Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.12.2023, Az.: 3 A 47/21

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
05.12.2023
Aktenzeichen
3 A 47/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 46781
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2023:1205.3A47.21.00

[Tatbestand]

Die 77-jährige Klägerin wendet sich gegen ihre Amtsenthebung als Äbtissin des evangelischen Klosters A-Stadt.

Sie wurde durch den Konvent des Klosters am 19. April 2001 zur Äbtissin gewählt. Der Beklagte bestätigte ihre Wahl und händigte die Ernennungsurkunde aus. Seit dem 11. Dezember 2001 übt die Klägerin auf Grundlage eines Dienstvertrages, der mit dem Kloster A-Stadt geschlossen wurde und keine Altersgrenze aufweist, die Dienstgeschäfte als Äbtissin aus, bewohnt im Kloster eine Wohnung und bezieht ein Entgelt.

Mit Schreiben vom 15. November 2018 stellte der Landeskommissar für die G. (im Folgenden: Landeskommissar), dessen Funktion durch den Präsidenten der Klosterkammer B-Stadt wahrgenommen wird, bei dem Beklagten den Antrag auf Enthebung der Klägerin aus ihrem Amt als Äbtissin. Er verwies zur Begründung auf einen Vermerk vom 8. Februar 2018 (Bl. 146 BA 1) und kündigte an, dass eine weitere Begründung folgen werde.

Der Vermerk vom 8. Februar 2018 beschreibt den "Sachstand" im Kloster A-Stadt. Unter der Überschrift "II. Umfeld 2 Entwicklung bis 2014" heißt es:

"Nach einigen Jahren ihrer Amtsführung zeigten sich erste Unschicklichkeiten: im März 2007 verweigerte sie eine Trauerfeier für ein Mitglied der Familie H. in der Klosterkirche [...]. Dies tat sie in einem weiteren Fall einer Trauerfeier für ein Mitglied der Familie I. [...]. Dies führte zu einer ausgesprochen negativen Resonanz vor Ort. In den Jahren 2011 bis 2014 verließen drei Konventualinnen das Kloster auf eigenen Wunsch. Mitte 2011 nahm eine Bewerberin für eine Klosterstelle bereits nach wenigen Wochen davon Abstand, sich als Konventualin in das Kloster aufnehmen zu lassen [...]. Hier zeigten sich erste Indizien dafür, dass Äbtissin A. nicht in der Lage war, ihr Amt angemessen zu versehen. Gegenwärtig [ist] gehören dem Konvent neben der Äbtissin lediglich zwei Konventualinnen, geboren 1941 und 1943, an. Einen weiteren Hinweis darauf, dass ein Konflikt zwischen Konvent und der Äbtissin vorliege, erhielt der Landeskommissar durch die E-Mail einer Klosterführerin vom 25. November 2013 [...]. Aus dieser Nachricht ergibt sich, dass die Klosterführerin von respekt- und würdelosen Ereignissen aus der Lebensgemeinschaft des Konvents erfahren habe, die sie dazu bewogen hätten, Konventualinnen eine Übernachtungsmöglichkeit in ihrem Haus für Notfälle anzubieten. Als weiterer Hinweis musste gewertet werden, dass die Äbtissin A. der Konventualin J. mit Schreiben vom 29. Juli 2012 unter Hinweis auf § 5 der Klosterordnung androhte, dass die Äbtissin erwäge, den Antrag auf Entzug der Klosterstelle der Konventualin J. zu stellen [...]. Dieses Vorhaben wurde von Äbtissin A. jedoch nicht weiterverfolgt."

Unter der Überschrift "III. Gegenwärtige Situation" wird ausgeführt:

"Vorwürfe im Zusammenhang der sogenannten Konventskasse/ Widerruf der Verleihung einer Klosterstelle an die Konventualin K.

- K. wird am 28. November 2014 als Konventualin eingeführt

- am 24. November 2014 berichtete die Konventualin K. direkt an den Landeskommissar per E-Mail über angebliches Fehlverhalten der Äbtissin, u.a. im Zusammenhang mit der sogenannten Konventskasse, über die die Äbtissin sich weigere, dem Konvent Rechnung zu legen

- der Konvent zog aufgrund der Entwicklung im Kloster die Anwaltskanzlei L. in Uelzen hinzu; [...]

- diese Vorwürfe vertieften das Zerwürfnis im Konvent und führten letztlich dazu, dass die Äbtissin am 25.07.2015 den Antrag nach § 5 Abs. 1 Klosterordnung stellte, die Verleihung der Klosterstelle an K. zu widerrufen

- MWK versuchte, eine einvernehmliche Klärung der Angelegenheit zu erreichen [...]

- Konventualin M. verzichtete mit Schreiben vom 28.04.2017 auf ihre Stelle im Kloster A-Stadt und lebt seit Anfang Mai 2017 im Kloster N.

- Zwischenzeitlich war seitens der Äbtissin bzw. seitens des Klosters A-Stadt (die Partei ist unklar) Untätigkeitsklage gegen MWK erhoben worden. Obwohl die Hauptsache durch Verzicht der Konventualin M. auf ihre Stelle im Kloster A-Stadt erledigt ist, steht die Erledigungserklärung seitens des Klägers aus."

Der Landeskommissar begründete den Antrag mit weiterem Schreiben vom 14. März 2019. Zur Begründung führte er aus, dass aus der kulturellen, kirchlichen und gesellschaftlichen Bedeutung des Klosters eine besondere Verpflichtung der Äbtissin des Klosters A-Stadt resultiere, "im Auftreten und Wandel auf den Zweck und das Ansehen des Klosters Bedacht zu nehmen (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 KO)". Die Organstellung der Klägerin erfordere in besonderer Weise und in höherem Maße als bei den Mitgliedern des Konvents (vgl. § 12 Abs. 1 KO) ein der jeweiligen Situation angemessenes, ausgeglichenes, souveränes und würdiges Verhalten. Die Klägerin habe mit ihren Äußerungen in ihrer Funktion als Äbtissin des Klosters A-Stadt jedoch gegenüber außerhalb des Konvents stehenden Personen, die sie z.T. presseöffentlich getätigt habe, gegen ihre Pflicht aus § 7 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 KO verstoßen und mit ihrem Verhalten dem Ansehen des Klosters A-Stadt geschadet. Die Klägerin sei in der Allgemeinen Zeitung der O. vom 26. Januar 2019 in einem Artikel unter der Überschrift "Ein Kampf ums Kloster" über den Umstand, dass nur noch eine Konventualin im Kloster lebe, dahingehend zitiert worden, dass die Klägerin "21 Frauen vor der Tür stehen [habe], die gerne kommen würden", doch "die Klosterkammer verschleppe die Sache; manche Anträge habe sie [die Klägerin] gar ungeprüft zurückerhalten". "Die Entscheidung, wer aufgenommen wird, liegt bei der Äbtissin". Mit nahezu identischem Inhalt sei die Klägerin in einem Artikel des P. vom 28. Januar 2019 und in einem Bericht der Q. -Zeitung vom 31. Januar 2019 zitiert worden. Die Klägerin habe sich dahingehend geäußert, dass die Klosterkammer dafür verantwortlich sei, dass außer der Klägerin nur noch eine Konventualin im Kloster lebe. Bei diesen Aussagen handele es sich um die wahrheitswidrige Behauptung, die Klosterkammer hintertreibe vorsätzlich die Aufnahme neuer Konventualinnen ins Kloster A-Stadt. Die Anträge seien in angemessener Zeit bearbeitet und beantwortet worden. Das Verhalten der Klägerin im Januar 2019 gegenüber der Presse sei geeignet gewesen, dem Ansehen und Ruf des Klosters erheblich zu schaden, indem der Eindruck in der Öffentlichkeit vermittelt worden sei, dass die Klosterkammer willkürlich die Aufnahme von Konventualinnen verhindert habe. Das stelle einen schweren Verstoß dar. Die Klägerin habe auf diese Weise offensichtlich einen bestehenden Konflikt mit dem Landeskommissar medial ausgetragen, anstelle ein ihrer Stellung entsprechendes Verhalten zu wählen.

Herr Pastor i.R. R. habe auf die Presse in der Allgemeinen Zeitung der O. mit einem Leserbrief vom 31. Januar 2019 reagiert, woraufhin die Klägerin zum Ausdruck gebracht habe, dass sie niemandem Rechenschaft schuldig sei und im Kloster alleine bestimme. Die Klägerin besitze ein unangemessenes Machtbewusstsein, das zu erheblichen Spannungen zwischen Konvent und Äbtissin geführt habe. Das sei auch der Grund dafür, dass Konventualinnen aus dem Kloster ausgezogen seien. Sie hätten die "Herrschaft der Äbtissin" nicht ertragen können. Das im Leserbrief und in Gesprächen geschilderte Verhalten der Klägerin sei ebenfalls als schwerer Verstoß i.S. der Klosterordnung zu werten.

