Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 08.01.2024, Az.: 2 A 276/22
Genehmigung; Totenfürsorge; Totenruhe; Umbettung; wichtiger Grund; Anspruch auf Genehmigung einer Umbettung (verneint)
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.01.2024
- Aktenzeichen
- 2 A 276/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 25294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2024:0108.2A276.22.00
Rechtsgrundlagen
- GG Art. 1
- NBestattG § 15
Amtlicher Leitsatz
Wenn weder ein ausdrückliches noch ein mutmaßliches Einverständnis des Verstorbenen mit einer Umbettung vorliegt, kommt es für das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" auf eine Abwägung des Interesses des Totenfürsorgeberechtigten mit dem Schutz der Totenruhe an. Aufgrund der Bedeutung des Schutzes der Totenruhe kommt ein Anspruch auf Genehmigung einer Umbettung nur in Ausnahmefällen in Betracht.
[Tatbestand]
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Genehmigung für die Umbettung der sterblichen Überreste seines verstorbenen Vaters.
Der Kläger ist Sohn und alleiniger Gesamtrechtsnachfolger des am 31. März 2022 verstorbenen Herrn F.. Mit diesem lebte er bis zum Tod des Vaters in häuslicher Gemeinschaft. Der Kläger leidet nach eigenen Angaben unter einer Stoffwechselkrankheit, die seine kognitiven Fähigkeiten nicht beeinträchtige, jedoch Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozesse verlangsamen könne. Diese Erkrankung könne in Stresssituationen zur mentalen Überforderung führen.
Zum Zeitpunkt seines Todes war der Verstorbene seit mehr als 2 3/4 Jahren in einer Beziehung mit der Beigeladenen, ohne mit dieser zusammenzuwohnen. Der Kläger unterschrieb nach dem Tod seines Vaters eine Vollmacht für die Beigeladene, durch die diese bevollmächtigt wurde, die Beerdigung des Verstorbenen für den Kläger zu organisieren. Anordnungen des Verstorbenen, in denen Art und Ort einer Bestattung getroffen wurden, bestanden nicht.
Im April 2022 wurde der Verstorbene auf dem Friedhof in D-Stadt beigesetzt.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2022 beantragte der Kläger beim Beklagten die Umbettung seines Vaters vom Friedhof D-Stadt auf den Friedhof A-Stadt. Er sei aufgrund seiner Stoffwechselerkrankung mit einer Behinderung von 40 % eingruppiert. Er sei zwar offiziell voll geschäftsfähig, aber geistig und intellektuell etwas zurück. Er könne viele Dinge erst spät erfassen und Konsequenzen nicht sofort erkennen. Er sei einen Tag, nachdem sein Vater verstorben sei, von der Freundin seines Vaters überredet worden, ein Schriftstück zu unterschreiben, welches ihr erlaubt habe, die Beerdigungsformalitäten zu regeln. Gleichzeitig sei ihm eingeredet worden, er könne im Herzen trauern und sein Vater würde in D-Stadt besser liegen. In diesem Moment habe er den Tod seines Vaters noch nicht realisiert. Er habe die Konsequenzen gar nicht verstanden. Jetzt sei dieser weit entfernt von seinem Heimatort beerdigt, der Weg dorthin sei für ihn kaum möglich. Er sei seit der Beerdigung erst einmal mit seiner Mutter zusammen dort gewesen. Sein Vater sei in A-Stadt geboren und habe bis zu seinem Tod dort zusammen mit ihm im eigenem Haus gewohnt. Er habe seine Freunde und Bekannten dort. Er habe sich angesichts seines plötzlichen und frühen Todes nicht dahingehend geäußert, dass er woanders hätte beerdigt werden wollen als da, wo er - der Kläger als sein Sohn -, seine Familie und seine Freunde sowie sein Heimatort seien.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2022, das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, lehnte der Beklagte den Antrag auf Umbettung ab. Die Genehmigung für eine Umbettung könne nur erteilt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Als wichtiger Grund sei in diesem Zusammenhang in erster Linie die Erfüllung des Willens der verstorbenen Person hinsichtlich Art und Ort der Bestattung anzusehen. Der Ablauf und der Ort der Bestattung seien aber zwischen dem Kläger und der Lebensabschnittsgefährtin des Vaters abgesprochen gewesen und es könne davon ausgegangen werden, dass es im Sinne der verstorbenen Person gewesen sei. Da der Kläger mobil sei und einen eigenen Pkw besitze, sei der Fahrweg nach D-Stadt für ihn zumutbar. Die vorgenommene Beisetzung seines Vaters habe wohl dem Sinne des Verstorbenen entsprochen. Eine andere Willensbekundigung seines Vaters liege nicht vor. Der ungestörten Totenruhe sei deshalb der Vorrang einzuräumen vor seinem vorgetragenen Interesse der räumlichen Nähe zum Grab.
