Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.10.2015, Az.: 13 A 2382/15
Ausschlussfrist; verzögerte Bearbeitung; Treu und Glauben; Umzugskosten; Umzugskostenvergütung; Umzugskostenzahlung; Umzugskostenzusage; Wiedereinsetzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 06.10.2015
- Aktenzeichen
- 13 A 2382/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44852
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 BUKG
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Umzug von Pattensen nach Hannover Umzugskostenvergütung in Höhe von 3.798,42 € zu gewähren.
Der Bescheid der Beklagten vom 11.03.2015 und der Beschwerdebescheid vom 16.04.2015 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Umzugskosten.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Soldaten mit dienstlichem Wohnsitz in Wunstorf.
Er wurde mit Verfügung vom 29.10.2012 ohne Zusage der Umzugskostenvergütung (UKV) von Bad Frankenhausen zum 01.01.2013 nach Wunstorf versetzt.
Der Kläger nahm zunächst seinen neuen privaten Wohnsitz in Pattensen. Dann zog er offenbar aus privaten Gründen nach Hannover um. In den Verwaltungsvorgängen (Beiakte A) befindet sich eine Anmeldebestätigung des Klägers zum 01.11.2013 in Hannover (Bl. 9), in einem Datenerfassungsblatt vom 04.03.2015 (Blatt 10) nennt der Kläger als Umzugsdaten 25.10.2013 bis 29.10.2013.
Mit Schreiben vom 08.07.2014 beantragte der Kläger nachträglich die Zusage der Umzugskostenvergütung. Er sei zum 01.11.2013 in das Einzugsgebiet des Fliegerhorstes gezogen, weshalb er nun kein Trennungsgeld mehr erhalte.
Unter dem 19.01.2015 korrigierte die Beklagte die Versetzungsverfügung und sagte mit Wirkung zum 01.11.2013 die Umzugskostenvergütung zu.
In den Verwaltungsvorgängen befindet sich ein „Protokoll über ein Umzugs-Beratungsgespräch“, das nach dem 19.01.2015 stattgefunden haben muss. Hinsichtlich der Ausschlussfrist enthält das Protokoll keine Angaben (Beiakte A Bl. 7).
Als Anhang zu einer E-Mail vom 19.02.2015 wurden dem Kläger Antragsformulare übermittelt, zugleich wurde auf die Ausschlussfrist hingewiesen.
Mit Datum vom 04.03.2015 beantragte der Kläger dann die Zahlung von Umzugskostenvergütung für seinen Umzug von Pattensen nach Hannover. Laut dem Antrag war der Umzug am 29.10.2013 beendet.
Mit Bescheid vom 11.03.2015 lehnte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr die Zahlung von Umzugskostenvergütung ab. Der Kläger habe angegeben, den Umzug am 29.10.2013 beendet zu haben, damit sei die einjährige Ausschlussfrist des § 2 Abs. 2 BUKG am 29.10.2014 abgelaufen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Beschwerde ein. Durch das Bundeswehrdienstleistungszentrum (BwDLZ) habe er erfahren, dass noch die Möglichkeit einer nachträglichen Umzugskostenvergütung bestehe. Einen Antrag auf Gewährung von Umzugskosten könne er aber erst nach einer erfolgten Zusage der Umzugskostenvergütung stellen (Beiakte A Bl. 12, 13). Trotz mehrmaliger Nachfragen sei sein Antrag auf nachträgliche Zusage der Umzugskostenvergütung nicht zeitnah bearbeitet worden. Bei seinen Nachfragen habe er auch auf die Jahresfrist hingewiesen (Beiakte A Bl. 13).
Die Beklagte holte daraufhin eine dienstliche Stellungnahme der ROI’in D. vom BwDLZ Wunstorf ein. Die Beamtin erklärt darin, sie habe keine Aussage hinsichtlich einer fristgerechten Antragstellung getroffen. Lediglich sei thematisiert worden, dass eine Erstattung der Umzugsauslagen erst nach Vorlage der geänderten Personalverfügung erfolgen könne.