Die Klägerin habe auf den Leserbrief des Pastors i.R. R. mit einem "Offenen Brief" vom 4. Februar 2019, der Inhalt eines Artikels in der Allgemeinen Zeitung der O. vom 5. Februar 2019 war, geantwortet. Dort habe die Klägerin davon gesprochen, dass im Kloster "Verrat und Verleumdung" herrsche. Dies schade dem Ansehen des Klosters, widerspreche den christlichen Traditionen und stelle einen schweren Verstoß gegen § 7 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 KO dar. Die Klägerin habe bei dem Abfassen des "Offenen Briefes" gewusst, dass sie dem Ansehen des Klosters schade.

Die Konventualin J. gab in einem Artikel im S. Kreisblatt "Einsam im Kloster" vom 2. Februar 2019 an, dass die Klägerin ihr den Mund mit den Worten "Halten Sie den Mund, das geht Sie nichts an" abgeschnitten habe. Die Konventualin H. erklärte in einem Leserbrief in der Allgemeinen Zeitung der O. vom 6. Februar 2019, dass die Klägerin ihr die Nutzung der Klosterkirche für eine Trauerfeier mit den Worten "da kann ja jeder kommen" verweigert habe. Die Klägerin sei "absolut selbstherrlich und frei von Empathie". Der Vorfall habe sich bereits im März 2007 ereignet und sei der Konventualin H. noch gut in Erinnerung geblieben. Auch eine weitere, ehemalige Konventualin wird in einem Leserbrief in der Allgemeinen Zeitung der O. vom 25. Februar 2019 wie folgt zitiert: "[...] Oder, wenn eine Äbtissin sich rühmt, sie sei rhetorisch so versiertʼ, dass sie ihr Gegenüber ʼplatt machenʼ könne, und als Beispiel für diese Redekunst darf man sich dann anhören: ʼSchalten Sie das nächste Mal Ihr Gehirn ein!ʼ". Daraus könne abgeleitet werden, dass die Klägerin als Vertreterin des Klosters im Umgang mit Dritten grundsätzlich einen Ton wähle, der ihrer Stellung vollkommen unangemessen und sehr verletzend sei. Dem könne die Klägerin nicht pauschal entgegenhalten, die beiden Konventualinnen hätten sie öffentlich beschimpft und verunglimpft.

Daneben seien die Verstöße hinsichtlich der sogenannten Konventskasse, Verstöße gegen die Pflicht zur Förderung der Lebensgemeinschaft der Konventualinnen und Pflichtverstöße im Zusammenhang mit dem Haushalt des Klosters A-Stadt zu nennen. Die Prüfungen der Jahresabschlüsse 2012 bis 2014 hätten erhebliche Beanstandungen ergeben. Der Landeskommissar habe zur Durchsetzung der Aufnahme der sogenannten Konventskasse in das Vermögensverzeichnis eine Verfügung vom 12. September 2016 erlassen.

Zudem habe die Zahl der Konventualinnen im Zeitraum von 2006 bis 2016 kontinuierlich abgenommen. Konventualinnen, die teilweise bis zu 10 Jahren im Kloster A-Stadt gewohnt hätten, seien von der Klägerin so weit gebracht worden, dass sie unter Tränen den Konventssaal und anschließend das Kloster verlassen hätten. Auch seien Bewerberinnen wieder gegangen, weil die Klägerin diesen bei Übernahme von Aufgaben "Inkompetenz und Dummheit" vorgeworfen habe. Das Verhalten der Klägerin sei dafür verantwortlich, dass die Konventualinnen T., U. und V. auf eigenen Wunsch das Kloster verlassen hätten.

Der Minister des Beklagten enthob die Klägerin ihres Amtes als Äbtissin mit Bescheid vom 5. September 2019 und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung stellte der Beklagte auf die z.T. presseöffentlichen Äußerungen der Klägerin, den wiederholt unangemessenen, unsouveränen und unwürdigen Umgang mit den Konventualinnen des Konvents und die mangelnde Umsetzung der Anordnung des Landeskommissars in Bezug auf die sogenannte Konventskasse ab. Mit Blick auf das Ansehen des Klosters A-Stadt seien die wiederholte und nachhaltige Missachtung der Amtspflichten als schwere Pflichtverstöße im Sinne des § 10 Abs. 5 KO zu werten. Auf eine Anhörung sei verzichtet worden, weil die Klägerin umfänglich zu den Vorgängen angehört worden sei und ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe.

Mit weiterem vom 5. September 2018 datierenden Schreiben ordnete der Beklagte an, dass die Amtsgeschäfte der A-Stadter Äbtissin am 17. September 2019 vorübergehend an die Präsidentin der Klosterkammer B-Stadt, Frau Dr. W., übergehen. Dieses Schreiben aus dem Jahr 2018 ist dem Kloster A-Stadt vorab per Telefax am Nachmittag des 16. September 2019 zugegangen. Aufgrund der Ermächtigung des Beklagten forderte der Landeskommissar den Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf, die Mandate des Klosters A-Stadt in den vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg anhängigen Klageverfahren 5 A 217/16, 5 A 296/16, 5 A 225/16, 5 A 409/17 und 5 A 284/16 unverzüglich niederzulegen.

Mit Schreiben vom 18. und 19. September 2019 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag zwischen dem Kloster und der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich fristlos mit sozialer Auslaufrist zum 31. März 2020, höchst hilfsweise ordentlich zum 31. März 2020 oder zum nächstzulässigen Termin. Zugleich forderte der Beklagte die Klägerin zur Räumung ihrer Wohnung auf.

