Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.10.2020, Az.: 2 A 276/18
BAföG; Befreiung; Bescheid; Bescheinigung; Leistungen; Rundfunkbeitrag
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 02.10.2020
- Aktenzeichen
- 2 A 276/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71514
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 1 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 4 Abs 6 RdFunkBeitrStVtr ND
- § 7 SGB 2
- § 22 SGB 12
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
Der Kläger wird vom Beklagten seit Januar 2013 von Amts wegen als rundfunkbeitragspflichtig geführt. Mit verschiedenen Beitragsbescheiden, die allesamt bestandskräftig geworden sind, setzte der Beklagte ab dem 01.01.2013 gegen den Kläger Rundfunkbeiträge fest. Auf Grund Befreiungsbescheides vom 22.08.2014 war der Kläger vom 01.01. bis 31.08.2013 wegen nachgewiesenen Bezugs von Ausbildungsförderung nach dem BAföG von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Auf Grund weiterer Befreiungsbescheide vom 24.05.2016 und 02.08.2016 war er ferner in der Zeit vom 01.08.2015 bis 31.01.2017 wegen nachgewiesenen Bezugs von Leistungen nach dem SGB II von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.
Mit Schreiben vom 26.12.2017 beantragte der Kläger eine weitere Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine weitere Studienzeit. Er berief sich auf § 4 Abs. 6 RBStV und legte weitere Unterlagen seinem Antrag nicht bei.
Mit Bescheid vom 20.03.2018 lehnte es der Beklagte ab, den Kläger von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Empfänger von Sozialleistungen sei er nicht und eine besondere Härte nach § 4 Abs. 6 des RBStV liege nicht vor. Dagegen legte der Kläger am 23.04.2018 (Eingang bei dem Beklagten) Widerspruch ein, dem er einen Bescheid des Studierendenwerkes Hamburg über Leistungen nach dem BAföG vom 28.05.2014 beifügte. Mit diesem Bescheid wurde der Antrag des Klägers auf Leistung von Ausbildungsförderung nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer am 31.08.2013 für sein Studium abgelehnt. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2018 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.06.2018 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, in der Zeit zwischen dem Bezug öffentlicher Leistungen von Erspartem und einem privaten Kredit gelebt zu haben. Seine Einnahmen seien unterhalb des Niveaus von SGB II-Leistungen gewesen. Einen schriftlichen Antrag auf Sozialleistungen habe er wegen erwarteter Aussichtslosigkeit nicht gestellt. Er bezweifle die Rechtmäßigkeit der Bescheide auch im Hinblick auf die erst am 01.06.2020 in Kraft getretene Rechtsgrundlage zum Bescheiderlass im automatisierten Verfahren (§ 10a RBStV). Im Übrigen verstoße der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen europäisches Recht und der Beklagte habe keine hoheitlichen Befugnisse, so dass die von ihm vorgenommene Zwangsanmeldung zum Rundfunkbeitrag rechtswidrig sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 20.03.2018 und seines Widerspruchsbescheids vom 22.05.2018 zu verpflichten, ihn für die Zeit vom 01.09.2013 bis 31.07.2015 von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, § 4 Abs. 6 RBStV sei kein allgemeiner Auffangtatbestand. Studenten ohne den Bezug von Ausbildungsförderungsleistungen, deren Einkünfte unterhalb des sozialhilferechtlichen Regelsatzes lägen, fielen nicht unter diese Vorschrift.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 20.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2018 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei Rundfunkbeitragsbescheiden sind Beginn und Ende der Beitragspflicht gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 RBStV. Das ist hier der Zeitraum vom 01.09.2013 bis 31.07.2015. Der Beklagte hat allerdings Änderungen der maßgeblichen Sach- und Rechtslage bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 10/18 -, juris, Rn. 10 m.w.N.). Entscheidend sind danach die Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) in der Fassung des Neunzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages und des entsprechenden niedersächsischen Gesetzes vom 08.03.2016 (Nds. GVBl. 2016, S. 58).
