Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 30.09.2004, Az.: 8 U 86/01
Erlass eines Vorbehaltsurteils bei anhängigen Rechtsstreitigkeiten nach der Fassung des § 302 Zivilprozessordnung (ZPO) vom 31.03.2000; Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenklausel mit einer Obergrenze von 10 Prozent in einem Bauvertrag mit einer Abrechnungssumme von 30 Millionen DM; Voraussetzungen des Aushandelns einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenklausel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 30.09.2004
- Aktenzeichen
- 8 U 86/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 24201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2004:0930.8U86.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 11.04.2001 - AZ: 2 O 1292/97
Rechtsgrundlagen
- § 302 ZPO
- § 9 AGBG
- § 6 Nr. 6 VOB/B
- § 321 BGB
Fundstellen
- BauR 2005, 766 (amtl. Leitsatz)
- BauR 2005, 887-890 (Volltext mit amtl. LS)
- BauRB 2005, XII Heft 3 (Kurzinformation)
- IBR 2005, 305
- IWR 2005, 69
- OLGReport Gerichtsort 2005, 71-72
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zur Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze (hier: Erlass eines Vorbehaltsurteils nach § 302 ZPO) auf anhängige Rechtsstreitigkeiten.
- 2.
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel mit einer Obergrenze von 10 % in einem Bauvertrag mit einer Abrechnungssumme von ca. 30 Millionen DM ist unwirksam; Vertrauensschutz besteht nicht.
- 3.
Zu den Voraussetzungen des Aushandelns einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenklausel.
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze auf anhängige Rechtsstreitigkeiten richtet sich in erster Linie nach den vom Gesetzgeber getroffenen positiven Regelungen. Fehlt eine Übergangsregelung, wie im Fall des § 302 ZPO, erfassen Änderungen des Prozessrechts auch schwebende Verfahren, soweit es nicht um abgeschlossene Prozesshandlungen geht.
- 2.
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von über 5 v.H. der Auftragssumme vorsieht.
- 3.
Das Aushandeln einer Vertragsklausel im Einzelnen setzt grundsätzlich voraus, dass der Verwender die Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner die reale Möglichkeit eröffnet, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen. Er muss sich also zur Änderung einer Klausel bereit erklären, was sich in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des Textes widerspiegelt.
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 2. September 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... ,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. April 2001 verkündete Vorbehaltsurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Hauptsachetenor wie folgt berichtigt wird:
Die Beklagte wird unter Vorbehalt der Entscheidung über die von ihr erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen Schlechterfüllung des Bauvertrages vom 13. August 1996 in Höhe von 1.978.627,92 Euro verurteilt, an die Klägerin 1.726.031,91 Euro nebst 6,25 % Zinsen auf 863.015,96 Euro seit dem 13. November 1997, auf 230.081,35 Euro seit dem 20. November 1997, auf 268.428,24 Euro seit dem 15. Dezember 1997 und auf 364.506,37 Euro seit dem 8. Januar 1998 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000,00 Euro.
Tatbestand
Die Klägerin, Insolvenzverwalterin über das Vermögen der i ... (im nachfolgenden: Schuldnerin), verlangt aus abgetretenem Recht der B ... von der Beklagten die Rückzahlung einer - nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht - in Anspruch genommenen Vertragserfüllungsbürgschaft.
Mit Bauvertrag vom 13. August 1996 vereinbarte die Schuldnerin entweder mit der Beklagten oder mit der inzwischen mit der Beklagten verschmolzenen E ... die Errichtung des Einkaufszentrums D... in G ... . Das Verhandlungsprotokoll (NachunternehmerWerkvertrag) nennt als weitere Vertragsgrundlage die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen (AAV) der Beklagten; einbezogen ist weiterhin die Verdingungsordnung für Bauleistungen Teile B und C. Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls enthält folgende Regelungen zur Vertragsstrafe:
"Die Vertragsstrafe je Arbeitstag beträgt bei Überschreitung des/der
10.1
Zwischentermins (e) 37.500,00 DM netto/Arbeitstag bis maximal 5 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme.10.2
Endtermin (e) 37.500,00 DM netto/Arbeitstag bis maximal 5 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme.10.3
Die gesamte Vertragsstrafenregelung wurde eingehend besprochen. Sie wird ( ) übernommen (x) wie vorstehend geändert.10.4
Die Vertragsstrafenregelung in Punkt 8.3 AAV 03/96 oder die vorstehend geänderte Vertragsstrafenregelung gem. Ziffer 10.3 wird der Höhe nach begrenzt auf 10 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme."
Die Höhe der Vertragsstrafe pro Arbeitstag und die Obergrenzen von jeweils 5 % in Ziffer 10.1 und 10.2 sind unter Abänderung des vorgedruckten Textes handschriftlich eingetragen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.
