Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.11.1992, Az.: 3 U 303/91

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.11.1992
Aktenzeichen
3 U 303/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 23336
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1992:1125.3U303.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 23.10.1991 - AZ: - 12 O 221/91

Fundstellen

  • NJW-RR 1993, 1280 (red. Leitsatz)
  • NJW-RR 1993, 500-502 (Volltext mit red. LS)
  • WM 1993, 191-194 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1993, 181-184 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 1992 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 23. Oktober 1991 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts ... (12 O 221/91) unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

    Die Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Kläger 20. 000 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 11. Juni 1991 Zug um Zug gegen Übereignung der im Depot der Beklagten (Nr. 0574554990) geführten Bond ... Anleihe von 1988 zum Nennwert von 20. 000 DM (Kenn-Nr. 485260) zu zahlen.

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30. 000 DM abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

    Die Revision wird zugelassen.

    Wert der Beschwer der Beklagten: 20. 000 DM.

Tatbestand:

1

Die Kläger nehmen die Beklagte wegen unzutreffender Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Kläger waren über 20 Jahre Kunden bei der Beklagten. In dieser Zeit sparten sie Kapital in Höhe von ca. 55. 000 DM an, das sie zeitweise in Form von Festgeld, Sparguthaben, festverzinslichen Bundesschatzbriefen oder mündelsicheren Sparbriefen anlegten. Am 16. März 1989 kauften sie bei der Beklagten eine Anleihe der ... (DM) Limited zum Nennwert von 20. 000 DM, die die Beklagte in ihrer Angebotsliste aufgeführt hatte. Die Anleihe war im Juni 1988 von einer privaten ... Bewertungsgesellschaft in einem sogenannten Rating mit "BB" (spekulativer Titel, unterdurchschnittliche Deckung) bewertet, im Dezember 1988 auf "B" (sehr spekulativ, nur geringe Absicherung von Zinsen und Kapital) herabgestuft und im April 1989, nachdem die Anleihe im März 1989 an der ... zum amtlichen Handel zugelassen worden war, nur noch mit "CCC" (sehr geringe Schuldnerqualität, Insolvenzrisiko nicht auszuschließen) bewertet worden.

3

Die Emittentin kann die Zinsen nicht bezahlen, die Kursnotierung an der ... wurde ausgesetzt, es läuft ein Vergleichsverfahren.

4

Die Kläger haben behauptet, der Mitarbeiter der Beklagten ... habe ihnen den Ankauf der Bond-Anleihe vorgeschlagen und dabei versichert, daß ein Risiko nicht bestehe, weil die Anleihe an der Börse zugelassen sei und die Notierung in DM erfolge. Sie sind der Ansicht gewesen, falsch beraten worden zu sein.

5

Die Kläger haben beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 20. 000 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 11. Juni 1991 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte hat bestritten, daß ... die Risikofreiheit der Anleihe zugesichert habe. Die Kläger hätten in erster Linie eine quellensteuerfreie Anlage kaufen wollen und sich die Bond-Anleihe selbst aus dem ihnen vorgelegten Angebot herausgesucht. ... habe nicht jedes Risiko, sondern nur ein Kursrisiko verneint. Außerdem hätten sich weder aus dem Testat einer großen Wirtschaftsprüfergesellschaft, das unstreitig vorlag, noch aus dem Börsenzulassungsprospekt Hinweise auf Schwierigkeiten der Bond-Gruppe ergeben.

8

Das Landgericht Hannover hat die Klage mit dem am 23. Oktober 1991 verkündeten Urteil, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, abgewiesen, weil die Kläger keinen Beweis für die Zusicherung der Risikofreiheit angetreten hätten und der Beklagten im übrigen eine schuldhafte Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Beratervertrages nicht vorgeworfen werden könne, zumal sie das ungünstige Rating nicht gekannt und auch sonst keinen Wissensvorsprung gehabt habe sowie auf das vorhandene Wirtschaftsprüfertestat und den Börsenzulassungsprospekt habe vertrauen dürfen.

