Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 14.10.2015, Az.: 13 B 4397/15
Abbruch; Stellenbesetzungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 14.10.2015
- Aktenzeichen
- 13 B 4397/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 44858
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Hinsichtlich des bisherigen Antrages zu 2.) wird das Verfahren eingestellt.
Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Stellenbesetzungsverfahren für eine Oberregierungsrätin oder Oberregierungsrat (Dezernentin oder Dezernent für Justizverwaltungssachen) - ausgeschrieben in der Niedersächsischen Rechtspflege vom 15. April 2015 S. 110 - fortzuführen.
Im Übrigen wird der der Antrag abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3 der Antragsgegner zu 1/3
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 19.030,28 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens.
Die Antragstellerin ist als Beamtin im Rang einer Justizoberamtsrätin der BesGr. A 13 beim E. beschäftigt.
Der Antragsgegner schrieb den Dienstposten einer Dezernentin oder eines Dezernenten für Justizverwaltungssachen bei dem Landgericht Hannover aus (Niedersächsische Rechtspflege 2015 S. 41). Die Antragstellerin bewarb sich darauf nicht. Nach eigenen Angaben bestand für sie aufgrund der fehlenden Angaben zur Wertigkeit kein Interesse. Der Beigeladene hingegen bewarb sich auf diesen Dienstposten und erhielt ihn auch übertragen.
Der Beigeladene befindet sich im Amt eines Justizamtsrates (BesGr. A 12).
Die Antragstellerin wurde zum Stichtag 01.09.2007 für den Zeitraum 01.09.2004 bis 01.09.2007 im Amt einer Justizamtsrätin mit der Notenstufe 1 beurteilt.
Auf ihren Antrag wurde die Antragstellerin dann zum Stichtag 01.09,2013 im Amt einer Justizoberamtsrätin mit „übertrifft erheblich die Anforderungen“ beurteilt.
In der Niedersächsischen Rechtspflege, Heft 4 des Jahrgangs 2015 (S. 110), schrieb der Antragsgegner dann die Stelle einer Oberregierungsrätin bzw. eines Oberregierungsrates (Dezernent oder Dezernentin für Justizverwaltungssachen) beim Landgericht Hannover aus. Die Ausschreibung richtete sich ausdrücklich an Beamte, die sich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 NLVO qualifizieren.
Die Antragstellerin bewarb sich unter dem 27.04.2015 um diese Stelle. Auch der Beigeladene bewarb sich um diese Stelle.
Mit Schreiben vom 15.07.2015 teilte der Antragsgegner dann mit, die Stellenausschreibung sei zurückgenommen worden. Auf Nachfrage wurde ihr vom Antragsgegner mit Schreiben vom 05.08.2015 mitgeteilt, die ausgeschriebene Stelle sei mit dem Dienstposten des Dezernenten für Justizverwaltungssachen beim Landgericht Hannover verbunden und könne nur dem Inhaber dieses Dienstpostens übertragen werden. Die Besetzung dieses Dienstpostens sei im Rahmen einer vorgelagerten Auswahlentscheidung erfolgt. Auf diese erste vorgelagerte Ausschreibung habe sich aber die Antragstellerin nicht beworben. Der Dienstposten sei dann dem Beigeladenen übertragen worden. Da der Beigeladene aber zunächst nur zum Justizoberamtsrat befördert werden könne, werde die ausgeschriebene Stelle eines Oberregierungsrates zurzeit nicht benötigt. Deshalb sei die Ausschreibung zurückgenommen worden. Dieses Schreiben wurde der Antragstellerin am 13.08.2015 zugestellt.
Die Antragstellerin hat am 07.09.2015 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie trägt vor: Einziger Grund des Abbruchs des Auswahlverfahrens sei, dass der vom Antragsgegner gewünschte Bewerber die Beförderungsreife nicht hat. Dies sei kein sachlicher Grund für einen Abbruch. Auf die angeblich unauflösbare rechtliche Verbindung zwischen Dienstposten, Planstelle und Funktion sei in der Niedersächsischen Rechtspflege 2/2015 nicht hingewiesen worden.
