Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.03.2021, Az.: 6 U 328/20

Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Kraftfahrzeug; Prüfstandserkennung und Thermofenster; Keine unzulässige Abschalteinrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.03.2021
Aktenzeichen
6 U 328/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 49791
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 09.11.2020 - AZ: 10 O 1964/20

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden CC, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Amtsgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2021 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 09.11.2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Wege deliktischen Schadensersatzes die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein von der Beklagten produziertes Kraftfahrzeug.

Der Kläger erwarb am 3.2.2018 bei dem Autohaus DD ein Fahrzeug Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (...) als Neuwagen zum Kaufpreis von 39.055,00 €.

Der Kaufpreis wurde bei der EE Bank finanziert. Als Sicherheit wurde das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug auf die Bank übertragen (siehe Anlagenband, Anlage K1a).

Die Beklagte ist Herstellerin des in dem Fahrzeug eingebauten Dieselmotor des Typs1, Abgasnorm EU 6. Das Fahrzeug ist mit AdBlue-Einspritzung/SCR-Katalysator ausgerüstet.

Bei dem Motortyp Typ1 handelt es sich um den Nachfolgemotor des Motor-Typs Typ2, welcher im Zentrum des sogenannten "Abgasskandals" stand, da der Motortyp Typ2 über eine Software verfügte, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und daraufhin so auf die Motorsteuerung in diesem Modus (1) einwirkt, dass geringere Stickoxide erreicht werden als im normalen Fahrbetrieb (Modus 0). Die entsprechende Software wurde vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft.

Ein Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch das KBA ist - unstreitig - nicht erfolgt.

Der Kläger hat behauptet, sein Fahrzeug sei ebenfalls von dem sogenannten "Abgasskandal" betroffen. Genauso wie der Motorentyp Typ2 sei der Motorentyp Typ1 erheblich mangelhaft, da auch hier die sogenannte Manipulationssoftware verwendet worden sei.

Der streitgegenständliche Motor verfüge über eine sogenannte Zykluserkennung. Dies sei eine Software, die erkenne, ob gerade ein Abgastest durchgeführt würde. Eine entsprechende Software sei auch bei den Fahrzeugen mit dem Motor Typ Typ2, welche Gegenstand des "Abgasskandals" gewesen seien, verbaut worden.

Es verfüge darüber hinaus über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten thermischen Fensters. Eine Funktion, die durch Aufwärmen des Abgassystems die Schadstoffe verringern solle springe war zwar während der genormten Prüfstandmessung an, im realen Verkehr sei die Funktion dagegen überwiegend aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgeschaltet.

Zudem sei bei dem Fahrzeug, welches über eine SCR Anlage verfüge, die eigentlich die Abgase von giftigen Stickoxiden bereinigen solle, deren Wirksamkeit unzulässig außer Kraft gesetzt worden. Das Fahrzeug erkenne, ob es auf einem Prüfstand stehe und nur dann würde ausreichend AdBlue eingespritzt. Dagegen würde im normalen Fahrbetrieb auf der Straße deutlich weniger AdBlue verwendet. Es handele sich dabei um eine Manipulation bei der Abgasnachbehandlung in Form einer unzulässigen Dosierstrategie.

Darüber hinaus habe die Beklagte über das On-Board-Diagnosesystem getäuscht. Dieses sei so programmiert, dass es bei der Inspektion fälschlicherweise melden würde, dass die Abgassysteme der Automobile ordnungsgemäß funktionieren. Ohne diesen weiteren Betrug hätte das OBD-System einen Fehler melden müssen.

Der Kläger hat behauptet, die streitgegenständliche Programmierung der Motorsteuerungssoftware sei gesetzeswidrig. Darüber hinaus wichen die tatsächlichen NOx-Werte des Fahrzeugs von den gesetzlichen Vorgaben und den Angaben des Herstellers im technischen Datenblatt derart ab, dass die angegebene EU-Schadstoffklasse nicht erreicht würde.