Die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten unter Ziffer 8.3 folgende Regelung:
"Gerät der AN während der Ausführung mit seinen Leistungen in Verzug, so daß die festgelegten Fristen (Zwischen und/oder Endtermine) nicht eingehalten oder die termingerechten Leistungen anderer Auftragnehmer verzögert werden, ist der AG berechtigt, jeden Tag der Terminsüberschreitung mit einer Vertragsstrafe zu belegen.
.........
Die Vertragsstrafe beträgt 0,3 % der Bruttoabrechnungssumme pro Arbeitstag, höchstens jedoch 10 % der Brutto-Auftragssumme, also Werklohn zuzüglich Mehrwertsteuer von zur Zeit 15 %.
Andere Sätze können in dem Verhandlungsprotokoll eingesetzt werden."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen Bezug genommen.
Die vertraglich vereinbarten Zwischentermine enthält Ziffer 7.4 des Verhandlungsprotokolls; gemäß Ziffer 7.6 des Verhandlungsprotokolls hat die Fertigstellung der kompletten Vertragsleistung bis zum 31. Oktober 1997 zu erfolgen.
Die Beklagte versprach und bezahlte eine Vorauszahlung auf die Leistungen der Klägerin von anfangs ca. 29 Mio. DM, später brutto 32.723.250,00 DM. Die Vorauszahlung besicherte die Schuldnerin gegenüber der Beklagten durch eine Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 34.500.000,00 DM, gestellt von der B ... . Weiter stellte die Schuldnerin der Beklagten eine Vertragserfüllungsbürgschaft der B ... in Höhe von 3.375.825,00 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bürgschaftsurkunde vom 1. Oktober 1996 Bezug genommen.
Im September/Oktober 1996 verhandelten die Schuldnerin und die I ... , eine Niederlassung der Beklagten, über die Ausführung der das Bauvorhaben betreffenden Ortbetonarbeiten. Ausweislich eines Schreibens der Schuldnerin vom 6. November 1996 übernahm die I ... die Ausführung der Rohbauarbeiten entsprechend dem Angebot/Leistungsverzeichnis vom 4. Oktober 1996; weiter heißt es, daß die Arbeiten in der 43. Kalenderwoche begonnen worden sind. Der Werklohn belief sich auf 900.000,00 DM.
Im Verlauf der Ausführung der Arbeiten ergaben sich unstreitig Überschreitungen der Zwischentermine für die einzelnen Rohbauabschnitte. Ende Oktober 1997 lehnte die Beklagte die Abnahme des nach Ansicht der Schuldnerin fertiggestellten Einkaufszentrums ab. Am 6. November 1997 wurde das Einkaufszentrum eröffnet. Die Beklagte nutzt dieses im wesentlichen durch Vermietung an Gewerbetreibende und Wohnraummieter.
Die Beklagte nahm sowohl die Vorauszahlungsbürgschaft bei der B ... , und zwar in Höhe eines Betrages von 7.095.853,44 DM, wie auch die Vertragserfüllungsbürgschaft der B ... , und zwar in voller Höhe des Bürgschaftsbetrages, in Anspruch. Im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Vorauszahlungsbürgschaft ist beim Landgericht Aurich das Verfahren 5 0 1017/99 anhängig, in welchem die Beklagte die Inanspruchnahme der Bürgschaft mit Schadensersatzansprüchen wegen mangelhafter Bauausführung begründet. Im vorliegenden Verfahren beruft sich die Beklagte ebenfalls auf Schadensersatzansprüche, die sie erstinstanzlich mit 3.869.859,84 DM, darin enthalten Mängelbeseitigungskosten von 2.105.985,02 DM, beziffert hat.
Die Inanspruchnahme der Vertragserfüllungsbürgschaft begründet die Beklagte mit der Überschreitung sowohl der Zwischentermine wie des Endtermins aus dem Bauvertrag vom 13. August 1996.