Die Klägerin hat am 2. Oktober 2019 Klage erhoben und das Gericht am 18. September 2019 um vorläufigen Rechtsschutz - 5 B 56/19 - ersucht. Sie macht geltend, dass ihr der Antrag des Landeskommissars auf ihre Amtsenthebung, welcher vom 15. November 2018 datieren soll, nicht bekannt gewesen sei. Im Übrigen sei sie zu der Amtsenthebung nicht zuvor angehört worden. Der Beklagte habe bei seiner Entscheidungsfindung offenbar bewusst von der Wahrnehmung und Einbeziehung ihrer Sichtweise abgesehen. In der Sache habe sich der Beklagte ohne eigene Prüfung vollumfänglich der Sichtweise des Landeskommissars angeschlossen. Der Beklagte habe einzelne Verstöße gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. § 10 Klosterordnung, § 11 Abs. 2 Klosterordnung und § 12 Abs. 1 Klosterordnung angeführt, die "in der Gesamtbetrachtung insgesamt als schwer i. S. d. § 10 Abs. 5 S. 1 Klosterordnung zu bewerten" seien. Er habe folglich eine Gesamtbetrachtung vorgenommen, die dazu geführt habe, dass die Summe der einzelnen Verstöße als ein schwerer Pflichtverstoß zu werten sei. Dies reiche nach dem Wortlaut der Klosterordnung, die von der Mehrzahl von "schweren Verstößen" spreche, nicht aus. Darüber hinaus seien die Verstöße nicht hinreichend begründet. Es fehlten konkrete Tatsachengrundlagen, vielmehr würden lediglich Bewertungen aufgeführt. So bleibe offen, welche Aussagen die Klägerin in ihrer Funktion als Äbtissin getätigt haben soll, die dem Ansehen des Klosters A-Stadt geschadet hätten. Ferner sei der Vorwurf, ihre Äußerungen "z.T. presseöffentlich" gemacht zu haben, nicht näher konkretisiert. Der Beklagte lasse es an Fakten und Sachverhaltsangaben fehlen. Die Klägerin soll ferner gegen § 7 Abs. 1 i. V. m. § 10 Abs. 3 KO verstoßen haben, indem sie "mit ihrem Handeln die Konventsgemeinschaft an den Rand der Auflösung gebracht habe". Was der Klägerin insoweit vorgehalten werde, sei unklar. Es werde lediglich auf das Verlassen des Hauses durch einzelne Konventualinnen abgestellt, ohne den Vorgang in namentlicher oder zeitlicher Hinsicht einzuordnen. In Widerspruch dazu stehe der Vorhalt des Beklagten, dass sie die Aufnahme neuer Konventualinnen verhindere und sich nicht hinreichend angemessen der Pflege der Lebensgemeinschaft der Konventualinnen und des Ansehens des Klosters A-Stadt gewidmet habe. Auch insoweit sei es der Klägerin mangels konkreter Gegebenheiten nicht möglich, sich mit diesem Vorwurf auseinanderzusetzen. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Behauptung, die Klägerin sei im Kontext der Namen "J." und "M." "wiederholt [...] unangemessen, unsouverän und unwürdig aufgetreten". Die pauschalen Vorwürfe im Umgang mit der seit den 1950-er Jahren existierenden sogenannten Konventskasse, die im September 2015 geprüft worden ist, sei Gegenstand einer gesonderten Verfügung des Beklagten vom 15. Juni 2016. Gegen diese Verfügung habe die Klägerin ebenfalls Klage - 5 A 296/16 - erhoben, welche nach der Amtsenthebung der Klägerin durch den Beklagten zurückgenommen worden sei. Im Ergebnis werde der "Rauswurf" der Klägerin auf die Verletzung einzelner Klostervorschriften gestützt, ohne einen einlassungsfähigen Sachverhalt anzubieten. Ungeachtet dessen fehlten sämtliche Ausführungen zu einem Schuldvorwurf. Der Beklagte habe nicht angegeben, ob und inwieweit die Klägerin vorsätzlich bzw. fahrlässig gehandelt habe. Auch habe der Beklagte keine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung vollzogen. Es bleibe bei der Behauptung, die widerstreitenden Interessen ausreichend abgewogen zu haben. In formeller Hinsicht habe der Beklagte die Anhörung zwar nachgeholt. Doch habe er keine neue - bestätigende oder abändernde - Entscheidung auf der Grundlage der Stellungnahme der Klägerin getroffen. Damit verkomme die nachträgliche Anhörung zu einer bloßen "inhaltsleeren Förmelei" ohne Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 5. September 2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass er das Anhörungsverfahren nachgeholt habe. Die Anhörung der Klägerin habe nicht dazu geführt, die Sachlage anders zu beurteilen und den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe er in seiner Entscheidungsfindung alle erheblichen Belange berücksichtigt und gewürdigt. Im Vorfeld des Amtsenthebungsbescheides seien Gespräche geführt und alle Beteiligten mit dem Ziel einer Lösungsfindung mit einbezogen worden. Die Amtsenthebung sei gerechtfertigt. Die Klägerin habe schwere Pflichtverstöße als Äbtissin begangen, die eine zwangsweise Entfernung erfordern und auch rechtfertigen. Die Klägerin habe die Pflicht, zu einer funktionierenden Lebensgemeinschaft im Kloster beizutragen. Diesen Pflichten sei sie nicht gerecht geworden. Vielmehr habe sie durch ihr Auftreten die Lebensgemeinschaft im Kloster zerstört. Die Austritte aus dem Konvent sowie das Herantreten an die Presse als Erste unter Hinweis auf einen "Verrat im Kloster" zeigten, dass die Klägerin im Konfliktfall nicht in der Lage sei, die Lebensgemeinschaft trotz allfälliger menschlicher Konflikte aufrechtzuerhalten. Eine souveräne Äbtissin hätte im Fall menschlicher Konflikte nicht die Presse eingeschaltet, sondern das ausgleichende Gespräch mit den Konventualinnen gesucht. Konsequent hätten daher die Konventualinnen das Kloster nach und nach verlassen. Vor diesem Hintergrund wäre die Aufnahme neuer Konventualinnen nicht geeignet gewesen, die unzureichende Amtsführung der Klägerin auszugleichen. Es gehe der Klägerin nicht darum, eine gedeihliche Lebensgemeinschaft herzustellen, sondern eher darum, öffentlichkeitswirksam "Rache" zu üben. Das sei nicht nur zutiefst unchristlich, sondern zerstöre jegliche Grundlage einer gedeihlichen Lebensgemeinschaft im Konvent. Klarstellend werde festgestellt, dass jeder Verstoß für sich genommen schwer wiege. In einer Gesamtbetrachtung führten die Pflichtverstöße zu einer Nichttragbarkeit der Klägerin als Äbtissin des Klosters A-Stadt.

Das Gericht - 5. Kammer - hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid des Beklagten vom 5. September 2019 angeordnet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der (Amtsenthebungs-) Bescheid wegen einer unterbliebenen Anhörung der Klägerin voraussichtlich formell rechtswidrig sei.

Mit als Anhörung bezeichnetem Schreiben vom 15. Januar 2020 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, zur Amtsenthebung Stellung zu nehmen. Er kündigte an, etwaige Ausführungen der Klägerin bei der anschließenden Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 5. September 2019 berücksichtigen und würdigen zu wollen.

Das Klageverfahren ist aufgrund der Änderung des Geschäftsverteilungsplans zum 1. März 2021 an die 3. Kammer abgegeben worden und hat das o.a. Aktenzeichen erhalten. Die Beteiligten haben den Versuch einer Einigung unternommen, die letztlich nicht zustande gekommen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 5. September 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dem Beklagten steht nach der Klosterordnung nicht das Recht zu, die Klägerin des Amtes der Äbtissin des Klosters A-Stadt zu entheben.

Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere hat der Beklagte die Anhörung ordnungsgemäß im Sinne des § 45 Abs. 2 VwVfG nachgeholt. Die Heilung der unterbliebenen Anhörung im Verwaltungsverfahren ist eingetreten, weil die Funktion für den Entscheidungsprozess des Beklagten uneingeschränkt erreicht wurde. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nach Durchführung der Anhörung nicht verpflichtet, den Antrag des Landeskommissars auf Enthebung der Klägerin aus dem Amt der Äbtissin formal neu zu bescheiden. Eine Wiederholung des gesamten Verwaltungsverfahrens ist nicht erforderlich (BVerwG, Urt. v. 5.12.1986 - 4 C 13/85 -, juris Rn. 53). Es muss aber eine Prüfung der Frage stattfinden, ob auf Grund des Vorbringens in der Anhörung Anlass besteht, den bereits erlassenen Verwaltungsakt aufzuheben oder abzuändern. Der Nachweis, dass eine derartige Prüfung stattgefunden hat, muss von der Behörde erbracht werden (Kopp/Ramsauer-Ramsauer, VwVfG, 24. Auflage 2023, § 28 Rn. 84). Das ist hier der Fall. Der Beklagte durfte an seiner getroffenen Entscheidung festhalten, nachdem er die Klägerin schriftlich angehört und ihre Stellungnahme zur Kenntnis genommen und die sachliche Bedeutung für seine getroffene Entscheidung überprüft hat. Der Beklagte gab der Klägerin mit dem als Anhörung bezeichnetem Schreiben vom 15. Januar 2020 Gelegenheit, zu ihrer Enthebung aus dem Amt als Äbtissin im Kloster A-Stadt Stellung zu nehmen. Dabei machte er ausdrücklich deutlich, dass er die Rechtmäßigkeit seines Bescheids vom 5. September 2019 unter Berücksichtigung und Würdigung der Argumente der Klägerin prüfen werde. Auch teilte er schriftlich mit, dass die nachträgliche Prüfung des getroffenen Verwaltungsaktes anhand des Vorbringens der Klägerin zu keiner abweichenden Entscheidung führt. Folglich ist der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 2. Dezember 2019 - 5 B 56/19 - festgestellte gerügte Anhörungsmangel vor Erlass des Bescheides vom 5. September 2019 nachträglich geheilt worden.

Die streitgegenständliche Amtsenthebung ist jedoch materiell rechtswidrig. Der Beklagte durfte die Enthebung der Klägerin aus ihrem Amt als Äbtissin nicht auf § 10 Abs. 5 Satz 1 der Klosterordnung für das Kloster A-Stadt vom 24. August 1959 in der Fassung des Erlasses des Kultusministers zur Änderung der Klosterordnung für das Kloster A-Stadt vom 26. Juni /26. September 1972 - KO - stützen. Danach kann eine Äbtissin, wenn sie sich schwerer Verstöße gegen die ihr nach der Klosterordnung obliegenden Pflichten schuldig macht, auf Antrag des Landeskommissars durch den Niedersächsischen Kultusminister ihrer Stellung enthoben werden. Nach Satz 2 der Vorschrift scheidet sie in diesem Fall gleichzeitig auch aus dem Konvent des Klosters aus, sämtliche Leistungen des Klosters fallen ihr gegenüber in Zukunft fort. Die Frage, ob schwere Verstöße im Sinne der Vorschrift vorliegen, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Dem Beklagten steht insoweit ein Beurteilungsspielraum, der einer Vollprüfung durch das Gericht entgegenstünde, nicht zu. Die Kammer legt den unbestimmten Rechtsbegriff "schwerer Verstöße" dahingehend aus, dass mindestens zwei Verstöße gegen die Amtspflichten einer Äbtissin vorliegen müssen, die jeweils schwer wiegen und zumindest im Ergebnis die Amtsenthebung rechtfertigen.

