Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.10.2003, Az.: 8 U 151/03

Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung bei dem Erwerb einer gekauften Eigentumswohnung; Zustandekommen eines Beratungsvertrages; Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung zum Abschluss eines Beratervertrages; Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen einer fehlerhaften Beratung und dem Schaden durch den Abschluss eines nachteiligen Kaufvertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.10.2003
Aktenzeichen
8 U 151/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 30068
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:1029.8U151.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 06.06.2003 - AZ: 7 O 597/03

Fundstelle

  • VersR 2004, 1045 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

1) Die Firma ...,
vertr. durch den Vorstand ... und ..., ..., ...

2) Die ... Bausparkasse ...,
vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch ... und ..., ..., ...

Prozessgegner

1. Frau ..., ..., ...,
2. Herr ..., ..., ...

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 29. Oktober 2003
beschlossen:

Tenor:

Die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 6.6.2003 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils zu Ziff. 1) wie folgt berichtigt wird:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu Händen eines von den Klägern zu beauftragenden Notars 93.055,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübertragung des Grundstückanteils von 11/1.000stel Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum der im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten, im 6. Obergeschoss 4 gelegenen Eigentumswohnung, ..., ..., eingetragen im Grundbuch von ..., Blatt ..., gemäß den in der Klageschrift vom 21.10.2002 zu Ziff. 1, 2. bis 5. Absatz, angebotenen Erklärungen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der durch die Streithilfe verursachten Kosten. Diese trägt die Streithelferin der Beklagten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 98.055,12 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

2

Mit ihren Berufungen verfolgen die Beklagte und ihre Streithelferin ihr Begehren auf Klageabweisung weiter. Sie tragen unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, dass den Klägern kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung bei dem Erwerb der von ihnen gekauften Eigentumswohnung zustehe.

3

Die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin sind gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

4

Wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 24.9.2003 im Einzelnen ausgeführt hat, bieten die Berufungen der Beklagten und ihrer Streithelferin keine Aussicht auf Erfolg. Auf diese Ausführungen wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen.

5

Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 16.10.2003 und ihrer Streithelferin im Schriftsatz vom 24.10.2003 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

6

I)

Der Senat bleibt auch unter Beachtung der ergänzenden Ausführungen der Beklagten bei seiner Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Daran ändert auch nichts, dass die Kläger mit einer Tochtergesellschaft der Firma ... einen formularmäßigen Immobilenvermittlungsvertrag geschlossen haben. Denn die Beklagte hat der Firma ... sowie ihren Untervertretern bei den Verhandlungen mit den Klägern freie Hand gelassen und sie mit der Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen betraut. Dies genügt um die Untervertreter der Firma ... selbst dann als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen, wenn sie als Makler für die Kläger tätig gewesen sind (vgl. BGH NJW 2001, 2022). Im vorliegenden Fall war die individuelle Beratung der Kläger anhand der Berechnungsbeispiele zudem wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen. Dies genügt für die stillschweigende Bevollmächtigung des Maklers zum Abschluss des Beratervertrages und die Kundgabe seines Willens, die Beratung für die Beklagte als Verkäuferin zu übernehmen und auszuführen (vgl. BGH, a.a.O.). Der BGH hat zwar in seiner neusten Entscheidung vom 14.3.2003 (NJW 2003, 1811 ff., 1812) [BGH 14.03.2003 - V ZR 308/02] unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung ausgeführt, dass für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung zum Abschluss eines Beratervertrages dann keine strengen Anforderungen zu stellen seien, wenn der Käufer seinerseits keinen Maklerauftrag erteilt habe. Dies schließt aber unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls, in dem die Kläger mit den Untervertretern der Vertriebsfirma nur formularmäßig einen Immobilienvermittlungsvertrag über schon zum Verkauf bestimmte Eigentumswohnungen geschlossen haben, nicht aus, dass mit der Beklagten als Verkäuferin ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Im vorliegenden Fall sind nicht die Kaufinteressenten an die Mitarbeiter der Vertriebsfirma herangetreten, sondern diese im Rahmen eines von der Beklagten gewollten Strukturvertriebes an die Erwerber. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls schließt daher der Abschluss des Immobilienvermittlungsvertrages das konkludente Zustandekommen eines Beratungsvertrages mit der Beklagten nicht aus. Denn angesichts des von der Beklagten gewollten Strukturvertriebes sind die Firma ... und ihre Tochtergesellschaften allein im Verantwortungsbereich der Beklagten und nicht auf Seiten der Kläger tätig geworden. Ihre Beratungspflicht als Erfüllungsgehilfen der Beklagten ist daher durch den Abschluss des Immobilienvermittlungsvertrages nicht entfallen.