Die Klägerin hat behauptet, die Überschreitung der Zwischentermine sei darauf zurückzuführen, daß die Niederlassung der Beklagten, die I ... , mangels ausreichender Kapazitäten die von ihr geschuldeten Ortbetonarbeiten nicht zeitgerecht erledigt habe. Die Herstellung der in Ortbetonbauweise zu schaffenden Bauteile sei aber Voraussetzung für die Erbringung der von der Schuldnerin einzubauenden Fertigbetonteile gewesen. Diese Teile seien jeweils entsprechend dem Fortschritt der Ortbetonbauarbeiten produziert und vorgehalten worden. Sämtliche bei der Abwicklung des Bauvorhabens eingetretenen Verzögerungen seien deshalb ausschließlich auf den schleppenden Fortgang der Ortbetonarbeiten zurückzuführen. Dazu hat die Klägerin auf das von der Schuldnerin zur Ursache der Bauverzögerungen eingeholte Gutachten des Bausachverständigen W ... Bezug genommen. Der Endtermin sei ebenso wenig überschritten worden. Die Beklagte habe die Abnahme des Bauvorhabens nach dessen termingerechter Fertigstellung zu Unrecht verweigert. Das Objekt weise keine wesentlichen Mängel auf. Das werde durch den Umstand belegt, daß das Einkaufszentrum seit dem 6. November 1997 uneingeschränkt bestimmungsgemäß benutzt werde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3. 375.825,00 DM nebst 7,3 % Zinsen auf 1.687.912,50 DM seit dem 13. November 1997, auf 450.000,00 DM seit dem 20. November 1997, auf 525.000,00 DM seit dem 15. Dezember 1997 und auf 712.912,50 DM seit dem 8. Januar 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die Bauverzögerungen seien von der Schuldnerin zu vertreten, die zunächst die Erledigung der Ortbetonarbeiten durch die I ... behindert und verzögert habe. Sie habe der I ... die geschuldeten Hebeleistungen nicht zur Verfügung gestellt; Kräne der Schuldnerin hätten den Arbeiten der I ... im Wege gestanden. Die Schuldnerin habe weiterhin die erforderlichen Ausführungspläne für die Ortbetonarbeiten der I ... nicht rechtzeitig übermittelt. Zwar habe sie, die Beklagte, die Pläne durch das Planungsbüro IG ... fertigen lassen; die Pläne seien aber vor der Weiterleitung an das Büro des Prüfingenieurs S ... von der Schuldnerin noch einmal geändert, zu spät an das Prüfingenieurbüro weitergeleitet und deshalb zu spät an die Baustelle geschickt worden. Die Verzögerungen bei der Weiterleitung der Pläne hätten die Zweigniederlassung der Beklagten an einer frühzeitigeren Ausführung der Ortbetonarbeiten gehindert. Etwa doch von der I ... zu vertretende Verzögerungen müsse sich die Schuldnerin im Übrigen zurechnen lassen, weil diese, obwohl Zweigniederlassung der Beklagten, Subunternehmerin der Schuldnerin gewesen sei.
Weiter rechnet die Beklagte gegenüber etwaigen Zahlungsansprüchen der Klägerin mit Gegenforderungen auf. Sie vertritt die Auffassung, daß eine von der Schuldnerin in dem Verfahren OLG Oldenburg - 8 U 5/99 - versprochene Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 1.675.000,00 DM nicht werthaltig sei, weil Bürgin die P ... sei; dieses Unternehmen werde nur durch unzulässige politische Eingriffe der Bundesregierung vor der Insolvenz bewahrt. Ferner hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen von 3.869.859,84 DM erklärt, wie sie in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Aurich 5 0 1017/99 - zur Begründung der Inanspruchnahme der Vorauszahlungsbürgschaft dargelegt worden sind. Außerdem hat sich die Beklagte darauf berufen, daß die Beseitigung der an dem Objekt vorhandenen Mängel 2.105.985,02 DM erfordere; sie hat ein Zurückbehaltungsrecht in dreifacher Höhe des Aufwands geltend gemacht.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung sachverständiger Beratung mit ihrem am 11. April 2001 verkündeten Vorbehaltsurteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben und der Beklagten gegenüber dem Verurteilungsbetrag die Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung wegen Schlechterfüllung des Bauvertrages vom 13. August 1996 in Höhe von 3.869.859,84 DM vorbehalten.
Gegen dieses ihr am 12. April 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am gleichen Tage Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 2. Mai 2001 begründet.
Mit der Berufung rügt die Beklagte zunächst, daß ein Vorbehaltsurteil nicht habe erlassen werden dürfen. § 302 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen habe hier noch nicht angewendet werden dürfen. Da Klageforderung und Gegenforderung konnex seien, habe nach der bisherigen Rechtslage ein Vorbehaltsurteil nicht ergehen dürfen. Weiter gehe es um einen Fall der Verrechnung von Klageforderung und Gegenforderung, nicht aber um eine Aufrechnung. Schließlich stelle das Vorbehaltsurteil eine Überraschungsentscheidung dar.
Die Beklagte bestreitet weiter die Aktivlegitimation der Schuldnerin und meint, das Landgericht habe insoweit ihr Verteidigungsvorbringen übergangen.