Mit Datum vom 15. Juli 2022 beantragte der Kläger nochmals ausdrücklich die Umbettung und legte rein vorsorglich Widerspruch zu dem Ablehnungsbescheid ein. Die Verweigerung der Genehmigung sei rechtswidrig, da ein wichtiger Grund für die Umbettung vorliege. Seinem familiär geprägten Interesse an der räumlichen Nähe zu seinem verstorbenen Vater und auch dem mutmaßlichen Interesse des Verstorbenen sei Vorrang vor einer vermeintlichen Störung der Totenruhe einzuräumen. Der Beklagte gehe fehlerhaft davon aus, dass die Beerdigung des Verstorbenen in D-Stadt mit ihm von Seiten der ehemaligen Freundin des Vaters abgesprochen gewesen sei. Eine diesbezügliche Absprache und ein explizites Einverständnis zur Beisetzung in D-Stadt habe es nicht gegeben. Er sei mit der Situation nach dem Tod seines Vaters überfordert gewesen. Er, der Kläger, habe aufgrund seiner Erkrankung für den Vater den Lebensmittelpunkt dargestellt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergebe sich aus der Gesamtbetrachtung der Lebensweise und der Fürsorge des Verstorbenen dessen tatsächlicher Wille, eine Ruhestätte in räumlicher Nähe zu ihm zu finden, was eine Beerdigung in A-Stadt als regelmäßigen und gewöhnlichen Aufenthaltsort, Lebensmittelpunkt und vor allem in der nächsten Nähe zu ihm geradezu zwingend erscheinen lasse.
Mit Bescheid vom 8. August 2022 lehnte der Beklagte den Antrag auf Umbettung ab. Es fehle an einem wichtigen Grund für die Umbettung. Als wichtiger Grund sei in erster Linie die Verwirklichung des wahren Willens der verstorbenen Person hinsichtlich Art und Ort ihrer Bestattung anzusehen. Wenn etwa eine verstorbene Person eine Bestattung in der Weise wünsche, dass der Bestattungsort sich in der räumlichen Nähe der nächsten Angehörigen befinde und dies auch für den Fall eines Umzuges gelten solle, sei das Vorliegen eines wichtigen Grundes anzunehmen. Ohne eine derartige Willensbekundung reiche es für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 15 NBestattG nicht aus, dass durch die Umbettung Erschwerungen beim Aufsuchen des Grabs durch trauernde Angehörige beseitigt werden sollen. Der Verstorbene habe zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis zu einer Umbettung nicht erklärt. Die Tatsachen und Umstände, das die vorgenommene Beisetzung des Sargs am derzeitigen Ort dem Willen des Verstorbenen nicht entsprochen habe, sei nicht mit hinreichender Sicherheit gegeben. Deshalb sei der ungestörten Totenruhe der Vorrang einzuräumen vor dem vorgetragenen Interesse eines erleichterten Zugangs zur Grabstätte durch eine Umbettung. Der Kläger habe zudem mitgeteilt, dass er nach dem Tod des Vaters der Freundin des Verstorbenen ein schriftliches Einverständnis zur Beerdigung seines Vaters in D-Stadt unterschrieben habe.
Der Kläger hat am 9. September 2022 Klage erhoben.
