Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.03.1995, Az.: SS 86/95

Zur Bestimmung des Schlachtgewichts von Schweinen erlaubte Zeitspanne; Verspätete Bestimmung des Schlachtgewichts von Rinderkörpern; Überschreitung der vorgeschriebenen Zeitspanne zwischen Tötung und Verwiegung von Tieren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
30.03.1995
Aktenzeichen
SS 86/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 29083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0330.SS86.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der 6. ViehFlGDV bzw. § 9 Abs. 1 Nr. 2 der 4. ViehFlGDV unmittelbar nach der Schlachtung vorzunehmende Bestimmung des Schlachtgewichts kann in einem Zeitraum bis zu einer Stunde erfolgen

Gründe

1

Die Bezirksregierung Weser-Ems hatte gegen die betroffene Firma wegen unzulässigen verspäteten Wiegens von Rinderkörpern nach der Schlachtung gemäß §§ 23 Abs. 1 Ziffer 10; Abs. 2; 14 c Abs. 1 des Viehfleischgesetzes, 9 Abs. 1 Ziffer 2 und 3 der 4. ViehFlGDV, § 1 Abs. 1 Ziffer 2 der 6. ViehFlGDV eine Geldbuße von 5.000,00 DM festgesetzt. Anläßlich zweier Betriebsprüfungen war festgestellt worden, daß die Zeitspanne zwischen Tötung und Verwiegung der Tiere 51, 52 und 59 Minuten betrug. Das Amtsgericht ist der Auffassung der Verwaltungsbehörde beigetreten und hat die betroffene Firma mit dem von jener angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 5.000,00 DM verurteilt, weil das Schlachtgewicht nicht unmittelbar nach der Schlachtung, jedenfalls nicht 45 Minuten danach festgestellt worden sei.

2

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der betroffenen Firma. Mit der Sachrüge wird insbesondere beanstandet, der Tatrichter habe den Begriff "unmittelbar nach der Schlachtung" rechtsfehlerhaft mit 45 Minuten bestimmt.

3

Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch.

4

Der betroffenen Firma stand ein Zeitraum bis zu einer Stunde zur Verfügung, um das Schlachtgewicht zu bestimmen. Diese Zeitspanne war in keinem der hier zu beurteilenden Fälle überschritten. Nach § 1 Abs. 1 Ziffer 2 der Verordnung über Abrechnung für außerhalb von Märkten gehandeltes Schlachtvieh (6. Vieh- und Fleischgesetz-Durchführungsverordnung, ViehFlGDV) ist das Schlachtgewicht der Schlachtkörper oder Hälften von Rindern... unmittelbar nach der Schlachtung festzustellen oder feststellen zu lassen, falls wie hier unter Berücksichtigung des Schlachtgewichts abgerechnet wird. Ziffer 1 dieser Regelung bestimmt, daß die Schlachtkörper unmittelbar nach der Schlachtung zu kennzeichnen sind. Gemäß § 9 Abs. 1 Ziffer 2 der 4. ViehFlGDV ist das Schlachtgewicht der Schlachtkörper oder Hälften von Rindern unmittelbar nach der Schlachtung festzustellen; entsprechendes gilt nach Ziffer 1 für die Kennzeichnung.

5

Der Begriff "unmittelbar nach der Schlachtung" ist in diesen Verordnungen nicht näher bestimmt. Der Tatrichter hat dazu die Verordnung über die gesetzlichen Handelsklassen für Schweinehälften herangezogen. Dort ist in § 2 Abs. 4 ausgeführt:

"Der Schlachtkörper wird möglichst nach der Schlachtung, spätestens aber 45 Minuten nach dem Stechen des Schweins gewogen".

6

Die entsprechende Anwendung der letztgenannten Vorschrift begegnet durchgreifenden Bedenken. Auch wenn die Formulierung "möglichst bald nach der Schlachtung" (vgl. § 2 Abs. 4 der Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Schweinehälften) einen größeren zeitlichen Spielraum als die Definition "unmittelbar nach der Schlachtung" zuläßt, führt dies nicht dazu, daß die für die Bestimmung des Schlachtgewichts von Schweinen erlaubte Zeitspanne von 45 Minuten auch bei Rindern zugrundezulegen ist. Hiergegen spricht bereits, daß gemäß § 3 Ziffer 1 der 6. ViehFlGDV vor dem Wiegen der Rinder umfangreichere Arbeiten als bei Schweinen (§ 3 Ziffer 3) zur Feststellung des Schlachtgewichts erforderlich sind (vgl. insoweit auch § 3 Abs. 5 Ziffer 1 bzw. Ziffer 3 der 4. ViehFlGDV).

7

Maßgeblich ist jedoch auf folgendes abzustellen:

8

Die Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Rindfleisch verhält sich zwar nur zur "Kennzeichnung" des Schlachtviehs und nicht zur Frage, ob - ggfs. wann - das Schlachtgewicht zu bestimmen ist. Aus § 4 Abs. 3 S. 1 der letztgenannten Verordnung ergibt sich jedoch, daß die Kennzeichnung "unmittelbar nach der Schlachtung" zu erfolgen hat. Dem entsprechen § 1 Ziffer 1 der 6. ViehFlGDV bzw. § 9 Abs. 1 Ziffer 1 der 4. ViehFlGDV. Der Begriff "unmittelbar nach der Schlachtung" ist - was die Identifizierung und Kennzeichnung anbelangt - in der EGVO Nr. 3441/91 vom 13. Februar 1991 und - in zeitlicher Hinsicht in der EGVO Nr. 2191/93 vom 27. Juli 1993 geregelt. In der letztgenannten Verordnung heißt es in Artikel 1 Ziffer 1 e: "Einteilung und Identifizierung erfolgen spätestens eine Stunde nach dem Beginn der Schlachtung". Damit ist der Begriff der Kennzeichnung "unmittelbar nach der Schlachtung" im Sinne des § 4 Abs. 3 der Verordnung über die gesetzlichen Handelsklassen für Rindfleisch ebenso wie der im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Ziffer 16. ViehFlGDV bzw. § 9 Abs. 1 Ziffer der 4. ViehFlGDV definiert.

9

Die Kennzeichnung muß danach spätestens eine Stunde nach dem Beginn der Schlachtung erfolgen.

10

Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die Kennzeichnungspflicht, sondern um die Bestimmung des Schlachtgewichts. Da der Verordnungsgeber für beide Maßnahmen aber jeweils den Begriff "unmittelbar nach der Schlachtung" verwandt hat, kann dieser nicht unterschiedlich beurteilt werden. Ein sachlicher Grund dafür ist nicht erkennbar.