Hier liegt zwar ein erforderlicher Antrag des Landeskommissars vor, doch sind zwei schwere Verstöße gegen die einer Äbtissin nach der Klosterordnung obliegenden Pflichten, welcher sich die Klägerin im Amt schuldig gemacht hat, nicht feststellbar. Die Kammer ist der Überzeugung, dass sich die Klägerin keines schweren (Pflichten-)Verstoßes schuldig gemacht hat. Das gilt unabhängig davon, ob das Gericht den Prüfungsumfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids beschränkt oder auf den im Antrag auf Enthebung der Klägerin aus ihrem Amt als Äbtissin vom 15. November 2018 beigefügten Vermerk vom 8. Februar 2018 und das spätere Begründungsschreiben vom 14. März 2019 ausweitet.

In Betracht kommt ein Verstoß der Klägerin gegen die Pflichten der Äbtissin nach § 12 Abs. 1 und § 10 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 KO. Nach § 12 Abs. 1 KO hat die Äbtissin über die Verpflichtungen der Konventualinnen hinaus die Aufgaben des Klosters zu fördern, insbesondere die Lebensgemeinschaft der Konventualinnen zu pflegen. Gemäß § 10 Abs. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 KO hat die Äbtissin die Verpflichtung, nach dem Maß ihrer Kräfte die Aufgaben des Klosters zu fördern und im Auftreten und Wandel auf den Zweck und das Ansehen des Klosters Bedacht zu nehmen.

Der dem Antrag auf Enthebung der Klägerin aus ihrem Amt als Äbtissin vom 15. November 2018 beigefügte Vermerk vom 8. Februar 2018 rechtfertigt nicht die streitgegenständliche Maßnahme. Der Landeskommissar beschreibt dort einzelne Begebenheiten, die viele Jahre zurückliegen und zuvor offensichtlich nicht Grund zu einer dienst- oder kirchen(aufsichts-)rechtlichen Beanstandung gegeben hatten. Bei den niedergelegten Sachverhalten ist das maßgebliche Fehlverhalten der Klägerin, insbesondere der ihr schuldhaft vorwerfbare Anteil an den negativen Folgen für das Ansehen des Klosters in der Öffentlichkeit, nicht hinreichend klar zu bestimmen. Auch gelangt die Kammer nach Auswertung der Verwaltungsakte zu dem Schluss, dass der Beklagte als (Rechts-)Aufsichtsbehörde eine nennenswerte Mitverantwortung für die Zustände vor Ort und die nicht erfolgte Aufnahme von Bewerberinnen in den Konvent trägt. Auch in Bezug auf das Zusammenleben im Kloster ist nach Studium der Beiakten festzustellen, dass die Gründe für die Unstimmigkeiten in der Lebensgemeinschaft des Konvents weder allein noch maßgeblich der Klägerin angelastet werden können. Insbesondere das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin, den verbliebenen Konventualinnen J. und X. sowie zum Landeskommissar tritt deutlich zu Tage. Diese - in den Verwaltungsakten dokumentierte - Gemengelage hat über zwei Jahrzehnte an Komplexität gewonnen. Der Beklagte vermochte nicht, belegbare Verfehlungen von einem schweren Gewicht aufzuzeigen, die eine Enthebung der Klägerin aus ihrem Amt als Äbtissin, das sie zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Amtsenthebung seit 17 Jahren ausgeübt hat, rechtfertigen können.

Die Verweigerung der Durchführung einer Trauerfeier für ein Mitglied der Familie von Y. in der Klosterkirche liegt zum Zeitpunkt der Antragstellung Ende des Jahres 2018 bereits etwa elf Jahre zurück. Nach der Darstellung des Beklagten sei die Klägerin dafür verantwortlich, dass diese Trauerfeier im März 2007 nicht habe durchgeführt werden dürfen. Derselbe Vorwurf wird der Klägerin bezüglich der Durchführung einer weiteren Trauerfeier für ein Mitglied der Familie I. gemacht. Diesbezüglich bleibt schon unklar, wann sich der zweite Vorfall zugetragen haben soll. In beiden Fällen werden die näheren Umstände, etwaige (sachliche) Beweggründe für die Entscheidungen der Klägerin sowie die negative Außenwirkung für das Kloster nicht konkret beschrieben. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es einen Beschluss des örtlichen Kirchenvorstands gegeben habe, der die Nutzung der Klosterkirche für Trauerfeiern untersage. An diesen Beschluss habe sich die Klägerin gehalten. Das hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Im Übrigen hat es sich nach dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bei dem Familienmitglied der Familie H. nicht um eine Konventualin gehandelt. Hinsichtlich der Wirkung nach außen wird im Vermerk lediglich von einer "negativen Resonanz vor Ort" gesprochen. Für die Kammer sind diese Schilderungen des Beklagten, die ein Fehlverhalten der Klägerin zwar unterstellen, aber nicht konkret belegen, jeweils und gemeinsam ungeeignet, einen schweren Verstoß im Sinne der Klosterordnung zu begründen.

Inwieweit der Umstand, dass die Konventualinnen Frau T., Frau U. und Frau V. in dem Zeitraum von 2011 bis 2014 das Kloster verlassen haben, einem Fehlverhalten der Klägerin anzulasten ist, wird im Vermerk des Beklagten nicht ausgeführt. Ganz im Gegenteil hebt der Beklagte ausdrücklich hervor, dass die Konventualinnen Frau T., Frau U. und Frau V. das Kloster "auf eigenen Wunsch verlassen" haben. Eine maßgebliche Einwirkung der Klägerin als Äbtissin kommt damit gerade nicht zum Ausdruck. Das gleiche gilt für die Feststellung des Beklagten, dass Mitte 2011 eine weitere Bewerberin für eine Klosterstelle bereits nach wenigen Wochen davon Abstand genommen habe, sich als Konventualin in das Kloster aufnehmen zu lassen. Dass dafür die Klägerin schuldhaft Verantwortung trägt, ist im Vermerk nicht ausgeführt. Dort heißt es lediglich, dass dies "erste Indizien [für die Annahme seien,] dass Äbtissin A. nicht in der Lage war, ihr Amt angemessen zu versehen". Der Beklagte selbst geht folglich eher von Indizien als von einem belegbaren Fehlverhalten der Klägerin aus, das für das Verlassen der drei Konventualinnen aus dem Kloster bzw. das Nichtantreten der Klosterstelle durch eine weitere Bewerberin zurechenbar kausal ist. Ungeachtet dessen hat die Klägerin in der Klagebegründung demgegenüber private Gründe der Konventualinnen angeführt, weshalb sie den Konvent verlassen haben sollen.

Auch im Zusammenhang mit der E-Mail einer Klosterführerin vom 25. November 2013, die von "respekt- und würdelosen Ereignissen aus der Lebensgemeinschaft erfahren habe", spricht der Beklagte in seinem Vermerk lediglich von einem weiteren "Hinweis" darauf, dass ein Konflikt zwischen dem Konvent und der Klägerin vorliegt. Auf dieser Tatsachengrundlage sieht die Kammer keine Veranlassung, die drei namentlich benannten Konventualinnen als Zeuginnen zu laden und sie zu den Motiven ihres Verlassens des Klosters zu befragen.

Soweit der Beklagte in der (nachträglichen) schriftlichen Begründung der Amtsenthebung vom 14. März 2019 anmerkt, dass die Zahl der Konventualinnen im Zeitraum von 2006 bis 2016 kontinuierlich abgenommen habe und Konventualinnen von der Klägerin so weit gebracht worden seien, dass sie unter Tränen den Konventssaal und anschließend das Kloster verlassen hätten, ist der Vorwurf zu pauschal. Die Kammer kann auf der Grundlage dieses Vortrags nicht zu der erforderlichen Überzeugung gelangen, dass die Klägerin gemessen an den Pflichten nach § 12 Abs. 1 KO ein der jeweiligen Situation unangemessenes, unausgeglichenes, unsouveränes und unwürdiges Verhalten an den Tag gelegt hat, das als schwerer Verstoß im Sinne des § 10 Abs. 5 KO zu werten wäre.

