den Ehepartnern zusteht, selbstverantwortlich und frei von staatlicher Einflussnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen. Die freie Entscheidung beider Eheleute, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, verdient gemäß Art. 6 Abs. 1 GG besonderen staatlichen Schutz, falls einer der Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.1979 - 1 BvR 650/77, BVerfGE 51, 386). Auch dies haben die staatlichen Behörden in ihre Entscheidung einzustellen, ohne dass daraus allerdings folgt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft stets nur in Deutschland gelebt werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, drängt die Pflicht des Staates, die Ehe zu schützen, einwanderungspolitische Belange wie die in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zum Ausdruck kommende Absicht, die Zuwanderung in die Sozialsysteme nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BT-Drs. 15/5065, S. 171), regelmäßig zurück (vgl. zur Erwachsenenadoption BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81; zur familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind BVerfG, Beschl. v. 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04, juris; zur familiären Lebensgemeinschaft unter Volljährigen BVerfG, Beschl. v. 17.05.2011 - 2 BvR 1367/10, juris; stRspr.).

Allein die Tatsache, dass ein Ehepartner über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt, begründet indes einen solchen Fall, in dem die eheliche Lebensgemeinschaft nur in Deutschland gelebt werden kann, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht. In der bereits zitierten Kammerentscheidung zur familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Kind führt das Bundesverfassungsgericht aus, die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, dränge einwanderungspolitische Belange zurück, weil das Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar sei (BVerfG, Beschl. v. 08.12.2005 - 2 BvR 1001/04, juris; ebenso BVerfG, Beschl. v. 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05, juris). Nicht allein die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, sondern die Staatsangehörigkeit in Verbindung mit der Bindung an die ebenfalls deutsche und in Deutschland verwurzelte Mutter begründet demnach die Unzumutbarkeit der Ausreise. In anderen Fällen stellt das Bundesverfassungsgericht generell darauf ab, ob den beteiligten Familienmitgliedern ein Verlassen Deutschlands zumutbar ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81; Beschl. v. 10.05.2008 - 2 BvR 588/08, juris; Beschl. v. 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08, juris; Beschl. v. 17.05.2011 - 2 BvR 1367/10, juris). Das zeigt, dass nicht allein das formale Band der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern vielmehr die Gesamtumstände des Einzelfalles in die Abwägung einzustellen sind. Typischerweise wird dabei - wovon auch § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zutreffend ausgeht - die in Form der deutschen Staatsangehörigkeit bestehende rechtliche Bindung an den deutschen Staat mit einer tatsächlichen Verwurzelung in die hiesigen Verhältnisse einhergehen. In diesen Fällen ist eine Verweisung auf ein Eheleben im Ausland unzumutbar. Ist das hingegen - wie hier - ausnahmsweise nicht der Fall und sprechen auch sonst keine überwiegenden Gründe für ein gemeinsames Leben in Deutschland, besteht gemessen an Art. 6 Abs. 1 GG keine grundrechtliche Verpflichtung des Staates, das Eheleben in Deutschland zu ermöglichen.

Der Verweis auf ein Eheleben im Ausland verletzt auch nicht unmittelbare Rechte aus der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 116 GG. Das Bundesverfassungsgericht betont zwar, dass die Staatsangehörigkeit einen Zugehörigkeitsstatus begründet, der auf Verlässlichkeit und Gleichheit beruht (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04, BVerfGE 116, 24). Beides steht jedoch nicht in Frage, wenn ein Familiennachzug, der mit der Inanspruchnahme von Sozialleistungen verbunden wäre, dann nicht gewährt wird, wenn ein Leben im Ausland möglich ist. Dem Deutschen werden damit keine Rechte aus seiner Staatsangehörigkeit entzogen; diese berechtigt nach den obigen Ausführungen nicht per se dazu, einen ausländischen Staatsbürger nachziehen zu lassen.

Das Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Freizügigkeit im Sinne von Art. 11 Abs. 1 GG umfasst das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnung zu nehmen. Hierzu gehören die Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Wohnsitznahme und die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.03.2004 - 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, 177). Dieses Recht wird durch den ausnahmsweisen Ausschluss des Familiennachzugs nicht beschränkt. Das Recht des deutschen Partners, in Deutschland seinen Aufenthalt und Wohnsitz frei zu wählen, bleibt erhalten. Darüber hinausgehende Leistungsansprüche, den Partner nachzuholen, gewährt Art. 11 Abs. 1 GG von vornherein nicht.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 GG vor.

