Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 07.10.2003, Az.: 12 UF 57/03
Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit nach Scheidung einer kurzen Ehedauer; Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt nach einer Scheidung; Quotenmäßige Haftung eines nicht ehelichen Vaters eines Kindes neben einem weiteren Unterhaltsschuldner; Wirksamkeit eines Anerkenntnisses; Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs wegen der Anrechnung einer Versorgungsleistung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 07.10.2003
- Aktenzeichen
- 12 UF 57/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 30107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2003:1007.12UF57.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lingen - 17.06.2003 - AZ: 19 F 282/02 UE
Rechtsgrundlagen
- § 1361 Abs. 1 BGB
- § 1615 l BGB
Fundstelle
- FamRZ 2004, 705-706 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
A.J.,F.L.
Rechtsanwalt B.M.L.
Prozessgegner
N.J.,G.D.
Rechtsanwältin J.G.M.L.,
In der Familiensache hat
der 12. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17. Juni 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Januar bis März 2003 Trennungsunterhalt von insgesamt 900 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 9/10, der Beklagte 1/10 der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Trennungsunterhalt ab September 2002.
Die Parteien haben am 03.08.01 geheiratet und sich am 01.08.02 getrennt. Am 30.08.02 haben sie schriftlich vereinbart, dass der Beklagte ab Oktober 2002 monatlich 300 EUR an die Klägerin bis zur Ehescheidung zahlt. Diese Vereinbarung hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 02.09.02 angefochten. Unstreitig hat der Beklagte im Jahr 2002 für die Monate September bis November je 300 EUR gezahlt. Weitere im Februar 2003 gezahlte 300 EUR hat die Klägerin auf ihren Unterhaltsanspruch für Dezember 2003 verrechnet.
Im August 2002, nach der Behauptung des Beklagten schon davor, nahm die Klägerin eine Beziehung zu Alexander Schilenko, einem Studenten, auf, der von seinen Eltern unterhalten wird. Mit ihm lebt sie seit Oktober 2002 zusammen, seit April 2003 in Düsseldorf. Aus dieser Beziehung ist die am 21.05.03 geborene Tochter E. hervorgegangen.
Der Beklagte arbeitet bei einem Bauunternehmen, bei dem er im Jahr 2002 monatlich (bereinigt) rund 1.874 EUR netto verdiente; seit Anfang 2003 hat er wegen des geänderten Steuersatzes ein geringeres Einkommen.
Die Klägerin war von November 2001 bis September 2002 als geringfügig Beschäftigte in einer Bäckerei tätig und erhielt monatlich rund 300 EUR netto. Seit Mai 2003 bezieht sie, wie sie in der Berufungsverhandlung eingeräumt hat, Sozialhilfe.
Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 17.06.03, auf dessen Inhalt (Bl. 122 bis 125 d.A.) verwiesen wird, zu folgendem Trennungsunterhalt verurteilt:
- von September bis Dezember 2002 monatlich 685 EUR abzüglich gezahlter 300 EUR, insgesamt 1.540 EUR,
- und ab Januar 2003 monatlich 555 EUR.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die Klagabweisung.
Er wiederholt seine Behauptung, die Klägerin habe die den Ratenzahlungsverpflichtungen (monatlich 130,93 EUR) zu Grunde liegenden Bestellungen vor der Trennung aufgegeben; diese Zahlungsverpflichtungen seien deshalb als ehebedingt zu berücksichtigen. Er meint, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr. 6 oder 7 BGB verwirkt, jedenfalls müsse sie sich für Versorgungsleistungen ihres neuen Partners monatlich 425 EUR anrechnen lassen.
Die Klägerin tritt dem entgegen.
II.
Die Berufung hat überwiegend Erfolg. Der Beklagte ist der Klägerin lediglich im nunmehr ausgeurteilten Umfang gemäß § 1361 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet.