Der Rundfunkbeitrag begegnet keinen verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken (vgl. Urteil der Kammer vom 25.01.2019 - 2 A 266/188 -, n.v.; Nds. OVG, Beschluss vom 23.07.2015 - 4 LA 231/15 - zur verfassungsrechtlichen und EuGH, Urteil vom 13.12.2018 - C-492/17 - zur europarechtlichen Beurteilung sowie BVerwG, Urteil vom 18.03.2016 - 6 C 6/15 -; Beschluss vom 25.01.2018 - 6 B 38/18 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 01.03.2018 - 7 A 11938/17 -; BVerfG, Urteil vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. - zu beiden Aspekten; Fundstellen jeweils juris). Das Bundesverfassungsgericht ist inzwischen dazu übergegangen, weiterhin erhobene Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen und eine Missbrauchsgebühr anzudrohen (vgl. Beschluss vom 10.02.2020 - 1 BvR 168/20 -, juris). Es ist in der Rechtsprechung zudem geklärt, dass die Rundfunkanstalten den Rundfunkbeitrag selbst festsetzen und vollstrecken dürfen (BGH, Beschlüsse vom 11.06.2015 - I ZB 64/14 - und vom 21.10.2015 - I ZB 6/15 -, die anderslautenden Ausgangsentscheidungen des LG Tübingen, Beschlüsse vom 19.05.2014 - 5 T 81/14 - und vom 08.01.2015 - 5 T 296/14 - aufhebend; Fundstellen jeweils juris).
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV werden von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV auf Antrag natürliche Personen befreit, die den unter Nr. 1 bis 10 im Einzelnen aufgeführten Personengruppen angehören. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Empfänger staatlicher sozialer Leistungen, beispielsweise Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (Nr. 1), von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach dem SGB II (Nr. 3). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger ebenso wenig wie zu demjenigen nach § 4 Abs. 2 RBStV, für den eine Ermäßigung des Beitrags vorgesehen ist.
Der Katalog gemäß § 4 Abs. 1 RBStV entspricht im Wesentlichen demjenigen des bis zum 31.12.2012 geltenden § 6 Abs. 1 S. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV), sodass mit der zu jener Vorschrift ergangenen Rechtsprechung von einer abschließenden Regelung der Befreiungstatbestände auszugehen ist (VG Hannover, Urteil vom 26.03.2014 - 7 A 6287/13 -, juris; vgl. zu § 6 Abs. 1 S. 1 RGebStV: BVerwG, Urteil vom 12.10.2011 - 6 C 34/10 -, NVwZ-RR 2012, 29, Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.05.2009 - 4 LC 610/07 -, NdsVBl 2009, 322 m.w.N. und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.04.2013 - 16 A 2375/11 -, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O., Rn. 15 und Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 10/18 -, juris, Rn. 19) sind die § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Tatbestände eng auszulegen und nicht durch eine Analogie aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke erweiterbar.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV.
Nach § 4 Abs. 6 Sätze 1 und 2 RBStV hat die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Ein Härtefall liegt insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 der Norm in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. In den Fällen von Satz 1 gilt Absatz 4 entsprechend. In den Fällen von Satz 2 beginnt die Befreiung mit dem Ersten des Monats, in dem der ablehnende Bescheid ergangen ist, frühestens jedoch drei Jahre vor dem Ersten des Monats, in dem die Befreiung beantragt wird; die Befreiung wird für die Dauer eines Jahres gewährt. Gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV sind die Voraussetzungen für die Befreiung durch die entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers oder durch den entsprechenden Bescheid nachzuweisen.
Zu der Härtefallregelung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 21.01.2020 - 4 LA 286/19 -, juris, Rn. 5 f.) unter Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 10/18 -, juris), ausgeführt:
„Bei § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV handelt es sich nach seinem Normzweck um eine Härtefallregelung, mit der grobe Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten vermieden werden sollen, die durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte normative Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entstehen (BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -). Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, nicht zu den Personengruppen des § 4 Abs. 1 RBStV gehörende Beitragsschuldner von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sich ihre Schlechterstellung gegenüber den befreiten Personengruppen nicht sachlich rechtfertigen lässt (BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -). Dies ist bei Beitragsschuldnern der Fall, die ein den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 27 ff. SGB XII entsprechendes oder geringeres Einkommen haben und nicht auf verwertbares Vermögen i.S.d. § 90 SGB XII zurückgreifen können, aber von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegens der Voraussetzungen ausgeschlossen sind (BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -). Denn während die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreiten Personen nicht auf das monatlich ihnen zur Verfügung stehende Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Erfüllung der Beitragspflicht zurückgreifen müssen, weil dieses Einkommen zur Deckung ihres Lebensbedarfs einzusetzen ist, muss die erstgenannte Gruppe von Beitragsschuldnern auf ihr der Höhe nach den Regelleistungen entsprechendes oder diese Höhe sogar unterschreitendes Einkommen zurückgreifen, weil sie aus dem System der Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV herausfällt. Eine solche Ungleichbehandlung trotz gleicher Einkommensverhältnisse beruht am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf einem sachlichen Grund, da die Verwaltungsvereinfachung, der das System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 1 RBStV dient, eine Schlechterstellung der Bedürftigkeitsfälle, die von dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfasst werden, diesen aber vergleichbar sind, nicht rechtfertigt (BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -).