Das vermeintliche Fehlverhalten der Klägerin in Bezug auf die sogenannte Konventskasse ist ebenso wenig geeignet, einen schweren Verstoß im Sinne der Klosterordnung zu begründen. Es ist bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein Pflichtenverstoß vorliegt. Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der sogenannten Konventskasse um eine Sammlung privater Gelder der Konventualinnen für private Zwecke wie z.B. das Weihnachtsessen. Der Umstand, dass die Kasse ein nennenswertes Guthaben von knapp 40.000,00 € aufweist und auch Zuwendungen aus Erbschaften umfasst, belegt nicht das Gegenteil. Der Beklagte hat einen Beweis dafür, dass es sich um Gelder des Klosters handelt, die der Haushaltsordnung bzw. dem Vergaberecht unterliegen, nicht angetreten. Eine spezielle vermögensrechtliche Vorgabe für den Umgang mit der sogenannten Konventskasse gibt es nicht. Ein Verstoß gegen die Pflicht nach § 11 Abs. 2 KO wird der Klägerin vom Beklagten ausdrücklich nicht vorgeworfen. Danach hat die Klägerin als Äbtissin u.a. die - nicht näher spezifizierte - Aufgabe, als ordentliche Haushälterin über die Erhaltung und Vermehrung des Klostervermögens zu wachen. Ein Verstoß gegen diese Aufgabe ist für die Kammer, ungeachtet der Frage, was unter dem Begriff "wachen" zu verstehen ist, nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin über die Erhaltung und Vermehrung des Klostervermögens nicht gewacht habe, liegen nicht vor.

In dem Zusammenhang mit der sogenannten Konventskasse ist ferner anzumerken, dass es gerade der Landeskommissar war, der dafür Sorge getragen hat, dass ein eventueller Pflichtenverstoß der Klägerin nicht gerichtlich festgestellt worden ist. Die Beanstandung hinsichtlich der sogenannten Konventskasse war Gegenstand einer Verfügung des Landeskommissars vom 15. Juni 2016. Mit dieser aufsichtsrechtlichen Verfügung wollte der Landeskommissar u.a. durchsetzen, dass die Klägerin die sogenannte Konventskasse in das Vermögensverzeichnis aufnimmt. Der Landeskommissar hat die dagegen gerichtete verwaltungsgerichtliche Klage der Klägerin bzw. des Konvents - 5 A 296/16 - unmittelbar nach der mit Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgten Amtsenthebung der Klägerin und gleichzeitiger vertretungsweiser Wahrnehmung der Geschäfte des Klosters A-Stadt durch die Landeskommissarin, Frau Dr. W., selbst zurückgenommen. Zu einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Landeskommissars ist es daher nicht mehr gekommen.

Im Übrigen - die Entscheidung selbständig tragend - liegt bei Unterstellung eines Pflichtverstoßes im Hinblick auf den Umgang mit der sogenannten Konventskasse kein schwerer Verstoß im Sinne der Klosterordnung vor. Dabei ist zu Gunsten der Klägerin zum einen zu berücksichtigen, dass sowohl dem Kloster bzw. den Konventualinnen als auch dem Landeskommissar bekannt gewesen ist, dass es die sogenannte Konventskasse seit den 1950er Jahren gibt. Zum anderen beschränkt sich der sachliche Vorwurf des Beklagten auf die nicht erfolgte Aufnahme der sogenannte Konventskasse in das Vermögensverzeichnis und die fehlende Bereitschaft der Klägerin, dem Konvent Rechnungen vorzulegen. Eine Veruntreuung von Geldern der sogenannten Konventskasse oder ähnlich schwere Fehlverhalten sind der Klägerin nicht vorgeworfen worden. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das Guthaben der sogenannten Konventskasse auf einem Konto der Sparkasse angelegt sei sowie Einnahmen und Ausgaben belegt werden. Das hat der Beklagte weder bestritten noch den Gegenbeweis angetreten. Einen schweren Verstoß im Sinne der Klosterordnung kann die Kammer in Bezug auf den Umgang der Klägerin mit der sogenannten Konventskasse daher nicht erblicken. Diese Einschätzung wird ferner durch den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Z. GmbH) über die prüferische Durchsicht der Jahresrechnung des Klosters A-Stadt für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2015 vom 29. Mai 2017 und das Schreiben des Landeskommissars vom 28. März 2018 bestätigt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Z. GmbH ist aufgrund des Auftrags des Landeskommissars vom 18. Oktober 2016 tätig geworden und hat keine Beanstandungen festgestellt, die der Entlastung der Klägerin entgegenstehen. Insbesondere finden sich keine schriftlichen Beanstandungen hinsichtlich des Umgangs mit der sogenannten Konventskasse. Das hat der Präsident des Landeskommissars gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 28. März 2018 (Bl. 1 BA 2) ausdrücklich mitgeteilt. Dementsprechend hat der Landeskommissar die Entlastung für die Jahresrechnung 2015 erteilt und diese nur hinsichtlich der sogenannten Konventskasse, gestützt auf das anhängige - oben bereits angeführte - Klageverfahren - 5 A 296/16 -, sowie hinsichtlich der Ausgaben für Führungen und Konzerte eingeschränkt. In Bezug auf seine Auflage zu Ausgaben für Führungen und Konzerte wies er darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Auflage ebenfalls Gegenstand eines Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg - 5 A 409/17 - sei. Da auch dieses Klageverfahren nach der Amtsenthebung der Klägerin als Äbtissin durch Frau Dr. W. zurückgenommen worden ist, liegt auch insoweit keine gerichtliche Entscheidung vor. Dass der Sachverhalt zu der Auflage betreffend Ausgaben für Führungen und Konzerte einen schweren Verstoß im Sinne der Klosterordnung darstellt, hat der Beklagte selbst nicht vorgetragen. Für die im Antrag auf Amtsenthebung erhobene Behauptung des Landeskommissars, dass die Prüfungen der Jahresabschlüsse des Klosters A-Stadt für die Jahre 2012 bis 2014 erhebliche Beanstandungen ergeben hätten, gibt es in den Verwaltungsakten keine Anhaltspunkte. Auch die weiteren Prüfungsberichte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für die Folgehaushaltsjahre zeigen keine nennenswerten Beanstandungen auf.

Die im Schreiben vom 14. März 2019 enthaltene weitere Begründung des Amtsenthebungsantrags hinsichtlich des Vorwurfs, die Klägerin habe das Ansehen des Klosters zum Teil presseöffentlich geschädigt, betrifft im Januar und Februar 2019 veröffentlichte Zeitungsartikel. Dabei fällt zunächst ins Auge, dass diese Vorwürfe zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Amtsenthebung in November 2018 noch nicht vorgelegen haben, sondern erst nachträglich dazu getreten sind. Sie können denklogisch daher weder die Motivation für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahren gegen die Klägerin gegeben noch dieses sachlich begründet haben. Ferner sind die Inhalte im vorliegenden Fall nicht geeignet, schwere Verstöße im Sinne der Klosterordnung zu begründen. In diesen Artikeln der Tagespresse wird die Klägerin wie folgt zitiert: "Ich habe 21 Frauen vor der Tür stehen, die gerne kommen würden" (Allgemeine Zeitung der AA., Artikel "Ein Kampf ums Kloster" vom 26. Januar 2019; Artikel "Stirbt das Kloster aus" vom 26. Januar 2019). An anderer Stelle des Artikels wird, ohne ein Zitat der Klägerin kenntlich zu machen, fortgefahren: "Vor Wochen hat sie den Antrag weitergeleitet, berichtet Frau Äbtissin A., doch die Behörde verschleppe die Sache. Manche Anträge habe sie gar ungeprüft zurückerhalten." Zwar trifft die Auffassung des Beklagten zu, dass die Klägerin den "inneren Konflikt" in die Öffentlichkeit trägt, doch kann ein schwerer Schaden für das Ansehen des Klosters A-Stadt, der allein in die Verantwortung der Klägerin fällt, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles darin nicht erkannt werden. Zum einen räumte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein, dass die Klägerin wohl nicht als Erste die Presse aufgesucht habe, sondern die Initiative wahrscheinlich im Januar von einem Journalisten ausgegangen sei. Die Klägerin war daher nicht verantwortlich dafür, dass der "innere Konflikt" überhaupt in die Öffentlichkeit getragen wurde. Zum anderen ist die Art und Weise bzw. der Duktus der Worte, mit denen sie in dem Artikel zitiert wird, nach Auffassung der Kammer der Sachlage nach noch angemessen. Zitiert wird die Klägerin ausdrücklich nur hinsichtlich der Aussage: "Ich habe 21 Frauen vor der Tür stehen, die gerne kommen würden". Ob die Klägerin die Worte, dass die Klosterkammer "die Sache verschleppe", tatsächlich so gesagt hat, ist aufgrund des fehlenden Zitats fraglich. Selbst wenn die Worte so gefallen sein sollten, rechtfertigen sie nach den folgenden Ausführungen nicht die Feststellung eines schweren Pflichtverstoßes.