9

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und entsprechend begründete Berufung der Kläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgen.

10

Die Kläger behaupten, der Klägerin zu 1 sei von ... nahegelegt worden, sich mit ihm doch, einmal über günstigere Anlagemöglichkeiten als Sparkonten oder Bonussparverträge zu unterhalten. Sie hätten sich daraufhin gemeinsam bei ... eingefunden, der ihre Aufmerksamkeit auf die in der Angebotsliste der Beklagten aufgeführte Bond-Anleihe gelenkt habe. Die vom Kläger zu 2 geäußerten Bedenken gegen eine ausländische Anleihe habe er mit dem Hinweis zerstreut, die Anleihe sei in DM notiert, könne jederzeit veräußert werden, weise gegenüber deutschen Anleihen wie Bundesschatzbriefen kein Risiko auf und habe zudem den Vorzug einer hohen quellensteuerfreien Rendite. Die Kläger behaupten ferner, keinerlei Erfahrung mit ausländischen Wertpapieren zu besitzen und nur mit der Beklagten in Bankverbindung gestanden zu haben. Sie bestreiten mit Nichtwissen, daß die Beklagte die Veröffentlichung über die Herunterstufung des Rating zum Zeitpunkt der Vertragsvereinbarung nicht gekannt habe.

11

Die Kläger beantragen,

  1. das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte Zug um Zug gegen Übereignung der mit Effektenabrechnung vom 16. März 1989 abgerechneten und von der Beklagten im Eigenhandel den Klägern verkauften Anleihen zu verurteilen, an sie 20. 000 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 11. Juni 1991 zu zahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie ist der Ansicht, den Klägern sei bisher kein Schaden entstanden, weil sich der Wert der Anleihe noch nicht abschliessend beurteilen lasse. Die Beklagte trägt im übrigen vor, ... sei von den Klägern auf die Bond-Anleihe angesprochen worden. Er habe in der Folge keinerlei Bedenken zerstreut, zumal über die Bonität der Bond Corporation und die Risiken, die daraus entstehen könnten, überhaupt nicht gesprochen worden sei. Sie bestreitet mit Nichtwissen, daß die Kläger keine Erfahrung mit ausländischen Wertpapieren gehabt und auch sonst keine andere Bankverbindung unterhalten hätten. Die Beklagte führt weiter aus, sich vor der Aufnahme der Anleiheempfehlung in ihr Beratungsprogramm von der Existenz eines Wirtschaftsprüfertestats und der erfolgten Börsenzulassung überzeugt und sich den Börsenzulassungsprospekt verschafft zu haben. Das Rating der australischen Bewertungsgesellschaft habe sie dagegen nicht gekannt.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Gründe

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Die zulässige Berufung der Kläger ist überwiegend begründet.

16

Den Klägern steht gegen die Beklagte ein sich entweder aus positiver Verletzung eines Beratungsvertrages, einer sonstigen Nebenpflichtverletzung oder Verschulden bei Vertragsschluß ergebender Anspruch auf Zahlung von 20. 000 DM zu.

17

I.

Die Parteien haben anläßlich des Gesprächs am 14. März 1989 einen Beratervertrag abgeschlossen.

18

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt ein Auskunfts- oder Beratungsvertrag zwischen Bank und Kunde zustande, wenn ein Anlageinteressent auf das Angebot einer Bank oder von sich aus an diese herantritt und deutlich macht, daß er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen der Bank in Anspruch nehmen will und die Bank mit der gewünschten Tätigkeit beginnt (vgl. z.B. BGH NJW 1987, 1815 [BGH 04.03.1987 - IVa ZR 122/85] f).