Aus all dem folge die Gefahr der Stilllegung und des Wertverlusts des Fahrzeugs.

Er ist der Ansicht, die Beklagte sei vor dem Hintergrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Inverkehrbringen des Kfz mit den unerlaubten Manipulationen sei als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB zu bewerten. In dem Abschluss des ihm nachteiligen Kaufvertrages liege ein Schaden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.884,31 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung des Herausgabe- und Übereignungsanspruchs bezüglich des Fahrzeugs der Marke BB vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft gegenüber der EE Bank GmbH aus dem Darlehensvertrag vom 3.2.2018, welchen der Kläger mit der EE Bank GmbH hinsichtlich des vorgenannten Fahrzeugs geschlossen hat.

2. Hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke BB vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) durch die Beklagte resultieren

3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1785,82 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der streitgegenständliche Motor Typ1 enthalte keine unzulässige Abschalteinrichtung, in bestimmten Temperaturbereichen müsse die Abgasrückführungsrate aus Motorschutzgründen reduziert werden. Hierbei handele es sich um eine zulässige Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2a VO (EG) 715/2007 und nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Dementsprechend sei auch kein Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch das KBA angeordnet worden. Das KBA habe zudem den streitgegenständlichen Motortyp im Rahmen der Erstellung des Berichts der Untersuchungskommission "BB" in Feldversuchen getestet und keine Hinweise auf Abgasmanipulationen gefunden.

Das entsprechende Vorbringen des Klägers sei zudem nicht hinreichend substantiiert, sodass eine Beweisaufnahme nicht angezeigt sei. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden.

Das Landgericht hat mit dem am 9.11.2020 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger ein deliktischer Schadensersatzanspruch nicht zustehe, weil ihm von der Beklagten nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden sei.

Hinsichtlich des Einbaus eines sogenannten Thermofensters sei das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten. Dabei komme es vorliegend nicht darauf an, ob das installierte Thermofenster eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung darstelle oder nicht. Es müsse hier eine möglicherweise falsche aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung und -anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Eine Sittenwidrigkeit käme nur in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Verwendung des Thermofensters von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschehen sei, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen. Der Vortrag des Klägers, dass auf Seiten der Beklagten das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes, verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben vorhanden gewesen sei, sei nicht nachvollziehbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden. Anders als in den Fällen einer Umschaltlogik, wo sich aufdränge, dass eine solche gesetzeswidrig sei, könne dies für ein Thermofenster nicht ohne weiteres vermutet und damit aus der bloßen Existenz eines solchen nicht auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden. Für ein bewusstes Überschreiten der zulässigen Grenzen eines zum Motorenschutz dienenden Thermofensters gebe es keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Eine Rückrufaktion des KBA existiere für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht. Vielmehr habe das KBA im Gegenteil erklärt, dass der Motorentyp getestet worden sei und sich keinerlei Hinweise auf eine Abschalteinrichtung ergeben hätten.

Auch aus den vom Kläger vorgelegten Studien, die im realen Fahrbetrieb einen höheren Schadstoffausstoß gemessen hätten, folge kein Hinweis auf das Vorliegen einer illegalen Abschalteinrichtung.

Es fehle darüber hinaus an konkretem Vortrag der klagenden Partei dafür, dass es eine Fahrkurvenerkennung mit Einfluss auf die Einhaltung von Emissionswerten gebe.

Bezüglich des Vortrags, das On Board Diagnose System müsse manipuliert sein, unterliege der Kläger einem Zirkelschluss, denn es sei schon nicht hinreichend erklärt worden, dass es eine Manipulation in Form einer Abschalteinrichtung gebe, die jedoch Voraussetzung für eine Manipulation am OBD seien.

Auch für die Behauptung, die Dosierstrategie für AdBlue sei manipuliert, fehle es an einer ersichtlichen Grundlage.