Die Berufung greift schließlich die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Überschreitung der Zwischentermine und des Endtermins an und ergänzt und vertieft ihre Auffassung, daß die Vertragsstrafe verwirkt sei. Insbesondere sei die Vertragsstrafenregelung individuell ausgehandelt worden. Schließlich bestehe ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf den Sicherheitseinbehalt von 1.675.000, DM.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Wie schon in erster Instanz stellt sie die Wirksamkeit der nach ihrer Behauptung nicht ausgehandelten Vertragsstrafenvereinbarung in Abrede; schon deshalb müsse der Klage stattgegeben werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäss den Beschlüssen vom 6. September 2001 und vom 2. September 2004 durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten und die Sitzungsniederschrift vom 2. September 2004 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Der Senat hat zunächst den Tenor des angefochtenen Urteils und die Wiedergabe des erstinstanzlichen Klageantrags im Tatbestand richtiggestellt. Das angefochtene Urteil enthält insoweit offenbare Unrichtigkeiten, wie der Vergleich mit der Sitzungsniederschrift vom 2. November 1998 - dort sind die Anträge der Parteien unter Bezugnahme auf deren genau bezeichnete Schriftsätze protokolliert - zeigt. Weiter hat der Senat die Urteilsbeträge von DM auf EURO umgestellt.
2.
Das Landgericht durfte durch Vorbehaltsurteil nach § 302 ZPO in der Neufassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen entscheiden.
Die Neufassung des § 302 ZPO ist am Tag nach der Verkündung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen in Kraft getreten, also am 31. März 2000 (Bundesgesetzblatt I 330, 332). Die letzte mündliche Verhandlung in dieser Sache fand am 28. Februar 2001 statt, also später. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt BGHZ 114, 1, 3 f) [BGH 28.02.1991 - III ZR 53/90] richtet sich die Anwendbarkeit neuer Prozessgesetze auf anhängige Rechtsstreitigkeiten in erster Linie nach den vom Gesetzgeber - regelmäßig in Gestalt von Überleitungsvorschriften - getroffenen positiven Regelungen. Soweit diese fehlen, erfassen Änderungen des Prozessrechts im allgemeinen auch schwebende Verfahren. Diese sind daher mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes grundsätzlich nach neuem Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht. Diese letztgenannte Einschränkung greift hier nicht ein. Ansonsten enthält das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen zu § 302 ZPO n. F. gerade keine Überleitungsvorschrift. Das Landgericht war deshalb nicht gehindert, diese Bestimmung in ihrer Neufassung anzuwenden, was zur Folge hat, daß es nicht darauf ankommt, ob die Gegenforderung der Beklagten konnex ist oder nicht.
Es trifft weiter nicht zu, daß § 302 ZPO n. F. nur auf Rechtsstreitigkeiten anzuwenden ist, in denen Forderungen geltend gemacht werden, die erst nach dem 1. Mai 2000 fällig geworden sind. Die von der Berufung zur Begründung dieser Auffassung herangezogenen Gesetzesmaterialien geben dazu nichts her. Die Überleitungsvorschrift, die Teile des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen erst am 1. Mai 2000 in Kraft treten lassen hat, betrifft gerade nicht § 302 ZPO.
Das Landgericht hat das ihm bei dem Erlass eines Vorbehaltsurteils zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Rechtsstreit ist im Hinblick auf die Klageforderung entscheidungsreif; hinsichtlich der Gegenforderung, die zudem Gegenstand eines anderen Rechtsstreits ist, in dem über ihr Bestehen Beweis erhoben wird, ist dies nicht der Fall. Angesichts dieses erheblichen Aufrechnungseinwands der Beklagten konnte das Landgericht ohne Verfahrensfehler durch Vorbehaltsurteil entscheiden.
Entgegen der Rüge der Berufung liegt eine Überraschungsentscheidung nicht vor; mindestens beruht das angefochtene Urteil nicht auf dem angeblichen Verfahrensfehler. Prozessrechtlich ist der Erlass des Vorbehaltsurteils aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat in dem Verhandlungstermin, auf den das angefochtene Urteil ergangen ist, nach den schriftsätzlichen Angaben beider Parteien darauf hingewiesen, dass es den Rechtsstreit hinsichtlich der Klageforderung für entscheidungsreif halte, hingegen über den Aufrechnungseinwand noch nicht abschließend entscheiden könne.
3.
Die Aktivlegitimation der Klägerin steht ohne weitere Beweisaufnahme fest.