19

2. Demzufolge hat das Landgericht eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien zutreffend bejaht. Sie ergibt sich letztlich aus dem wenngleich unterschiedlichen Vorbringen beider Parteien. Denn nach den oben genannten Grundsätzen spielt es keine Rolle, ob die Kläger von sich aus an die Beklagte herangetreten sind, oder ob sie von dem Mitarbeiter ... der Beklagten angesprochen wurden. Ebensowenig kommt es darauf an, ob sie sich schon selbst für eine bestimmte Anleihe entschieden hatten, oder ob es ihnen noch darum ging, die für sie in Betracht kommenden Anlagemöglichkeiten vorgestellt zu bekommen. Entscheidend ist nur, daß die Kläger bezogen auf die anstehende Anlageentscheidung, die vor allem im Hinblick auf die drohende Quellensteuer getroffen werden sollte, das Wissen der Beklagten nutzen wollten.

20

II.

Selbst dann, wenn man einen Beratungsvertrag verneinen wollte, so ergab sich doch aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsverbindungen die unselbständige Nebenpflicht, die Kläger im Rahmen des Zumutbaren vor Vermögensschäden zu schützen, die ihnen durch nicht auf ausreichende Sachkenntnis gestützte Anlageentscheidungen drohten. Die Beklagte war daneben auch aus vorvertraglichem Schuldverhältnis zur Aufklärung und Beratung verpflichtet, so daß sich ihre Haftung unabhängig von dem Zustandekommen eines Beratungsvertrages jedenfalls wegen der schuldhaften Verletzung vertraglicher Nebenpflichten oder vorvertraglicher Pflichten ergibt.

21

1. Zum Inhalt des entweder aufgrund einer Geschäftsverbindung bestehenden oder erst durch Vertragsverhandlung begründeten Vertrauensverhältnisses gehört im Rahmen der nach Treu und Glauben im redlichen Verkehr zu stellenden Anforderungen auch eine Offenbarungspflicht der Beteiligten für solche Umstände, die für die Entschließung des anderen Teils erkennbar von Bedeutung sind (MünchKomm-Roth, BGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 201 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 242 Rn. 37 m.w.N.).

22

2. Für die Kläger handelte es sich bei dem Geschäft um eine offenkundig wichtige Entscheidung, weil der anzulegende Geldbetrag immerhin einen erheblichen Teil ihrer Lebensersparnisse betraf. Zudem sollte die Anlage aus steuerlichen Gründen möglichst in einer Auslandsanleihe und damit erstmals in einer Form erfolgen, die ihnen trotz der Notierung in DM bisher völlig unbekannt war, so daß sie diesbezüglich keinerlei Erfahrungen hatten. Die Höhe der Ersparnisse der Kläger und die bisherige Anlage dieses Geldes in Form von Festgeld, Sparguthaben, mündelsicheren Sparbriefen sowie Bundesschatzbriefen machte sie im Hinblick auf die hier in Rede stehende Anlageform nicht zu erfahrenen Anlegern, die keiner Aufklärung seitens der Bank bedurften. Einschlägige Erfahrungen mit Auslandsanleihen oder zumindest Industrieanleihen deutscher Emittenten stehen hier nicht in Rede.

23

Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, daß die Kläger keine Erfahrungen mit ausländischen Wertpapieren hatten und sie ihre einzige Bankverbindung bei ihr unterhielten, ist das letztlich unbeachtlich, weil das Bestreiten unsubstantiiert ist. Die Kläger können schlechterdings nicht mehr tun als ihre Unerfahrenheit zu behaupten. Gemäß dem auch im Prozeßrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben wäre es daher Sache der Beklagten gewesen, nähere Anhaltspunkte vorzutragen aus denen etwas anderes zu folgern sein könnte. Erfahrungen mit Börsengeschäften haben die Kläger lediglich beim Erwerb der Bundesschatzbriefe gemacht, mit denen eine Auslandsanleihe ersichtlich nicht vergleichbar ist, mag diese auch in DM notiert sein. Das alles war wovon der Senat überzeugt ist der Beklagten als langjährige Hausbank der Kläger bekannt. Bei dieser Sachlage hätten die Kläger auch ohne den Abschluß eines besonderen Beratungsvertrages Aufklärung und Beratung von der Beklagten erwarten dürfen.