Daraufhin wies die Beklagte mit Beschwerdebescheid vom 16.04.2015 des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr die Beschwerde des Klägers zurück. Laut seiner eigenen Einlassung sei der Kläger über die Jahresfrist informiert gewesen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb er keinen fristgerechten Antrag gestellt habe. Eine Aussage, dass er vor der Zusage der UKV keinen Erstattungsantrag stellen könne, sei nicht erfolgt. Bei der Frist des § 2 BUKG handele es sich um eine Ausschlussfrist, schon von daher sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen
Der Kläger hat am 29.04.2015 Klage erhoben.
Er trägt vor, laut Auskunft von ROI’in E. vom BwDLZ Wunstorf habe er keinen Antrag auf Erstattung der Umzugskosten vor Zusage der UKV stellen können. Die Zusage der UKV sei von der Beklagten verzögert bearbeitet worden.
Im Laufe des Verfahrens legte der Kläger einen Ausdruck eines E-Mail-Verkehrs von Juni 2015, den er mit einem Sachbearbeiter der Reisekostenstelle des BwDLZ Hannover geführt hat, vor. Darin vertrat er in einer Frage die Auffassung, dass ein „Antrag auf Auszahlung der Umzugskostenvergütung“ erst nach Zusage der UKV gestellt werden könne, worauf die Antwort erfolgt, er läge „goldrichtig“. Umzugskostenvergütung könne erst gewährt werden, wenn die Zusage dazu erteilt worden ist (Bl. 57 GA).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.03.2015 und den Beschwerdebescheid vom 16.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Umzugskostenvergütung in Höhe von 3.798,72 € für seinen Umzug von Pattensen nach Hannover im Oktober 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im Beschwerdebescheid. Es werde bestritten, dass der Kläger seitens des BwDLZ Wunstorf die Auskunft erhalten habe, er könne keinen Antrag auf Erstattung der Umzugskosten vor einer Zusage der UKV stellen. Soweit der Kläger von einem Umzug am 01.11.2013 spreche, handele es sich wohl um einen Irrtum. Nach früheren Angaben sei der Umzug am 29.10.2013 abgeschlossen gewesen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Umzugskostenvergütung.
Der Anspruch folgt aus § 2 BUKG. Danach ist Voraussetzung für den Anspruch auf Umzugskostenvergütung die schriftliche oder elektronische Zusage der Umzugskostenvergütung. Eine entsprechende Zusage ist unter dem 19.01.2015 erfolgt. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift wird die Umzugskostenvergütung erst nach Beendigung des Umzuges gewährt. Auch diese Voraussetzung liegt vor. Der Kläger ist Ende Oktober 2013 umgezogen.
Allerdings hat der Kläger bei seinem Antrag auf Zahlung der Umzugskostenvergütung die gesetzliche Ausschlussfrist versäumt. Gemäß § 2 Abs. 2 BUKG wird Umzugskostenvergütung nach Beendigung des Umzuges gewährt. Sie ist innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr bei der Beschäftigungsbehörde schriftlich oder elektronisch zu beantragen. Die Frist beginnt mit dem Tage nach Beendigung des Umzuges. Der Kläger beantragte die Gewährung der Umzugskostenvergütung jedoch erst Anfang März 2015, sein Umzug lag zu diesem Zeitpunkt bereits weitaus länger als ein Jahr zurück. Es kann dabei dahin stehen, ob der Kläger seinen Umzug nun am 29.10.2013 oder erst am 01.11.2013 beendet hat. Sein unter dem Datum 04.03.2015 gestellter Antrag auf Zahlung der Umzugskostenvergütung war in jedem Fall erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 2 Abs. 2 BUKG gestellt.
Grundsätzlich führt das Versäumnis der Ausschlussfrist dazu, dass keine Umzugskostenvergütung mehr gewährt werden kann. Da es sich bei der Frist des § 2 Abs. 2 BUKG um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich (BayVGH, Beschluss vom 06.02.2014 - 14 ZB 12.506 - m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Stichtag des § 2 Abs. 2 Satz 3 BUKG auch dann maßgeblich, wenn die Umzugskostenvergütung erst nach Beendigung des Umzugs zugesagt wird (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.1979 – 6 B 93.78 - ZbR 1979, 369).