Die Klägerin macht Ansprüche aus abgetretenem Recht der B ... geltend. Diese hat für die Schuldnerin am 1. Oktober 1996 eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern übernommen; die Beklagte hat die B ... daraus in Anspruch genommen. Unstreitig ist, daß die B ... ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Bürgschaftsbetrages an die Schuldnerin abgetreten hat. Die Beklagte will offenbar in der Berufungsbegründung bestreiten, daß die Zahlungen tatsächlich von der B ... an sie erfolgt sind. Weiter will sie wohl in Abrede stellen, daß die B ... die Klägerin mit den ausgezahlten Bürgschaftsbeträgen belastet hat. Dazu hat die Klägerin jedoch bereits Unterlagen vorgelegt, die die Richtigkeit ihres Vorbringens bestätigen. Auf diesen Punkt kommt es im übrigen auch deshalb nicht an, weil die B ... ihre Rückforderungsansprüche abgetreten hat. Die Klägerin ist danach auf jeden Fall aktivlegitimiert, unabhängig davon, ob sie mit den Bürgschaftsbeträgen belastet worden ist oder nicht. Von Bedeutung könnte allenfalls das Bestreiten von Zahlungen der B ... an die Beklagte sein. Auch dazu hat die Klägerin aber Unterlagen vorgelegt, die belegen, daß die Bürgschaftssumme in vier Teilbeträgen an die Beklagte gezahlt worden ist, und zwar auf deren Anforderung. Die Beklagte sagt nicht, was daran falsch sein soll; sie sagt weiter nicht ausdrücklich, daß sie den Bürgschaftsbetrag nicht erhalten hat. Das Bestreiten wird lediglich als solches mit Nichtwissen gekennzeichnet. Das genügt nach § 138 ZPO nicht. Die Beklagte verfügt über alle Informationen, die sie benötigt, um überprüfen zu können, ob sie die Bürgschaftssumme erhalten hat. Dazu muss sie sich eindeutig erklären, was sie aber gerade nicht tut.
4.
Das Landgericht hat die Vertragsstrafenabrede im Verhandlungsprotokoll und in den Allgemeinen Angebots und Vergabebedingungen der Beklagten für wirksam gehalten. Diese Rechtsauffassung greift die Klägerin mit der Berufungserwiderung zu Recht an. Die Vertragsstrafenabrede ist als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam; nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sind die Klauseln der Ziffern 10.4 bzw. 8.3 nicht individuell ausgehandelt worden. Ein Vertragsstrafenanspruch steht der Klägerin deshalb nicht zu.
a.
Das Verhandlungsprotokoll und die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen sind von der Beklagten als Verwenderin bei Abschluss des Vertrages gestellte Vertragsbedingungen; beide enthalten Regelungen, die den Vertragsinhalt gestalten sollen. Sie sind, wie schon Schriftbild und textliche Gestaltung belegen, für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet und vorformuliert worden. Das hat auch der ehemalige Geschäftsführer W ... der Beklagten bestätigt, der bekundet hat, dass diese - wie dem Senat aus anderen von der Beklagten geführten Rechtsstreitigkeiten bekannt ist - diese Vordrucke ständig für die Vertragsverhandlungen mit Nachunternehmern benutzt. Es handelt sich bei dem Verhandlungsprotokoll nicht etwa nur um eine Arbeitsvorlage der Beklagten, die dem Zweck dient, keinen für den Abschluss des Bauvertrages wesentlichen Punkt zu übergehen. Die Beklagte hat der Schuldnerin den Blankotext des Verhandlungsprotokolls und die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen vor Beginn der mündlichen Vertragsverhandlungen als Grundlage des abzuschließenden Bauvertrages übersandt; diese hat mit Schreiben vom 7. August 1996 zu einigen Punkten Stellung genommen. Das Verhandlungsprotokoll (Seite 12) haben die Beklagte und die Schuldnerin rechtsverbindlich unterschrieben. Das erfüllt die Voraussetzungen für die Einbeziehung von für eine Mehrzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen.
b.
Die Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel folgt allerdings nicht schon daraus, dass sie, wie die Klägerin meint, verschuldensunabhängig ausgestaltet ist. Eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe ist allerdings dem Gesetz fremd; eine solche Regelung wäre damit nur als Individualvereinbarung wirksam, nicht hingegen als Allgemeine Geschäftsbedingung, weil eine derartige Ausgestaltung der Vertragsstrafe mit § 9 AGBG unvereinbar wäre (vgl. BGH NJW 1998, 3488, 3489) [BGH 16.07.1998 - VII ZR 9/97]. Der Wortlaut in Nr. 10 des Verhandlungsprotokolls mag zwar für eine Verschuldensunabhängigkeit sprechen, weil dort nur auf die Überschreitung von Zwischen und Endterminen abgestellt wird. Das Verhandlungsprotokoll enthält jedoch nur einen Teil der Vereinbarungen der Parteien. Nach dessen Ziffer 1. sind auch die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil. Dort finden sich ebenfalls Regelungen zur Vertragsstrafe. Gemäß der dortigen Ziffer 8.3 ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Auftragnehmer während der Ausführung mit seinen Leistungen in Verzug gerät. Verzug setzt nach § 285 BGB aF Vertretenmüssen bzw. Verschulden voraus. Eine verschuldensabhängige Vertragsstrafenregelung ist jedoch bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Höhe der Vertragsstrafe auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Es kommt hinzu, dass in Ziffer 1.1 die VOB/B, deren § 11 Nr. 2 die Fälligkeit der Vertragsstrafe vom Verzug des Auftragsnehmers abhängig macht, zum Vertragsbestandteil gemacht worden ist. Die Bestimmungen in Ziffer 8.3 der Allgemeinen Auftrags und Vertragsbedingungen und die Regelung im Verhandlungsprotokoll sind danach als eine einheitliche verschuldensabhängige Vertragsstrafenregelung und nicht als zwei sich inhaltlich widersprechende - und deshalb unwirksame - Vertragsstrafenregelungen anzusehen.
c.