Mangels überprüfbarer Anknüpfungstatsachen sei auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt. Dies würde auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufen, der in der ZPO nicht vorgesehen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Der Kläger beanstandet, dass das Landgericht aufgrund fehlerhafter und unvollständiger Tatsachenfeststellung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ihm keine Schadensersatz- und Rückgewähransprüche gegen die Beklagte zustünden. Zudem beruhe das erstinstanzliche Urteil auf Rechtsfehlern.

Bereits erstinstanzlich sei vorgetragen worden, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über unzulässige Abschalteinrichtungen verfüge. Die Beklagte habe sich bewusst an den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) orientiert und die Motorsteuerungssoftware dergestalt optimiert, dass nur bei Vorliegen der NEFZ-Bedingungen die Stickoxid-Emissionen auf ein Minimum reduziert würden. Außerhalb der NEFZ-Bedingungen, im Realbetrieb, stiegen die Stickoxid-Emissionen massiv an.

a)

Bei dem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Zykluserkennung implementiert.

b)

Darüber hinaus sei neben der innermotorischen Abgasmanipulation auch die Abgasnachbehandlung in Gestalt des SCR-Katalysators manipuliert. Nur während des Durchfahrens des NEFZ würde eine erhöhte Menge an benötigtem Harnstoff (AdBlue) dem SCR-System beigemischt, während dies im Realbetrieb nicht erfolge.

c)

Zudem sei eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters implementiert. Die Abgasrückführung würde bei kühleren Temperaturen zurückgefahren und schließlich ganz abgeschaltet. Die Abgasreinigung in dem Fahrzeug würde reduziert, wenn die Lufttemperatur außerhalb des NEFZ Temperaturfensters von 20-30° liege. Hierdurch erhöhe sich der Stickoxidausstoß im normalen Straßenbetrieb.

Das Landgericht habe den umfangreichen erstinstanzlichen Vortrag des Klägers zum Einbau des Thermofensters und der hierdurch vorliegenden vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt.

Eine Auseinandersetzung mit der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Zykluserkennung sei überhaupt nicht erfolgt.

Das Urteil beruhe mithin auf Verfahrensfehlern gemäß § § 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nummer 4, 540 ZPO. Da das Gericht sich nicht mit der Zykluserkennung auseinandergesetzt habe, sei erhebliches Parteivorbringen nicht berücksichtigt worden. Dies sei eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Es liege ein Verfahrensmangel vor.

Die Beklagte habe die Installation der Zykluserkennung hinsichtlich eines Pkw2 (Typ1, Euro 6) in einem Verfahren vor dem OLG Köln auch bereits eingeräumt. Dies sei auch erstinstanzlich als Anlage K 17 vorgetragen worden. Diese Sachlage führe zumindest dazu, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe.

Auch bei dem Thermofenster handelte es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Diese sei hier auch nicht ausnahmsweise zulässig.

Bei zutreffender Anwendung der dargelegten Normen hätte der Klage nach der Ansicht des Klägers stattgegeben werden müssen. Ein Anspruch aus § 826 BGB sei zu bejahen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 32.839,78 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs der Marke BB vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft sowie Abtretung des Übereignungsanspruchs gegenüber der EE Bank GmbH aus dem Darlehensvertrag vom 3.2.2018 mit der Vorgangnummer (...), welchen der Kläger mit der EE Bank GmbH hinsichtlich des vorgenannten Fahrzeugs geschlossen hat.

2. hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.961,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie den Kläger von weiteren Kosten in Höhe von 16.443,80 € freizustellen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs der Marke BB vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft sowie Abtretung des Übereignungsanspruchs gegenüber der EE Bank GmbH aus dem Darlehensvertrag vom 3.2.2018 mit der Vorgangnummer (...), welchen der Kläger mit der EE Bank GmbH hinsichtlich des vorgenannten Fahrzeugs geschlossen hat.

3. hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke BB vom Typ Pkw1 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) (...) durch die Beklagte resultieren.