Die Fragen, wie viele Interessentinnen für eine Klosterstelle es seinerzeit gegeben hat und wie viele Anträge in welcher Zeit und mit welchem Ausgang von der Klosterkammer bearbeitet worden sind, sind zwar dem Tatsachenbeweis grundsätzlich zugänglich. Die Kammer könnte auf dieser Grundlage auch bewerten, ob der Beklagte die Aufnahmeanträge in angemessener Zeit bearbeitet und beantwortet habe. Doch ist die Beantwortung dieser Fragen nicht entscheidungserheblich, weil die Frage der Verantwortlichkeit davon zu trennen ist.

Zur hinreichenden Überzeugung der Kammer steht bereits fest, dass neben der Klägerin zumindest auch der Beklagte und die verbliebenen Konventualinnen eine Mitverantwortung daran tragen, dass neben der Klägerin viele Jahren nur zwei weitere Konventualinnen im Kloster lebten bzw. derzeit nur eine weitere Konventualin im Kloster lebt und weitere Bewerberinnen für eine Klosterstelle nicht aufgenommen worden sind. Denn der Beklagte gesteht in der Klageerwiderung eine Mitverantwortung für die unterbliebene Aufnahme von neuen Konventualinnen ein. Anders kann seine Einlassung, dass vor dem Hintergrund der menschlichen Konflikte im Konvent "die Aufnahme neuer Konventualinnen nicht geeignet gewesen [wäre], die unzureichende Amtsführung der Kläger auszugleichen", nicht verstanden werden. Das wird auch durch die Verwaltungsakte belegt. Danach untersagte der Landeskommissar - ausdrücklich unabhängig von dem Vorliegen der Aufnahmevoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 KO - mit Schreiben vom 1. März 2018 gegenüber der Klägerin "aufsichtlich" die Verleihung von Klosterstellen an Frau AB., Frau AC., Frau AD., Frau AE. und Frau AF. wegen "zum Teil erheblicher Bedenken", die die Konventualinnen gegen die Aufnahme der Bewerberinnen vorgetragen hätten. Zur weiteren Begründung führte er aus, dass der "bestehende Konflikt durch die Aufnahme nicht etwa beigelegt, sondern eher noch verschärft" würde. Laut des Protokolls der Konventssitzung des Klosters A-Stadt vom 20. Februar 2018 äußerten die Konventualinnen J. und X. gegen die Aufnahme aller fünf Bewerberinnen massive Kritik und sprachen sich hinsichtlich drei Bewerberinnen deutlich bzw. hinsichtlich zwei Bewerberinnen "eher nicht" für die Aufnahme aus. Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Klägerin auf die Pressevorwürfe ihr gegenüber in der geschehenen Art und Weise reagiert.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass auch die in der Presse erfolgte Zitierung der Klägerin mit den Worten "Die Entscheidung, wer aufgenommen wird, liegt bei der Äbtissin." (S. Kreisblatt, Artikel "Ein Kampf um das Kloster in A-Stadt" vom 28. Januar 2019) keinen schweren Verstoß im Sinne der Klosterordnung begründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist der Inhalt des Zitats in der Sache grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KO verleiht die Äbtissin nach Anhörung des Klosterkonvents die Klosterstellen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift wird die Verleihung erst rechtswirksam, wenn der Landeskommissar bestätigt hat, dass die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Verleihung der Klosterstelle vorliegen. Inwieweit der Beklagte zur Bestätigung der Aufnahme neuer Konventualinnen verpflichtet ist, ist Gegenstand des hier noch anhängigen Klageverfahrens - 3 A 373/21 -.

Der Umstand, dass die Klägerin sich zu dem Konflikt im Zusammenhang mit den "offenen Briefen" an Herrn Pastor R. öffentlich geäußert hat, stellt keinen Pflichtverstoß dar. Unterstellt, ein Pflichtverstoß läge vor, wäre er jedenfalls nicht als schwer einzustufen.

Hinsichtlich der Reaktion der Klägerin auf den in der Presse veröffentlichten Leserbrief von Pastor i.R. R. gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass bereits kein Pflichtenverstoß gegeben ist. Vielmehr durfte die Klägerin in ihrem Amt zur Aufrechterhaltung des Ansehens des Klosters im Wege von "offenen Briefen" presseöffentlich antworten. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wies in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hin, dass Pastor i.R. R. die Klägerin mit diesem Leserbrief "angeschossen" habe. Die Kammer teilt indes nicht die Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, dass die Klägerin nicht unter dem Briefkopf und als Äbtissin darauf auf gleichem presseöffentlichen Wege hätte antworten dürfen. Denn die in der Presse veröffentlichten Vorwürfe von Herrn Pastor i.R. R., die er in seiner Eigenschaft als Seelsorger erfahren haben möchte, würdigen die Klägerin in ihrer Amtswahrnehmung stark herab und schaden zugleich dem Ansehen des Klosters auf nicht unerhebliche Weise. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht die Klägerin, sondern der Pastor i.R. R. zuerst den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hat.

In der Allgemeinen Zeitung der O. wird der ehemalige Pastor dahingehend zitiert, dass "das Kloster in A-Stadt in seiner Würde und als Hüterin der wertvollen Traditionen erhalten bleibe, solange Dr. AG. für die Klosterkammer in B-Stadt bei seiner Feststellung bleibt und ihr vielleicht noch Nachdruck verleiht: ʼEin Neuanfang im Kloster A-Stadt ist nur mit einer neuen Äbtissin möglichʼ". Damit bringt der Pastor i.R. R. deutlich zum Ausdruck, dass die Klägerin als Äbtissin insbesondere der Würde des Klosters nicht zuträglich ist und ihr Amt für einen erforderlichen Neuanfang räumen müsse. An späterer Stelle seines Leserbriefes stellt er klar, dass die Klägerin als Äbtissin dafür verantwortlich sei, dass das Ansehen des Klosters über A-Stadt hinaus Schaden genommen und die Würde verloren habe. Er wirft der Klägerin als Äbtissin ein "unangemessenes Machtbewusstsein" vor, dass er durch das folgende Zitat der Klägerin, die im veröffentlichten Leserbrief als "Frau Äbtissin A." benannt wird, im Zusammenhang mit der Aufnahme neuer Konventualinnen belegt: "Hier bin ich niemanden Rechenschaft schuldig, hier bestimme ich". Des Weiteren bezeichnet er die Amtsführung der Klägerin als "Herrschaft", welche einzelne Konventualinnen nicht "ertragen" hätten und deshalb aus dem Kloster ausgezogen seien. Er beruft sich weiter auf "schockierende Schilderungen über den Umgang der Äbtissin mit den ihr Anvertrauten, die die Unfähigkeit von Frau A. belegen, eine christliche Lebensgemeinschaft zu leiten und zu prägen". Damit spricht der Pastor i.R. R. der Klägerin nicht nur die Fähigkeit ab, als Äbtissin ihre Aufgaben im Konvent wahrnehmen zu können, sondern unterstellt ihr erneut, dem Kloster zu schaden und einzelne Konventualinnen zur "Fluktuation" gebracht zu haben. Dabei kommt den Werturteilen des Pastors ein besonderes Gewicht zu, weil Herrn R. von der Öffentlichkeit wegen seiner 23-jährigen Tätigkeit als ehemaliger Pastor in A-Stadt eine gewisse Kenntnis der Verhältnisse vor Ort unterstellt wird und er seine Vorwürfe teilweise auf Berichte stützt, die ihm als Seelsorger (vertraulich) unmittelbar von betroffenen Konventualinnen zu Ohren gekommen sein sollen. Nicht zuletzt aufgrund seines Berufes als Pastor ist es überwiegend wahrscheinlich, dass ein Leser der Zeitung die Vorwürfe gegen die Amtsführung der Klägerin als zutreffend und als wahre Tatsachendarstellung einschätzt.

Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Äbtissin darauf auf gleichem Wege, nämlich öffentlich, mit "offenen" Briefen vom 4. Februar 2019 und 21. Februar 2019, antwortet. Dabei legt sie in ihrem Brief vom 4. Februar 2019 selbst ihre Betroffenheit und die Motivation für die Reaktion offen. Sie führt zu Beginn des Briefes aus, dass Herr R. ihr "öffentlich sehr schlimme Dinge vorgeworfen [habe], darum will ich Ihnen ebenso öffentlich antworten". Sie erwidert, dass sie seit mehreren Jahren "Verrat und Verleumdung" "in unserem Haus [erlebe]". Das wirft unzweifelhaft kein gutes Bild auf das Zusammenleben im Kloster, ist aber nach Überzeugung der Kammer im Hinblick auf die Art und Güte der Vorwürfe gegen sie als Äbtissin eine noch angemessene Form, sich in ihrem Amt zu verteidigen. Dabei ist zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass sie keine konkreten Personen auf Seiten des Landeskommissars bzw. des Konvents verantwortlich macht. Ferner ist die Klägerin - nachvollziehbar - persönlich und in ihrem Amt emotional betroffen. Darüber hinaus ist ihr zu Gute zu halten, dass sie auf Herrn Pastor i.R. R. zugeht, indem sie ihn zu einem persönlichen Gespräch einlädt, "in dem ich Ihnen einiges Material vorlegen kann, was in diesem Zusammenhang von Interesse sein könnte". Sie geht folglich sachlich nicht weiter öffentlich auf die Vorwürfe des Herrn R. ein und weitet die Vorwürfe durch beispielsweise Veröffentlichung von Material nicht aus. Aus dem Gesagten ist - die Entscheidung selbständig tragend - für den Fall, dass sich die Klägerin eines Pflichtverstoßes schuldig gemacht haben sollte, indem sie auf den Leserbrief von Herrn R. öffentlich geantwortet hat, der Verstoß nicht als schwer zu werten.

Das als "Offener Brief 2" bezeichnete Schreiben der Klägerin vom 21. Februar 2019, das ebenfalls unter dem Briefkopf des Klosters versandt wurde, rechtfertigt keine gegenteilige Entscheidung. In diesem Schreiben erläutert die Klägerin Modalitäten der Terminfindung für ein Gespräch mit Herrn R. und stellt klar, dass sie nur zu einem "Vier-Augen-Gespräch" zur Verfügung steht. Der Inhalt ist sachlich formuliert und geht auf die im Raum stehenden Vorwürfe nicht ein.

Ungeachtet der voranstehenden Ausführungen drängt sich der Kammer der Schluss auf, dass der stellvertretende Landeskommissar, Herr Abteilungsleiter Dr. AH., und die Konventualin M. gegenüber der Klägerin einheitliche Interessen vertreten haben. Gegen die eindeutigen Absichten der Konventualin M., der Klägerin zu schaden bzw. sie ihres Amtes zu entheben, hat Herr Dr. AH. keine klare Gegenposition ergriffen.

Mit E-Mail vom 14. Januar 2015 sendete die Konventualin M. dem stellvertretenden Landeskommissar "vertraulich" Neujahrsgrüße und äußerte den Verdacht, dass die Klägerin eine Sammlung für "Brot für die Welt" nicht in voller Höhe weitergeleitet habe. Sie fragt Herrn Dr. AH., "ob die Äbtissin gezwungen werden [kann], eine Abrechnung vorzulegen. Wir sind der festen Überzeugung, dass nicht alle Spenden weitergeleitet, bzw. die Kosten beliebig festgesetzt wurden. Der Wille besteht, eine Strafanzeige zu machen. Eine Auskunft von Ihnen vorab bzgl. der vorherigen Fragen, wäre sehr schön." Aus dem anschließenden Satz wird deutlich, dass die Konventualin M. bestrebt ist, Vorwürfe gegen die Klägerin zu sammeln und an den stellvertretenden Landeskommissar weiterzureichen. Dort heißt es: "Nun, Sie sehen - wir sammeln fleissig weiter Anhaltspunkte." Dabei macht die Konventualin M. im Folgenden deutlich, dass sie daran interessiert ist, die Klägerin zumindest emotional zu destabilisieren, sich dem Lager des stellvertretenden Landeskommissars zugehörig fühlt und sich dessen Unterstützung sicher ist. Frau M. schließt mit den Sätzen "Auch hoffen wir, ab Februar einiges unternehmen zu können bzgl. interner Vorgänge, das zumindest die Nerven der Äbtissin in Mitleidenschaft ziehen sollte. Wünschen Sie uns bitte weiterhin den Mut, eine gute Sache voranzutreiben, um dieses Kloster endlich von diesen destruktiven Kräften zu befreien. Vielen Dank." Frau M. verbleibt "Mit herzlichem Gruß Ihre K." und offenbart damit Ihre innere Verbundenheit mit dem stellvertretenden Landeskommissar. Herr Dr. AH. antwortet mit E-Mail vom 16. Januar 2015 und schreibt u.a. "Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine konkreteren Antworten geben kann. Seien Sie aber versichert, dass der Klosterkammer B-Stadt und auch mir persönlich die gute Zukunft von Kloster und Konvent A-Stadt sehr am Herzen liegen! Mit freundlichen Grüßen". Eine Distanzierung bzw. Missbilligung im Hinblick auf die Absichten der Konventualin M. lässt sich der Antwort des Abteilungsleiters nicht entnehmen. Laut der weiteren E-Mail vom 19. Januar 2015 hat Frau Peters diese Antwort vom 16. Januar 2015 als "ermunternde Nachricht" aufgefasst.

Ausweislich weiteren E-Mailverkehrs in den (Vor-)Jahren 2017 und 2018 bestand zwischen dem Abteilungsleiter Herrn Dr. AH. und der Konventualin AI. eine weitere Verbindung zum Kloster A-Stadt, die eine voreingenommene Einstellung des stellvertretenden Landeskommissars zu Lasten der Klägerin nahelegt. In der an den stellvertretenden Landeskommissar gerichteten E-Mail vom 9. Juli 2018 bedankt sich Frau J. bei Herrn Dr. AH. ausdrücklich dafür, dass

"alle Bewerberinnen seitens der Klosterkammer abgelehnt wurden - Frau Pastorin war darüber genauso glücklich wie ich". Darüber hinaus führt sie aus: "Alle sind von der ʼGastfreundschaftʼ und vom ʼLächelnʼ der Äbtissin begeistert. Auf Unverständnis aber reagieren Pastoren und viele ältere Einwohner von A-Stadt, dass hier im Kloster ein Wechsel der Äbtissin nicht möglich sei/ist. Mir fällt dazu immer nur ein Plakat ein auf dem zu lesen stand: ʼHinter dem Lächeln verbirgt sich das Böseʼ. Auch dass die Klosterordnung von 1952 und der etwas überarbeiteten Fassung aus den 70 Jahren eine Ablösung der Äbtissin nicht möglich macht. Hier ist dringend eine [eine] Überarbeitung seitens des Ministeriums und der Klosterkammer nötig".

Frau J. teilte dem stellvertretenden Landeskommissar bereits mit E-Mail vom 1. August 2017 mit, dass sie

"soeben aus dem Konvent gefeuert worden [ist]. Daher nehme ich an, Frau Äbtissin A. [wird] versuchen zu erreichen, dass mir der Klosterplatz offiziell aberkannt wird. Dies nur zu Ihrer Information - der gestrige Tag hat mir Spaß gemacht - Ihnen und allen Mitarbeitern die zum gestrigen Gelingen beigetragen haben, herzlichen Dank".

Die Kammer gewinnt bei dieser Sachlage die Überzeugung, dass der stellvertretende Landeskommissar positiv wusste, dass die Konventualin J. darauf hinwirkt, der Klägerin sowohl die Wahrnehmung des Amtes als Äbtissin zu erschweren, als auch, sie ihres Amtes zu entheben. Bei der Umsetzung dieses Ansinnens hat er zumindest keine Partei zu Gunsten der Klägerin ergriffen.

Auch der Umgang des Beklagten mit den Relegationsanträgen der Klägerin gegenüber den Konventualinnen J. und M. sind ein Indiz dafür, dass der Beklagte den Interessen der Klägerin aus eigener Interessenlage weder zeitgerecht noch angemessen nachgegangen ist. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2017 beantragte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, zunächst der Konventualin Frau J. die Klosterstelle im Kloster A-Stadt abzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Konventualin Frau J. wiederholt durch "verbale Attacken" Bewerberinnen davon abgehalten habe, dem Konvent beizutreten. Dies habe sie dadurch erwirkt, dass sie den Bewerberinnen mitgeteilt habe, dass sie nicht erwünscht seien, nicht im Konvent aufgenommen würden und sich eine andere Lebensgemeinschaft zu suchen hätten. Darüber hinaus habe sich die Konventualin Frau J. in einer E-Mail vom 17. April 2017 unter Verstoß gegen die Anforderung der Klosterordnung direkt an den stellvertretenden Landeskommissar, Herrn Dr. AH., gewandt und unter anderem auf die Möglichkeit der Ablösung der Klägerin als Äbtissin hingewiesen. Der Relegationsantrag ist bis zum Jahr 2018 nicht beschieden worden. Ein Mitarbeiter des Beklagten, Herr Dr. AJ., teilte dem Prozessvertreter der Klägerin mit E-Mails vom 26./ 31. Januar 2018 mit, dass die Bearbeitung des Antrags der Klägerin vom 1. Oktober 2017 Frau Dr. W. obliege, weil sie die Klägerin, die seit Oktober 2017 arbeitsunfähig erkrankt sei, vertrete.