24

III.

Die Beklagte hat die sich aus den zuvor genannten Gründen ergebende Rechtspflicht zur Beratung der Kläger schuldhaft verletzt.

25

1. Den Anlageberater als solche hat sich die Beklagte betätigt trifft nach der ständigen Rechtsprechung die Pflicht zu einer umfassenden, wahrheitsgemäßen, sorgfältigen und vollständigen Information über alle Tatsachen und Umstände, die für die jeweilige Anlageentscheidung des Kunden Bedeutung haben oder haben können (vgl. z.B. BGHZ 74, 103, 106; NJW-RR 1987, 936 [BGH 04.02.1987 - IVa ZR 134/85]; NJW 1982, 1095 [BGH 25.11.1981 - IVa ZR 286/80] f; Palandt/Thomas, a.a.O., § 675 Rn. 7). Der Umfang einer danach bestehenden Aufklärungspflicht kann im Einzelfall durch die persönlichen Verhältnisse eines Beteiligten, wie etwa den Kenntnis- und Erfahrungsstand des Kunden mitbestimmt werden, so daß insbesondere bei unerfahrenen Interessenten gesteigerte Anforderungen bestehen (vgl. z.B. Münchener Kommentar/Roth, a.a.O., § 242 Rn. 201 m.w.N.). Ein Kreditinstitut, das eine Anlageempfehlung in ihr Beratungsprogramm aufnimmt muß darüber hinaus mindestens eine Plausibilitätsprüfung vornehmen (BGHZ 100, 117, 121 f).

26

2. Diesen Anforderungen hat die den Klägern erteilte Information nicht entsprochen. Durch die Aufnahme der Bond-Anleihe in ihr Angebot ohne einschränkenden Zusatz hatte die Beklagte gegenüber ihren Kunden aus deren maßgeblicher Sicht zum Ausdruck gebracht, die Anleihe sei jedenfalls von durchschnittlicher Bonität. Tatsächlich hatte die standardisierte Bonitätsbeurteilung, das sog. Rating, schon im Dezember 1988 nach den auf dem amerikanischen Markt überwiegend gebräuchlichen Abstufungen zu einer Bewertung der Anleihe als "sehr spekulativ mit geringer Absicherung von Zinsen und Kapital" geführt. Objektiv gesehen war die Anleihe damit weit überdurchschnittlich riskant, ohne überhaupt eine entsprechende Rendite zu bieten.

27

Es kommt nicht darauf an, daß die Beklagte dieses Rating durch eine private ... Rating-Gesellschaft nicht gekannt hat. Es kann letztlich auch dahinstehen, ob diese Unkenntnis der Beklagten letztlich als Pflichtwidrigkeit anzulasten ist, wofür die Bedeutung des Rating-Systems im Zusammenhang mit der Anlageberatung sprechen könnte. Denn anders als in Deutschland, wo Ratingsysteme bisher nicht angewendet werden, ist es in anderen Ländern üblich, daß sich jeder Emittent einer Bonitätsbeurteilung in Form des sog. Rating unterzieht. Diese von privaten Agenturen vorgenommene Klassifizierung wird von den dortigen Investoren regelmäßig als Grundlage für ihre Investitionsentscheidung herangezogen (Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, 38. Aufl., Seite 1124). Erst recht gewinnt das Rating, zumal es von einem einheimischen Spezialisten vorgenommen wurde, für die Anlageentscheidung des ausländischen Interessenten und damit auch für die Beratung durch denjenigen besondere Bedeutung, der, ohne die Verhältnisse in einem fremden Land selbst zu kennen, Anleihen eines dort ansässigen Unternehmens anbietet. Insbesondere dort, wo die an sich erforderliche Plausibilitätsprüfung die Erkenntnismöglichkeit des individuellen Anlageberaters übersteigt, drängt sich die Frage nach dieser standardisierten, von spezialisierten Unternehmen durchgeführten Bonitätsprüfung, über deren grundsätzliche Funktion und Bedeutung der Anlageberater zumindest informiert sein müßte, förmlich auf.