7

Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Senats i.S. von § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erfordert. Denn der Senat weicht unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht von der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH ab. Das OLG Celle hat zwar in der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung vom 30.9.2003 in einem vergleichbaren Fall das Zustandekommen eines Beratungsvertrages mit der Beklagten verneint. Ungeachtet des Bestehens von Unterschieden zu dem hier zu entscheidenden Fall im tatsächlichen Bereich und im Parteivorbringen ist aber keine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn das OLG Celle ist auf die genannte neueste höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH nicht eingegangen und hat selbst eine Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

8

II)

Es besteht unter Beachtung der ergänzenden Ausführungen der Beklagten und ihrer Streithelferin in ihren Stellungnahmen zu dem Hinweisbeschluss des Senats auch keine Veranlassung die Auffassung zu ändern, dass im vorliegenden Fall eine fehlerhafte Beratung der Kläger gegeben ist, die für den Kauf der Eigentumswohnung ursächlich war.

9

1)

Wie der Senat in dem Hinweisbeschluss im Einzelnen ausgeführt hat, waren die Beispielsrechnungen einmal insoweit fehlerhaft, dass darin die enorme Steigerung der Ansparleistungen auf die lange Laufzeit der beiden gestaffelten Bausparverträge nicht verdeutlicht worden sind. Daran wird auch unter Beachtung der von der Streithelferin vorgelegten Beschlüsse des 9. Senats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30.9.2003 (9 W 28/03) und des Kammergerichts vom 10.4.2003 (20 W 154/03) festgehalten. Denn - wie sich auch aus dem Beschluss des Kammergerichts ergibt - konnten die Kläger die genaue Höhe der Steigerung der Ansparleistungen erst aus dem Darlehensvertrag erkennen. Die Kläger hatten von dem Inhalt des Darlehensvertrages aber vor Abschluss des Kaufvertrages keine Kenntnis. Im übrigen betreffen die genannten Beschlüsse nur das Verhältnis der Käufer zu der finanzierenden Bank und nicht die hier in Rede stehenden Aufklärungspflichten im Verantwortungsbereich der Beklagten als Verkäuferin und sind lediglich im Rahmen der vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten von Vollstreckungsgegenklagen gegen die finanzierende Bank ergangen.

10

Unter diesen Umständen weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab, so dass auch insoweit die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Senats i.S. von § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erfordert.

11

2)

Soweit die Beklagte weiterhin den von den Klägern vorgetragenen Inhalt der mit ihnen geführten Beratungsgespräche mit Nichtwissen bestreitet, bleibt es dabei, dass dieses Bestreiten unzulässig ist. Denn die Untervertreter der Firma ... und deren Hilfspersonen sind angesichts des von der Beklagten selbst initiierten Strukturvertriebes in dem Verantwortungsbereich der Beklagten tätig geworden und die Beklagte konnte und kann sich ohne große Mühen Informationen von den ihr namentlich bekannten Hilfspersonen besorgen. Insoweit konnte die Beklagte auch ohne weiteres ihr Vorbringen zu der Beratung der Kläger konkretisieren. Vor diesem Hintergrund weicht der Senat unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht von der in dem Hinweisbeschluss genannten Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen ab. Auch im Hinblick darauf ist daher eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.

12

3)

Wie in dem Hinweisbeschluss im einzelnen ausgeführt worden ist, reicht im übrigen das pauschale Vorbringen der Beklagten und ihrer Streithelferin, die Kläger seien über die Risiken ihrer Anlageentscheidung aufgeklärt worden, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht aus, um ein Mitverschulden der Kläger zu begründen.

13

4)

Die Beratung der Kläger war auch fehlerhaft, soweit die Kläger nicht über die Höhe der Ausschüttungen aus dem Mietpool aufgeklärt worden sind.