Die Vertragsstrafenregelung ist als Allgemeine Geschäftsbedingung jedoch deshalb unwirksam, weil die in Ziffer 10.4 des Vergabeprotokolls und in Ziffer 8. 3 der Allgemeinen Auftrags und Vertragsbedingungen enthaltene Höchstgrenze von 10 % der Auftragssumme die Schuldnerin als Auftragnehmerin unangemessen benachteiligt.
Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01; BGHZ 153, 311, 324 ff [BGH 23.01.2003 - VII ZR 210/01] = NZBau 2003, 321, 323 f.) [BGH 23.01.2003 - VII ZR 210/01], auf die der Senat die Parteien mit prozessleitender Verfügung vom 27. April 2004 hingewiesen hat, benachteiligt eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag den Auftragnehmer unangemessen, wenn sie eine Höchstgrenze von über 5 % der Auftragssumme vorsieht. Das ist hier der Fall; die Höchstgrenze beträgt 10 % der Gesamtbruttoabrechnungssumme (Ziffer 8.3 AAV und 10.4 des Verhandlungsprotokolls). Das Vertragsstrafeversprechen ist damit als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Der Bundesgerichtshof (a. a. O., S. 326 f.) hat zwar bei bis zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens seiner Entscheidung getroffenen Vertragsstrafenvereinbarungen mit einer Obergrenze von 10 % der Auftragssumme den Auftraggebern Vertrauensschutz gewährt; dies gilt jedoch nur für Verträge bis zu einem Auftragsvolumen von bis zu ca. 13 Millionen DM (vgl. BGH NZBau 2004, 609 f. [BGH 08.07.2004 - VII ZR 24/03]), das hier mit einem Pauschalpreis von netto 29.355.000,00 DM deutlich und um mehr als das Doppelte überschritten ist. Diesen Vertrauensschutz kann die Beklagte mithin nicht in Anspruch nehmen.
d.
Die fraglichen Klauseln im Verhandlungsprotokoll und in den Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen sind nicht individuell ausgehandelt worden. Die Beklagte, die dies behauptet, trägt dafür die Beweislast; an den Beweis sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 1 AGBG Rdnr. 20 m. w. N.). Diesen Beweis hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats nicht geführt.
Das Aushandeln einer Vertragsklausel im Einzelnen setzt grundsätzlich voraus, dass der Verwender die Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner die reale Möglichkeit eröffnet, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen (vgl. BGH NZBau 2003, 321, 323 [BGH 23.01.2003 - VII ZR 210/01] m. w. N.). Er muss sich also zur Änderung einer Klausel bereit erklären, was sich in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des Textes widerspiegelt. Das ist hier bei den Ziffern 10.4 bzw. 8.3 nicht der Fall. Trotzdem kann ein Aushandeln zu bejahen sein, wenn es nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt. Dass das gestellte Formular dem Vertragspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, reicht nicht aus (vgl. BGHZ 143, 104 ff. [BGH 03.11.1999 - VIII ZR 269/98] sub II. 2. B)). Das Schreiben der Klägerin vom 28. Juli 1996 besagt dazu nichts, denn dort wird nur generell im Hinblick auf die Allgemeinen Angebots und Vertragsbedingungen gefordert, dass das Problem der Vertragsstrafe in der Vergabeverhandlung separat zu regeln sei. Dass die Beklagte sich darauf auch eingelassen hat, folgt daraus nicht.
Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat ein Aushandeln der Klauseln zur Höchstgrenze der Vertragsstrafe nach den eben genannten Maßstäben nicht bestätigt.