28

Aber selbst dann, wenn man die eine Anlageberatung betreibende Bank nicht für verpflichtet hält, sich beim Fehlen sonstiger gleichwertiger Kenntnisse über wesentliche Bonitätsmerkmale Kenntnis vom aktuellen Rating zu verschaffen, so ist die Bank im Rahmen eines Beratungsgespräches, jedenfalls soweit es um von ihr angebotene Auslandsanleihen geht, doch verpflichtet, den beratungsbedürftigen Kunden darüber aufzuklären, welches Risiko er beim Erwerb einer Anleihe grundsätzlich eingeht. Der auskunftsbedürftige Kunde geht, wenn ihm keine gegenteiligen Hinweise erteilt werden, regelmäßig davon aus, daß ihm seine Bank nur Anlagemöglichkeiten anbietet, die allenfalls in einem geringen, vernachlässigungswerten Umfang riskant sind. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof (NJW 1987, 1815, 1817 [BGH 04.03.1987 - IVa ZR 122/85]) wiederholt darauf hingewiesen, daß gerade im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr mit der besonderen Vertrauenswürdigkeit einer Sparkasse gerechnet werde. Die von den Banken auch zu Werbezwecken in Anspruch genommene besondere Vertrauenswürdigkeit fördert eine solche Erwartungshaltung des Kunden. Ihr muß eine Bank, will sie sich nicht treuwidrig verhalten, in den Fällen ausdrücklich begegnen, in denen sie dieses Vertrauen nicht erfüllen kann. Im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Industrieanleihen muß einem insoweit unerfahrenen Kunden daher regelmäßig verdeutlicht werden, daß das eingesetzte Kapital z.B. bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Emittenten grundsätzlich der Gefahr des Verlustes ausgesetzt ist. Kunden die nicht über ausreichende wirtschaftliche Kenntnisse verfügen und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge haben, können das Anlagerisiko sonst nicht einmal im Ansatz richtig einschätzen und keine sachgerechte Entscheidung treffen.

29

Die den Klägern von der Beklagten erteilten Informationen haben diesen Anforderungen nicht entsprochen. Der von ... gegebene Hinweis auf das Fehlen eines Kursrisikos mußte gerade beim Fehlen weiterer Aufklärung bei den insoweit unbedarften Klägern noch den Eindruck verstärken, die Anlageform sei genauso sicher wie die bisherigen Geldanlagen.

30

3. Die Beklagte kann sich auch nicht mit dem Hinweis auf das Vorliegen des Testats einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder auf das Börsenzulassungsprospekt entlasten. Die Tätigkeit des aktienrechtlichen Abschlußprüfers dient keineswegs allein und nicht einmal in erster Linie dem Anlegerschutz. Das bloße Testat bildet deshalb keine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Anlageentscheidung und kann die beratende Bank von weiteren Nachforschungen nicht entheben (so auch Köndgen, zur Theorie der Prospekthaftung, Köln 1983, S. 46 f; derselbe JZ 1987, 723 f und NJW 1992, 2263, 2272).

31

Auf die Einschätzung der Teilnehmer des Emmissionskonsortiums im Börsenzulassungsprospekt durfte sich die Beklagte ebenfalls nicht ohne weiteres verlassen, mag diese auch zur Börsenzulassung geführt haben. Das besondere Risiko, das jedem Auslandsengagement immanent ist, wurde dadurch nicht auf ein unbedeutendes Maß verkleinert. Allein die Tatsache, daß es sich, wie dem sogenannten Börsenzulassungsprospekt entnommen werden kann, bei dem Emittenten um eine Finanzierungsgesellschaft ohne eigenes Produktionsvermögen und ohne eine reale Haftungsmasse handelte, hätte die Beklagte, die insoweit auch einen Informationsvorteil hatte, zur Warnung und Aufklärung in dem oben aufgezeigten Umfang verpflichtet.