Er trägt vor, die Beigeladene habe seine gesundheitliche Indisposition ausgenutzt, um ihn zu einer Einwilligung zur Beerdigung des Verstorbenen in D-Stadt zu bewegen. Mit der Kenntnis seiner Erkrankung habe die Beigeladene ihn bedrängt und ständig wiederholt, dass eine Beerdigung des Verstorbenen in D-Stadt richtig sei und er ja im Herzen trauern könne und der Verstorbene in D-Stadt besser aufgehoben sei. Vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der Emotionen, der geradezu brachial-energischen Ansprache durch die Beigeladene und der daraus resultierenden emotionalen Überforderung habe er sich der Forderung nach einer Beerdigung in D-Stadt ergeben. Die erteilte Zustimmung sei unwirksam, weil diese durch die bewusste Erzeugung emotionalen Drucks durch die Beigeladene und unter bewusster Ausnutzung seiner gesundheitlichen Indisposition erteilt worden sei. Der wichtige Grund nach § 15 Abs. 1 NBestattG ergebe sich aus seiner Sicht, nicht aus der Sicht des Beklagten. Der Beklagte dürfe nur feststellen, ob sich aus seiner - der Klägers - Sicht ein wichtiger Grund für eine Umbettung ergebe. Der Beklagte missachte die tiefe emotionale und menschliche Bindung zwischen ihm und dem Verstorbenen. Aus der Gesamtbetrachtung der Lebensweise und Fürsorge des Verstorbenen für ihn ergebe sich dessen tatsächlicher mutmaßlicher Wille, eine Ruhestätte in sehr räumlicher Nähe bei ihm zu finden, was eine Umbettung nach A-Stadt als regelmäßigen und gewöhnlichen Aufenthaltsort sowie als Lebensmittelpunkt geradezu zwingend erscheinen lasse.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 21. Juni 2022 sowie vom 8. August 2022 zu verpflichten, die Umbettung des Herrn F. vom Friedhof in D-Stadt zum Friedhof in A-Stadt zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, durch die vom Kläger gemachten Angaben ergäben sich keine Gründe bzw. neuen Tatsachen, die zu einer abweichenden Bewertung führten.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass bestritten werde, sie habe den Kläger bedrängt, zuzustimmen, dass der Verstorbene in D-Stadt beerdigt werde. Vielmehr sei es so gewesen, dass im Rahmen eines Gesprächs zwischen ihr und dem Kläger eine Vereinbarung dahingehend getroffen worden sei, dass sie sich um die Beerdigung des Verstorbenen in D-Stadt kümmern solle. Diesbezüglich sei dann auch vom Kläger die entsprechende Vollmacht, aufgrund derer sie überhaupt erst habe tätig werden können, unterzeichnet und ihr übergeben worden. Darüber hinaus habe sie zusammen mit dem Kläger bei der Firma Grabmale G. in E-Stadt sowohl die Umrandung des Grabes als auch den Grabstein für den Verstorbenen bestellt. Dies zeige, dass auch über den Tag ihrer Bevollmächtigung zur Organisation der Beerdigung in D-Stadt hinaus der Kläger mit der Bestattung des Verstorbenen in D-Stadt einverstanden gewesen sei. Warum sich der Kläger dann im Nachhinein anders entschieden habe bzw. wer ihn diesbezüglich beeinflusst habe, entziehe sich ihrer Kenntnis.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 8. Januar 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Genehmigung der Umbettung seines verstorbenen Vaters vom Friedhof in D-Stadt auf den Friedhof in A-Stadt. Die Ablehnung der Genehmigung war rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Vor Ablauf der Mindestruhezeit dürfen Leichen und Aschen verstorbener Menschen außer in den bundesrechtlich geregelten Fällen nur mit Genehmigung der unteren Gesundheitsbehörde ausgegraben oder umgebettet werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 NBestattG). Die Genehmigung darf nach Satz 2 dieser Vorschrift nur erteilt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Anforderungen an das Vorliegen eines die Umbettung vor Ablauf der Ruhezeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 NBestattG ausnahmsweise gestattenden wichtigen Grundes sind in Abhängigkeit von dem mit der Ruhezeit verfolgten Zweck zu bestimmen. Die Ruhezeit soll bei Erdbestattungen eine ausreichende Verwesung der Leiche gewährleisten und sowohl bei Erd- als auch bei Feuerbestattungen eine angemessene Totenehrung ermöglichen. (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 19.3.2018 - 4 ZB 16.2301 -, juris Rn. 12 m.w.N.). Letztgenannter Zweck dient nicht nur der Achtung der kollektiven Ehrfurcht vor dem Tod und der Achtung des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit (vgl. § 1 NBestattG), sondern maßgeblich auch dem - durch das individuelle postmortale Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde des Verstorbenen verfassungsrechtlich geforderten - Schutz der Totenruhe (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.8.2014 - 8 LA 71/14 -, juris Rn. 8).