4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.

5. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1785,82 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte in der Berufungserwiderung aus, die Berufung sei unbegründet. In dem Motoraggregat Typ1 gebe es keine Umschaltlogik, die die Abgasaufbereitung auf dem Prüfstand optimiere. Zudem sei eine Zykluserkennung nicht vorhanden. Das Fahrzeug sei bereits ohne Fahrkurvenerkennung produziert und an den Kläger ausgeliefert worden.

Das KBA habe zwischenzeitlich in diversen Parallelverfahren gegenüber Gerichten in amtlichen Auskünften bestätigt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp sowie generell in Fahrzeugen mit dem Motor Typ Typ1 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden seien (Anlagen B1 und B2, Anlagenband Beklagte). Der Einsatz einer Fahrkurve sei als solcher auch nicht unzulässig, die Nutzung sei nur dann verboten, wenn die Fahrkurve gezielt zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte genutzt würde. Die von dem Kläger erwähnte Rückrufaktion an bestimmten T6 Fahrzeugen stehe nicht im Zusammenhang mit dem Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern betreffe lediglich eine technische Konformitätsabweichung, die von der Beklagten bei eigenen Untersuchungen festgestellt worden sei. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei hiervon nicht betroffen. Das KBA habe bei dem Modell T 6 gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern eine Konformitätsabweichung festgestellt, dies ergebe sich schon aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 17 a (Anlagenband). Zudem seien auch im Rahmen der Felduntersuchungen des KBA zu Typ1 EU6 und EU5 -Motoren keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt worden (Anlage B7, Anlagenband Beklagte). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der internen Applikationsrichtlinie (Anlage B8).

Auch das Thermofenster stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar und könne somit auch keine Ansprüche der Klagepartei begründen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1)

Vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien bestehen nicht, in Betracht kämen folglich alleine Ansprüche auf deliktischer Grundlage. Allerdings sind die Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung der Beklagten hier nicht gegeben.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB, weil ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten nicht festgestellt werden kann, und zwar weder hinsichtlich eines vorhandenen Thermofensters noch hinsichtlich einer Prüfstands-/Fahrkurvenerkennung/Abschaltsoftware oder einer Manipulation des SCR Katalysators.

Zuzugeben ist dem Kläger, dass das Landgericht zwar im Urteil Ausführungen zum Thermofenster und der manipulierten AdBlue Einspritzung und dem angeblich ebenfalls manipulierten Bordkontrollsystem gemacht hat, sich jedoch nicht mit der von dem Kläger behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Zykluserkennung/Prüfstanderkennungssoftware, auseinandergesetzt hat.

Der Kläger kann einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch jedoch auf keine der vorhandenen Funktionen stützen.

Zwar dient die in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandene "Umschaltlogik" (s. Anlage B1, Anlagenband Beklagte) unstreitig der Erkennung der Prüfstandsituation, das allein macht sie aber - genauso wie das Thermofenster - weder unzulässig noch zu Abschalteinrichtungen, insbesondere auch nicht zu unzulässigen Abschalteinrichtungen.

Dass die Beklagte diese Funktionen zur Prüfstandserkennung installiert hat, scheint in der Tat auf den ersten Blick für den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen zu sprechen; insofern war der Sachvortrag der Kläger im Ausgangspunkt schlüssig und zunächst auch hinreichend substantiiert. Die Beklagte hat hierauf indes in erheblicher Weise erwidert.