Wenn der Familiennachzug zu Deutschen, denen ein Leben im Ausland zumutbar ist, gegenüber Deutschen, bei denen - aus welchen Gründen auch immer - ein solches Leben unzumutbar erscheint, erschwert wird, liegt darin keine Benachteiligung wegen der Heimat i.S. von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (a.A. Markard/Truchseß, NVwZ 2007, 1025 <1027 f.>). Mit dem Begriff der Heimat ist die örtliche Herkunft eines Menschen nach Geburt oder Ansässigkeit im Sinne der emotionalen Beziehung zu einem geographisch begrenzten, den Einzelnen mitprägenden Raum (Ort, Landschaft) gemeint. Durch den Wohnsitz oder den ständigen Aufenthalt wird dagegen die Heimat i.S. von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht bestimmt (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.03.2000 - 1 BvR 284/96 u.a., BVerfGE 102, 41; Urt. v. 10.01.1995 - 1 BvF 1/90 u.a., BVerfGE 92, 26; Beschl. v. 25.05.1956 - 1 BvR 83/56, BVerfGE 5, 17 [BVerfG 25.05.1956 - 1 BvR 190/55]). Nicht dem Begriff der Heimat zuzuordnen ist auch die Staatsangehörigkeit (vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 6. Aufl. 2010, Art. 3, Rn. 395). Gemessen daran berührt die Sollregelung in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht. Die Vorschrift knüpft nicht an die emotionale Beziehung des deutschen Partners an einen Ort bzw. eine Landschaft, also an die Heimat im Rechtssinne, an, sondern vielmehr daran, ob nach den Gesamtumständen des Falles ein Leben in einem anderen Staat als Deutschland ausnahmsweise zumutbar erscheint. Darin liegt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung wegen der Heimat.

Die in § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG eröffnete Möglichkeit, in Ausnahmefällen die Sicherung des Lebensunterhaltes auch bei dem Familiennachzug zu Deutschen zu verlangen, verstößt schließlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. zusammenfassend BVerfG, Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07, NVwZ 2011, 1316, stRspr.). Gemessen daran ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Zwischen einem Deutschen, dem ein Leben im Ausland nach den Gesamtumständen des Falles unzumutbar ist, und einem Deutschen, der besondere Bindungen an einen anderen Staat aufweist und bei dem keine sonstigen Umstände des Einzelfalles ein Leben in Deutschland erfordern, bestehen Unterschiede von einem Gewicht, das es rechtfertigt, den Familiennachzug im letztgenannten Fall an die Sicherung des Lebensunterhaltes zu knüpfen. Angesichts des damit verfolgten gesetzgeberischen Ziels, die Zuwanderung in die Sozialsysteme auf ein Mindestmaß zu beschränken, bestehen auch bezüglich der Verhältnismäßigkeit keine Bedenken (i.E. ebenso Hailbronner, Ausländerrecht, § 28 AufenthG, Rn. 20 <Stand der Bearbeitung: Februar 2008>).

Liegt mithin ein atypischer Fall vor, steht es im Ermessen der Antragsgegnerin, ob sie den Familiennachzug trotz fehlender Sicherung des Lebensunterhaltes zulässt. Die Antragsgegnerin hat insofern ermessensfehlerfrei ausgeführt, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es dem Antragsteller und seiner Ehefrau nicht möglich oder nicht zumutbar sei, den Lebensunterhalt zu sichern. Qualifizierte Bemühungen um Arbeit seien nicht nachgewiesen. Gründe, von der Sicherung des Lebensunterhaltes abzusehen, lägen deshalb nicht vor. Diese Ausführungen erweisen sich auch angesichts des Vortrags im gerichtlichen Verfahren als tragfähig. Gründe dafür, warum der Antragsteller und seine Frau nach einem nunmehr nahezu anderthalb Jahre dauernden Aufenthalt - von der Teilzeitbeschäftigung der Ehefrau im April 2012 abgesehen - keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sind auch weiterhin nicht erkennbar. Insbesondere die erforderlichen Deutschkenntnisse hätte sich der Antragsteller bei hinreichenden eigenen Bemühungen längst aneignen können. Dass die Wirbelsäulenbeschwerden bzw. die überstandene Krebserkrankung oder die Herzerkrankung des Antragstellers eine Arbeitsaufnahme hindern, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Antragsteller selbst hat stets betont, er könne und wolle als Kraftfahrer bzw. nunmehr als Haushaltshilfe arbeiten. Auch die ärztlichen Atteste bescheinigen ihm keine Erwerbsunfähigkeit.

Das Ermessen der Antragsgegnerin ist auch nicht gemäß Nr. 28.1.1.1 VV-AufenthG dahingehend reduziert, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Die Ehefrau des Antragstellers ist nach Auskunft des Bundesverwaltungsamts nicht Spätaussiedlerin i.S. von § 4 BVFG, sodass er nicht in den Anwendungsbereich von Nr. 28.1.1.1 VV-AufenthG fällt.

Soweit die Antragsgegnerin den Antragsteller schließlich ohne Fristsetzung und ohne Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert hat, kommt dieser Aufforderung kein Regelungscharakter zu. Es handelt sich lediglich um einen Hinweis auf die kraft Gesetzes bestehende Ausreisepflicht gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG, der keine belastende Wirkung entfaltet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V. mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird gemäß § 166 VwGO i.V. mit § 114 Satz 1 ZPO abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.