Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 17.02.2014, Az.: 2 B 31/14

Dublin II; Wiederaufnahmeersuchen; Zuständigkeitserklärung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
17.02.2014
Aktenzeichen
2 B 31/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Art. 16 Abs. 3 Dublin II Verordnung (jetzt: Art. 19 Abs. 2 Dublin III Verordnung) verleiht dem Asylbewerber kein subjektives öffentliches Recht.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 28. Januar 2014 gegen die in den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 AsylVfG zulässig, aber unbegründet.

Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der Prüfung im Eilverfahren als offensichtlich rechtmäßig dar. Denn nach der vorliegenden Aktenlage hat das Bundesamt zu Recht entschieden, dass der am 18.November 2013 in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist, und dessen Abschiebung nach Schweden angeordnet. Daher hat das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten.

Gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Die Klage des Ausländers gegen die Abschiebungsanordnung hat gem. § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung. In Verfahren dieser Art kann einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nach Maßgabe des § 34a Abs. 2 AsylVfG gewährt werden. Hiernach sind Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig.

Maßgeblich für die Frage der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags ist hier noch allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) auf Asylanträge, die vor dem 01. Januar 2014 gestellt worden sind, weiterhin Anwendung. Die unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung ab dem 01. Januar 2014 vorgesehene Anwendbarkeit der Dublin III-VO für Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche bezieht sich jedenfalls nicht auf - wie hier - bereits vor diesem Stichtag gestellte und beantwortete Gesuche (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 9. Januar 2014 - 1 B 7895/13 -, juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 7136/13 -, juris).

Die Zuständigkeit Schwedens für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ergibt sich somit vorliegend aus Art. 13 Dublin II-VO (Generalklausel). Hiernach ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig, sofern sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt. Der Antragsteller hat am 14. Januar 2008 in Schweden einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag ist bestandskräftig abgelehnt worden, woraufhin der Antragsteller eigenen Angaben zufolge Schweden im November 2010 freiwillig verlassen hat, um in sein Heimatland Irak zurückzukehren. Auf das Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 27. November 2013 hat Schweden unter dem 03. Dezember 2013 seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers erklärt.

Mit seinem Vortrag, der Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2014 sei deshalb rechtswidrig, weil Schweden eine Zustimmungserklärung zu seiner Wiederaufnahme nicht habe abgeben dürfen, vermag der Antragsteller nicht durchzudringen. Wenn der Vortrag des Antragstellers zutreffen sollte, Schweden im Jahr 2010 verlassen zu haben und in den Irak gereist zu sein, wäre allerdings die Verpflichtung Schwedens zur Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO erloschen, weil sich der Antragsteller länger als drei Monate außerhalb des Hoheitsgebiets von Schweden aufgehalten hätte. Indes verleiht diese Bestimmung dem Antragsteller ein subjektives öffentliches Recht, auf das er sich in diesem Verfahren berufen könnte, nicht. Die Kammer schließt sich der in der Literatur vertretenen Auffassung an, wonach ein Asylbewerber im Verfahren nach § 34 a Abs. 2 AsylVfG mit Erfolg nur Gründe geltend machen kann, die die Überstellung in einen Mitgliedstaat als Verletzung der EMRK erscheinen lässt. Ansonsten ist es mit dem völkerrechtlichen System der Dublin II- Verordnung unvereinbar, die Richtigkeit einer Zustimmungserklärung durch einen Mitgliedstaat im zwischenstaatlichen Verfahren nach Art. 17 und 18 Dublin II-VO durch nationale Rechtsmittelinstanzen neu aufzurollen. Derartige Fragen lassen sich aber allenfalls im europarechtlichen Vertragsverletzungsverfahren durch den EuGH entscheiden, nicht aber durch nationale Gerichte. Die Dublin II-Verordnung kennt ihrem System nach nicht das Recht des Einzelnen, wonach bei jeder fehlerhaften Anwendung der Verordnung ein subjektives Recht des Einzelnen entstünde, dass sein Verfahren im Antragstaat durchgeführt wird. Umgekehrt ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, sich darüber zu vergewissern, ob sich die schwedischen Behörden zurecht für zuständig erachtet haben (VG Hamburg, Beschluss vom 22.09.2005 -13 AE 555/05-, allerdings ohne nähere Begründung; Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl., Art. 19 Anm. K 10; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 27 a Rn. 40 ff. und § 34 a Rn. 39). Etwas anderes mag gelten, wenn das Konsultationsverfahren und die daraus folgende Zustimmung grob fehlerhaft gewesen ist, etwa, weil der anfragende Staat, hier die Antragsgegnerin, dem ersuchten Staat wichtige Informationen vorenthalten hat; hierfür ist hier nichts ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Januar 2014 und die darin vorgesehene Abschiebung des Antragstellers nach Schweden, verletzt ihn nicht in Rechten, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt sind.

Gesundheitliche, oder sonstige individuelle Gründe die einer Überstellung nach Schweden entgegenstehen könnten, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.

Dem Antragsteller steht auch kein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zu. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Eine Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts kommt in Betracht, wenn die Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedstaat mit Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) bzw. dem gleichlautenden Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar wäre. Denn es obliegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Mitgliedsstaaten wie den nationalen Gerichten, einen Asylbewerber nicht in einen nach der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedsstaat zu überstellen, wenn die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme geben, dass der Asylbewerber im Falle einer Überstellung Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u. a. -, NVwZ 2012, 417 [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]). Derartige systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen in Schweden sind nicht feststellbar und werden auch von dem Antragsteller nicht geltend gemacht

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Da der Antrag keinen Erfolg hat, war der darauf gerichtete Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).