Dass die von dem Kläger aus dem Vorhandensein der Prüfstandserkennungsfunktionen, dem Thermofenster, der AdBlue-Einspritzung und dem On-Board-Diagnosesystem gezogenen Schlussfolgerungen nicht zutreffend sind, ist durch eine Reihe amtlicher Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) belegt (Anlagen B 1 und B2, Anlagenband Beklagte, Auskunft vom 11.2.2021 an das Oberlandesgericht Oldenburg im Verfahren 14 U 322/19, Bd. II, Blatt 95 ff.). In allen Auskünften hat das KBA die Darlegung der Beklagten bestätigt, dass nicht jede Funktion, die der Erkennung des Prüfstands dient, unzulässig ist. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liegt vielmehr nur vor, wenn die Erkennung des Prüfstands Auswirkungen auf die Steuerung der Abgasemissionen des Fahrzeugs hat, wenn also - wie bei dem ebenfalls von der Beklagten entwickelten Motor Typ2 - auf dem Prüfstand ein anderes (besseres) Emissionsverhalten bewirkt wird als im sonstigen Fahrbetrieb.

Das KBA hat die Motoren der Reihe Typ1 umfassenden Untersuchungen unterzogen und dabei keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.

Dies ist zum einen aus dem von der Beklagten vorgelegten sowie allgemein zugänglichen Bericht der Untersuchungskommission "BB" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom April 2016 ersichtlich. Zum anderen ergibt sich aus den als Anlagen B1 und B2 vorgelegten Auskünfte des KBA, dass bei Fahrzeugen mit dem Motortyp Typ1 keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde. Die amtliche Auskunft an das Landgericht Bayreuth vom 15.12.2020 (Anlage B1, Anlagenband Beklagte) bezieht sich ausdrücklich auf einen Pkw Typ Pkw1, also genau den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp.

Der Kläger stützt seine Behauptung, die Beklagte habe in ihrem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen installiert, im Wesentlichen auf die vorstehend bezeichneten, Funktionen zur Erkennung des Prüfstands, die SCR-Regulation, dass On-Board-Diagnosesystem sowie das Thermofenster. Das reicht jedoch im Lichte des Vorbringens der Beklagten sowie der bereits zitierten amtlichen Auskünfte des KBA als hinreichend substantiierte Behauptung nicht aus, um eine Beweiserhebung (insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens) zu veranlassen. Es handelt sich angesichts des Beklagtenvorbringens sowie der Erklärungen des KBA vielmehr um unbeachtliche Behauptungen ins Blaue.

Der Kläger zieht aus dem Vorhandensein der Prüfstandserkennungsfunktionen den Schluss, diese müssten der Emissionssteuerung gedient haben. Dieser Schluss ist aber nach den Feststellungen des KBA nicht gerechtfertigt, sondern widerlegt.

In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht auf das bekannte obiter dictum des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dessen Beschluss vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 - (juris Rn. 4 ff.) stützen; der Bundesgerichtshof hat dort u.a. festgehalten, greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung seien nicht erst dann gegeben, wenn das KBA auch bezüglich Fahrzeugen der betreffenden Herstellerin oder gar des konkreten Fahrzeugtyps des (dortigen) Klägers eine Rückrufaktion angeordnet habe (BGH, a.a.O., Rn. 13).

Hier verhält es sich genau andersherum: Das KBA hat nicht etwa noch nicht eine Rückrufaktion angeordnet, sondern es hat den streitgegenständlichen Motortyp bereits umfassenden Untersuchungen unterzogen, dabei keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und deshalb keinen Rückruf angeordnet. Dabei hat es gerade auch die hier von dem Kläger inkriminierten Funktionen berücksichtigt; die vorgenommenen Untersuchungen haben nach den amtlichen Auskünften des KBA gezeigt, dass diese Funktionen keinen Einfluss auf die Steuerung der Emissionen haben. Unter diesen Umständen ist die Behauptung des Klägers, es sei gleichwohl das Gegenteil der Fall, eine unbeachtliche Behauptung ins Blaue.

Da bereits hinsichtlich des objektiven Tatbestands der - allein in Betracht kommenden - Ansprüche auf deliktischer Grundlage nicht hinreichend substantiiert vorgetragen wurde, sind die weiteren Ausführungen des Klägers zu einem Vorsatz der Beklagten bzw. der für sie verantwortlich Handelnden obsolet.

2)

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 709 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.