Im vorliegenden Fall liegen jedoch besondere Umstände vor, die es der Beklagten nach dem auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben ausnahmsweise verwehren, sich auf die Ausschlussfrist zu berufen.
Die Kammer hält die Darstellung des Klägers, ihm sei gesagt worden, vor der Zusage der UKV könne er keinen Antrag auf Zahlung stellen, nicht für unglaubhaft. Zwar hat die ROI’in D. vom BwDLZ Wunstorf in ihrer dienstlichen Erklärung vom 15.04.2015 die Angaben des Klägers nicht bestätigt, sondern ist ihnen entgegengetreten. Das Gericht hat trotz der widersprüchlichen Darstellungen davon abgesehen, ROI’in D. als Zeugin zu laden. Die Kammer geht davon aus, dass die Zeugin ihre dienstliche Erklärung nach bestem Wissen und entsprechend ihrer Erinnerung abgegeben hat. Die Kammer ist vielmehr - auch aufgrund des vorgelegten E-Mail-Verkehrs mit dem Sachbearbeiter F. (Reisestelle des BwDLZ Hannover) vom 05.06.2015 - zum dem Schluss gelangt, dass vieles dafür spricht, dass es in dem Gespräch zwischen dem Kläger und der ROI’in D. auch missverständliche Informationen seitens der Sachbearbeiterin gegeben haben kann. Denn auf die Frage des Klägers:„Bevor er die UKV beantragen kann, muss ihm doch zuerst die UKV zugesagt werden und erst dann kann er einen Antrag auf Auszahlung der UKV stellen“ antwortet der Sachbearbeiter: „Bezüglich der UKV liegen Sie goldrichtig“. Die Rechtsauffassung des Klägers war insoweit eben nicht richtig. Die weiteren Ausführungen des Sachbearbeiters in der E-Mail belegen, dass er die Frage des Klägers falsch verstanden hat, weil er sich zu der Gewährung der Umzugskostenvergütung äußert und nicht zu der Beantragung, nach der der Kläger gefragt hatte.
Während der Kläger den Antrag auf Gewährung von Umzugskostenvergütung meinte, wurden seine Anfragen auf Seiten der bearbeitenden Stellen als Frage nach der tatsächlichen Auszahlung der Umzugskostenvergütung verstanden. Es liegt auf der Hand, dass eine Zahlung erst nach erfolgter Zusage und Gewährung der Umzugskostenvergütung geleistet werden kann. Die Differenzen zwischen dem Vortrag des Klägers und der dienstlichen Erklärung der ROI’in D. sprechen nach Ansicht des Gerichts dafür, dass auch insoweit die handelnden Personen „aneinander vorbeigeredet haben“.
Doch auch wenn das Gericht davon ausginge, dass dem Kläger gegenüber nicht die Aussage gemacht wurde, er könne die Umzugskostenvergütung erst beantragen, wenn die Zusage erfolgt ist, verbieten hier die Grundsätze von Treu und Glauben der Beklagten eine Berufung auf die Ausschlussfrist. In diesem besonderen Fall hätte die Beklagte den Kläger auf eine vorsorgliche Antragstellung auch vor Zusage der Umzugskostenvergütung hinweisen müssen.
Zwar ist der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus einen Soldaten allgemein über seine Rechte zu belehren (h.M., vgl. VG Aachen, Urteil vom 03. Juli 2014 – 1 K 2507/13 –, Rn. 26, juris). Etwaige rechtliche Fehleinschätzungen oder Unkenntnis von einschlägigen Rechtsvorschriften fallen grundsätzlich in die Risikosphäre des Beamten bzw. Soldaten. Es obliegt ihm, sich entsprechend über Geltung und Inhalt von Ausschlussfristen zu informieren. Auch räumt der Kläger ein, dass ihm die Ausschlussfrist des § 2 Abs. 2BUKG bekannt war. Der Kläger hatte nach alledem allen Grund gehabt, sich umfassend zu informieren.