Der unbestimmte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes, der einer vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen. Ein Grund ist nur dann "wichtig", wenn das ihn tragende Interesse den Schutz der Totenruhe überwiegt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.8.2014 - 8 LA 71/14 -, juris Rn. 9). Dies kann angesichts der dargestellten verfassungsrechtlichen Verortung des Schutzes der Totenruhe nur in Ausnahmefällen angenommen werden, etwa wenn die Umbettung die Würde des Verstorbenen besser wahrt und seinem Willen besser Rechnung trägt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.8.2014 - 8 LA 71/14 -, juris Rn. 9 m.w.N.; Wedekind, Die Umbettung - eine bewegende Angelegenheit?, in: DVBl 2015, 1365 (1366)). Von der Rechtsprechung wird das Vorliegen eines Ausnahmefalles insbesondere angenommen, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der Umbettung erklärt hat ("ausdrücklicher Wille") oder zumindest Tatsachen und Umstände gegeben sind, aus denen ein dahingehender Wille des Verstorbenen mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden kann ("mutmaßlicher Wille"). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein mutmaßliches Einverständnis mit einer Umbettung bzw. ein mutmaßlicher Umbettungswille sich auch gerade auf die Umbettung als solche beziehen muss und im Falle eines nicht feststellbaren Einverständnisses nur die dritte Fallgruppe eröffnet ist (s.u.), bei welcher es sich im Kern um eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles handelt. Aus dem bekannten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen hinsichtlich eines bestimmten Bestattungsortes ergibt sich unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung demnach nicht etwa sogleich ein mutmaßlicher Umbettungswille und auch kein "Automatismus" zur Bejahung eines wichtigen Grundes, wenn der Wille keine Beachtung gefunden hat (vgl. VG Hannover, Urt. v. 3.7.2018 - 1 A 2108/16 -, juris Rn. 20 m.w.N.).
Lässt sich ein ausdrückliches oder mutmaßliches Einverständnis des Verstorbenen mit der Umbettung nicht feststellen, kommt es - drittens - unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalls darauf an, ob das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung nach allgemeiner Verkehrsauffassung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten muss. Ein wichtiger Grund kann insbesondere vorliegen, wenn den Angehörigen des Verstorbenen aufgrund zwingender persönlicher und auf einer atypischen, völlig unerwarteten Entwicklung ihrer Lebensumstände beruhenden und nicht zum allgemeinen Lebensrisiko jedes Angehörigen eines Verstorbenen gehörenden Umstände die Totenfürsorge in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.2015 - 8 LA 152/15 -, juris Rn. 11; VG Hannover, Urt. v. 3.7.2018 - 1 A 2108/16 -, juris Rn. 20 m.w.N.; Schmitt, Die Umbettung von sterblichen Überresten in der Praxis, in: DÖV 2019, 384 (385)). In letzterem Fall kann auch die Würde des Verstorbenen, die sich auch auf die Totenfürsorge wie Grabpflege und Totengedenken bezieht, nicht hinreichend zur Geltung kommen. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch der herrschenden sittlichen Auffassung entspricht und ob der Wunsch des Angehörigen auf andere Weise nicht erfüllt werden kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.7.2009 - 19 A 957/09 -, juris Rn. 26).