Der ehemalige Geschäftsführer W ... der Beklagten und der Architekt H ... , der als Planer für die Beklagte tätig war, haben allerdings bestätigt, dass über die Höchstgrenze von 10 % des Auftragsvolumens diskutiert worden ist und dass man sich schließlich auf diesen Prozentsatz verständigt habe. Der Zeuge W ... hat überdies bekundet, dass eine Obergrenze von 10 % für die Beklagte nicht entscheidend war und dass sie sich auch auf einen geringeren Prozentsatz eingelassen hätte. Dieser Sachverhalt würde die Voraussetzungen eines Aushandelns erfüllen. Dem stehen die Aussagen der früheren Mitarbeiter Wö ... und B ... der Schuldnerin, die für diese die Vertragsverhandlungen geführt haben, entgegen. Diese haben bekundet, dass über die Vertragsstrafe nur vergleichsweise kurz verhandelt worden sei und dass sämtliche Versuche, Änderungen - insbesondere der Obergrenze von 10 % - zugunsten der Schuldnerin durchzusetzen, an der kategorischen Weigerung der Beklagten, über diesen Punkt zu verhandeln, gescheitert seien. Trifft dies zu, so wäre der Schuldnerin keine reale Möglichkeit eröffnet worden, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsstrafenklausel hinsichtlich der Obergrenze in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, den Angaben der Zeugen W ... und H ... den Vorzug vor denjenigen der Zeugen Wö ... und B ... zu geben. Weder Aussageverhalten noch Aussageinhalte lassen zwingende Rückschlüsse auf die Richtigkeit oder Unrichtigkeit ihrer Angaben zu. Bei dem Zeugen W ..., aber auch bei den Zeugen Wö ... und B ... - obwohl diese nicht mehr Mitarbeiter der Schuldnerin sind - kann ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nicht völlig ausgeschlossen werden. Der Zeuge H ... war Mitglied der Verhandlungsdelegation der Beklagten und hat an den Vertragsverhandlungen aus deren Perspektive und deren Interessenlage teilgenommen.
Für die Richtigkeit der Angaben der Zeugen Wö ... und B ... sprechen die von den Zeugen W ... und H ... wiedergegebenen Beweggründe der Beklagten zur Vertragsstrafenklausel. Der Beklagten kam es entscheidend darauf an, mit der Vertragsstrafe den Ausfall von Miet- und Pachteinnahmen abzusichern, falls das Einkaufszentrum infolge von Bauverzögerungen nicht rechtzeitig vor Weihnachten 1997, sondern erst zu Ostern des folgenden Jahres eröffnet werden konnte. Dafür war aber bei voraussichtlichen monatlichen Mieteinnahmen von 600.00,00 DM und einer Verzögerung der Eröffnung von bis zu fünf Monaten eine Obergrenze von 10 % des Auftragsvolumens von knapp 30 Millionen DM unabdingbar. Die von den Zeugen Wö ... und B ... geschilderte Weigerung der Beklagten, über eine Absenkung der Höchstgrenze auch nur zu sprechen, erscheint deshalb ohne weiteres plausibel. Gleichzeitig relativiert dies die Aussage des ehemaligen Geschäftsführers W ... der Beklagten; denn auf der Grundlage seiner Motivation zur Höhe der Vertragsstrafe besteht ein gewisser Widerspruch zu seiner Bekundung, die Beklagte hätte sich auch auf einen niedrigeren Prozentsatz als 10 % des Auftragsvolumens eingelassen. Es ist zudem möglich, dass der Verhandlungsdelegation der Schuldnerin diese Beweggründe der Beklagten nicht mitgeteilt worden sind - so die Zeugen Wö ... und B ... - und dass es sich dabei nur um interne Überlegungen der Beklagtenseite außerhalb der Vertragsverhandlungen mit der Schuldnerin gehandelt hat.
Die Aussage des Zeugen Wö ... wird zudem gestützt durch das von ihm am 12. Mai 1998 gefertigte Protokoll zum Verlauf der Vertragsverhandlungen. In dieser noch zeitnah zu den Vertragsverhandlungen am 13. August 1996 erstellten Unterlage ist vermerkt, dass die Vertragsstrafenklausel in Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls zu Beginn der Besprechung schon fertig ausgefüllt war (Ziffer 10.1 und 10.2) und dass die Beklagte insgesamt nicht bereit war, über Änderungen der Ziffer 10 zugunsten der Schuldnerin zu verhandeln.
Wie stark die Verhandlungspositionen der Beklagten und der Schuldnerin genau waren und ob die Schuldnerin möglicherweise bessere Konditionen hätte durchsetzen können, kann dahinstehen. Die Beweisaufnahme hat jedenfalls ergeben, dass es der Beklagten nicht nur gelungen ist, die Obergrenze von 10 % durchzusetzen, sondern auch zu verhindern, dass dieser Punkt überhaupt zur Disposition gestellt wurde.
Der der Beklagten obliegende Beweis für ein Aushandeln ist damit nicht geführt, ein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe besteht nicht.
e.
Unabhängig von der Unwirksamkeit des Vertragsstrafeversprechens steht der Beklagten hinsichtlich des Endtermins ohnehin ein Anspruch nicht zu, weil die Vertragsstrafe insoweit nicht verwirkt ist. Ihr Einwand, das Gebäude sei zum vereinbarten Fertigstellungstermin (31. Oktober 1997) nicht abnahmefähig gewesen; es hätten wesentliche Mängel bestanden, wäre nicht erheblich.