Die Antragstellerin beantragte ursprünglich,
1. dem Antragsgegner den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens der Oberregierungsrätin oder Oberregierungsrat (Dezernentin oder Dezernent für Justizverwaltungssachen) bei dem Landgericht Hannover (Niedersächsische Rechtspflege vom 15.04.2015 S. 110) zu untersagen,
2. dem Antragsgegner zu untersagen, den Beigeladenen zum Oberregierungsrat (Dezernent für Justizverwaltungssachen) bei dem Landgericht Hannover (Niedersächsische Rechtspflege vom 15.04.2015 S. 110) zu befördern und ihn in die vorgenannte Planstelle einzuweisen, bevor der Antragsgegner über die Bewerbung der Antragstellerin vom 27.04.2015 nach Maßgabe des Gerichts im Hauptsacheverfahren neu entschieden hat.
Am 02.10.2015 erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.09.2015 die Hauptsache hinsichtlich des Antrages zu 2.) für erledigt. Gleichzeitig beantragt sie nunmehr zusätzlich
3. dem Antragsgegner zu untersagen, den Beigeladenen den Dienstposten des Dezernenten für Justizverwaltungssachen bei dem Landgericht in Hannover dauerhaft zu übertragen, bevor der Antragsgegner nicht über ihre Bewerbung vom 27.04.2015 nach Maßgabe des Gerichtes im Hauptsachenverfahren entschieden hat.
Die Antragsgegnerin schließt sich der Erledigungserklärung hinsichtlich des Antrags zu 2.) an und beantragt im Übrigen,
den Antrag abzulehnen.
Man habe entsprechend der üblichen Praxis die Ausschreibung des Dienstpostens vorgeschaltet. Eine Angabe der Dienstpostenbewertung sei dabei nicht für notwendig erachtet worden; im Übrigen sei das Statusamt des Vorgängers auf diesem Dienstposten der Antragstellerin bekannt gewesen. Die im April 2015 ausgeschriebene Stelle gehöre untrennbar zu dem Dienstposten des Verwaltungsdezernenten. Die Besetzung des Dienstpostens sei unter Einhaltung der Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG erfolgt. Es sei beabsichtigt, die Stelle nach BesGr. A 14 im kommenden Jahr neu auszuschreiben. Dann könne sich die Antragstellerin wieder darauf bewerben. Deshalb sei hier ein Antrag nach § 123 VwGO schon nicht erforderlich.
Hinsichtlich des neuen Antrages zu 3.) sei ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu erkennen, die Antragstellerin habe sich seinerzeit nicht beworben.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 14.10.2015 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.
Soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist im Übrigen nur teilweise begründet.
Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Antragsgegner besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen.
Im vorliegenden Fall ist es der Antragstellerin nur teilweise gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO
Der Antrag zu 1.) ist zulässig.
Ein rechtswidriger Abbruch des Auswahlverfahrens verletzt den grundrechtsgleichen Bewerbungsverfahrensanspruch. Die Bewerber können daher bereits diese Maßnahme, obwohl sie nur vorbereitenden Charakter besitzt, einer gerichtlichen Kontrolle zuführen.
Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 03.12.2014 - 2 A 3/13 -) hat dazu entschieden:
„Effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gegen den unberechtigten Abbruch eines Auswahlverfahrens kann nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden. Der Bewerber begehrt die zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis. Dies kann selbst im Erfolgsfall durch eine Hauptsacheklage nicht erreicht werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 3 CE 11.859 - juris Rn. 22). Der Anordnungsgrund für einen Antrag nach § 123 VwGO ergibt sich daher aus dem Inhalt des Rechtsschutzbegehrens, das auf eine sofortige Verpflichtung des Dienstherrn gerichtet ist und daher bereits aus strukturellen Gründen nur im Wege des Eilrechtsschutzes verwirklicht werden kann.
Das Erfordernis einer zeitnahen Klärung folgt auch aus dem Gebot der Rechtssicherheit. Sowohl der Dienstherr als auch die Bewerber brauchen Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben wird. Der zeitliche Parallellauf mehrerer auf dieselbe Planstelle bezogener Verfahren mit unterschiedlichen Bewerbern würde zu schwierigen Vergabe- und Rückabwicklungsproblemen führen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs muss daher geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen und das Amt vergeben wird. Bereits im Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - (BVerwGE 145, 185 Rn. 12) hat der erkennende Senat deshalb darauf hingewiesen, dass Primärrechtsschutz alleine im Wege eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend gemacht werden kann.