Im vorliegenden Fall kann dem Kläger aber auch nach diesen vorstehenden Grundsätzen nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe sich nicht gekümmert. Der Kläger hat unwidersprochen und nachvollziehbar dargelegt, dass er nach seinem Umzug immer wieder Kontakt zu den zuständigen Sachbearbeitern aufgenommen hat bzgl. der Frage der nachträglichen Erteilung der Umzugskostenvergütungszusage. In einer solchen Situation – einem offensichtlich vorhandenen Informationsbedarf des Klägers auf der anderen Seite und dem drohenden Ablauf der Jahresfrist bei Stellung des Antrages auf Umzugskostenvergütungszusage vom 08.07.2014 - hätte es nahegelegen, dass der Kläger durch die Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen wird, dass er vorsorglich einen Antrag auf Umzugskostenvergütung stellen sollte, um seine Ansprüche zu sichern. Ein derartiger Hinweis ist nicht erfolgt.
Außerdem wäre die Beklagte hier ausnahmsweise verpflichtet gewesen, in Erfüllung ihren soldatenrechtlichen Fürsorgepflicht auf die Möglichkeit eines vorsorglichen Antrags auf Gewährung von Umzugskostenvergütung hinzuweisen, weil es sich abzeichnete, dass eine Bearbeitung des Antrages auf Zusage der Umzugskostenvergütung nicht vor Ablauf der Jahresfrist erfolgen wird und der Kläger damit seinen Anspruch zu verlieren drohte. Auf der Hand lag so ein Antrag für den Kläger nicht. Denn ohne erfolgte Zusage ist ein Antrag auf Gewährung von Umzugskostenvergütung erst einmal unbegründet und hätte ohne weiteres abgelehnt werden können. Da der Kläger bei der Bundeswehr andere Aufgaben zu erfüllen hatte, als sich mit Umzugskosten zu beschäftigten, musste er von sich aus auch nicht ohne weiteres auf die Möglichkeit eines ausnahmsweise möglichen vorsorglichen Antrages kommen. Er konnte und durfte davon ausgehen, mit seinem Antrag auf Zusage der Umzugskostenvergütung und seinen Nachfragen alles Erforderliche zur Wahrung seiner Rechte getan zu haben. Es muss einem Soldaten oder Beamten ohne besondere Fachkenntnisse im Umzugskostenrecht nicht einleuchten, dass er einen Antrag auf Umzugskostenvergütung vor Erteilung einer Umzugskostenvergütungszusage - also einen offensichtlich unbegründeten Antrag - stellen muss, um seine Ansprüche zu sichern. Gerade seine Nachfragen nach dem Stand der Umzugskostenzusage belegten, dass der Kläger einerseits die „Sache nicht schleifen“ ließ, andererseits aber offensichtlich Beratungsbedarf hatte.
Zu berücksichtigen ist auch, dass allein die Bearbeitungsdauer auf Seiten der Beklagten dazu geführt hat, dass der Kläger nicht fristgerecht den Antrag auf Gewährung der Umzugskostenvergütung gestellt hat. Er beantragte die Zusage rund vier Monate vor Fristablauf. Für die Beklagte bestand mithin ausreichend Zeit, diesen Antrag noch innerhalb der Jahresfrist des § 2 Abs. 2 BUKG zu bearbeiten. Hätte die Beklagte zügiger entschieden, wäre der Kläger in der Lage gewesen, vor Ablauf der Jahresfrist den Antrag auf Umzugskostenvergütung stellen. Auch insoweit ist nach dem Grundsätzen von Treu und Glauben der Beklagten die Berufung auf die Ausschlussfrist verwehrt (so auch VG Aachen, Urteil vom 03. Juli 2014 – 1 K 2507/13 –, Rn. 26, juris, in einem ähnlich gelagerten Fall hinsichtlich der Ausschlussfrist bei der Gewährung von Trennungsgeld).
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.