14

Die Kläger haben im ersten Rechtszug verdeutlicht, dass schon in den Jahren 1997 und 1998 die Ausschüttungen aus dem Mietpool nicht die in den Berechnungsbeispielen genannte Höhe erreicht haben. Die Beklagte, die dies nunmehr bestreitet, räumt selber ein, dass jedenfalls ein gewisser Rückgang der Mieteinnahmen eingetreten ist. Im übrigen kann ein Zurückweisungsbeschluss nach dem Wortlaut des § 522 Abs. 2 ZPO und nach dem Zweck der ZPO-Reform, unnötig richterliche Arbeitskraft durch intensive Befassung mit unbegründeten Berufungen zu binden, auch auf Gründe gestützt werden, die nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils waren, die aber im Ergebnis das angefochtene Urteil als richtig erweisen (vgl. OLG Rostock MDR 2003, 1073 [OLG Rostock 11.03.2003 - 3 U 28/03]).

15

III)

Entgegen der Meinung der Beklagten ist im vorliegenden Fall der Kausalzusammenhang zwischen der fehlerhaften Beratung der Kläger und dem Schaden durch den Abschluss des für sie nachteiligen Kaufvertrages, für den eine Vermutung besteht, nicht widerlegt worden. Angesichts der aus dem Darlehensantrag und den Berechnungsbeispielen ersichtlich beschränkten finanziellen Möglichkeiten der Kläger war ein Immobilienerwerb für sie nur dann sinnvoll, wenn sich daraus keine nachhaltige Beeinträchtigung der sonstigen Lebensführung ergab. Diesen Umstand war bei der vertraglich geschuldeten Beratung der Kläger Rechnung zu tragen. Tatsächlich sind mit dem Erwerb der Eigentumswohnung durch den Abschluss der beiden Bausparverträge und dem Beitritt zu dem Mietpool auf lange Dauer Belastungen verbunden, die offenkundig für die Kläger ein sinnvolles Geschäft ausschließen.

16

Der Abschluss des Darlehensvertrages, aus dem zudem nur die Belastungen aus den Bausparverträgen ersichtlich waren, hatte - wie in dem Hinweisbeschluss ausgeführt worden ist - auf den Abschluss des Kaufvertrages keinen Einfluss, so dass darin auch keine Bestätigung des Kaufvertrages i.S. von § 144 BGB gesehen werden kann.

17

IV)

Das Vorbringen der Beklagten zu einem auf den bezifferten Schaden anzurechnenden Steuervorteil und eventueller Mieteinnahmen der Kläger ist verspätet. Denn die Beklagte war insoweit für einen Vorteilsausgleich, der hier bezüglich der als Schaden geltend gemachten Erwerbskosten nicht offensichtlich ist, darlegungs - und beweispflichtig. Etwas anders könnte nur gelten, wenn die Kläger einen Verdienstausfallschaden geltend gemacht hätten (vgl. BGH NJW 1987, 1814 f.). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.

18

Der Senat weicht insoweit nicht von der genannten Rechtsprechung des BGH ab. Denn der BGH hat in dem genannten Urteil vom 10.2.1987 (VI ZR 17/86) lediglich ausgeführt, dass in dem von ihm zu entscheidenden Fall der Geltendmachung eines Verdienstausfallschadens der Geschädigte die Darlegungs - und Beweislast für die mit der Entstehung des Schadens verbundenen unfallbedingten steuerlichen Vorteile hat. Im vorliegenden Fall ist dagegen nicht ersichtlich, dass die Kläger bezüglich der als bezifferten Schaden geltend gemachten Erwerbskosten steuerliche Vorteile oder Vorteile durch Mieteinnahmen hat/hatte. Denn sie haben auch im größeren Umfang Finanzanzierungskosten zu tragen. Vor diesem Hintergrund ist auch insoweit keine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

19

V)

Die Sachbehandlung durch den Senat beeinträchtigt auch nicht das Recht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Der Gesetzgeber hat durch die Schaffung des § 522 ZPO den Rechtsmittelzug begrenzt. Durchgreifende Bedenken hiergegen bestehen nicht, da ein bestimmter Instanzenzug von Verfassungs wegen nicht garantiert ist (vgl. BVerfG NJW 2003, 1924 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]).

20

VI)

Der Senat hat entsprechend § 319 ZPO den Tenor des angefochtenen Urteils berichtigt. Denn in dem Tenor wird auf die in dem Tatbestand des Urteils genannten Klageanträge Bezug genommen, die dort nicht aufgeführt worden sind. Insoweit ergibt sich aber aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.5.2003, dass der Kläger die Anträge aus der Klageschrift vom 14.3.2003 gestellt hat.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97, 101 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 98.055,12 EUR festgesetzt.