Sinnes- und Meinungsänderungen der Angehörigen stellen grundsätzlich keine unerwarteten Ereignisse dar, die sich gegen die Achtung der Totenruhe durchsetzen können, weil von volljährigen Angehörigen erwartet werden kann, dass sie sich rechtzeitig, d.h. vorher und nicht erst nachträglich, über Art und Ort der Bestattung ein abschließendes Urteil bilden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.11.2006 - 8 LA 128/06 - juris Rn. 7; Wedekind, Die Umbettung - eine bewegende Angelegenheit?, in: DVBl 2015, 1365 (1366 f.)). Überdies würde die Anerkennung solcher Veränderungen im subjektiven Bereich zur Folge haben, dass der vom Gesetz gewollte Schutz der Totenruhe ins Leere liefe. Denn das Schicksal der sterblichen Überreste unterläge somit der - gewillkürten - Disposition der totenfürsorgeberechtigten Angehörigen. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der Umbettung und der dargestellten Bedeutung der Totenruhe zuwider und könnte zu einem - unerwünschten - erheblichen Anstieg der Zahl der Umbettungen führen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.7.2009 - 19 A 957/09 - juris Rn. 38; VG Ansbach, Urt. v. 3.4.2020 - AN 4 K 18.01516 -, juris Rn. 45).
In Anwendung dieser Grundsätze liegt kein wichtiger Grund i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 NBestattG für eine Umbettung vor. Weder liegt ein ausdrückliches (1.) oder mutmaßliches Einverständnis (2.) des Verstorbenen mit einer Umbettung vor, noch ergibt sich aus einer Abwägung, dass sich das in der Totenfürsorge begründete Interesse des Klägers gegenüber der Totenruhe durchsetzt (3.).
1. Es besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass der Verstorbene keinen ausdrücklichen Willen hinsichtlich einer Umbettung geäußert hat.
2. Der Einzelrichter vermag auch nicht mit hinreichender Sicherheit von einem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen mit einer Ausgrabung, Überführung und erneuten Beisetzung seiner sterblichen Überreste auf dem Friedhof in A-Stadt auszugehen. Zwar erscheint es nach den schriftlichen Ausführungen sowie dem Eindruck des Einzelrichters aus der mündlichen Verhandlung durchaus möglich, dass eine Bestattung des Verstorbenen in seinem Heimatort A-Stadt, in dem er sein ganzes Leben gewohnt hat und in dem sein Sohn, der Kläger, weiterhin wohnt, naheliegender gewesen wäre und ggf. dem Wunsch des Verstorbenen eher entsprochen hätte. Aus diesen Umständen lässt sich jedoch nicht zugleich ableiten, dass der Verstorbene auch mit einer Umbettung für den Fall einverstanden gewesen wäre, dass sein mutmaßlicher Wunsch einer Bestattung in A-Stadt bei der Bestattung unberücksichtigt bleibt. Hierfür fehlen hinreichende Anhaltspunkte, zumal der Verstorbene nicht an einem beliebigen Ort bestattet wurde, sondern in dem Ort, in dem seine Partnerin, mit der er die letzten 2 3/4 Jahre vor seinem Tod eine Beziehung geführt hat, lebt. Der Kläger hat besondere Umstände, die auf einen mutmaßlichen Umbettungswillen des Verstorbenen schließen lassen könnten, nicht vorgetragen. Welche Einstellung der Verstorbene überhaupt zur Frage einer Umbettung hatte, lässt sich aus den vom Kläger angeführten Umständen nicht verlässlich ableiten. Denkbar wäre vielmehr auch, dass der Verstorbene für den Fall einer Bestattung in D-Stadt vorgezogen hätte, in dem Wohnort seiner Partnerin bestattet zu bleiben, statt eine Störung seiner Totenruhe zu erdulden und umgebettet zu werden.
3. Auch die Frage, ob das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nach allgemeiner Verkehrsauffassung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten muss, ist nach Auffassung des Einzelrichters zu verneinen, so dass sich auch aus der dritten Fallgruppe kein Anspruch des Klägers auf die Genehmigung der Umbettung durch den Beklagten ergibt. Entgegen der Ansicht des Klägers wird durch die Versagung der Umbettung sein Recht auf Totenfürsorge nicht in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht. Dies gilt unabhängig von der Frage, wie der Vollmachtsvertrag mit der Beigeladenen zustande gekommen ist, weshalb der Beweisanregung des Klägers auf Vernehmung der bei Erteilung der Vollmacht anwesenden Großmutter des Klägers nicht nachgekommen werden musste. Denn selbst wenn der Vollmachtsvertrag aufgrund der Erkrankung des Klägers und der Umstände, wie die Vollmacht unterschrieben worden ist, unwirksam oder anfechtbar sein sollte, müsste ein wichtiger Grund für das Umbettungsbegehren des Klägers vorliegen (vgl. VG Berlin, Urt. v. 18.2.2020 - 21 K 122.19 -, juris Rn. 14), an dem es hier fehlt. Eine möglicherweise ohne seine Zustimmung erfolgte Bestattung des Verstorbenen in D-Stadt führt für sich genommen nicht zu einem Anspruch auf Genehmigung der Umbettung.