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IV.

Für die Frage, welcher Schaden den Klägern durch die Verletzung der genannten Aufklärungs- und Beratungspflichten entstanden ist, ist zu prüfen, wie sich die Dinge bei einer ordnungsgemäßen Beratung entwickelt hätten.

33

In dem Zusammenhang ist zu bedenken, daß die Kläger ihre Spargelder bisher stets nach Sicherheitskriterien angelegt und ausschließlich risikolose Anlagen wie Festgelder, Sparguthaben, mündelsichere Sparbriefe sowie Bundesschatzbriefe bevorzugt hatten. Die Lebenserfahrung spricht eindeutig dafür, daß sie von dem Erwerb der Bond-Anleihe Abstand genommen hätten, wenn sie zutreffend beraten, d.h. auf das erhöhte Risiko hingewiesen worden wären. Nach der von der Beklagten vorgelegten Angebotsliste hätten sie sich dabei nicht einmal mit einer niedrigeren Rendite begnügen müssen, sondern stattdessen auf eine anderen quellensteuerfreie wenn es ihnen darum überhaupt entscheidend gegangen wäre Anleihe mit 6,5 % Rendite ausweichen können. Der Senat sieht es deshalb als erwiesen an, daß sich die Kläger bei sachgerechter Beratung für eine andere, nämlich sichere Anlageform entschieden hätten. Die Darlegungs- und Beweislast für das hypothetische Verhalten der Kläger im Falle pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung hätte unabhängig von der hier ohne weiteres möglichen Feststellung ohnehin der Beklagten oblegen (BGH NJW 1991, 1106 [BGH 27.11.1990 - XI ZR 115/89] f; NJW 1981, 1440 f), die insoweit aber nichts von Erheblichkeit vorträgt.

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Soweit die Beklagte meint, die Anleihen hätten einen wenn auch noch nicht genau bestimmbaren Restwert, kommt dem keine Bedeutung zu. Der Grundsatz der Naturalrestitution verpflichtet sie, die in welchem Umfang auch immer geschädigten Kläger so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Verhalten der Beklagten gestanden hätten. Wie schon ausgeführt, wäre es dann nicht zu einem Erwerb der Bond-Anleihen gekommen, sondern zu einer anderen, das Vermögen der Kläger insoweit erhaltenden Anlageform.

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V.

Der auf entgangenen Gewinn gestützte Zinsanspruch in Höhe von 7,5 % ist nicht näher dargelegt worden. Aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Angebotsliste ist jedoch eine Schätzung auf 6,5 % ohne weiteres möglich, weil diese Rendite bei Wahl eines anderen auch quellensteuerfreien Papiers sicher zu erzielen gewesen wäre.

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VI.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

37

Die Revision ist gemäß § 546 Abs. 1 ZPO zuzulassen, weil der Umfang der Aufklärungspflicht der Bank bei Anlagegeschäften, wie die unterschiedlichen Entscheidungen zur Haftung der Bond-Anleihen vertreibenden Banken zeigen (vgl. z.B. OLG Braunschweig, ZIP 1992, 1463 [OLG Braunschweig 27.01.1992 - 3 U 158/91] mit Anm. von Vortmann in EWiR § 276 BGB 14/92, 965 f; LG Hannover, ZIP 1992 mit Anm. von Staab, EWiR § 276 BGB 4/92, 241 f, 319; LG Hamburg, ZIP 1992, 829 [LG Hamburg 10.01.1992 - 303 O 232/91] mit Anm. von Reifner, EWiR § 242 BGB 1/92, 651 f; LG Frankfurt/M., NJW 1992, 1460; AG Hannover, ZIP 1991, 1353 mit Anm. von Hartung in EWiR, § 276 BGB, 8/91, 1059 f; AG Neuss, EWiR § 276 BGB 1/92, 19 mit Anm. von Potthoff; AG München, EWiR § 276 BGB 5/92, 243 mit Anm. von Feuerborn), von grundsätzlicher Bedeutung ist.