Hingegen bietet die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV keine Handhabe, das Regelungskonzept des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags zu korrigieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -; BVerwG, Urt. v. 28.2.2018 - 6 C 48.16 -, BVerwGE 161, 224). Da dieses Regelungskonzept für die von dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV erfassten Bedürftigkeitsfälle eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit vorsieht, um schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit durch die Rundfunkanstalten zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -), sind einkommensschwache Personen, die Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV in Anspruch nehmen könnten, dies aber nicht tun, nicht der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zuzuordnen (vgl. Senatsbeschl. v. 9.8. 2017 - 4 PA 356/17 -, u. v. 19.4.2016 - 4 ME 30/16 -). Eine Beitragsbefreiung nach der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV für Beitragsschuldner, die nur geringe Einkünfte haben, trotz des Vorliegens der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen aber keine Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV beziehen, liefe nämlich auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Umgehung des Regelungskonzepts der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit für die von dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV erfassten Bedürftigkeitsfälle hinaus (vgl. Senatsbeschl. v. 13.7.2015 - 4 PA 219/15 -, v. 9.10.2014 - 4 PA 236/14 - u. v. 20.8.2013 - 4 PA 188/13 -; ebenso zu § 6 Abs. 3 RGebStV BVerwG, Urt. v. 12.10.2011 - 6 C 34.10 -, Senatsbeschl. v. 11.6.2012 - 4 PA 153/12 -). Eine solche Umgehung wäre deshalb sachlich nicht gerechtfertigt, weil für die o. a. Personengruppe durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit keine groben Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten entstehen, denen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV begegnet werden soll. Denn diese Personengruppe hat es selbst in der Hand, in den Genuss einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV zu gelangen. Dies unterscheidet sie von derjenigen, deren Bedürftigkeit von dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfasst wird, den dort geregelten Bedürftigkeitsfällen aber vergleichbar ist, und die daher die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV für sich in Anspruch nehmen kann. Außerdem ist die Beantragung von Sozialleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV für einkommensschwache Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, zum Zwecke der Schaffung der Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV in Anbetracht des mit dem Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit verfolgten Zwecks, schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit durch die Rundfunkanstalten zu vermeiden, keineswegs unzumutbar. Die Verweisung einkommensschwacher Personen auf den Nachweis des Bezugs von Sozialleistungen ist auch nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden (Senatsbeschl. v. 19.4.2016 - 4 ME 30/16 -). Deshalb verbleibt es für die von dem Katalog des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RBStV erfassten Bedürftigkeitsfälle bei dem System der bescheidgebundenen Befreiung, das auf dem Grundprinzip beruht, nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuzugestehen, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bundesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 30.10.2019 - 6 C 10.18 -).“
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte in früheren Entscheidungen angenommen, dass eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen der Annahme eines Härtefalls auch dann zu gewähren ist, wenn ein Anspruch auf Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 RBStV durch eine Bescheinigung des zuständigen Sozialleistungsträgers nachgewiesen wird. Dies gilt dann, wenn der dem Beitragsgläubiger vorgelegten Bescheinigung zu entnehmen ist, dass die zuständige Sozialleistungsbehörde die Voraussetzungen für den Bezug von einer der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend geprüft und bejaht hat. Denn in diesem Fall habe der zuständige Sozialleistungsträger die Bedürftigkeit des Rundfunkteilnehmers ebenso wie bei der antragsgemäßen Bewilligung von Sozialleistungen geprüft und bejaht. Daher sei nicht nur von einer vergleichbaren Bedürftigkeit wie bei der Bewilligung von Sozialleistungen auszugehen. Diese werde vielmehr auch durch die Bescheinigung der zuständigen Fachbehörde belegt, so dass die für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zuständige Rundfunkanstalt keine eigene Prüfung der Bedürftigkeit mehr vornehmen müsse (Nds. OVG, Beschluss vom 29.11.2017 - 4 PA 356/17 -, juris, Rn. 3f.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen die Kammer folgt (vgl. auch Beschluss vom 22.07.2020 - 2 A 30/20 - n.v.), hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, den Kläger von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Nach dem System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit hätte es dem Kläger gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV oblegen, zur Begründung seines Befreiungsantrags die Voraussetzungen für eine Befreiung entweder durch einen behördlichen Leistungsbescheid oder durch eine entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers nachzuweisen. Es wäre mindestens erforderlich gewesen, dass der Kläger einen Bescheid oder eine Bestätigung des zuständigen Jobcenters und des zuständigen Sozialamts vorlegt, wonach er als Student keine Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII erhält.
