Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 06.02.2014, Az.: 2 B 989/13

erloschene Eigentümergrundschuld; Eigentümergrundschuld; Pfändung einer Geldforderung; Versteigerungserlös

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
06.02.2014
Aktenzeichen
2 B 989/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42679
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Pfändung von Ansprüchen, die durch (Eigentümer-) Grundschulden gesichert sind, ist rechtswidrig, wenn diese Grundschulden nach § 92 ZVG erloschen sind.

Der Anspruch auf Auskehrung eines hinterlegten Versteigerungserlöses kann nach § 45 NVwVG gepfändet werden. Steht der Anspruch jedoch einer ungeteilten Erbengemeinschaft zu und besitzt die Vollstreckungsbehörde Titel nicht gegen alle Miterben, ist die Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach § 18 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 747 ZPO rechtswidrig.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 29. November 2013 – 2 A 988/13 - gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober und 28. November 2013 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.497,26 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober und 28. November 2013.

Der Antragsteller war Eigentümer einer Eigentumswohnung in D., E. x, Blatt F. des Grundbuches von D.. In Abteilung G. waren unter laufenden Nummern y bis z jeweils auf den Antragsteller bezogene Grundschulden eingetragen. Die nominellen Werte betrugen 35.000,00 DM (Nr.y), 25.000,00 DM (Nr. w) und 12.500,00 DM (Nr. z). Die Eigentümergrundschuld zu lfd. Nr. y hatte der Antragsteller am 28. August 2001 an seine Mutter, Frau H. B., abgetreten. Frau B. verstarb am xx.xx.xxxx. Erben sind der Antragsteller und seine Schwester, über deren derzeitigen Aufenthalt nichts bekannt ist. Für diese Wohnung wurde unter dem Az. 75 K 38/12 beim Amtsgericht C. ein Versteigerungsverfahren durchgeführt. Mit Zuschlagsbeschluss vom 25. Oktober 2013 wurde der Grundbesitz für einen zu zahlenden Betrag von 14.100,00 Euro dem neuen Eigentümer zugeschlagen.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 vollstreckte die Antragsgegnerin wegen Forderungen in Höhe von 29.989,06 Euro. Sie pfändete

1. den Anspruch des Vollstreckungsschuldners aus der an die H. B. abgetretenen Eigentümergrundschuld des Grundbuches von D., Blatt F., laufende Nr. y der Abteilung G. als Erbe der H. B.,

2. die mögliche Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen das Amtsgericht C. – Vollstreckungsgericht – auf Auszahlung des Erlösüberschusses bzw. der durch die Verteilung des Versteigerungserlöses auf die o.g. Grundschulden entfallenden Gelder aus dem Zwangsversteigerungsverfahren 75 K 38/12 und

3. die Ansprüche aus den Eigentümergrundschulden in Abteilung G. des Grundbuchs von D., Blatt F. lfd. Nr. w und z sowie das Recht auf Zustimmungserteilung zur Verteilung der Gelder unter den Berechtigten.

Diesem Bescheid lagen im Einzelnen aufgeschlüsselte öffentlich-rechtliche Forderungen in Höhe von 29.989,06 Euro zugrunde. Darunter befinden sich 985,44 Euro wegen Rückforderung von SGB II-Leistungen; ferner diverse Bußgeldforderungen. Aufgrund eines Amtshilfeersuchens des Landkreises I. vom 26. September 2013 vollstreckt die Antragsgegnerin auch dessen Forderungen in Höhe von 27.605,08; diese Forderungen resultieren aus baurechtlichen Maßnahmen des Landkreises I. gegen den Antragsteller. Mit Ausnahme einer Bußgeldforderung vom 29. Juli 2013 in Höhe von 79,90 Euro gibt es in den Akten für alle Forderungen Vollstreckungsaufträge für den Vollstreckungsbeamten der Antragsgegnerin. Vollstreckungsversuche verliefen trotz einer am 13. November 2013 beim Antragsteller aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts C. vom 23. Mai 2013 durchgeführten Hausdurchsuchung fruchtlos.

Mit weiterem Pfändungs- und Einziehungsbescheid vom 28. November 2013 pfändete die Antragsgegnerin wegen einer weiteren Forderung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des beschließenden Gerichts in Höhe von 51,00 Euro dieselben Forderungen wie mit Verfügung vom 28. Oktober 2013.

Auf Antrag des Vollstreckungsgerichts beim Amtsgericht C. vom 9. Januar 2014 wurde Mitte Januar 2014 ein Betrag in Höhe von 11.425,56 Euro für die Antragsgegnerin aus dem oben genannten Versteigerungserlös hinterlegt.

Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 28. Oktober 2013 hat der Antragsteller am 29. November 2013 Klage erhoben und gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Die Verfügung vom 28. November 2013 hat er mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2013 in die Verfahren einbezogen.

Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens führt der Antragsteller im Wesentlichen aus, es lägen der Vollstreckung keine vollstreckbaren Titel zugrunde; das Amtshilfeersuchen des Landkreises I. entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen; die Vollstreckungsklausel sei zu unbestimmt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 29. November 2013 in der Fassung vom 30. Dezember gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober und 28. November 2013 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Vortrag des Antragstellers in der Sache entgegentretend,

den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag ist statthaft, weil die Klage gegen die auf §§ 45 ff. Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz - NVwVG -gestützten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 66 NVwVG keine aufschiebende Wirkung hat.

Der Antrag ist auch begründet.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 28. Oktober und 28. November 2013 sind rechtswidrig.

Soweit mit ihnen in den Regelungspunkten 1. und 3. Ansprüche des Antragstellers aus den unter den laufenden Nummern y bis z in Abteilung G. des Grundbuchblattes F. von D. eingetragenen Eigentümergrundschulden gepfändet werden, ergibt sich das aus folgenden Erwägungen:

Die den vermeintlichen Ansprüchen zugrunde liegenden Grundschulden bestanden im Zeitpunkt der Bekanntgabe der angegriffenen Verfügung gemäß §§ 91 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG nicht mehr. Bestehen die Grundschulden nicht mehr, lassen sich aus ihnen Ansprüche auch nicht ableiten.

Gemäß § 91 Abs. 1 ZVG erlöschen durch den Zuschlag unter den in § 90 Abs. 1 ZVG bestimmten Voraussetzungen die Rechte, welche nicht nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen. Der Zuschlag für die Eigentumswohnung E. xx in D. an den neuen Eigentümer erfolgte am 25. Oktober 2013. Die unter den laufenden Nummern y bis z eingetragenen Eigentümergrundschulden sollten nach den Versteigerungsbedingungen nicht bestehen bleiben. Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 ZVG sind ebenfalls erfüllt, da der Zuschlag nicht im Beschwerdeverfahren rechtskräftig aufgehoben worden ist. Folglich bestanden Grundschulden, aus denen irgendwelche Ansprüche abgeleitet werden könnten, im Zeitpunkt des Erlasses der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht – mehr -.

Selbst wenn sie noch bestanden hätten, wären die Bescheide rechtswidrig. Denn die Pfändung eines Anspruchs, der durch eine Grundschuld gesichert ist, setzt gemäß § 57 Abs. 6 i.V.m. § 46 Abs. 1 NVwVG nicht nur die Pfändung der Geldforderung nach § 45 NVwVG voraus, sondern auch die Aushändigung des Grundschuldbriefes bzw. die Eintragung der Pfändung im Grundbuch. Erst durch den Besitz des Grundschuldbriefes bzw. die Eintragung im Grundbuch wird die Pfändung wirksam (Engelhardt/App, VwVG/VwZG 9. Aufl. § 310 AO Rn. 3; Klein, AO, 8. Aufl. § 310 Rn. 2). Beides ist hier nicht erfolgt, was das Vollstreckungsgericht im Übrigen veranlasst hat, die Hinterlegung des Versteigerungserlöses zu beantragen.

Auch soweit die Antragsgegnerin mit dem jeweils zweiten Punkt ihrer Pfändungs- und Einziehungsverfügungen Ansprüche des Antragstellers auf Auszahlung der auf die unter laufender Nummer y in Abteilung G. des Grundbuchblattes F. von D. über 35.000,00 DM eingetragene Eigentümergrundschuld entfallenden Erlösanteile aus dem Verfahren 75 K 38/12 pfändet, entbehren die Verfügungen der Rechtsgrundlage. Sie verstoßen gegen § 18 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 747 ZPO.

Die genannte Eigentümergrundschuld war vom Antragsteller 2001 an seine Mutter abgetreten worden. Nach deren Tod xxxx bilden nach Aktenlage der Antragsteller und seine Schwester eine ungeteilte Erbengemeinschaft. Für die Vollstreckung gegen Erben gelten gemäß § 18 Abs. 1 NVwVG die Vorschriften der ZPO entsprechend. Gemäß § 747 ZPO ist zur Zwangsversteigerung in einen Nachlass, wenn mehrere Erben vorhanden sind, bis zur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil – entsprechend hier ein öffentlich-rechtlicher Titel – erforderlich. Die Antragsgegnerin vollstreckt indes nur aus Titeln, die sie gegen den Antragsteller erwirkt hat.

Die Kammer hat erwogen, ob sich die oben in Nr. 2 genannte Pfändung eines Erlösüberschusses auch auf die Eigentümergrundschulden der laufenden Nr. w und z beziehen soll, die allein dem Antragsteller zustehen dürften. Dies hat sie verneint. Aus der deutlichen Bezugnahme der Anspruchspfändung auf die „o.g. Grundschulden“ lässt sich eine Bezugnahme nur zu der in Nr. y der Abteilung G. des Grundbuchblattes F. von D. genannten Grundschuld, nicht jedoch auf die – in Anbetracht einer Hinterlegungssumme von 11.425,56 Euro wohl auch wertlosen – Grundschulden Nr. w und z herleiten, die erst an dritter Stelle der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen auftauchen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (hier Tz. 1.7.1).