Das Vorbringen des Klägers, dass er aufgrund seiner Erkrankung und der Entfernung zum Friedhof in D-Stadt die Grabstelle nur höchst selten besuchen könne und er deshalb bislang den Tod des Verstorbenen nicht richtig realisiert und verarbeitet habe, da er keinen Ort zum Trauern habe, vermag nicht zur Anerkennung eines wichtigen Grundes für die Umbettung führen. Eine - teilweise auch enorme - Entfernung der Grabstätte des Verstorbenen zum Wohnort des Totenfürsorgeberechtigten ist nicht so atypisch, dass - auch unter Berücksichtigung der Stoffwechselerkrankung des Klägers - eine andere Beurteilung geboten wäre (vgl. zu einer Entfernung von 250 bzw. 500 km zwischen dem Wohnort des Totenfürsorgeberechtigten und der Grabstätte nach einem Umzug: OVG NRW, Urt. v. 29.4.2008 - 19 A 2896/07 -, juris Rn. 35; Bay. VGH, Beschl. v. 19.3.2018 - 4 ZB 16.2301 -, juris Rn. 18; s. auch Schmitt, Die Umbettung von sterblichen Überresten in der Praxis, in: DÖV 2019, 384 (387)). Der Kläger hat nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass angesichts der Entfernung von rund 50 km Grabbesuche und Grabpflege, ggf. unter Einbeziehung professioneller Hilfe Dritter, gänzlich ausgeschlossen oder unter keinen Umständen mehr zumutbar wären (vgl. zu diesen Anforderungen: Bay. VGH, Beschl. v. 19.3.2018 - 4 ZB 16.2301 -, juris Rn. 18; Schmitt, Die Umbettung von sterblichen Überresten in der Praxis, in: DÖV 2019, 384 (388)). Selbst wenn der Kläger, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aufgrund seiner Erkrankung trotz eigenen Pkws und Führerscheins nicht in der Lage sein sollte, selbständig die Entfernung zur Grabstätte in D-Stadt zurückzulegen, erscheint es nicht unzumutbar, hierfür auf die Hilfe seiner Mutter, von Bekannten des in A-Stadt verwurzelten Vaters oder auf die Nutzung eines Taxis zurückzugreifen. Es ist jedenfalls nicht anhand medizinisch objektivierbarer Tatsachen dargelegt, warum der Gesundheitszustand des Klägers Besuche der Grabstätte unmöglich machen sollte und deshalb zwingend eine Umbettung seines Vaters an seinen Wohnort erfordern würde. Hinzu kommt, dass der Kläger zusammen mit der Beigeladenen über die Grabumrandung und den Grabstein entschieden hat, wodurch deutlich wird, dass seine Wünsche betreffend die Grabgestaltung berücksichtigt wurden und er somit sein Totenfürsorgerecht grundsätzlich ausüben konnte und kann. Die nachvollziehbaren Gründe, die der Kläger für die Umbettung seines Vaters nach A-Stadt vorgebracht hat, überwiegen nach Abwägung der widerstreitenden Interessen den Schutz der Totenruhe nicht. Dies gilt im Besonderen bei der hier in Rede stehenden Erdbestattung, wo eine Umbettung mit Blick auf den fortgeschrittenen Verwesungszustand zu Beschädigungen der sterblichen Überreste führen kann und die Totenruhe deshalb in besonderem Maß beeinträchtigt (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 19.3.2018 - 4 ZB 16.2301 -, juris Rn. 18 m.w.N.; Schmitt, Die Umbettung von sterblichen Überresten in der Praxis, in: DÖV 2019, 384 (388 f.)).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem erfolglos gebliebenen Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen. Denn die Beigeladene hat einen eigenen Antrag gestellt und ist damit ein Kostenrisiko eingegangen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.