Im Grundsatz ist dem Kläger zwar zuzustimmen, dass Studierende, die wegen Überschreitung der Höchstdauer keine BAföG-Leistungen erhalten, von dem Bezug von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach dem SGB II kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (§ 7 Abs. 5 in der für den Streitzeitraum 01.09.2013 bis 31.07.2015 geltenden Fassung vom 20.12.2011 (BGBl. I 2011, S. 2854; im Folgenden: a.F.) und in der aktuellen Fassung vom 30.11.2019 (BGBl. I 2019, S. 1948; im Folgenden: n.F.)). Das Gleiche gilt für den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung vom 20.12.2011 (BGBl. I 2854; im Folgenden: a.F.) und in der aktuellen Fassung vom 08.07.2019 (BGBl. I 2019, S.1029; im Folgenden: n.F.)). Von diesem Grundsatz geht auch das BVerwG in seinem Urteil vom 30.10.2019 (- 6 C 10/18 -, juris, Rn. 18; betreffend ein nicht förderfähiges Zweitstudium) aus.
Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos, sondern es existieren – neben Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Ausschlussvorschriften – sozialrechtliche Härtefallregelungen, auf Grund derer Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII gewährt werden können.
Nach § 27 SGB II (in der Fassung vom 20.12.2011, BGBl. I 2011, S. 2854; im Folgenden: a.F. bzw. in der Fassung vom 26.07.2016, BGBl. I 2016, S. 1824; im Folgenden: n.F.) erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II nach bestimmten Maßgaben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zum einen werden Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe erbracht (§ 27 Abs. 2 SGB II), zum anderen können Leistungen für Regelbedarfe, bestimmten Mehrbedarf, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 eine besondere Härte bedeutet (§ 27 Abs. 4 SGB II a.F.; § 27 Abs. 3 SGB II n.F.). Die nach diesen Ausnahmevorschriften für Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II erbrachten Leistungen gelten gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht als Arbeitslosengeld II.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (a.F. und n.F.) können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden.
Die Prüfung, ob ein solcher Härtefall vorliegt, obliegt dem zuständigen Jobcenter (SGB II) bzw. Sozialamt (SGB XII) und setzt einen entsprechenden Leistungsantrag des Betroffenen voraus.
Erst die Vorlage eines Bescheids oder einer Bestätigung über das Fehlen der Voraussetzungen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII hätte für den Beklagten überhaupt die Möglichkeit zur Prüfung einer mit derjenigen des Personenkreises nach § 4 Abs. 1 RBStV vergleichbaren Bedürftigkeit eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2019 - 6 C 10/18 -, juris, Rn. 30; Beschluss der Kammer vom 22.07.2020 - 2 A 30/20 - n.v., zur bloßen Vorlage von Einkommensteuerbescheiden). Der Kläger hatte es somit selbst in der Hand, die Befreiungsvoraussetzungen nachzuweisen. Weil er die entsprechenden Unterlagen nicht vorgelegt hat, kann er keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht beanspruchen.
Das Anfechtungsbegehren hat auch nicht aus anderen Gründen Erfolg. Anders als der Kläger meint, ist der Bescheid des Beklagten vom 20.03.2018 und der Widerspruchsbescheid vom 22.05.2018 nicht wegen des unzulässigen Erlasses im automatisierten Verfahren rechtswidrig oder nichtig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die streitgegenständlichen Bescheide nicht „vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen“ wurden i.S.d. § 35a VwVfG. Der vollständige Erlass eines Verwaltungsakts durch automatische Einrichtungen setzt voraus, dass er nicht auf eine Entscheidung einer autorisierten Person in der Behörde rückführbar ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 35 a Rn. 3, 10). Die Ablehnung der vom Kläger beantragten Befreiung und seines Widerspruchs beruhen aber auf einer Entscheidung von Mitarbeitern des Beklagten. Denn die Bescheide enden mit der Angabe zweier Namen samt Unterschrift. Sie enthalten noch nicht einmal einen Hinweis auf eine maschinelle Erstellung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.