Stellt ein Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen Antrag nach § 123 VwGO, darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen einer neuen Ausschreibung weiterverfolgt (vgl. zur Obliegenheit zeitnaher Rechtsverfolgung im besonderen Dienst- und Treueverhältnis auch BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - IÖD 2014, 220 Rn. 27). Die Monatsfrist ist an dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem orientiert (vgl. § 126 Abs. 2 BBG, § 54 Abs. 2 BeamtStG, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ausreichend, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeiführen zu können, ob der Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens beantragen will. Sie folgt daher anderen Grundsätzen als die dem Dienstherr vor Aushändigung einer Ernennungsurkunde auferlegte Wartefrist, mit der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die unterlegenen Bewerber erst ermöglicht werden soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402>). Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens mit einer Hauptsacheklage überprüfen zu lassen, verwirkt (vgl. zur Verwirkung im Dienstrecht zuletzt BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - DokBer 2014, 314 Rn. 15 ff.).“
Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Zwar liegt ein längerer Zeitraum als ein Monat zwischen der Mitteilung des Antragsgegners an die Antragstellerin vom 15.07.2015 und dem Eingang des vorläufigen Rechtsschutzgesuches. Der Antragsgegner durfte aber gleichwohl nicht darauf vertrauen, dass die Antragstellerin den Abbruch hinnehmen werde. Denn dieses Schreiben hat sich mit der Anfrage der Antragstellerin vom 20.07.2015 überschnitten. Erst in dem Antwortschreiben vom 05.08.2015 nannte der Antragsgegner seine Gründe für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens. Damit begann die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Monatsfrist aber auch erst mit der Bekanntgabe bzw. Zustellung dieses Schreibens am 13.08.2015 an zu laufen.
Der Antragsgegner kann der Antragstellerin weiterhin nicht entgegenhalten, es fehle an der Eilbedürftigkeit, mithin an einem Anordnungsgrund und am Rechtsschutzinteresse, weil sie ja auch Rechtsschutz im Rahmen der geplanten Stellenausschreibung im kommenden Jahr erhalten könne.
Ein Abwarten ist der Antragstellerin nicht zuzumuten. Würde die Antragstellerin die Abbruchentscheidung hinnehmen und die für nächstes Jahr angekündigte neue Ausschreibung abwarten, könnte der derzeitige Dienstposteninhaber sich auf dem Arbeitsplatz zwischenzeitlich derart besondere Fachkenntnisse angeeignet damit und einen Eignungsvorteil erreicht haben, dass die Antragstellerin dann praktisch chancenlos wäre.
Der Antrag zu 1.) ist auch begründet.
Dieser Antrag kann auf eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs gestützt werden, der seine Rechtsgrundlage in Art. 33 Abs. 2 GG findet. Danach dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte oder Richter den Anforderungen seines Statusamtes genügt und sich in einem höheren Statusamt voraussichtlich bewähren wird. Der Grundsatz der Bestenauswahl gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos. Jeder Bewerber hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG stehen (BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2014 – 2 A 3/13 –, BVerwGE 151, 14-26, Rn. 15). Aber auch die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens hat aber den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - NVwZ 2012, 366 Rn. 22). Verfahrensrechtliche Anforderungen oder Maßnahmen können wesentliche Weichen stellen, die den materiellen Gehalt der nachfolgenden Auswahlentscheidung beeinflussen oder vorherbestimmen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/07 - BVerfGK 12, 265 <270 f.>). Durch die mit einem Abbruch verbundene Veränderung des zeitlichen Bezugspunkts der Auswahlentscheidung etwa kann der Bewerberkreis verändert und ggf. auch gesteuert werden
(BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2014 – a.a.O., Rn. 18).
Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf daher eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 2007 - 2 BvR 2494/06 - BVerfGK 10, 355 <358>). Der Dienstherr kann demnach das Auswahlverfahren abbrechen, wenn es fehlerhaft ist und nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Auswahlentscheidung führen kann oder wenn eine erneute Ausschreibung erforderlich wird, um eine hinreichende Anzahl leistungsstarker Bewerber zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 17). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das in Gang gesetzte Auswahlverfahren nach dessen Maßgaben fortzuführen. Eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 u.a. - BVerfGK 5, 205 <216> und vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - NVwZ 2012, 366 Rn. 22). Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt darüber hinaus voraus, dass der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird (BVerwG, Urteile vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 27 f. und vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 Rn. 19 f.; (BVerwG, Urteil vom 03. Dezember 2014 – 2 A 3/13 –, BVerwGE 151, 14-26, Rn. 19).