Dieses Verhalten des Beklagten steht im Einklang mit seinem Umgang mit dem Relegationsantrag der Klägerin aus dem Jahr 2015, der Konventualin M. die Verleihung der Klosterstelle A-Stadt zu widerrufen, und bekräftigt den gewonnenen Eindruck der Kammer. Bereits am 25. Juli 2015 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Relegationsantrag gegen die Konventualin K., der trotz wiederholter Erinnerungen durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber der Klosterkammer und der Ministerin persönlich/vertraulich nicht beschieden worden ist. Die Klägerin erhob am 29. September 2016 gegen den Beklagten eine sogenannte Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Lüneburg - 5 A 284/16 - und machte am 16. August 2017 eine Eingabe bei dem Ministerpräsidenten AK.. Mit Klageerwiderung vom 22. Mai 2017 erklärte der Beklagte, dass die Konventualin Frau M. am 28. April 2017 wirksam aus dem Kloster A-Stadt ausgetreten sei. Die Klosterkammer habe Frau M. mit Wirkung zum 1. Mai 2017 eine Klosterstelle im Kloster AL. unter der Bedingung verliehen, dass sie auf die ihr im November 2013 im Kloster A-Stadt verliehene Stelle rechtswirksam verzichte. Das habe die Konventualin M. mit "Kündigung" vom 28. April 2017 getan, was der Beklagte als wirksamen Austritt aus dem Kloster A-Stadt wertete. Der Beklagte führte aus, dass die Klägerin einerseits gerichtlich verlange, die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag vom 25. Juli 2015 auf Widerruf der Verleihung der Klosterstelle an Frau M. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, und andererseits den Austritt von Frau M. nicht akzeptiere. Der Beklagte erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Das Klageverfahren ist daraufhin ebenfalls ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden.

Dem Verwaltungsvorgang kann die Kammer zudem entnehmen, dass der Beklagte im Jahr 2017 und erneut Anfang des Jahres 2018 Wege gesucht hat, die Klägerin ihres Postens als Äbtissin zu entheben. Dabei ist er selbst davon ausgegangen, dass insbesondere die Vorfälle zwischen der Klägerin und den Konventualinnen in Bezug auf die Störung der Lebensgemeinschaft im Kloster keine schweren Verstöße im Sinne der Klosterordnung begründeten, die eine Amtsenthebung der Klägerin rechtfertigen könnten.

Der Beklagte in Person von Herrn Dr. AJ. antwortete mit Schreiben vom 23. Mai 2017 auf die Anregung der Klosterkammer vom 3. Mai 2017, die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Äbtissin A. zu prüfen. Zur Sach- und Rechtslage führte er aus, dass die Äbtissin A. ihres Amtes nur entbunden werden könne, wenn sie aufgrund ihres Alters bzw. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, das Amt auszuüben oder sie sich schwerer Verstöße gegen die die ihr nach der Klosterordnung obliegenden Pflichten schuldig gemacht habe. Er stellte fest, dass hierfür keine begründeten Anhaltspunkte bestünden und führte aus:

"Eine Altersgrenze für die Ausübung des Amtes - Äbtissin A. hat am 22. Februar 2017 ihr 71. Lebensjahr vollendet - sieht die Klosterordnung für das Kloster A-Stadt nicht vor. Körperliche Gebrechen sind nicht bekannt. Ungeschicklichkeiten im Umgang mit den Konventualinnen - etwa Verweigerung der Entgegennahme der Kündigung der Konventualin M., nachdem sie zunächst deren Entfernung aus dem Kloster gefordert hatte - stellen keinen schweren Pflichtverstoß dar, auch wenn sie das Zusammenleben im Kloster erschweren".

Der Beklagte hob in einem Vermerk vom 5. Mai 2017 in Person von Herrn AM. deutlich hervor, dass der Prüfauftrag des Herrn Kammerdirektor AN. vom 3. Mai 2017, die Amtsenthebung von Äbtissin A. zu prüfen, kein "ordnungsgemäß (begründeter) Antrag" sei. Herr AM. stellt im Zusammenhang mit in einer E-Mail von Frau M. geschilderten Vorkommnissen klar, dass

"Im Einzelnen Verstöße vorliegen [mögen]. Allerdings sieht sich der Unterzeichner nicht in der Lage, diese als schwerwiegend zu bezeichnen. Es zeigt sich lediglich, dass das Verhalten der Äbtissin dem Kloster insgesamt nicht zuträglich ist. Ob die Äbtissin der Pflege der Lebensgemeinschaft der Konventualinnen noch hinreichend nachkommt, ist zweifelhaft."

Er äußerte sogar ein gewisses Verständnis dafür, dass die Klägerin die Entgegennahme der Kündigung von Frau M. verweigert hat. Denn

"eine Kündigung rechtlich überprüfen zu wollen, mag im Hinblick auf die Situation verständlich sein" (Bl. 499 BA).

Einen schweren Verstoß kann er jedenfalls nicht erblicken. Im Übrigen stellt er heraus, dass

"die Qualität der bislang von der Klosterkammer übermittelten Tatsachengrundlagen ihrer ʼAnregungenʼ sich in der Vergangenheit auch als wenig belastbar dargestellt [hat]. Die von der Klosterkammer vorgetragenen Verstöße (z.B. ʼZahnersatzʼ, ʼGewächshausʼ) stellten sich im Nachhinein als unzutreffend oder unvollständig dar".

An dieser Einschätzung hielt der Beklagte ausweislich des von Herrn Dr. AJ. gefertigten Vermerks des Beklagten vom 10. Januar 2018 auch im Folgejahr fest. Der Vermerk legte die rechtliche Bewertung der Frage einer Amtsenthebung der Äbtissin des Klosters A-Stadt als Ergänzung der Vorbereitung des Gesprächs des Herrn Ministers am 16. Januar 2018 der Klosterkammer nieder. Dort wird ausgeführt, dass die Klägerin am 22. Februar 2018 das 72. Lebensjahr erreiche. Da eine Altersgrenze weder vertraglich vereinbart und noch in der Klosterordnung enthalten sei, käme nur eine Amtsenthebung oder eine vorübergehende kommissarische Vertretung und Verwaltung des Klosters nach Maßgabe der Klosterordnung in Betracht. Unter der Überschrift "Rechtliche Beurteilung einer Amtsenthebung" der Klägerin heißt es im Vermerk, dass

"nicht dargetan [sei], unter welchen gesundheitlichen Beeinträchtigung die Äbtissin leidet und welche Auswirkungen diese auf ihre Amtsführung haben. Ohne nähere Begründung kann das Amtsenthebungsverfahren gegen Äbtissin A. nicht eingeleitet werden".

Die Klägerin könne auch nach § 10 Abs. 5 KO von ihren Pflichten entbunden werden, wenn sie sich schwerer Verstöße gegen die ihr nach der Klosterordnung liegenden Pflichten schuldig macht. An dieser Stelle wiederholte der Beklagte seine Sach- und Rechtsauffassung vom 23. Mai 2017 und trug vor:

"Solche schweren Verstöße sind nicht ersichtlich. So stellen etwa Ungeschicklichkeiten Umgang mit den Konventualinnen - etwa Verweigerung der Entgegennahme der Kündigung der Konventualin M., nachdem sie zunächst deren Entfernung aus dem Kloster gefordert hatte - keinen schweren Pflichtenverstoß dar, auch wenn sie das Zusammenleben im Kloster erschweren" [...].

Vielmehr schlug Herr Dr. AJ. vor, Herr Minister möge anregen, dass

"die Klosterkammer - gegebenenfalls mit Unterstützung aus dem kirchlichen Bereich - auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages hinwirkt".

Dementsprechend besuchten der Landeskommissar und sein Stellvertreter die Klägerin im Kloster A-Stadt, um die Klägerin zum Rücktritt zu bewegen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Klägerin ein Aufhebungsvertrag übersandt worden, den sie nicht unterzeichnete.

Bei Gesamtbetrachtung dieser Umstände gelangt die Kammer nicht zu der Überzeugung, dass die Klägerin schwere Verstöße im Sinne der Klosterordnung begangen hat, die ihre Enthebung aus dem Amt der Äbtissin im Kloster A-Stadt rechtfertigen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.