Nachdem sich die Parteien nach knapp einjähriger Ehe am 01.08.02 getrennt haben, hätte die Klägerin ihre geringfügige Beschäftigung alsbald auf eine vollschichtige Tätigkeit ausdehnen müssen. Dann hätte sie ihren Unterhalsbedarf jedenfalls ab September 2002 abdecken können. Auf die Möglichkeit, ihren Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, hätte sie nach § 1361 Abs. 2 BGB angesichts der kurzen Ehedauer (vgl. dazu BGH NJW 01, 973 [BGH 29.11.2000 - XII ZR 212/98]) und der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehegatten verwiesen werden können. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Wohnbedarf der Klägerin ab September 2002 dadurch gedeckt war, dass sie zu ihrem neuen Partner gezogen ist und dort kostenfrei wohnen durfte. Für die Zeit unmittelbar nach der Trennung schuldet der Beklagte daher Unterhalt nur im Rahmen seines Anerkenntnisses. Der Beklagte hat sich am 30.08.02 schriftlich bereit erklärt, monatlich 300 EUR ab 15.10.02 zu zahlen. Dieses Anerkenntnis ist auch wirksam. Es ist durch die Anfechtung der Klägerin nicht beseitigt worden. Ihre Anfechtung richtete sich ersichtlich nur gegen einen hiermit verbundenen Verzicht, nicht aber gegen den Teil der Erklärung, der sie lediglich begünstigte. Zudem hat der Beklagte das Anerkenntnis dadurch bestätigt, dass er auch nach der Anfechtung den genannten Betrag gezahlt hat. Erfüllt hat der Beklagte seine Verpflichtung bis einschließlich Dezember 2002. Die Zahlung im Februar 2003 ist auf die zunächst fällige Schuld, mithin auf den offenen Unterhalt für Dezember zu verrechnen.
Die Rechte aus dem Anerkenntnis kann die Klägerin allerdings nur für die Zeit bis einschließlich März 2003 geltend machen. Das Anerkenntnis sollte zwar für die Zeit bis zur Scheidung Gültigkeit behalten. Die Erklärung war aber nach ihrem Sinn und Zweck nur für den Fall abgegeben worden, dass keine wesentliche Veränderung in den für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnissen eintrat. Die Zahlungsbereitschaft des Beklagten bestand - für beide Seiten erkennbar - nur im Hinblick auf die verhältnismäßig geringen Verdienstmöglichkeiten der Klägerin. Sie galt somit nicht für den Fall, dass der Unterhaltsbedarf auf andere Weise gedeckt war. Dieser Fall ist im April 2003 eingetreten, weil nunmehr der neue Partner der Klägerin als Vater der von ihr am 21.05.03 geborenen Tochter neben dem Beklagten unterhaltspflichtig geworden ist. Seine Unterhaltspflicht begann nach § 1615 l Abs. 1 BGB sechs Wochen vor der Geburt, bestand somit bereits für den wesentlichen Teil des Monats April. Soweit die Klägerin wegen der Entbindung oder der Pflege und Erziehung des Kindes einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann, dauert die so begründete Unterhaltspflicht nach § 1615 l Abs. 2 BGB fort. Es ist auch angemessen, dass die Klägerin den neuen Partner allein zur Deckung des Unterhaltsbedarfs heranzieht. Zwar haftet der nicht eheliche Vater im Fall des § 1615 l BGB grundsätzlich nur quotenmäßig neben einem weiteren Unterhaltsschuldner. Dies gilt aber dann nicht, wenn die nicht eheliche Mutter eine sonst mögliche Erwerbstätigkeit allein wegen der Geburt bzw. der Kinderbetretung nicht mehr ausüben kann (Palandt/Diederichsen § 1615 l Rdn. 22 ). Dies ist hier der Fall. Der neue Partner der Klägerin ist auch als leistungsfähig anzusehen. Da er sein Studium ab April 2003 unterbrochen hat, ist er in vollem Umfang erwerbspflichtig. Soweit auf Grund geringer Verdienstmöglichkeiten eventuell ein ungedeckter Bedarf verbleiben sollte, hätte dies von der Klägerin dargelegt werden müssen. Im Übrigen scheitert der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zeit ab April 2003 unabhängig von den vorstehenden Erwägungen auch deswegen, weil sie ohne die Schwangerschaft und die Geburt ihres Kindes in der Lage wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich selbst zu unterhalten. Die Tatsache, dass sie hierzu derzeit nicht im Stande ist, kann sie dem Beklagten nicht entgegenhalten.
Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 6 oder 7 BGB ist hinsichtlich der ausgeurteilten Beträge aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht eingetreten.
Auf die Frage, ob das dem Kläger anzurechnende Einkommen wegen der Ratenzahlungen, die seinen Bestellungen zu Grunde liegen, niedriger anzusetzen ist, kommt es nicht an. Unerheblich ist auch, ob die Klägerin für den ab Mai 2003 geltend gemachten Unterhaltsanspruch noch aktiv legitimiert ist, obwohl sie seitdem Sozialhilfe bezieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.