Ein durchgreifender sachlicher Grund, der den Antragsgegner berechtigen würde, das Stellenbesetzungsverfahren abzubrechen, ist nicht erkennbar und wurde vom Antragsgegner auch nicht vorgetragen. Der Umstand, dass der vom Antragsgegner ins Auge gefasste Bewerber beamtenrechtlich derzeit noch gar nicht zum Justizoberregierungsrat befördert werden kann, ist jedenfalls kein derartiger sachlicher Grund. Denn hier geht es nicht etwa um veränderte Planung bei der Stellenbewirtschaftung, sondern schlicht darum, einen bestimmten Beamten, der derzeit die beamtenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, zu einem späteren Zeitpunkt dann doch auswählen zu können.
Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass - nachdem der von ihm schon im Voraus ausgewählte Kandidat entfallen ist - keine geeigneten Bewerber mehr „im Rennen“ seien und das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen wird, um bei einer Neuausschreibung einen größeren Bewerberkreis zu erhalten.
Zwar argumentiert der Antragsgegner, dass die ausgeschriebene Planstelle eines Oberregierungsrates zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, über die nur der Inhaber des Dienstpostens verfüge. Nach der Ausschreibung werden eine Qualifizierung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 sowie Fachkenntnisse und Erfahrungen im Personalwesen, im Haushaltsrecht, sowie Führungstätigkeiten und im Projektmanagement gefordert. Einmal abgesehen davon, dass der Beigeladene auch erst kurze Zeit auf diesen Dienstposten sitzt ist nicht erkennbar, weshalb die Antragstellerin sich diese Kenntnisse nicht ebenfalls in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung verschaffen kann. Schließlich muss auch der Beigeladene erst eingearbeitet werden.
Der Antragsgegner kann sich weiterhin nicht darauf berufen, dass er den Dienstposten bereits aufgrund des Ergebnisses eines Leistungsvergleiches übertragen hat. Zwar kann eine solche Auswahlentscheidung durchaus einen weiteren Leistungsvergleich entbehrlich machen, jedoch nur, wenn die Übertragung des Beförderungsamtes nicht erst in einem erheblichen zeitlichen Abstand erfolgt (BVerwG, Urt. v. 11.02.2009 - 2 A 7/06 -, zit. n. juris). Der vom Antragsgegner in Aussicht genommene zeitliche Rahmen würde bereits einen erheblichen zeitlichen Abstand ergeben. Letztendlich kommt es darauf aber nicht an. Denn durch die Ausschreibung der Planstelle hat der Antragsgegner selbst entschieden, bei der Beförderung einen erneuten Leistungsvergleich zwischen den Bewerbern anzustellen. Andernfalls ergebe eine Ausschreibung gar keinen Sinn.
Hinsichtlich des Antrages zu 3.) hat der Antrag der Antragstellerin keinen Erfolg. Der Dienstposten ist dem Beigeladenen bereits übertragen worden. Mithin kann dem Antragsgegner nicht mehr untersagt werden, diesen Dienstposten an den Beigeladenen zu übertragen. Gegen die Besetzung des Dienstpostens mit dem Beigeladenen hat sich die Antragstellerin nicht gewendet. Da der Beigeladene wegen fehlender Beförderungsreife überdies in diesem Stellenbesetzungsverfahren nicht befördert werden kann, spielt es im Übrigen auch keine Rolle mehr, ob und welche Erfahrungen er auf diesen Dienstposten sammelt. Wenn, wie die Antragsgegnerin vorträgt, der Dienstposten mit der Beförderungsstelle gekoppelt ist, müsste der Beigeladene dann, nachdem im laufenden Stellenbesetzungsverfahren eine Auswahlentscheidung getroffen und der hier ausgewählte Bewerber befördert worden ist, wieder umgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO iVm. mit § 161 Abs. 2 VwGO, wobei hinsichtlich des erledigten Teils über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden ist. Die Erledigungserklärung der Antragstellerin stellt sich als verdeckte Antragsrücknahme dar. Denn insoweit fehlte es ihr von Anfang an an einem Anordnungsgrund. Zwar kann sich der Antragsgegner nicht darauf berufen, er habe ja das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen. Denn der Antrag zu 1.) der Antragstellerin zielt gerade darauf ab, das Stellenbesetzungsverfahren fortzuführen. Da aber der Beigeladene auch bei Fortführung des Stellenbesetzungsverfahrens in nächster Zeit noch gar nicht zu zum Oberregierungsrat befördert werden kann, war auch im Fall der Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens eine kurzfristige Beförderung des Beigeladenen zum ORR nicht zu befürchten
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit nicht ebenfalls einem Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 6 GKG (Hälfte der Jahresbezüge - Endstufe BesGr. A 13 -; im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens wiederum auf die Hälfte reduziert.