Die Schuldnerin hat die Vertragsstrafe nach Ziffer 10 des Verhandlungsprotokolls und Ziffer 8.3 der Allgemeinen Auftrags und Vertragsbedingungen für die Überschreitung bzw. Nichteinhaltung des Endtermins versprochen. Dieser Endtermin ist eingehalten worden; das Einkaufszentrum konnte termingerecht am 6. November 1997 eröffnet werden.
Der Vertrag knüpft die Vertragsstrafe allein an den Verzug mit der Fertigstellung. Der Verzug mit der Mängelbeseitigung wird dort nicht genannt. Wegen der einschneidenden Folgen einer Vertragsstrafe kann der Begriff der Fertigstellung auch nicht dahingehend ausgelegt werden, daß ein Verzug auch dann vorliegt, wenn die Fertigstellung nicht mangelfrei erfolgt ist. Maßgeblich ist nicht der Zeitpunkt der Abnahme, auch nicht derjenige der Fertigstellungsanzeige, sondern lediglich derjenige der Fertigstellung (vgl. BGH BauR 1999, 645). Eine Fertigstellung wäre allenfalls bei wesentlichen, eine Abnahmeverweigerung rechtfertigenden Mängeln zu verneinen. Davon kann aber hier im Hinblick auf die Inbetriebnahme der Werkleistung nicht die Rede sein. Das Einkaufszentrum wird seit dem 6. November 1997 bestimmungsgemäß genutzt. Im übrigen haben die bisherigen Beweissicherungsverfahren, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, bei weitem nicht den Nachbesserungsaufwand bestätigt, auf den die Beklagte sich nunmehr beruft.
5.
Auf den Hauptangriff der Berufung, der sich gegen die Auffassung des Landgerichts richtet, die Vertragsstrafe sei jedenfalls nicht verwirkt, kommt es danach nicht mehr an.
Einen Anspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B auf Ersatz eines konkreten Bauverzögerungsschadens (vgl. dazu BGHZ 97, 163 ff. [BGH 20.02.1986 - VII ZR 286/84]; Ingenstau/Korbion, VOB Kommentar, 15. Aufl., B § 6 Rdnr. 36 ff.) hat die Beklagte nicht dargelegt, obwohl ihr dazu vom Senat mit prozessleitender Verfügung vom 27. April 2004 Gelegenheit gegeben worden ist. Es sind auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagten derartige Schäden entstanden sein könnten. Zwar hat es - aus welchen und von wem zu vertretenden Gründen auch immer - Verzögerungen hinsichtlich der Zwischentermine gegeben. Daraus resultieren aber keine Vermögenseinbußen der Beklagten, die auf diese Zwischentermine ausweislich der Bekundungen ihres ehemaligen Geschäftsführers W ... deshalb Wert legte, um einen geregelten Bauablauf sicherzustellen und ablesbar zu machen. Die wesentliche Bedeutung der Vertragsstrafe bestand für die Beklagte darin, den Ausfall von Miet- und Pachteinnahmen aufgrund einer verzögerten Fertigstellung des Bauvorhabens abzusichern. Den in Ziffer 7.6 für die Fertigstellung der kompletten Vertragsleistung vereinbarten Termin (31. Oktober 1997) hat die Schuldnerin eingehalten; das Gebäude ist unstreitig am 6. November 1997 in Betrieb genommen worden. Dem kann die Beklagte aus den bereits genannten Gründen (oben sub 5. e.) nicht entgegenhalten, dass nach ihrer Auffassung eine Abnahme noch nicht erfolgt sei.
6.
Die Beklagte macht weiterhin geltend, daß die Gewährleistungsbürgschaft der P ... in Höhe von 1.675.000, DM keine hinreichende Sicherheit biete. In dieser Höhe stehe ihr deshalb ein Zurückbehaltungsrecht zu; hilfsweise erkläre sie die Aufrechnung. Dieser Einwand geht fehl.
Anspruch auf eine andere Sicherheit, etwa durch Bankbürgschaft, hat die Beklagte nicht; nachdem sie die Konzernbürgschaft bereits als Sicherheit akzeptiert hat. Die Vorschrift des § 321 BGB hilft nicht weiter, weil es hier nicht um eine Vorleistungspflicht der Beklagten geht; beide Parteien haben ihre Leistungen bereits erbracht, es geht nur noch um den vertraglich vereinbarten Sicherheitseinbehalt.
7.
Soweit die Beklagte auf ihre Schadensersatzansprüche verweist, mit denen sie auch in dem Parallelverfahren aufrechnet, geht ihr Berufungsangriff fehl. Das Landgericht hat gerade die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, die durch die Vertragserfüllungsbürgschaft, um die es hier geht, nicht gedeckt sind, für zulässig erachtet. Die Beklagte ist dadurch nicht beschwert. Was sie beschwert, ist der Umstand, daß das Landgericht ein Vorbehaltsurteil erlassen hat. Das aber ist, wie ausgeführt, zulässig.
8.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000,00 Euro.