Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 10.11.2022, Az.: L 13 AS 162/22

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.11.2022
Aktenzeichen
L 13 AS 162/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 63884
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 17.05.2022 - AZ: S 28 AS 752/16

In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
C.
gegen
D.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
hat der 13. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2022 in Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht E. sowie die ehrenamtliche Richterin F. und den ehrenamtlichen Richter G.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung seiner Leistungsansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Bewilligungszeitraum von März bis August 2014 und eine hieraus resultierende Erstattungsforderung in Höhe von 5.011,89 €.

Der 1954 geborene, im Streitzeitraum alleinstehende Kläger übte eine selbständige Tätigkeit als Detektiv aus und bezog von dem Beklagten aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Für die mit der früheren Lebensgefährtin bewohnte Wohnung fielen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 928 € an (650 € Grundmiete, 80 € Betriebskostenvorauszahlung, 144 € Heizkosten und 54 € für Wasser/Abwasser), die der Beklagte bei der Leistungsberechnung für den Kläger hälftig, mithin in Höhe von 464 € berücksichtigte.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Bewilligungszeitraum von März bis August 2014 vorläufige Leistungen in Höhe von 835,33 € monatlich (391 € Regelbedarf und 464 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung abzüglich bereinigtes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von 19,67 €). Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums forderte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 5. September 2014 auf, abschließende Angaben zu den von ihm erzielten Betriebseinnahmen und -ausgaben zu machen (Vordruck Anlage EKS) und Belege über Beratungs-, Werbungs- und Fortbildungskosten sowie das Fahrtenbuch vorzulegen. Hierauf ließ der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass ein Fahrtenbuch nicht geführt werde und im Übrigen für die Zusammenstellung der Unterlagen noch Zeit benötigt werde. Nachfolgend legte der Kläger diverse Ausgabenbelege vor, nicht aber die angeforderte Anlage EKS. Nach vergeblicher Erinnerung mit Schreiben vom 17. November 2014 setzte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 4. März 2015 für die Vorlage des ausgefüllten Vordrucks Anlage EKS eine Frist bis zum 31. März 2015, verbunden mit dem Hinweis, dass bei fehlendem Nachweis des erzielten Einkommens eine Schätzung nach § 3 Abs. 6 der Arbeitslosengeld II-/Sozialgeldverordnung (Alg II-V) in Betracht komme. Nachdem der Kläger die Frist ungenutzt verstreichen ließ, erteilte der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 14. August 2015, mit dem er den Leistungsantrag für die Zeit von März bis August 2014 ablehnte. Zur Begründung gab er an, dass der Kläger unter Berücksichtigung des erzielten Einkommens aus selbständiger Tätigkeit nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Betriebseinnahmen seien anhand der Gutschriften, die den vorgelegten Kontoauszügen für die Zeit von Dezember 2013 bis Februar 2014 zu entnehmen seien und sich auf 4.830,93 € summierten, auf monatlich 1.610,31 € geschätzt worden. Betriebsausgaben seien in Höhe von insgesamt 1.398,15 € nachgewiesen. Hieraus errechne sich ein monatlicher Gewinn von 1.377,29 €, mit dem der Bedarf gedeckt sei. Mit weiterem, ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 14. August 2015 forderte der Beklagte den Kläger zur Erstattung der vorläufig gezahlten Leistungen in Höhe von 5.011,98 € auf.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016) hat der Kläger am 12. April 2016 Klage erhoben mit dem Vorbringen, dass die von dem Beklagten angewandten Vorschriften zwischenzeitlich außer Kraft getreten seien, bei der Leistungsberechnung eine H. -Nachforderung nicht berücksichtigt worden sei und zudem ein anrechnungsfähiges Einkommen aus selbständiger Tätigkeit tatsächlich nicht erzielt worden sei. Ferner hat sich der Kläger auf Vertrauensschutz berufen.

Der mit einer Präklusionsfrist nach § 106a Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbundenen Aufforderung des Sozialgerichts (SG) Bremen, für den Streitzeitraum den Vordruck Anlage EKS mit Belegen über sämtliche Betriebseinnahmen und -ausgaben vorzulegen, ist der Kläger nicht nachgekommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2022 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Beklagte nach den für der Leistungszeitraum weiter anwendbaren Vorschrift des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (alter Fassung) i. V. m. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) berechtigt gewesen sei, nach erfolgter vorläufiger Leistungsgewährung, deren Rechtmäßigkeit wegen der Bestandskraft der diesbezüglichen Bescheide nicht mehr zu prüfen sei, über die Leistungsansprüche abschließend zu entscheiden und von dem Kläger die Erstattung der überzahlten vorläufigen Leistungen zu verlangen. Der Beklagte habe dem Kläger im Rahmen der abschließenden Entscheidung zu Recht keine Leistungen bewilligt, da der Kläger im Streitzeitraum nicht hilfebedürftig gewesen sei. Dabei könne die Richtigkeit der von dem Beklagten vorgenommenen Schätzung des Einkommens dahinstehen. Jedenfalls lasse sich die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Der Kläger habe seine Einkommensverhältnisse im Streitzeitraum nicht offengelegt, insbesondere habe er zu keinem Zeitpunkt Angaben zu den erzielten Betriebseinnahmen aus der Tätigkeit als Detektiv gemacht. Er habe weder die wiederholt angeforderte Anlage EKS vorgelegt noch Nachweise über die Betriebseinnahmen (Rechnungen, Zahlungsbelege). Auch auf die entsprechende gerichtliche Aufforderung habe er nicht reagiert, ohne das hierfür nachvollziehbare Gründe ersichtlich oder vorgetragen seien. Die vorläufig gewährten Leistungen müsse der Kläger daher in voller Höhe erstatten (§ 328 Abs. 3 S. 2 SGB III), ohne dass er sich auf Vertrauensschutz berufen könne.

Gegen den ihm am 18. Mai 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. Juni 2022 Berufung eingelegt, die er nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 17. Mai 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 14. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2016 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum von März bis August 2014 Leistungen in der vorläufig bewilligten Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 hat der Senat die Berufung auf den Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senatsvorsitzende als zuständiger Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG), ist nicht begründet.

Das SG hat die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen für den Bewilligungszeitraum von März bis August 2014 keine Leistungsansprüche nach dem SGB II zu. Die für diesen Zeitraum vorläufig gewährten Leistungen muss er daher erstatten. Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Begründung ab.

Soweit der Kläger die von dem Beklagten im Rahmen der Schätzung in Ansatz gebrachten Betriebseinnahmen in der mündlichen Verhandlung hat unstreitig stellen lassen, bindet diese Erklärung das Gericht nicht (§ 103 S. 2 SGG; vgl. hierzu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 58/08 R - juris Rn. 12). In Ermangelung jeglicher Angaben des Klägers oder sonstiger Erkenntnisse zu den im Streitzeitraum tatsächlich erzielten Betriebseinnahmen kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Beklagten auf der Grundlage von § 3 Abs. 6 Alg II-V vorgenommene Einkommensschätzung zuungunsten der Klägers erfolgt ist. Da die Höhe der Betriebseinnahmen als völlig offen bezeichnet werden muss, kann dahinstehen, welche Betriebsausgaben in Abzug zu bringen wären. Mit dem SG hält der Senat angesichts der Weigerung des Klägers, Angaben zu seinen Betriebseinnahmen zu machen, die Hilfebedürftigkeit nicht für nachgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.